Die Bedeutung des Diakonats im Leben der Kirche

Ansprache bei der Generalaudienz am 6. Oktober 1993

 

1. Neben den Priestern gibt es in der Kirche eine weitere Kategorie von Dienern mit besonderen Aufgaben und Charismen, wie das Konzil von Trient sagt, wenn es vom Weihesakrament spricht: „In der katholischen Kirche gibt es eine heilige Rangordnung, die, nach göttlicher Anordnung eingeführt, aus Bischöfen, Priestern und Dienern besteht" (vgl. DS, 1776). Schon in den Schriften des Neuen Testaments wird die Anwesenheit von Dienern Diakonen bestätigt die sich nach und nach als eine eigene Kategorie im Unterschied zu den Priestern und Bischöfen herausbildeten. Es genügt hier, daran zu erinnern, daß Paulus den Bischöfen und Diakonen von Philippi seinen Gruß übermittelte (vgl. Phil 1,1). Im ersten Brief an Timotheus werden die Eigenschaften aufgezählt die die Diakone besitzen sollten mit dem Hin weis sie zu prüfen bevor man ihnen ihre Aufgaben überträgt Sie sollen einen würdigen und achtbaren Lebenswandel fuhren in der Ehe treu sein ihre Kinder gut er ziehen, ihrer Familie gut vorstehen und „mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten" (vgl. 1 Tim 3,8-13).

In der Apostelgeschichte (6,1-6) ist die Rede vom „Dienst an den Tischen". Wenn auch aus dem Text nicht klar hervorgeht, daß es sich um eine sakramentale Weihe der Diakone handelt, wurde diese Episode in einer langen Tradition als erstes Zeugnis des Diakonats verstanden. Am Ende des 1. Jahrhunderts oder zu Beginn des 2. Jahrhunderts steht die Rolle des Diakons als Stufe der Diensthierarchie bereits fest zumindest in einigen Kirchen.

 

2. Wichtig ist vor allem das Zeugnis des hl. Ignatius von Antiochien, nach dem die Christengemeinde unter der Autorität eines Bischofs lebt dem Priester und Diakone zur Seite stehen Es gibt eine Eucharistie ein Fleisch des Herrn einen Kelch einen Altar, so wie es einen Bischof mit dem Kollegium seiner Mitarbeiter, der Priester und Diakone, gibt" (Ad philad., 4,1). In den Briefen von Ignatius werden die Diakone immer als untere Stufe in der Diensthierarchie genannt: Ein Diakon wird gelobt, weil er „dem Bischof untersteht wie der Gnade Gottes und dem Priester wie dem Gebot Jesu Christi" (Ad Magnes, 2). Trotzdem unterstreicht Ignatius die Bedeutung des Diakonats denn es ist der Dienst Jesu Christi der von Ewigkeit her beim Vater war und in der Fülle der Zeit erschienen ist" (Ad Magnes, 6,1). Als „Diener der Geheimnisse Jesu Christi" ist es notwendig, daß die Diakone „allen in jeder Weise willkommen sind" (ad Trall., 2,3). Als Ignatius den Christen Gehorsam gegenüber dem Bischof und den Priestern empfiehlt, fügt er hinzu: „Achtet die Diakone wie ein Gebot Gottes" (Ad Smyrn., 8,1). Andere Zeugnisse finden wir beim hl. Polykarp von Smyrna (Ad Phil, 5,2), beim hl. Justin (Apol., 1, 65,5), bei Tertullian (De Bapt., 17,1), beim hl. Cyprian (Epist. 15 u. 16) und dann beim hl. Augustinus (De cat. rud., 1, c. 1,1).

 

3. In den ersten Jahrhunderten versah der Diakon liturgische Dienste. Bei der Eucharistiefeier las öder sang er die Lesung und das Evangelium; er übergab dem Zelebranten bei der Opferung die Gaben der Gläubigen; er teilte die Kommunion aus und überbrachte sie denen, die nicht anwesend sein konnten; er überwachte die Gottesdienstordnung und verabschiedete die versammelten Gläubigen. Er bereitete außerdem die Katechumenen auf die Taufe vor, unterrichtete sie und half dem Priester bei der Spendung dieses Sakraments. Unter gewissen Umständen taufte er selbst und übernahm die Predigt. Er beteiligte sich auch an der Verwaltung der Kirchengüter, kümmerte sich um den Dienst an den Armen, den Witwen, den Waisen und um die Gefangenenhilfe.

In der bezeugten Überlieferung wird die Unterscheidung zwischen den Aufgaben des Diakons und denen des Priesters bestätigt. Der hl. Hypolit (2.-3. Jahrhundert) zum Beispiel bekräftigt, daß der Diakon „nicht für das Priestertum, sondern für den Dienst des Bischofs geweiht ist, um das zu tun, was dieser anordnet" (vgl. SCh, 11, 5. 39; Constitutiones Aegypt., III, 2: Ed. Funk. Didascalia. 5. 103; Stctuta Ecclesiae Ant., 37-41: Masi 3,954). In der Tat gehört der Diakonat nach dem Denken und der Praxis der Kirche zum Weihesakrament, hat aber nicht teil am Priestertum selbst und bringt keine wirklich priesterlichen Aufgaben mit sich.

 

4. In der westlichen Kirche erhielt das Priestertum im Laufe der Zeit ehe fast ausschließliche Bedeutung im Hinblick auf den Diakonat, der sich tatsächlich darauf beschränkte, eine Stufe auf dem Weg zum Priesteramt zu sein. Hier ist nicht der Ort, den geschichtlichen Weg aufzuzeigen und die Gründe für solche Veränderungen darzulegen. Vielmehr ist zu unterstreichen, daß auf den Grundlagen der althergebrachten Lehre in unserem Jahrhundert im theologischen und pastoralen Bereich das Bewußtsein von der Bedeutung des Diakonats für die Kirche und damit der Zweckmäßigkeit seiner Wiedereinrichtung als Weihe und bleibender Lebenstand immer mehr gewachsen ist. Auch Papst Pius XII. wies in seiner Ansprache an den zweiten Weltkongreß des Laienapostolats (5. Oktober 1957) darauf hin und betonte, daß die Idee einer Wiedereinführung des Diakonats als eigenes Amt im Unterschied zum Priestertum zu jener Stunde noch nicht reif genug sei, daß sie jedoch zu verwirklichen wäre und daß in jedem Fall der Diakonat in den von der ältesten Tradition festgesetzten Gesamtrahmen des hierarchischen Dienstes gestellt würde (vgl. Discorsi e Radiomessaggi die Sua Santità Pio XII, vol. XIX, 5. 458).

Die Idee reifte während des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils, das die Vorschläge der vorhergegangenen Jahre berücksichtigte und die Wiedereinrichtung beschloß (vgl. Lumen Gentium, Nr. 29).

Papst Paul VI. führte das aus und ordnete kanonisch und liturgisch alles, was den Diakonat betraf (vgl. Sacrum Diaconatus Ordinem: 18. Juni 1967; Pontificalis Romani recognitio: 17. Juni 1968; Ad pascendum: 15. August 1972)

 

5. Die Gründe, in denen die Vorschläge der Theologen und die konziliaren und päpstlichen Beschlüsse wurzelten, waren hauptsächlich zwei: vor allem die Zweckmäßigkeit daß gewisse karitative Dienste auf die Dauer sichergestellt von Laien die sich bewußt dem Dienst der evangelischen Sendung der Kirche widmen, konkrete Gestalt annehmen sollten die durch eine offizielle Weihe anerkannt ist. Außerdem war es notwendig dem Priestermangel abzuhelfen und viele nicht direkt mit dem Pastoraldienst der Priester verbundenen Aufgaben zu erleichtern. Es fehlte nicht an solchen Menschen die im ständigen Diakonat eine Art Brücke zwischen Hirten und Gläubigen sahen

Klar ist daß durch diese mit geschichtlichen Umständen und pastoralen Ausblicken verbundenen Beweggrunde der Heilige Geist die Hauptperson im Leben der Kirche geheimnisvoll am Werk war und eine neue Verwirklichung der vollständigen Hierarchie herbeiführte die traditionsgemäß aus Bischöfen Priestern und Diakonen bestand. Die Christengemeinden wurden auf diese Weise neu belebt und entsprachen mehr jenen blühenden Gemeinschaften die von den Aposteln in den ersten Jahrhunderten immer unter dem Antrieb des göttlichen Beistands geschaffen worden waren wie die Apostelgeschichte bestätigt.

 

6. Eine Forderung, die beim Beschluß der Wiedereinrichtung des ständigen Diakonats besonders stark empfunden wurde, war die nach einer verstärkten und unmittelbaren Anwesenheit der kirchlichen Amtsträger in den verschiedenen Bereichen von Familie Arbeit Schule usw. sowie in den bestehenden Pastoralstrukturen Das erklärt unter anderem, warum das Konzil, obwohl es auch bei den Diakonen nicht ganz auf das Ideal des Zölibats verzichtet hat, erlaubte, daß diese Weihe „auch in der Ehe lebenden Männern im reifen Alter" gespendet werden kann. Es war eine von Vorsicht und Wirklichkeitssinn inspirierte Linie, beschlossen aus Gründen, die jeder leicht verstehen kann, der Erfahrung hat mit der Lebenslage von Menschen verschiedener Altersstufen und der konkreten Situation des einzelnen entsprechend seinem Reifegrad. Aus demselben Grund wurde dann von der für die Anwendung der Konzilsweisungen zuständigen Stelle verfügt, daß die Diakonatsweihe verheirateten Männern unter gewissen Bedingungen gespendet wird: Alter nicht unter 35 Jahren, Zustimmung der Ehefrau, gute Lebensführung und guter Leumund, eine angemessene Ausbildung in kirchlicher Lehre und Pastoral bei einem Institut oder durch Priester, die eigens zu diesem Zweck bestimmt sind (vgl. Paul VI., Sacrum diaconatus ordinem, 11-15: Ench. Vat., II, 1381-1385).

 

7. Zu beachten ist jedoch, daß das Konzil das Ideal eines Diakonats aufrechterhalten hat, das für junge Männer zugänglich ist, die sich auch mit der Verpflichtung zum Zölibat ganz dem Herrn weihen. Es ist ein Weg „evangelischer Vollkommenheit", der verstanden, gewählt und geliebt wird von hochherzigen Männern, die dem Reich Gottes in der Welt dienen wollen, ohne das Priesteramt anzustreben, zu dem sie sich nicht berufen fühlen, und doch eine Weihe haben, die ihren besonderen Dienst an der Kirche durch die Spendung der sakramentalen Gnade gewährleistet und einsetzt. Heute fehlt es nicht an solchen jungen Männern. Für sie wurden einige Richtlinien herausgegeben wie jene, die für die Diakonatsweihe ein Alter nicht unter 25 Jahren und eine Ausbildung in einem entsprechenden Institut vorsehen, „wo sie geprüft und dazu erzogen werden, wirklich ein Leben nach dem Evangelium zu führen; sie werden dazu ausgebildet, ihre eigenen, besonderen Aufgaben nutzbringend auszuführen", wenigstens für die Dauer von drei Jahren (ebd., 5-9: Ench. Vat., II., 1375). Diese Richtlinien lassen die Bedeutung erkennen, welche die Kirche dem Diakonat beimißt, und ihr Bestreben, daß diese Weihe nach reiflicher Überlegung und auf sicheren Grundlagen gespendet wird. Sie sind aber auch Ausdruck des althergebrachten und immer neuen Ideals der Selbsthingabe an das Reich Gottes, eines Ideals, das die Kirche dem Evangelium entnimmt und als Banner hochhält besonders für die jungen Menschen auch in unserer Zeit.

 

In deutscher Sprache sagte der Papst:

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Mit besondere Freude heiße ich Euch, die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, die Ihr so zahlreich nach Rom gekommen seid, willkommen und danke Euch von Herzen für dieses Zeichen der Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri.

Mein besonderer Gruß gilt den Angehörigen, Freunden und Mitgliedern aus den Pfarrgemeinden von Diakonen aus dem Päpstlichen Collegium Germanicum et Hungaricum, die anläßlich der Priesterweihe nach Rom gekommen sind. Außerdem grüße ich herzlich die zahlreichen Teilnehmer an der Wallfahrt der Zeitung „Heinrichsblatt" der Erzdiözese Bamberg, die Mitglieder der Harmonie Froschhausen, die anläßlich des hundertjährigen Bestehens nach Rom gepilgert sind, sowie die Pilger der Pfarrgemeinde Sankt Pius X. aus Wattenscheid, die zum zwanzigsten Mal die Gräber der Apostelfürsten besuchen. Schließlich heiße ich die in großer Zahl anwesenden Schülerinnen und Schüler aus der Bundesrepublik Deutschland willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.