Der Priester soll in seinem Dienst auf die Hilfe Marias vertrauen

Ansprache bei der Generalaudienz am 30. Juni 1993

 

1. In der Biographie der heiligen Priester findet sich immer die große Bedeutung belegt, die sie Maria in ihrem Priesterleben zuerkannt haben.

Die „Lebensbeschreibungen" finden ihre Entsprechung in den „Lebenserfahrungen" so vieler geliebter und verehrter Priester, die der Herr als wahre Verwalter der göttlichen Gnade unter den ihrer Hirtensorge anvertrauten Menschen oder als Prediger, Kapläne, Beichtväter, Lehrer und Schriftsteller eingesetzt hat. Die geistlichen Lehrer und Führer bestehen auf der Wichtigkeit der Marienverehrung im Leben des Priesters als wirksame Stütze auf dem Weg der Heiligung, als ständige Ermutigung in den persönlichen Prüfungen und als gewaltige Kraft im Apostolat.

Auch die Bischofssynode von 1971 hat diese Stimmen der christlichen Tradition den Priestern von heute überliefert, als sie empfahl: „Der Priester soll seinen Sinn auf das Himmlische richten und teilhaben an der Gemeinschaft der Heiligen; er soll zur Gottesmutter Maria aufschauen, die das Wort Gottes in vollkommenem Glauben angenommen hat. Er soll sie täglich um die Gnade (Gottes) bitten, ihn ihrem Sohne gleichförmig zu machen" (Der priesterliche Dienst, 2. Teil, I,3: O.R.dt. Nr. 11, 1971, 5. 5). Der tiefe Grund der Marienverehrung des Priesters wurzelt in der wesentlichen Beziehung, die zwischen der Mutter Jesu und dem Priestertum der Diener des Sohnes im göttlichen Plan festgelegt wurde. Wir wollen diesen besonderen Aspekt der priesterlichen Spiritualität vertiefen und daraus die praktischen Konsequenzen ziehen.

 

2. Die Beziehung Marias zum Priestertum erwächst vor allem aus der Tatsache ihrer Mutterschaft. Indem, sie durch ihre Zustimmung zur Botschaft des Engels Mutter Christi wurde, ist Maria Mutter des Hohenpriesters geworden. Das ist eine objektive Wirklichkeit: Indem er durch die Fleischwerdung Menschennatur annahm, hat der ewige Sohn Gottes die Voraussetzung erfüllt, um durch seinen Tod und die Auferstehung der einzige Hohepriester der Menschheit zu werden (vgl. Hebr 5., 1). Wir können eine vollkommene Übereinstimmung zwischen Maria und ihrem Sohn im Augenblick der Menschwerdung beobachten. Ja, der Brief an die Hebräer sagt uns, daß Jesus „bei seinem Eintritt in die Welt" eine priesterliche Ausrichtung auf das persönliche Opfer hin nahm, indem er zu Gott sprach: „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen ... Da sagte ich: Ja, ich komme ...‚ um deinen Willen, Gott, zu tun" (Hebr 10,5-7). Das Evangelium berichtet uns, daß die Jungfrau Maria im gleichen Augenblick dieselbe‘ Bereitschaft ausdrückte: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast" (Lk 1,38). Diese vollkommene Übereinstimmung zeigt uns, daß zwischen der Mutterschaft Marias und dem Priestertum Christi ein enger Zusammenhang besteht. Aus derselben Tatsache ergibt sich eine besondere Verbindung des Priesterdienstes mit der seligen Jungfrau Maria.

 

3. Wie wir wissen, hat die seligste Jungfrau ‘ihre Mutterrolle nicht nur durch die leibliche Geburt Jesu, sondern auch durch seine moralische Erziehung erfüllt. Aufgrund der Mutterschaft hatte sie die Aufgabe, das Kind Jesus in angemessener Weise auf seine Priestersendung ‚vorzubereiten, deren Bedeutung sie bei der Ankündigung der Menschwerdung erfaßt hatte.

In der Zustimmung Marias kann man deshalb eine Verbundenheit mit der wesentlichen Wahrheit des Priestertums Christi und der Annahme der Mitarbeit bei seiner Verwirklichung in der Welt erkennen. Damit wurde der tatsächliche Grund für die Rolle gelegt, die Maria auch in der Formung der Diener Christi, der Teilhaber seines Priestertums, zu spielen berufen war. Im nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis sagte ich: „Jeder Aspekt der priesterlichen Ausbildung kann auf Maria bezogen werden" (Nr. 82).

 

4. Wir wissen außerdem daß die Gottesmutter das Geheimnis Christi voll gelebt hat das sie durch ihr persönliches Nachdenken über die Geschehnisse der Geburt und Kindheit des Sohnes (vgl. Lk 2, 19; 2, 51) immer tiefer erkannt hat. Sie bemühte sich mit Verstand und Herz immer tiefer in den göttlichen Plan einzudringen um bewußt und tatkräftig an ihm mitzuwirken Wer konnte besser als sie die Diener ihres Sohnes heute erleuchten und fuhren damit sie in die unbeschreiblichen Reichtümer seines Geheimnisses eindringen um in Übereinstimmung mit seiner Priester sendung zu handeln?

Maria war auf einzigartige Weise mit dem priesterlichen Opfer Christi und seinem Willen, die Menschheit durch den Kreuzestod zu erlösen, vereint. Sie war die erste und vollkommenste Teilhaberin seines Opfers als „Sacerdos et Hostia". Als solche kann sie denen, die auf Dienstebene am Priestertum ihres Sohnes teilhaben, die Gnade des Ansporns erwirken, damit sie immer mehr den Anforderungen der geistlichen Hingabe entsprechen, die das Priestertum mit sich bringt: besonders die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und der Standhaftigkeit in den Prüfungen - Gnaden, die bekanntlich zu einer immer hochherzigeren Teilhabe am Erlösungsopfer anspornen.

 

5. Jesus hat Maria auf Golgota mit einer neuen Mutterschaft betraut als er zu ihr sprach Frau siehe deinen Sohn (Joh 19, 26). Wir dürfen nicht verkennen daß diese Mutterschaft in jenem Augenblick auf einen Priester den Lieblingsjünger bezogen wurde Tatsächlich hatte nach den synoptischen Evangelien auch Johannes beim Abendmahl vom Meister die Vollmacht erhalten das Kreuzesopfer zum Gedächtnis an ihn zu erneuern mit den anderen Aposteln gehörte er zur Gruppe der ersten Priester er ersetzte bei Maria den einzigen Hohenpriester der die Welt verließ. In jenem Augenblick beabsichtigte Jesus gewiß die universale Mutterschaft Marias im Gnadenleben gegenüber allen Jungem von damals und aller Zeiten fest zulegen. Aber wir dürfen nicht vergessen daß diese Mutterschaft zu einer konkreten und unmittelbaren Kraft in bezug auf einen Apostel einen Priester wurde. Und wir können uns denken daß Jesus neben Johannes die lange Reihe seiner Priester von Jahrhundert zu Jahrhundert bis zum Ende der Welt vor Augen hatte Und daß er besonders sie, einen nach dem anderen, wie den Lieblingsjünger der Mutterschaft Marias anvertraute.

Jesus sagte auch zu Johannes: „Siehe, deine Mutter!" (Joh 19,27). Er gab dem Lieblingsapostel den Auftrag, Maria wie seine eigene Mutter zu behandeln, sie zu lieben, zu ehren und zu beschützen während der Jahre, die sie noch auf Erden zu leben hatte, aber im Licht dessen, was für sie im Himmel geschrieben stand, in den sie aufgenommen und wo sie verherrlicht werden sollte. Diese Worte stehen am Anfang der Marienverehrung: Bemerkenswert ist, daß sie an einen „Priester" gerichtet sind. Können wir vielleicht daraus nicht folgern, daß der „Priester" beauftragt ist, diese Verehrung zu fördern und zu entfalten, und daß er der Hauptverantwortliche dafür ist?

In seinem Evangelium will Johannes unterstreichen, daß „von jener Stunde an sie der Jünger zu sich nahm" (vgl. Joh 19,27). Er hat deshalb sofort der Aufforderung Christi entsprochen und Maria zu sich genommen mit einer den Umständen angemessenen Verehrung. Ich möchte sagen, daß er sich auch unter diesem Aspekt als ein „wahrer Priester", gewiß, ein treuer Jünger Jesu, gezeigt hat.

Maria zu sich nehmen bedeutet für jeden Priester, ihr im eigenen Leben einen Platz einzuräumen indem man in fester Verbundenheit mit ihr bleibt im Denken in der Liebe, im Eifer für das Reich Gottes und in der Verehrung zu ihr (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2673-2679).

 

6. Um was sollen wir Maria, die „Mutter des Priesters", bitten? Heute mehr denn je soll der Priester Maria besonders um die Gnade bitten, das Geschenk Gottes mit dankbarer Liebe anzunehmen und es so hochschätzen, wie sie es im Magnifikat getan hat; die Gnade der Hochherzigkeit in der persönlichen Hingabe, um ihr Beispiel einer „hochherzigen Mutter" nachzuahmen; die Gnade der Reinheit und der Treue in der Verpflichtung zum Zölibat nach ihrem Beispiel als „treue Jungfrau"; die Gnade einer glühenden und erbarmenden Liebe im Licht ihres Zeugnisses der „Mutter der Barmherzigkeit".

Der Priester muß sich immer vor Augen halten, daß er in den Schwierigkeiten, die er hat, auf die Hilfe Marias zählen kann. Auf sie vertraut er und ihr übergibt er sich selbst und seinen Hirtendienst wahrend er sie bittet ihn reiche Frucht tragen zu las sen. Und nicht zuletzt schaut er auf sie als vollkommenes Vorbild seines Lebens und seines Dienstes, denn sie ist, wie das Konzil sagt, diejenige, „die, vom Heiligen Geist geführt, sich selbst ganz dem Geheimnis der Erlösung der Menschen weihte. Diese Mutter des höchsten und ewigen Priesters, die Königin der Apostel und Schützerin ihres Dienstes, sollen die Priester mit kindlicher Ergebung und Verehrung hochschätzen und lieben" (Presbyterorum ordinis, Nr. 18).

Tch rufe meine Mitbrüder im Priesteramt dazu auf, diese „wahre Marienverehrung" immer mehr zu pflegen und aus ihr die praktischen Konsequenzen für ihr Leben und ihren Dienst zu ziehen. Ich fordere alle Gläubigen auf, sich mit uns Priestern zu vereinen in der persönlichen Weihe an die Gottesmutter und im Gebet um alle Gnaden für sie selbst und für die ganze Kirche.

 

In deutscher Sprache sagte der Papst:

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Sehr herzlich heiße ich Euch zu dieser Audienz willkommen. Es ist mir eine besondere Freude, Euch am Grab des Apostels Petrus begrüßen zu können, dessen Fest wir zusammen mit dem heiligen Paulus begangen haben.

Zum Wesen des priesterlichen Amtes, dem Thema unserer Katechesen, kommt ein weiteres Merkmal hinzu: die besondere Rolle Mariens im Leben des Priesters. Das Verhältnis Marias zum Priestertum geht vor allem aus ihrer Mutterschaft hervor. Indem sie durch ihr „Fiat" Christi Mutter wurde, ist sie zugleich Mutter des einzigen Hohenpriesters der Menschheit geworden, der bei seinem Eintritt in die Welt" (Hebr 10,5) sprach: „Schlacht- und Speiseopfer hast du, nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir erschaffen ... Da sagte ich: Ja ich komme ... um deinen Willen, Gott, zu tun (Hebr 10,5.7). Diese vollkommene Übereinstimmung zeigt uns, daß zwischen der Mutterschaft Mariens und dem Priestertum Christi eine innige Verbindung besteht.‘ Maria war auf einzigartige Weise mit dem priesterlichen Opfer Christi und seinem Willen, die Menschheit durch den Kreuzestod zu erlösen, vereint. Sie war die erste und vollkommenste geistliche Teilhaberin seines Opfers als „Sacerdos et Hostia". Auf dem Kalvarienberg hat Jesus Maria eine neue Mutterschaft anvertraut, als er sagte: „Frau, siehe, deinen Sohn" (Joh 19,26). Zu Johannes sagte er: „Siehe, deine Mutter" (Joh 19,27). Mit diesen Worten wurde dem geliebten Apostel aufgetragen, Maria als eigene Mutter zu betrachten, zu lieben und zu verehren.

Mit unserer kurzen Betrachtung grüße ich Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der ökumenischen Pilgergruppe aus Göttingen,‘ der Seniorengemeinschaft Ulmen und Umgebung sowie der Schülergruppe der Klasse 11 des Gymnasiums Eschenbach.

Euch allen Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen die Euch geistlich verbunden sind erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.