Schreiben an alle Priester zum Gründonnerstag 1993

vom 8. April

1. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit" (Hebr 13,8)

Liebe Brüder im Priesteramt Christi!

Während wir uns heute an den vielen Bischofssitzen der Welt versammeln - die Mitglieder der Presbyterien aller Kirchen mit den Hirten der Diözesen -, kommen uns wiederum mit neuer Wirkkraft die Worte über Jesus Christus in Erinnerung, die zum Leitfaden des 500. Jahrestages der Evangelisierung der Neuen Welt geworden sind.

„Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit": Es sind die Worte über den einzigen und ewigen Priester, der „ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen (ist) ... mit seinem eigenen Blut, und so eine ewige Erlösung bewirkt (hat)" (Hebr 9,12). Nun sind die Tage gekommen das „Triduum Sacrum" der heiligen Liturgie der Kirche -‚ an denen wir in vertiefter Verehrung und Anbetung das Pascha Christi erneuern, „seine Stunde" (vgl. Joh 2,4; 13,1) die gesegnete Stunde, „als die Zeit erfüllt war" (Gal 4,4).

Durch die Eucharistie bleibt diese „Stunde" der Erlösung Christi in der Kirche weiter die Stunde des Heils, und eben heute erinnert die Kirche an die Einsetzung der Eucharistie während des Letzten Abendmahles. „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch" (Joh 14,18). Die „Stunde" des Erlösers, die „Stunde" seines Fortgehens aus dieser Welt zum Vater, die „Stunde", von der Er selbst sagt: „Ich gehe fort und komme wieder, zu euch zurück"! (Joh 14,28). Gerade durch sein österliches Fortgehen kommt er immerfort und bleibt in der Kraft des Geistes, des Beistandes, stets unter uns gegenwärtig. Er ist auf sakramentale Weise gegenwärtig. Er ist durch die Eucharistie gegenwärtig. Er ist wirklich gegenwärtig.

Wir, liebe Brüder, haben nach den Aposteln dieses unaussprechliche Geschenk auf eine Weise empfangen, daß wir die Verwalter dieses Fortgehens Christi durch das Kreuz und gleichzeitig seines Kommens durch die Eucharistie sein können. Was bedeuten uns diese drei heiligen Tage? Was bedeutet für uns der heutige Tag der Tag des Letzten Abendmahles! Wir sind Verwalter des Geheimnisses der Erlösung der Welt, Verwalter des zum Nachlaß unserer Sünden dargebrachten Leibes und vergossenen Blutes, Verwalter jenes Opfers, durch das Er als Einziger für immer ins Heiligtum eingetreten ist: „Das Blut Christi, der sich selber kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, (wird) unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen" (Hebr 9,14).

Wenn auch alle Tage unseres Lebens von diesem großartigen Mysterium des Glaubens geprägt sind, so gilt das für den heutigen Tag in ganz besonderer Weise. Es ist unser Tag mit Ihm.

2. Am heutigen Tag versammeln wir uns in der Gemeinschaft unserer Presbyterien, damit ein jeder das Geheimnis jenes Sakramentes tiefer betrachten kann, durch das wir in der Kirche Verwalter der priesterlichen Hingabe Christi geworden sind. Zugleich sind wir Diener des königlichen Priestertums des ganzen Gottesvolkes, aller Getauften geworden, um die „magnalia Dei" , „Gottes große Taten" (Apg 2,11) zu verkünden.

In diesem Jahr ist es angebracht, in unseren Dank einen besonderen Faktor der Dankbarkeit einzuschließen für das Geschenk des „Katechismus der katholischen Kirche". Dieser Text ist in der Tat auch eine Antwort auf die Sendung, die der Herr seiner Kirche anvertraut hat: das Glaubensgut zu bewahren und es mit glaubwürdiger und liebevoller Sorge unversehrt an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.

Als Ergebnis der fruchtbaren Zusammenarbeit des gesamte Episkopates der katholischen Kirche wird der Katechismus zunächst uns als Hirten des Volkes Gottes anvertraut, um unsere tiefen Gemeinschaftsbande in eben diesem apostolischen Glauben zu stärken. Als Kompendium des einen und immerwährenden katholischen Glaubens stellt er ein ausgewiesenes und glaubwürdiges Instrument dar, um jene Einheit im Glauben zu bezeugen und zu gewährleisten, für die Christus selbst, als seine „Stunde" nahte, ein inbrünstiges Gebet an den Vater richtete (vgl. Joh 17,2 1-23).

Dadurch, daß der Katechismus die grundlegenden und wesentlichen Inhalte des Glaubens und der katholischen Moral erneut vorlegt, so wie sie heute von der Kirche geglaubt, gefeiert, gelebt und gebetet werden, ist dieser ein vorzügliches Mittel, um die Kenntnis des unerschöpflichen christlichen Geheimnisses zu vertiefen, einem Gebet neue Lebendigkeit zu verleihen, das zutiefst mit dem Gebet Christi verbunden ist, und den engagierten Einsatz eines konsequenten Lebenszeugnisses zu stärken.

Zugleich wird uns dieser Katechismus als sicherer Bezugspunkt geschenkt für die Erfüllung der uns im Weihesakrament übertragenen Sendung, im Namen Christi und der Kirche allen Menschen die „Frohe Botschaft" zu verkünden. Dank dieses Geschenkes können wir auf immer neue Weise das Gebot Christi verwirklichen: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ... und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe" (Mt 28,19-20).

In dieser zusammenfassenden Darstellung unseres Glaubensgutes können wir in der Tat eine wahre und sichere Richtlinie erblicken für die Unterweisung in der katholischen Lehre, für die Durchführung der Katechese beim christlichen Volk, für jene Neuevangelisierung, die die heutige Welt so notwendig braucht.

Liebe Priester, unser Leben und unser Dienst, wenn sie in der Wahrheit, die Christus ist, verwurzelt sind, werden aus sich heraus für die ganze uns anvertraute Gemeinde zu einer beredten Katechese werden. Unser Zeugnis wird dann nicht für sich allein dastehen, es wird vielmehr ein einhelliges Zeugnis sein, das von Menschen abgelegt ist, die in demselben Glauben verbunden sind und an dem einen Kelch teilhaben. Diese lebendige gegenseitige „Durchdringung" müssen wir in sachbezogener und empfindungsmäßiger Gemeinschaft anstreben, um die immer dringlichere „Neuevangelisierung" zu verwirklichen.

3. Wenn wir uns am Gründonnerstag in der Gemeinschaft aller Priester auf der ganzen Erde versammeln, danken wir für das Geschenk des Priestertums Christi, an dem wir durch das Weihesakrament teilhaben. In diesen Dank wollen wir auch den „Katechismus" einschließen, weil das, was er enthält und wozu er dient, in besonderer Weise mit unserem priesterlichen Leben und mit dem seelsorglichen Dienst in der Kirche verbunden ist.

Es ist also der Kirche, die sich auf dem Weg zum großen Jubiläumsjahr 2000 befindet, gelungen, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein Kompendium der Glaubens- und Morallehre, des sakramentalen Lebens und des Gebetes zu erarbeiten. Diese zusammenfassende Darstellung kann unserem priesterlichen Dienst auf verschiedene Weise Rückhalt bieten. Sie vermag ebenso das apostolische Bewußtsein unserer Brüder und Schwestern zu erhellen, die entsprechend ihrer christlichen Berufung zusammen mit uns Zeugnis geben wollen von jener Hoffnung (vgl. 1 Petr 3,15), die uns in Jesus Christus gemeinsam neue Lebendigkeit verleiht.

Der Katechismus bietet das „Neue des Konzils" und bindet es gleichzeitig in die gesamte Überlieferung ein; der Katechismus ist so reich an jenen Schätzen, die wir in der Heiligen Schrift und dann zwei Jahrtausende hindurch bei den Vätern und Kirchenlehrern finden, daß er einen jeden von uns jenem Mann aus dem biblischen Gleichnis ähnlich werden läßt, „der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt" (Mt 13,52), die alten und immer neuen Reichtümer des göttlichen Gutes.

Während wir die Gnade des Weihesakramentes in uns wieder entfachen, und im Bewußtsein der Bedeutung des „Katechismus der katholischen Kirche" für unseren priesterlichen Dienst, bekennen wir uns zu dem, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben" ist (Joh 14,6).

„Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit."

Aus dem Vatikan, am 8. April, dem Gründonnerstag des Jahres 1993, dem fünfzehnten Jahr meines Pontifikates.

Joannes Paulus PP. II