Aufgaben der Laien in der Kirche

Ansprache bei der Generalaudienz am 16. März 1994

 

1. Den Christen fällt es heute nicht schwer anzuerkennen, daß alle Glieder der Kirche, auch die Laien, teilhaben an ihrer Sendung als Zeugin, Verkünderin und Christusträgerin in der Welt. Dieser Anspruch des mystischen Leibes Christi wurde von den Päpsten, vom II. Vatikanischen Konzil und von den Bischofssynoden im Einklang mit der Heiligen Schrift und der Tradition, der Erfahrung der ersten christlichen Jahrhunderte, der Lehre der Theologen und der Geschichte des pastoralen Lebens wiederholt. In unserem Jahrhundert zögerte man nicht, von „Apostolat" zu sprechen, und auch dieses Wort und der Begriff, den es zum Ausdruck bringt, sind dem Klerus und den Gläubigen bekannt. Aber ziemlich häufig herrscht immer noch das Gefühl einer anhaltenden Unsicherheit vor über die Arbeitsbereiche, in denen man sich konkret einsetzen soll, und über die Wege, die zu beschreiten sind, um den Einsatz durchzuführen. Deshalb ist es günstig, einige Punkte dieses Themas festzulegen, auch in dem Bewußtsein, daß man vor Ort, bei den eigenen Pfarrern, den Diözesanstellen und Zentren des Laienapostolats eine konkretere, direktere und eingehendere Ausbildung finden kann und soll.

 

2. Der erste Bereich des Laienapostolats innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft ist die Pfarrgemeinde. Diesen Punkt unterstrich das Konzil im Dekret Apostolicam actuositatem, wo man liest: „Die Pfarrei bietet ein augenscheinliches Beispiel für das gemeinschaftliche Apostolat" (Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Weiter liest man, daß die Arbeit der Laien in der Pfarrei notwendig ist, damit das Apostolat der Hirten zur vollen Wirksamkeit gelangen kann. Diese Arbeit, die sich in enger Verbindung mit den Priestern entfalten soll, ist für die „Laien von wahrhaft apostolischer Einstellung" eine Form unmittelbarer und direkter Teilnahme am Leben der Kirche (vgl. ebd.).

Viel können die Laien durch Gestaltung der Liturgie, Katechismusunterricht, pastorale und karitative Initiativen und in den Pastoralräten tun (vgl. Christifideles laici, Nr. 27). Zum Apostolat tragen sie auch indirekt bei durch ihre Mithilfe in der Verwaltung der Pfarrei. Es ist notwendig, daß sich der Priester nicht allein gelassen fühlt, sondern auf den Beitrag ihrer Sachkunde und auf die Stütze ihrer Solidarität, auf ihr Verständnis und ihre hochherzige Hilfsbereitschaft in den verschiedenen Bereichen des Dienstes am Reich Gottes zählen kann.

 

3. Eine weitere Reihe von Bedürfnissen, Interessen und Möglichkeiten wird vom Konzil genannt, wenn es den Laien empfiehlt, „stets den Sinn für das ganze Bistum zu pflegen" (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 10). Denn in der Diözese nimmt die Ortskirche konkrete Form an, die durch den Klerus und die Gläubigen, die ihr angehören, die Gesamtkirche selbst vergegenwärtigt. Die Laien sind gerufen, hochherzig und mit erhebendem Geist bei den heute zahlreichen Diözesaninitiativen in verantwortlicher, beratender und manchmal leitender Funktion mitzuwirken, den Weisungen und Wünschen des Bischofs und der zuständigen Organe entsprechend. Bedeutsam ist auch der Beitrag, der durch die Beteiligung an den Diözesanpastoralräten geleistet wird, deren Errichtung als „wichtigste Form der Mitarbeit und des Dialogs sowie der gemeinsamen Urteilsbildung auf Diözesanebene" von der Bischofssynode 1987 empfohlen wurde (vgl. Christifideles laici, Nr. 25). Von den Laien erwartet man außerdem eine besondere Hilfe bei der Verbreitung der Weisungen des Diözesanbischofs, der mit den anderen Bischöfen und vor allem mit dem Papst übereinstimmt, in religiösen und sozialen Fragen, die sich der kirchlichen Gemeinschaft stellen; bei einer guten Aufteilung und bei der richtigen Lösung der administrativen Probleme; bei der Leitung der katechetischen, kulturellen und karitativen Werke, welche die Diözese einrichtet und unterhält zugunsten der Armen usw. Wieviel andere Möglichkeiten fruchtbarer Arbeit für den, der guten Willens ist und den Wunsch zum Engagement und Opferbereitschaft besitzt! Möge Gott immer neue und tüchtige Kräfte zur Hilfe der Bischöfe und der Diözesen wecken, in denen bereits viele hervorragende Laien das Bewußtsein zeigen, daß die Ortskirche das Haus und die Familie aller ist!

 

4. In einem weiteren, ja universalen Umkreis können und sollen die Laien sich als das fühlen, was sie sind, als Glieder der katholischen Kirche, und sich für ihr Wachstum einsetzen, wie die Bischofssynode von 1987 in Erinnerung ruft (vgl. Christifideles laici, Nr. 28). Sie sollen sich als eine wesentlich missionarische Gemeinschaft betrachten, deren Mitglieder alle die Aufgabe und die Verpflichtung einer Evangelisierung haben, die sich über alle Nationen erstreckt, über all jene, die wissentlich oder nicht - Gott brauchen. In diesem riesigen Bereich von Personen und Gruppen, von Umfeldern und sozialen Schichten gibt es auch viele, die, obwohl dem Namen nach Christen, doch geistig fern stehen, Agnostiker und dem Ruf Christi gegenüber gleichgültig sind. An diese Mitmenschen ist die Neuevangelisierung gerichtet, bei der die Laien gerufen sind, eine kostbare und unerläßliche Mitarbeit zu leisten. Die Synode von 1987 sagte: „Es ist ... notwendig, überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern", und fügte hinzu: „Aufgrund ihrer Teilhabe am prophetischen Amt Christi werden die Laien ganz in diese Aufgabe der Kirche einbezogen" (Christifideles laici, Nr. 34). An der vordersten Front dieser Neuevangelisierung stehen viele Laien!

Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist eine angemessene Vorbereitung in der Glaubenslehre und Pastoralmethodologie unerläßlich, die auch die Laien in den Instituten für Religionswissenschaften oder in Sonderkursen und darüber hinaus durch persönliches Bemühen beim Studium der göttlichen Wahrheit erwerben können. Nicht für alle Laien und nicht für alle Formen der Mitarbeit ist derselbe religiöse oder sogar theologische Wissensgrad notwendig: Aber er darf jenen nicht fehlen, die bei der Neuevangelisierung Probleme der Wissenschaft und Kultur vom Menschen in bezug auf den Glauben in Angriff nehmen müssen (vgl. Christifideles laici, Nr. 34).

 

5. Die Neuevangelisierung strebt die Bildung von reifen kirchlichen Gemeinschaften an, bestehend aus überzeugten und bewußten Christen, die im Glauben und in der Liebe gefestigt sind. Sie können von innen her die Völker beleben, auch dort, wo Christus, der Erlöser des Menschen, unbekannt oder vergessen (vgl. Christifideles laici, Nr. 35) oder die Verbindung zu ihm im Denken und Leben schwach ist.

Diesem Zweck können auch alte und neue Verbandsformen dienen, wie Bruderschaften, „Gesellschaften" und religiöse Vereinigungen, die, wo es notwendig ist, mit neuem missionarischem Geist erfüllt werden, und die heute in der Kirche blühenden verschiedenen „Bewegungen". Auch die traditionellen Initiativen und Volkskundgebungen anläßlich religiöser Feiern könnten und sollten, obwohl sie gewisse örtliche oder regionale Merkmale bewahren, kirchliche Bedeutung erhalten, wenn sie unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Evangelisierung vorbereitet und abgehalten werden. Das Bemühen von Klerus und Laien, die sie fördern, soll es sein, den Anforderungen der missionarischen Kirche mit Klugheit, Freundlichkeit und Mut zu entsprechen, indem sie in jedem Fall eine erleuchtende Moralkatechese und den Sakramentenempfang, vor allem der Buße und der Eucharistie, pflegen.

 

6. Deutliche Beispiele missionarischen Engagements in den genannten und vielen anderen Bereichen und Gruppen werden von zahlreichen Laien geliefert, die in unserer Zeit die gesamte Dimension der christlichen Berufung entdeckt und den göttlichen Auftrag der universalen Evangelisierung angenommen haben, das Geschenk des Heiligen Geistes, der in der Welt ein immer neues Pfingsten wirken will.

An all diese unsere bekannten und unbekannten Schwestern und Brüder ergeht der Dank der Kirche, wie auch gewiß der Segen Gottes nicht fehlt. Ihr Beispiel diene dazu, eine immer größere Anzahl von Laien anzuregen, die sich dafür einsetzen, jedem Menschen die Botschaft Christi zu bringen und überall das missionarische Feuer zu entzünden. Auch deshalb sucht der Nachfolger Petri zu jeder Nation und in jeden Kontinent zu gelangen, um demütig der Verbreitung des Evangeliums zu dienen, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, sind in jedem Land als einzelne Hirten und als kirchlicher Leib für die Neuevangelisierung tätig.

 

In deutscher Sprache sagte der Papst:

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Ich heiße die deutschsprachigen Pilger und Besucher herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt der Pilgergruppe aus Neunkirchen, die von Kardinal Stickler begleitet wird, der Katholischen Pilgervereinigung der Aussiedler in Nordrhein-Westfalen, den Chören des l. Internationalen Wettbewerbs „Orlando di Lasso" sowie den Teilnehmern an der Studienreise der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau. Euch allen, liebe Schwestern und Brüder, Euren Lieben in der Heimat und all jenen, die uns in diesem Moment geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

 

Wunsch nach Frieden in Bosnien und Herzegowina Liebe kroatische Pilger!

 

Eure Hoffnungen und Eure Gebete um Frieden in Bosnien und Herzegowina und in Kroatien vertraue ich der seligsten Jungfrau Maria an. Sie, die Mutter des Guten Rates und die Königin des Friedens, wecke und festige in allen den Wunsch nach wahrem Frieden und nach Versöhnung unter gegenseitiger Achtung. Auf alle, die sich für den Frieden in den vom Krieg heimgesuchten Gebieten einsetzen, und auf jeden von euch, rufe ich den Segen Gottes, unseres Vaters im Himmel herab. Gelobt seien Jesus und Maria!