Auf das heilige Weihnachtsfest hin

Vor dem Angelus am 3. Adventssonntag, 16. Dezember 1984

1. „ . . . Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig" (Lk 1,49).

Die im Verlauf des Besuches bei Elisabeth gesprochenen Worte drücken das aus, was im Herzen der Jungfrau aus Nazaret nach der Verkündigung vor sich geht.

Die von Freude erfüllte Verehrung Gottes und die von Gottesverehrung erfüllte Freude: das ist der Zustand ihrer beglückten Seele, das sind die tiefsten Gefühle, die ihr Herz hegt. Sie offenbaren sich uns vor allem in den Worten des Magnifikat.

Im Magnifikat wird jene demutsvolle Dankbarkeit sichtbar, die das untrügliche Zeichen der Begegnung mit dem lebendigen Gott ist. Maria antwortet auf das Geschenk vom Himmel nicht nur mit Worten, sondern mit der ganzen Stille des Adventsgeheimnisses, das sich in ihr erfüllt. Denn sie ist diejenige, in der der Advent der ganzen Menschheit seine volle Gestalt angenommen hat: in ihr hat er seinen „Zenit" erreicht. Doch dieser „Zenit" des Advents fährt in seinem Lauf fort und erreicht seine Fülle in der Kirche. Als Erdenpilgerin, die sucht und sinnt nach dem, was oben ist, erlebt die Kirche das Kommen des Herrn, „bis sie mit ihrem Bräutigam vereint in Herrlichkeit erscheint" (vgl. Lumen gentium, Nr. 6);

und der von der Kirche gelebte Advent ist Sakrament oder Zeichen und Werkzeug der Einheit mit Gott.

2. Die Kirche singt in ihrer Liturgie jeden Tag mit der Muttergottes das Magnifikat. Auf diese Weise erstreckt sich der Advent, der sich in der Gottesmutter erfüllt hat, über alle Lebenstage der Kirche.

In der Adventszeit des Kirchenjahres liest und erlebt die Kirche in den Worten des Magnifikat immer wieder neu jene einmalige und unwiederholbare „Erwartung" der Mutter auf das Kind, das aus ihrem Schoß geboren werden, das zur Welt kommen soll.

Wenn wir am heutigen Sonntag den Angelus beten, erweisen wir in besonderer Weise dieser gesegneten „Erwartung" die Ehre.

Möge sie zum Licht unseres Advents werden! Möge sich in ihr unsere Hoffnung erneuern!

3. Vor wenigen Tagen wurde das Apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche heute veröffentlicht, die Frucht der von der Bischofssynode im Herbst 1983 durchgeführten Arbeit.

Ich fordere alle Gläubigen auf, dieses Dokument zu lesen. In ihm stellt die Kirche, die um das tiefe Drama der Entzweiungen und Ungerechtigkeiten, die die Menschheit heimsuchen, weiß, die aber auch der verzehrenden Sehnsucht nach Versöhnung und Frieden Beachtung schenkt, die im Herzen von Millionen Menschen schlägt, mit mutiger Offenheit dem modernen Menschen wieder die Aufforderung Christi zur Umkehr des Herzens vor Augen als Voraussetzung für die Versöhnung mit Gott, mit sich selbst, mit den Brüdern und der ganzen Schöpfung.

Eine Aufforderung, die zu einem nicht leichten Weg verpflichtet. Das weiß die Kirche. Darum gibt sie auf den Seiten des Dokuments auch den konkreten Weg an, um zu dem ersehnten Ziel zu gelangen: Es ist ein Weg, auf dem der Mensch Christus findet, den Pilger, der an seiner Seite geht und ihn durch das Wort der Schrift, das Verstehen und Gebet der Gemeinschaft und die Gnade des vom Diener der Kirche gespendeten Sakraments aufrichtet.

Ich hoffe und wünsche, daß die aufmerksame Lektüre dieses Dokuments eine geeignete Vorbereitung auf das heilige Weihnachtsfest sein und so die ehrfürchtige Aufnahme des menschgewordenen Wortes begünstigen möge.

Nach dem Angelusgebet segnete der Papst die Krippenfiguren und sagte:

In Fortführung einer schönen, zur Tradition gewordenen Initiative sind heute auf dem Petersplatz unzählige Kinder aus den römischen Pfarreien anwesend, die den Wunsch haben, daß der Papst die Krippenfiguren segnet, die sie dann zu Hause in die Krippe legen.

Es ist für mich ein großer Trost, meine Lieben, zu wissen, daß ihr so aufmerksam auf das Geheimnis Jesu achtet, der um der Rettung aller Menschen willen in der Armut der Grotte von Bethlehem geboren ist. Ich bin sicher, daß eure hochherzige Anhänglichkeit an diese erhabenen Lehren euch in den kommenden heiligen Tagen besonders sensibel machen wird für die Not eurer Altersgefährten, besonders jener, die sich in manchen Gegenden der Welt aus Mangel an Nahrung in Lebensgefahr befinden. Ich begleite euch mit meinem Gebet, damit auch ihr, wie das Jesukind, „heranwachst, zunehmt an Weisheit und Gefallen findet bei Gott und den Menschen" (vgl. Lk 2,52), ich ermutige euch zu euren Werken der Nächstenliebe, und während ich euch und euren Angehörigen meinen Apostolischen Segen erteile, wünsche ich euch schon heute frohe Weihnachten!