congregatio
pro clericis
Eucharistische
Anbetung
zur
Heiligung der Priester
und
geistige Mutterschaft
2007
Verantwortlich
für die Veröffentlichung:
Hochw. Exzellenz Msgr. Mauro Piacenza,
Titularerzbischof von
Vittoriana,
Sekretär der
Kleruskongregation
Kleruskongregation
Piazza Pio XII, 3
- 00193 Roma
Tel. 06 698 84151
- 06 698 84178
Fax 06 698 84845
Von der Kongregation verbreiteter
Brief mit dem Ziel, die eucharistische Anbetung
zur Heiligung der
Priester und die geistige Mutterschaft zu fördern
Verehrter Mitbruder im Bischofsamt,
es gibt
wahrhaft viele Dinge, die für das authentische Wohl des Klerus und zugunsten
eines pastoralen Dienstes, der sich unter den heutigen Gegebenheiten als
fruchtbar erweisen soll, in Angriff genommen werden müssen. Ohne Scheu vor
Schwierigkeiten und Mühen wollen wir uns dieser Herausforderung stellen. Da nun
aber das Handeln seine Bestimmung vom Sein empfängt und die Seele jeden
Apostolates die Vertrautheit mit Gott ist, beabsichtigen wir, einen geistigen
Impuls zu setzen, der das Bewusstsein hinsichtlich des ontologischen Bandes
zwischen Eucharistie und Priestertum und hinsichtlich der speziellen
Mutterschaft, die Maria gegenüber den Priestern ausübt, vertieft. Wir wollen
mithilfe der ewigen Anbetung eine ununterbrochene Gebetskette schaffen und auf
diese Weise zur Heiligung des Klerus beitragen. So wollen wir gottgeweihte
Frauen ermutigen - nach dem Vorbild der Allerseligsten Jungfrau, der Mutter des
Ewigen Hohenpriesters und Mitarbeiterin an Seinem Erlösungswerk -
geistlicherweise Priester zu „adoptieren“, um ihnen durch Selbstaufopferung, Gebet
und Buße beizustehen. Wer anbetet, leistet auch stets einen Sühneakt für die
eigenen Fehler. Unter den gegenwärtigen Umständen schlagen wir vor, eine
besondere Meinung in diesem Sinne einzuschließen.
Immer
wieder ruft uns die Tradition in Erinnerung, dass sich das Geheimnis und das
Dasein der Kirche weder in ihren hierarchischen Strukturen, noch in der
Liturgie, den Sakramenten oder gesetzlichen Bestimmungen erschöpft. Das
innerste Wesen der Kirche und die ursprüngliche Quelle ihrer heiligenden Kraft sind
vielmehr in der mystischen Einheit mit Christus zu suchen.
Die Lehre
und selbst die Struktur der dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen
Gentium) bestätigen, dass man sich diese Einheit nicht losgelöst von jener
Person vorstellen kann, die die Mutter des menschgewordenen Wortes ist und die
Jesus für das Heil des ganzen Menschengeschlechtes innig mit sich vereint haben
wollte.
Es ist
kein Zufall, dass am gleichen Tag, an dem die dogmatische Konstitution über die
Kirche verkündet wurde - am 21. November 1964 -, Papst Paul VI. Maria zur
„Mutter der Kirche“ erklärte, das heißt zur Mutter aller Gläubigen und aller
ihrer Hirten.
Das
Zweite Vatikanum drückt sich in Bezug auf die Allerseligste Jungfrau folgendermaßen
aus: „Indem sie Christus empfing, gebar und nährte, im Tempel dem Vater
darstellte und mit ihrem am Kreuz sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des
Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und
brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens
der Seelen. Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ (LG 61).
Ohne der einzigartigen
Mittlerfunktion Christi etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen, wird die selige
Jungfrau Maria in der Kirche als Anwältin, Helferin, Beistand und Mittlerin
anerkannt und angerufen; sie ist das Vorbild mütterlicher Liebe, die all
diejenigen beseelen muss, die in der apostolischen Sendung der Kirche zur
Wiedergeburt der Menschen mitwirken (vgl. LG 65).
Eingedenk
dieser Lehren, die zur Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums gehören, richten
die Gläubigen ihren Blick auf Maria, das leuchtende Beispiel aller Tugenden,
dem zu folgen sie aufgerufen sind. Sie sollen sie, die erste Jüngerin Christi,
nachahmen, sie, die Mutter, der in der Person des Johannes am Fuß des Kreuzes (vgl. Joh 19,25-27) alle Jünger anvertraut worden sind. Indem
sie ihre Söhne und Töchter werden, führt sie sie in den wahren Sinn eines
Lebens in Christus ein.
Gerade aufgrund der
Stellung und Rolle, welche der Allerseligsten Jungfrau in der Heilsgeschichte
zukommt, ist es unsere Absicht, alle Priester in ganz besonderer Weise Maria,
der Mutter des Ewigen Hohenpriesters, anzuvertrauen, indem wir in der Kirche eine
Gebetsinitiative ins Leben rufen, in deren Zentrum die ewige eucharistische
Anbetung steht, so dass fortlaufend aus jedem Teil der Erde die Stimme der
anbetenden Kirche zu Gott aufsteigt, Dankgebete, Lobpreis und Sühneopfer mit
dem spezifischen Anliegen dargebracht werden, eine ausreichende Anzahl von
Priesterberufungen zu erwecken. Gleichzeitig sollen auf diese Weise in Form
einer vom Mystischen Leib getragenen geistlichen Mutterschaft all jene
begleitet werden, die bereits zum priesterlichen Amt berufen sind und als
solche dem einzigen Hohenpriester wesensmäßig gleich gestaltet wurden. So
sollen sie dem Herrn und den Brüdern immer mehr dienen, als jene, die
einerseits „in“ der Kirche, andererseits aber auch der Kirche „gegenüber“
stehen, indem sie an die Stelle Christi treten und ihn als Haupt, Hirten und
Bräutigam der Kirche repräsentieren (vgl. PdV 16).
Daher bitten wir alle
Ortsordinarien, die in besonderer Weise den für die Kirche spezifischen und
unersetzbaren Charakter des geweihten Priestertums schätzen und sich der
Dringlichkeit einer diesbezüglichen gemeinsamen Aktion bewusst sind, sich aktiv
einzusetzen und dort, wo immer ihnen ein Teil des Gottesvolkes anvertraut ist,
die Bildung regelrechter Zönakel zu fördern, in denen Kleriker, Ordensleute und
Laien sich im Geiste wahrer Gemeinschaft, aufrichtiger Wiedergutmachung und Läuterung,
miteinander vereint dem Gebet in Form einer kontinuierlichen eucharistischen
Anbetung widmen. In der Beilage befindet sich eine Schrift, die die Aktion näher erläutert, was Ihnen
ermöglicht, sich im Geiste des Glaubens an diesem Projekt zu beteiligen.
Möge Maria, die Mutter
des einzigen, Ewigen Hohenpriesters, diese Initiative segnen und bei Gott
Fürsprache einlegen, damit sich daraus eine authentische Erneuerung der
priesterlichen Lebensvollzüge im Sinne des einzig möglichen Vorbildes: Jesus
Christus, dem Guten Hirten, ergibt.
In Gemeinschaft mit der Kirche grüße ich
Sie herzlich in tief empfundener kollegialer Verbundenheit
Cláudio Card. Hummes
Präfekt
X Mauro Piacenza
Sekretär
Aus dem Vatikan, 8. Dezember 2007
Am Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens
„Bittet den Herrn der Ernte,
dass er Arbeiter sendet!“
„Bittet
den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter sendet!“ Das bedeutet: Die Ernte ist da,
aber Gott will sich der Menschen bedienen, damit sie eingebracht werde. Gott
braucht Menschen. Er braucht solche, die sagen: Ja, ich bin bereit, dein
Erntearbeiter zu werden, ich bin bereit zu helfen, dass diese Ernte, die in den
Menschen reift, wirklich in die Scheunen der Ewigkeit eingehen und Gottes ewige
Gemeinschaft der Freude und der Liebe werden kann.
„Bittet den Herrn der Ernte!“ Das besagt auch: Wir
können Berufungen nicht einfach „machen“, sie müssen von Gott kommen. Wir
können nicht, wie vielleicht in anderen Berufen, durch gezieltes Management,
entsprechende Strategien, sozusagen einfach Leute rekrutieren. Die Berufung
muss immer den Weg vom Herzen Gottes aus zum Herzen des Menschen finden. Und
dennoch: Gerade damit sie im Herzen der Menschen ankommen kann, ist auch unser
Mittun erforderlich.
Den Herrn der Ernte darum bitten, das bedeutet
gewiss zuallererst, dafür zu beten, an seinem Herzen zu rütteln und zu sagen:
„Tu es doch! Wecke die Menschen auf! Entzünde in ihnen die Begeisterung für das
Evangelium und die Freude daran! Lass sie erkennen, dass es der Schatz aller
Schätze ist und dass, wer es entdeckt hat, es weitergeben muss!“
Wir rütteln am Herzen Gottes. Aber Gott bitten
geschieht eben nicht nur in Gebetsworten, sondern vor allem auch darin, dass
das Wort zur Tat wird und so aus unserem betenden Herzen ein Funke der Freude
an Gott, der Freude am Evangelium, der Bereitschaft zum „Ja-Sagen“ in andere
Herzen überspringt. Als betende Menschen, als von seinem Licht Erfüllte, kommen
wir zu den anderen, ziehen sie in unser Gebet und so in die Gegenwart Gottes
hinein, der dann das Seine tut. In diesem Sinn wollen wir immer neu den Herrn
der Ernte bitten, an seinem Herzen rütteln und mit ihm in unserem Gebet auch
die Herzen der Menschen anrühren, damit Gott nach seinem Willen darin das „Ja“
reifen lasse, die Bereitschaft; und dann die Beständigkeit, durch all die
Wirrnisse der Zeit, durch die Hitze des Tages und auch durch das Dunkel der
Nacht treu in seinem Dienst zu bleiben und von ihm her immer wieder zu erkennen
- auch wenn es mühselig ist -, dass diese Mühsal schön ist, dass sie nützlich
ist, weil sie zum Eigentlichen hilft, nämlich dass Menschen das empfangen,
worauf sie bauen: Gottes Licht und Gottes Liebe.
Benedikt XVI.
Begegnung mit den Priestern und Diakonen
in Freising, 14.
September 2006
Geistige Mutterschaft
für die priester
Die Berufung zur geistigen
Priestermutterschaft ist zu wenig bekannt,
wird selten verstanden und
deshalb,
trotz ihrer lebensnotwendigen und
grundlegenden Bedeutung, wenig gelebt.
Diese Berufung bleibt oft
verborgen und wird für menschliche Augen nicht sichtbar,
ist aber dazu bestimmt, geistiges
Leben zu vermitteln.
Davon war Papst Johannes Paul II.
überzeugt:
deshalb gründete er im Vatikan
ein klausuriertes Kloster,
in dem für die Anliegen des Papstes und der
Weltkirche gebetet werden sollte.
„Was und wie ich geworden bin, verdanke ich
meiner Mutter!“
hl. Augustinus
Unabhängig von Alter oder Stand, kann jede Frau
Priestermutter werden, nicht nur Familienmütter. Das gilt auch für einen
Kranken, für eine nicht verheiratete Frau oder für eine Witwe. In besonderer
Weise gilt dies für Missionarinnen und Ordensschwestern, die Gott ihr ganzes
Leben für die Heiligung der Menschheit aufopfern. Johannes Paul II. dankte sogar
einem Kind für seine mütterliche Hilfe: „Ich drücke meine Dankbarkeit auch
der seligen Jacinta gegenüber aus für die Opfer und Gebete, die sie für den
Heiligen Vater dargebracht hat, den sie
so sehr leiden gesehen hat“ (13. Mai 2000).
Jedem Priester ist eine Mutter vorausgegangen, die
nicht selten auch eine Mutter für das geistliche Leben ihrer Kinder geworden
ist. Giuseppe Sarto zum Beispiel, der zukünftige Papst Pius X., besuchte sofort
nach seiner Konsekration zum Bischof seine siebzigjährige Mutter.
Hochachtungsvoll küsste sie den Ring ihres Sohnes, wurde dann aber plötzlich
nachdenklich und zeigte Giuseppe ihren silbernen, von der Arbeit abgenutzten
Ehering: „Ja, Seppi, aber du würdest heute deinen Ring nicht tragen, hätte
nicht ich zuerst meinen Ehering getragen.“ Worauf Pius X. seine Erfahrung
bestätigte: „Jede Priesterberufung entspringt dem Herzen Gottes, geht aber
durch das Herz einer Mutter!“
Das sieht man ganz besonders schön im Leben der
hl. Monika. Augustinus, der mit 19 Jahren als Student in Karthago seinen
Glauben verloren hatte, schrieb später in den berühmten „Bekenntnissen“ über
seine Mutter: „Aus Liebe zu mir weinte sie mehr Tränen, als je Mütter über
den leiblichen Tod ihrer Söhne weinten. Neun Jahre vergingen, in denen ich mich
in einem schlammigen Abgrund und in der Finsternis des Irrtums befand. Doch
diese fromme Witwe hörte in all ihren Gebetsstunden nicht auf, beharrlich bei
Dir, Herr, laut für mich einzutreten.“ Nach seiner Bekehrung sagte
Augustinus dankbar: „Meine heilige Mutter hat mich nie verlassen. Sie hat
mich dem Leibe nach für das zeitliche Leben geboren und mit dem Herzen für das
ewige Leben. Was und wie ich geworden bin, verdanke ich meiner Mutter.“
Während der philosophischen Diskussionen
wollte der hl. Augustinus die Mutter immer in seiner Nähe; sie hörte aufmerksam
zu, und zur Verwunderung anwesender Experten ergriff sie manchmal das Wort, um
Finessen zu klären und noch offene Fragen zu beantworten. Deshalb überrascht es
nicht, dass sich der hl. Augustinus als ihr „Schüler der Philosophie“
bezeichnete.
Der Traum eines Kardinals
Nikolaus Kardinal von Cues
(1401-1464), Bischof von Brixen,
war nicht nur ein großer
Kirchenpolitiker, angesehener päpstlicher Legat
und Reformer des geistlichen
Lebens von Klerus und Volk im 15. Jh.,
sondern auch ein Mann der Stille
und der Kontemplation.
Sehr eindrücklich wurde ihm in
einem Traum eine geistige Wirklichkeit gezeigt,
aus der die Priester und wir alle
bis heute leben: die Macht der Hingabe,
des Gebetes und Opfers geistiger Mütter in der
Verborgenheit von Klöstern.
Aufopfernde Hände und Herzen
... Sie kamen in eine kleine, uralte Kirche
hinein, die mit Mosaiken und Fresken der früheren Zeit geschmückt war, und
jetzt bot sich dem Kardinal ein wahrhaft ungeheurer Anblick. Tausend und mehr
Nonnen beteten in der kleinen Kirche. Sie waren so schmal, so sehr in sich
gekehrt, dass jede für sich Platz fand, auch wenn sie als Gemeinschaft sehr eng
zusammengedrängt waren. Die Schwestern beteten, aber der Kardinal hatte noch
nie so beten sehen. Sie knieten nicht, sondern standen hoch aufgerichtet, den
Blick nicht so sehr in die Ferne als in eine für ihn unerkennbare nächste Nähe
gerichtet. Die Arme hatten sie weit ausgebreitet, die Handflächen nach oben,
aber nicht zum Empfangen, sondern zum Darbieten.
Denn das war das Ungeheuerliche: sie trugen in
ihren armen und schmalen Händen Männer und Frauen, Kaiser und Könige, Städte
und Länder. Manchmal schlossen sich etliche Händepaare um eine Stadt zusammen;
oder ein Land - an seinen Fahnen erkennbar - ruhte auf einer ganzen Mauer
stützender Arme, und selbst da noch war um jede einzelne Betende ein Raum von
Stille und Abgeschlossenheit. Mit den meisten Schwestern aber war es so, dass
sie mit ihren einsamen und zarten Händen Menschenbrüder und Menschenschwestern
trugen.
Nikolaus sah in den Händen einer jungen,
zierlichen, fast kindlichen Nonne den Papst. Man sah, wie schwer sie an ihrer
Last trug, aber ihr Gesicht war vom Glanz der Freude überstrahlt. Auf den
Händen einer der älteren Schwestern ruhte er selbst, Nikolaus von Cues, Bischof
von Brixen, Kardinal der römischen Kirche. Er sah sich mit den Runzeln seines
Alters, er sah die Makel seiner Seele und seines Lebens mit aller Deutlichkeit.
Er sah das mit großen, erschrockenen Augen, aber in seinen Schrecken mischte
sich bald eine unsagbare Seligkeit.
Seine Führerin, die neben ihm stand, flüsterte ihm
zu: „Da seht Ihr nun, wie die Sünder gehalten und getragen werden, die trotz
ihrer Sünden nicht aufgehört haben, Gott zu lieben.“ „Was ist aber mit denen,
die nicht mehr lieben?“, fragte er. Da war er auf einmal mit der
Führerin in der Krypta der Kirche, wo abermals tausend und mehr beteten; aber
wenn jene ersteren die ihnen Anvertrauten mit ihren Händen trugen, so taten
diese hier in der Krypta es mit ihren Herzen. Um sie war tiefer, heiliger
Ernst, denn es ging um das ewige Schicksal unsterblicher Seelen.
„Seht Ihr, Kardinal“, sagte die Führerin, „so werden auch
die noch gehalten, die aufgehört haben zu lieben. Zuweilen geschieht es, dass
sie wieder warm werden an der Glut der Herzen, die sich für sie verzehren;
zuweilen, aber nicht immer. Manchmal - eben in der Stunde ihres Todes - werden
sie aus diesen immer noch rettenden Händen in die Hände des göttlichen Richters
genommen und müssen dann auch das Opfer verantworten, das für sie dargebracht
worden ist. Kein Opfer bleibt ohne Frucht. Aber wer die ihm zugewendete Frucht
nicht pflückt, dem reift die Frucht des Verderbens.“
Der Kardinal blickte wie gebannt auf die sich opfernden Frauen. Er hatte immer
gewusst, dass es sie gab. Aber es war ihm nie so offenbar geworden wie jetzt,
was sie für die Kirche und für die Welt, für die Völker und jeden Einzelnen
bedeuten; jetzt ging es ihm erschreckend auf. Er beugte sich tief vor diesen
Märtyrerinnen der Liebe.
Foto: Seit dem Jahr
550 diente Säben während eines halben Jahrtausends als Bischofssitz der Diözese
Brixen. Seit 1685, d. h. seit mehr als 300 Jahren, beherbergt das bischöfliche
Schloss ein Kloster, in dem bis heute Benediktinerinnen die geistige Mutterschaft
leben, indem sie beten und sich Gott darbringen, so wie es Kardinal von Cues im
Traum gesehen hatte.
Eliza Vaughan
Es ist eine biblische Tatsache,
dass Priesterberufungen erbetet werden müssen.
Jesus selbst unterstreicht dies
im Evangelium, wenn er sagt:
„Die Ernte ist groß, aber es gibt
nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte,
Arbeiter für seine Ernte
auszusenden“ (Mt 9,37-38).
Ein ungewöhnlich schönes Beispiel
einer durch und durch priesterlich
gesinnten Frau und Mutter, die
sehr viel um Berufungen betete,
ist das der englischen Familienmutter Eliza Vaughan.
Eliza stammte aus einer protestantischen Familie,
jener der Rolls, die in späteren Jahren die berühmten Rolls-Royce konstruieren
wird. Doch schon als Mädchen war sie während ihrer Erziehung in Frankreich vom
vorbildlichen Einsatz der katholischen Kirche für die Armen tief beeindruckt. Nachdem
sie im Sommer 1830 Oberst John Francis Vaughan geheiratet hatte, trat Eliza im
Herbst trotz des Widerstandes ihrer Verwandten zum katholischen Glauben über.
Diesen Schritt tat sie mit innerer Überzeugung und nicht nur, weil sie in eine
traditionsreiche, bekannte katholische Familie Englands eingeheiratet hatte.
Deren Vorfahren hatten zur Zeit der englischen Katholikenverfolgung unter Königin
Elisabeth I. (1558-1603) lieber Kerker
und Enteignung auf sich genommen, als ihrem Glauben untreu zu werden.
Courtfield, der Stammsitz der Familie, war in
diesen Jahrzehnten des Terrors zu einem Zufluchtsort für verfolgte Priester
geworden, zu einem Ort, an dem oft heimlich das Hl. Messopfer gefeiert wurde.
Seither waren zwar beinahe drei Jahrhunderte vergangen, aber an der
katholischen Einstellung der Familie hatte sich nichts geändert.
Foto: Überzeugt von
der Macht des stillen, treuen Gebetes, verbrachte Eliza Vaughan täglich eine
Anbetungsstunde in der Hauskapelle, in der sie Gott um Berufungen in ihrer
Familie bat. Als Mutter von sechs Priestern und vier Ordensschwestern wurde sie
überreich erhört. Mutter Vaughan starb 1853 und wurde auf dem von ihr so
geliebten Familiensitz Courtfield begraben.
Heute ist Courtfield ein Einkehrzentrum für
verschiedene Exerzitiengruppen der englischen Diözese Cardiff. In Anbetracht
des heiligmäßigen Lebens Elizas wurde 1954 die Hauskapelle vom Bischof zum
Heiligtum „Unserer Lieben Frau von den Berufungen“ geweiht und im Hl. Jahr 2000
als solches bestätigt.
Schenken wir Gott unsere Kinder
Tief im Herzen bekehrt, schlug Eliza voll Eifer
ihrem Mann vor, ihre Kinder Gott zu schenken. Zudem machte es sich diese
bemerkenswerte Frau zur Gewohnheit, täglich eine Stunde vor dem Allerheiligsten
in der Hauskapelle von Courtfield anzubeten. Dabei bat sie Gott um eine große
Familie, um viele geistliche Berufungen unter ihren Kindern. Und sie wurde
erhört! 14 Kindern schenkte sie das Leben, wobei sie bald nach der Geburt des
letzten Kindes 1853 starb. Von ihren 13 lebenden Kindern aber wurden sechs der
acht Söhne Priester: zwei waren Ordenspriester, einer Weltpriester, einer
Bischof, einer Erzbischof und einer Kardinal. Von den fünf Töchtern wurden vier
Ordensschwestern. Welcher Segen für die Familie und welche Auswirkung für ganz
England!
Alle Vaughan-Kinder erlebten eine frohe,
glückliche Kindheit, denn ihre heiligmäßige Mutter verstand es so gut, in der
Erziehung das spirituelle Leben und die religiösen Pflichten gleichzeitig mit
Vergnügen und Heiterkeit auf ganz natürliche Weise zu vereinen. Dank der Mutter
gehörten bei den Vaughans das Gebet und die tägliche Hl. Messe in der
Hauskapelle ebenso selbstverständlich zum Alltag wie Musik, Sport,
Amateurtheater, Reiten und Spiele. Nie wurde es den Kindern langweilig, wenn
ihnen die Mutter von den Heiligen erzählte, die ihnen nach und nach wie zu
vertrauten Freunden wurden. Auch zur Betreuung der Kranken und Notleidenden der
Umgebung ließ sich Mutter Vaughan gern von ihren Kindern begleiten, die bei
solchen Gelegenheiten lernten, großzügig zu sein, Opfer zu bringen und ihr
Erspartes oder Spielzeug den Armen zu schenken.
Kurz nach der Geburt ihres 14. Kindes, John, starb
Eliza. Zwei Monate nach ihrem Tod schrieb Oberst Vaughan, der stets überzeugt
war, dass die göttliche Vorsehung ihm Eliza geschenkt hatte, in einem Brief: „Heute
habe ich dem Herrn bei der Anbetung gedankt, dass ich Ihm meine mir so liebe
Frau zurückschenken konnte. Ich schüttete Ihm mein Herz aus, voll Dankbarkeit
dafür, dass Er mir Eliza als Vorbild und Führerin gegeben hatte, mit der mich
auch jetzt noch ein untrennbares geistiges Band verbindet. Welch wunderbaren
Trost und welche Gnade vermittelt sie mir! Immer noch sehe ich sie, wie ich sie
stets vor dem Allerheiligsten sah: in ihrer reinen und so menschlichen
Liebenswürdigkeit, die sich auf ihrem schönen Gesicht während des Gebetes
widerspiegelte.“
Arbeiter im Weinberg des Herrn
Die zahlreichen Berufungen aus der Ehe der Vaughans
sind wirklich ein einzigartiges Vermächtnis in der britischen Geschichte und
ein Segen, der vor allem von Mutter Eliza ausging: Als Herbert, der älteste
Sohn, seinen Eltern mit 16 Jahren mitteilte, er wolle Priester werden, waren
die Reaktionen sehr verschieden. Die Mutter, die viel dafür gebetet hatte,
lächelte nur und sagte: „Kind, das habe ich schon längst gewusst.“ Der
Vater allerdings brauchte einige Zeit, um sich damit abzufinden, denn gerade
auf seinen Ältesten, den Erben, hatte er große Hoffungen gesetzt und gedacht,
er werde eine brillante Militärkarriere machen. Wie hätte er auch wissen
sollen, dass gerade Herbert einmal Erzbischof von Westminster, Gründer der
Millhill-Missionare und Kardinal werden sollte. Doch auch der Vater beugte sich
und schrieb einem Freund: „Wenn Gott Herbert für sich will, dann kann Er
auch die anderen alle haben.“ Während Reginald heiratete und ebenso Francis
Baynham, der den Familiensitz erbte, berief der Herr tatsächlich noch neun
weitere Vaughan-Kinder. Roger, der Zweitälteste, wurde Benediktinerprior und
später beliebter Erzbischof von Sydney/Australien, wo er die bischöfliche
Kathedrale erbauen ließ. Kenelm wurde Zisterzienser und später Weltpriester,
Joseph, der vierte Vaughansohn, wurde wie sein Bruder Benediktinerprior und
Gründer einer neuen Abtei.
Bernhard, der wohl lebhafteste von allen, der Tanz
und Sport liebte und jeden Spaß mitmachte, wurde Jesuit. Vom Tag vor seinem
Eintritt wird erzählt, dass er noch auf einen Ball ging und zu seiner
Tanzpartnerin sagte: „Dieser Tanz, den ich mit Ihnen tanze, ist mein
letzter, denn ich werde Jesuit!“ Erstaunt erwiderte das Mädchen: „Aber
bitte! Sie wollen Jesuit werden? Sie, der Sie die Welt lieben und so
ausgezeichnet tanzen?“ Die mehrdeutige, überaus schöne Antwort lautete: „Eben
deswegen weihe ich mich Gott.“
John, der Jüngste, wurde von seinem ältesten
Bruder, Herbert, zum Priester geweiht und wurde später Bischof von Salford in
England. Von den fünf Töchtern der Familie traten vier in ein Kloster ein.
Gladis ging in den Orden der Heimsuchung, Teresa wurde Barmherzige Schwester,
Claire wurde Klarissin und Mary Priorin bei den Augustinerinnen. Margaret, die
fünfte der Vaughantöchter, wollte Ordensschwester werden, was jedoch wegen
ihrer schwächlichen Gesundheit nicht möglich war. Aber sie lebte zu Hause auch
gottgeweiht und verbrachte die letzten Jahre in einem Kloster.
Foto: Mit 16 Jahren
entschloss sich Herbert Vaughan während persönlicher Sommereinkehrtage,
Priester zu werden. Mit 22 Jahren wurde er in Rom zum Priester geweiht und
später Bischof von Salford/England und Gründer der Millhill-Missionare, die
heute weltweit wirken. Schließlich wurde er Kardinal und dritter Erzbischof von
Westminster. In seinem Wappen steht geschrieben: „Amare et servire!“, „Lieben
und dienen!“, worüber Kardinal Vaughan sagte: „Diese zwei Worte drücken mein Programm aus: Die Liebe muss die Wurzel
sein, aus der all mein Dienen hervorgeht.“
Selige Maria Deluil Martiny (1841-1884)
Vor etwa 120 Jahren begann Jesus, in einigen Privatoffenbarungen
gottgeweihten Frauen in Klöstern und in der Welt Seinen Plan für die Erneuerung
des Priestertums zu anzuvertrauen. Geistigen Müttern vertraute Er das sogenannte
„Priesterwerk“ an. Eine Vorläuferin dieses Werkes für die Priester ist die
selige Maria Deluil Martiny. Ihren innersten Herzenswunsch drückte sie
so aus: „Sich für die Seelen hinopfern ist schön und groß! Aber sich für die
Seelen der Priester hingeben ... ist so schön, so groß, dass man dazu tausend
Leben und tausend Herzen haben müsste! ... Ich würde gern mein Leben hingeben,
damit Christus das in den Priestern findet, was Er von ihnen erwartet! Ich
würde es gern geben, wenn nur ein einziger von ihnen vollkommen Seinen
göttlichen Plan verwirklichen würde!“ Tatsächlich hat sie mit 43 Jahren
ihre Priestermutterschaft als Märtyrerin mit ihrem Blut besiegelt. Ihre letzten
Worte waren: „Es ist für das Werk, für das Priesterwerk!“
Verehrungswürdige Louise Marguerite Claret de la Touche
(1868-1915)
Jahrelang bereitete Jesus auch Louise Marguerite
Claret de la Touche auf ihr Apostolat für die Erneuerung des Priestertums
vor. Sie berichtete, wie ihr am 5. Juni 1902, am Vorabend des Herz-Jesu-Festes,
während der Anbetung der Herr erschien:
„Ich bat Ihn für unser kleines Noviziat.
Ich flehte Ihn an, mir einige Seelen zu geben, die ich für Ihn formen könnte.
Da antwortete Er mir: ‚Ich werde dir Männerseelen geben.‘ Höchst erstaunt über
diese Worte, deren Sinn ich nicht verstand, verharrte ich im Schweigen. Da
sagte Jesus: ‚Ich werde dir Priesterseelen geben.‘ Darüber noch mehr erstaunt,
sagte ich zu Ihm: ‚Mein Jesus, wie wirst Du das bewerkstelligen?‘ Er zeigte mir
dann das Werk, das Er vorbereitet, um die Welt durch die Liebe zu erwärmen.“ Und Jesus erklärte ihr weiter, Er wolle
Sich deshalb an die Priester wenden: „So wie Ich vor 1900 Jahren mit zwölf
Männern - es waren Priester - die Welt erneuern konnte, so könnte Ich heute mit
zwölf Priestern die Welt erneuern. Aber es müssen heilige Priester sein.“ In
der Folge ließ der Herr Louise Marguerite die Priestervereinigung konkret
schauen.
„Es ist eine besondere Vereinigung von
Priestern, ein Werk, das die ganze Welt umfasst“, schrieb sie. „Will der Priester darin seine
Sendung erfüllen und Jesu Barmherzigkeit verkünden, so muss er zuerst selbst in seinem Herzen von Jesus
durchdrungen und in seinem Geist von der Liebe erleuchtet sein. Die Priester
sollen die Einheit untereinander pflegen, ein Herz und eine Seele sein und sich
niemals gegenseitig in ihrem Wirken hindern.“
Louise Marguerite schrieb in
ihrem Buch „Herz Jesu und Priestertum“ so treffend über das Priestertum, dass
viele Geistliche meinten, der Verfasser müsse ein erfahrener Priester sein. Ein
Jesuit erklärte sogar: „Ich weiß nicht, von wem das Buch ist, aber eines
weiß ich sicher, dass es nicht das Werk einer Frau ist!“
Lu Monferrato
Wir begeben uns in den kleinen Ort Lu in
Norditalien. Das Dorf mit ein paar tausend Einwohnern liegt in ländlicher
Gegend 90 km östlich von Turin. Bis heute wäre die Gemeinde wohl unbekannt
geblieben, hätten nicht im Jahre 1881 einige Familienmütter einen Entschluss
mit „schwerwiegenden Folgen“ gefasst.
Manche der Mütter trugen im Herzen den Wunsch, dass
doch einer ihrer Söhne Priester werde oder eine Tochter ihr Leben ganz in den
Dienst Gottes stellen möge. So begannen sie, sich unter der Leitung ihres
Pfarrers Msgr. Alessandro Canora jeden Dienstag vor dem Tabernakel zu
versammeln, um den Herrn anzubeten mit der Bitte um geistliche Berufungen. Im
selben Anliegen empfingen sie jeden ersten Sonntag im Monat die Hl. Kommunion.
Nach der Hl. Messe beteten alle Mütter zusammen um Priesterberufungen.
Durch das
vertrauensvolle Gebet dieser Mütter und die Offenheit der Eltern kamen in die
Familien der Friede und eine Atmosphäre froher, christlicher Frömmigkeit, so
dass die Kinder viel leichter ihre Berufung erkennen konnten.
Wenn der Herr sagte: „Viele sind gerufen, aber nur
wenige auserwählt“ (Mt 22,14), dann müssen
wir dies folgendermaßen verstehen: Viele werden berufen werden, aber nur wenige
werden darauf antworten. Gott erhörte das Gebet dieser Mütter in so
außergewöhnlicher Weise, wie es niemand erwartet hätte.
Aus diesem kleinen Ort gingen 323 (dreihundertdreiundzwanzig!) Berufungen
hervor: 152 Ordens- und Diözesanpriester und 171 Schwestern. Sie gehören 41
verschiedenen Kongregationen an. Aus manchen Familien gingen sogar drei bis
vier Berufungen hervor. Am bekanntesten ist das Beispiel der Familie Rinaldi.
Gott berief aus dieser Familie sieben Kinder. Zwei von ihnen wurden
Salesianerschwestern, die beide als mutige Missionspioniere nach Santa Domingo
geschickt wurden. Von den Söhnen wurden fünf Priester, die alle bei den
Salesianern eintraten. Der bekannteste unter den fünf Rinaldi-Brüdern ist der von Papst Johannes Paul II. am 29. April
1990 seliggesprochene Filippo Rinaldi, der dritte Nachfolger Don Boscos.
Tatsächlich sind viele der Berufenen Salesianer geworden. Das ist kein Zufall,
denn Don Bosco besuchte selbst viermal in seinem Leben das Dorf Lu. Der Heilige
feierte auch zusammen mit seinem geistigen Sohn Filippo Rinaldi dessen Primiz
in Lu. Filippo erinnerte sich immer wieder gern an den Glauben der Familien von
Lu. „Ein Glaube, der unsere Väter und Mütter sagen ließ: Die Kinder hat uns
der Herr geschenkt, und wenn Er sie ruft, können wir doch nicht nein sagen.“
Liugi Borghina und Pietro Rota lebten so treu die
Spiritualität Don Boscos, dass der eine „Don Bosco Brasiliens“ und der andere
„Don Bosco des Valtellina“ genannt wurde. Aus Lu stammte auch Msgr. Evasion
Colli, Erzbischof von Parma, über den Johannes XXIII. sagte: „Er hätte Papst
werden sollen, nicht ich. Er hatte alles, um ein großer Papst zu werden.“
Alle zehn Jahre trafen sich die noch
lebenden Priester und Ordensschwestern in ihrem Heimatort. Don Mario Meda,
viele Jahre Pfarrer in Lu, hat erzählt, wie dieses Treffen in der Tat ein
wahres und eigentliches Fest ist, ein Fest des Dankes an Gott, der an Lu so
Großes getan hat.
Das Gebet, das die Mütter von Lu beteten, war kurz,
schlicht und tief:
„O Gott, gib, dass einer meiner Söhne Priester
wird!
Ich selbst will als gute Christin leben
und will meine Kinder zu allem Guten anleiten,
damit ich die Gnade erhalte,
Dir, o Herr, einen heiligen Priester schenken zu
dürfen.“
Foto: Dieses Foto ist einzigartig in der
Geschichte der Kirche. Vom 1. bis 4. September 1946 traf sich in Lu ein
Großteil der 323 Priester und Ordensleute, die aus diesem Ort hervorgegangen
waren. Dieses Treffen erregte weltweites Aufsehen.
Selige Alessandrina da Costa (1904-1955)
Auch ein Beispiel im Leben von Alessandrina da
Costa, die am 25. April 2004 seliggesprochen worden ist, zeigt auf
beeindruckende Weise, welch umwandelnde Macht und sichtbare Auswirkung das
unsichtbare Opfer eines hilflosen, kranken Mädchens haben kann.
Es war im Jahr 1941. Alessandrina schrieb ihrem
Seelenführer P. Mariano Pinho, dass Jesus sie gebeten hatte: „Meine Tochter,
in Lissabon lebt ein Priester, der nahe daran ist, ewig verlorenzugehen; er
beleidigt Mich auf schlimme Art und Weise. Rufe deinen Seelenführer und bitte
ihn um Erlaubnis, dass Ich dich während der Passion in besonderer Weise für
diese Seele leiden lasse.“ Nachdem sie die Erlaubnis erhalten hatte, litt
Alessandrina furchtbar. Sie fühlte die Schwere der Fehler dieses Priesters, der
von Gott nichts wissen wollte und im Begriff war, sich zu verdammen. Die Arme
erlebte an sich selbst den höllischen Zustand, in dem der Priester war, und bat
flehentlich: „Nicht in die Hölle, nein! Ich biete mich als Opfer für ihn an
... solange Du willst.“ Sie hörte sogar den Vor- und Nachnamen des
Priesters!
P. Pinho wollte der Sache auf den Grund gehen und
ließ beim Kardinal von Lissabon nachfragen, ob ihm im Moment einer seiner
Priester besonderen Kummer mache. Offen bestätigte der Kardinal, dass er sich
tatsächlich ganz besonders um einen Priester sorge. Als er sogar dessen Namen
nannte, war es derselbe Name, den Jesus Alessandrina gesagt hatte.
Einige Monate später wurde P. Pinho von seinem
Priesterfreund Don Davide Novais ein ungewöhnlicher Vorfall erzählt. Don Davide
hatte soeben in Fatima Exerzitien gehalten, an denen auch ein bescheidener Herr
teilnahm, der durch sein vorbildliches Verhalten allen angenehm aufgefallen
war. Am letzten Abend der Exerzitien hatte dieser Mann plötzlich eine
Herzattacke. Er verlangte nach einem Priester und konnte beichten und die Hl.
Kommunion empfangen. Kurz darauf starb er - vollkommen mit Gott versöhnt. Es
stellte sich heraus, dass dieser als Laie gekleidete Herr selbst Priester war,
und zwar jener, um dessen Bekehrung Alessandrina so sehr gerungen hatte.
Dienerin Gottes Consolata Betrone (1903-1946)
Die Opfer und Gebete einer Priestermutter kommen
vor allem solchen Gottgeweihten zugute, die in die Irre gegangen sind oder ihre
Berufung bereits aufgegeben haben. Dazu berief Jesus in Seiner Kirche unzählige
betende Frauen, wie z. B. die Kapuziner-Klarissin Consolata Betrone aus
Turin. Ihr hatte Jesus gesagt: „Deine Lebensaufgabe gilt deinen Brüdern.
Consolata, auch du wirst ein Guter Hirte sein und auf die Suche nach den
Brüdern gehen und sie Mir zurückbringen.“
Für diese „ihre Brüder“, Priester und Gottgeweihte
in seelischer Not, tat Consolata alles. Immerwährend betete sie bei der
Küchenarbeit ihr Herzensgebet:
„Jesus,
Maria, ich liebe Euch, rettet Seelen!“ und machte jeden kleinsten Dienst und ihre
Pflichten bewusst zu einem Opfer, so dass Jesus darüber sagte: „All das sind unbedeutende Dinge, aber weil
du sie Mir mit großer Liebe darbringst, verleihe Ich ihnen unermesslichen Wert
und lasse sie als Bekehrungsgnaden auf die unglücklichen Brüder herabströmen.“
Oft wurden dem Kloster ganz konkrete schwere Fälle
per Telefon oder schriftlich anvertraut, für die Consolata jedes Mal
stellvertretend die entsprechenden Leiden übernahm. So durchlitt sie manchmal
wochen- und monatelang Trockenheit, Verlassenheit, Sinnlosigkeit, innere
Dunkelheit, Einsamkeit, Zweifel und sündhafte Zustände von Priestern. Einmal
schrieb sie ihrem Seelenführer in diesem Ringen: „Wie viel kosten doch die Brüder!“ Doch Jesus gab ihr das
großartige Versprechen: „Consolata, es
ist nicht ein Bruder allein, den du zu Gott zurückführen wirst, sondern alle.
Ich verspreche dir: du wirst mir die Brüder schenken, einen nach dem anderen.“
So war es! Alle ihr anvertrauten Priester durfte sie für ein erfülltes
Priestertum zurückgewinnen. Viele Fälle davon sind genau bezeugt.
Berthe Petit (1870-1943)
Berthe Petit ist eine große
belgische Mystikerin, eine wenig bekannte Sühneseele.
Jesus zeigte ihr deutlich jenen
Priester, für den sie ihre persönlichen Pläne aufgeben sollte,
und führte sie sogar mit ihm zusammen.
Der „Preis“ für einen heiligmäßigen Priester
Als 15-jähriges Mädchen betete Berthe bereits bei
jedem Messopfer für den Zelebranten: „Mein Jesus, gib, dass Dein Priester
Dir nicht missfalle!“ Als sie 17 Jahre alt war, verloren ihre Eltern durch
eine Bürgschaft das ganze Vermögen. Am 8. Dezember 1888 erklärte der
Seelenführer, dass die Berufung von Berthe nicht das Kloster sei, sondern,
daheim für ihre Eltern zu sorgen. Schweren Herzens nahm das Mädchen das Opfer
an. Doch bat sie die Gottesmutter um die Gnade, dass Jesus anstelle ihrer
geopferten Klosterberufung der Kirche einen eifrigen, heiligmäßigen Priester
schenke. „Sie werden erhört werden!“ versicherte ihr der Beichtvater.
Doch was sie nicht wissen konnte, geschah schon 16
Tage später: Ein 22-jähriger junger Jurist, Dr. Louis Decorsant, betete vor
einer Statue der Schmerzensmutter. Plötzlich und völlig unerwartet hatte er
dabei die innere Gewissheit, dass es nicht seine Berufung sei, das Mädchen, das
er liebte, zur Frau zu nehmen und sich als Notar zu etablieren. Vielmehr
verstand er ganz klar, dass Gott ihn zum Priester berief. Dieser Ruf war so
eindeutig und eindringlich, dass er keinen Moment zögerte und sofort alles
aufgab. Nach dem Studium in Rom, wo er doktorierte, empfing er 1893 in Paris
die Priesterweihe. Berthe war damals 22 Jahre alt. Im selben Jahr feierte der
27-jährige Neupriester die Mitternachtsmette in einem Vorort von Paris. Dieses
Faktum ist deshalb so bedeutsam, weil zur selben Stunde Berthe Petit bei der
Mitternachtsmette in einer anderen Pfarrei dem Herrn feierlich versprach: „Jesus,
ich will ein Opfer für die Priester sein, für alle Priester, besonders aber für
den Priester meines Lebens.“
Als dann das Allerheiligste ausgesetzt wurde, schaute das Mädchen auf einmal
vor sich ein großes Kreuz mit dem Erlöser, darunter Maria und links davon
Johannes. Dabei hörte sie die Worte: „Dein Opfer wurde angenommen, deine
Bitte erhört. Hier ist dein Priester ... Du wirst ihn eines Tages
kennenlernen.“ Und Berthe sah, wie der hl. Johannes die Gesichtszüge eines
ihr unbekannten Priesters trug. Dieser Priester war niemand anderer als Abbé
Decorsant. Doch erst 1908, also 15 Jahre später, sollte sie ihm begegnen und
sein Antlitz wiedererkennen.
Die von Gott gewollte Begegnung
Während einer Lourdeswallfahrt hörte Berthe bereits
als reife Frau die Worte der Gottesmutter: „Du wirst nun den Priester sehen,
um den du Gott vor 20 Jahren gebeten hast; bald wirst du ihm begegnen.“ Doch
es sollte noch einige Monate dauern, bis sie ihn persönlich kennenlernte.
Als sie mit ihrer Freundin im selben Jahr erneut nach Lourdes reiste, betrat
im Pariser Bahnhof Austerlitz ein Geistlicher ihr Abteil, um Platz für eine
Kranke zu suchen. Es war Abbé Decorsant. Er trug die Züge des hl. Johannes, wie
ihn Berthe vor 15 Jahren geschaut und für den sie schon so viele Gebete und
auch körperliche Leiden aufgeopfert hatte. Doch nach ein paar freundlichen
Worten verließ er den Zug. Genau einen Monat später unternahm schließlich Abbé
Decorsant selbst auch eine Lourdeswallfahrt, um der Gottesmutter seine
priesterliche Zukunft anzuvertrauen. Beladen mit seinen Koffern, begegnete er
in Lourdes erneut Berthe und ihrer Freundin, erkannte die beiden Frauen wieder
und lud sie zum Hl. Messopfer ein. Als Abbé Decorsant die Hostie erhob, sprach
Jesus innerlich zu Berthe: „Das ist der Priester, für den Ich dein Opfer
annahm.“ Nach der Hl. Messe stellte Berthe fest, dass „der Priester ihres
Lebens“, wie sie ihn fortan nannte, sogar in ihrer Pension untergebracht war.
Eine gemeinsame Aufgabe
Berthe eröffnete ihm ihr Innenleben und ihre
Mission für die Weihe an das Schmerzvolle Makellose Herz Mariens. Abbé Louis
Decorsant seinerseits verstand, dass ihm diese kostbare Seele von Gott
anvertraut wurde. Er nahm eine Stelle in Belgien an und wurde für Berthe Petit
ein heiligmäßiger Seelenführer und eine unermüdliche Stütze bei der
Durchführung ihrer Sendung. Als hervorragender Theologe war er ein idealer
Vermittler für die Mystik Berthes mit den zuständigen Stellen in Rom und der
kirchlichen Hierarchie. 24 Jahre lang, bis zu seinem Tod, begleitete er Berthe
Petit, die als Sühneseele viel krank war und besonders auch für Priester litt,
die ihre Berufung aufgegeben hatten.
Verehrungswürdige Conchita
von Mexico (1862-1937)
Maria Conception Cabrera
de Armida, Conchita,
Ehefrau und Mutter
zahlreicher Kinder, ist eine jener modernen Heiligen,
die Jesus jahrelang auf
eine geistige Mutterschaft für Priester vorbereitete.
In Zukunft wird sie für die
Weltkirche von großer Bedeutung sein.
Einmal erklärte Jesus Conchita: „Es gibt Seelen,
die durch die Weihe die priesterliche Salbung erhielten. Aber es gibt ...
ebenso priesterliche Seelen, die, auch wenn sie weder die Würde noch die Weihe
des Priesters haben, eine priesterliche Sendung innehaben. Sie opfern sich
vereint mit Mir ... Diese Seelen helfen der Kirche im geistigen Sinn ganz
mächtig.“ „Du wirst Mutter einer großen Zahl geistiger Kinder werden, doch sie
werden dein Herz tausend Märtyrertode kosten.“
„Bringe dich als Opfergabe für die Priester
dar. Vereinige dich mit Meinem Opfer, um ihnen Gnaden zu erlangen ... Ich
möchte erneut auf diese Welt kommen ... in Meinen Priestern. Ich möchte die
Welt erneuern, indem Ich Mich in Meinen Priestern offenbare. Ich will Meiner
Kirche einen mächtigen Impuls verleihen, indem Ich wie in einem neuen Pfingsten
den Hl. Geist über Meine Priester ausgießen werde ... Die Kirche und die Welt
brauchen ein neues Pfingsten, ein priesterliches Pfingsten, ein inneres
Pfingsten.“
Als Mädchen betete Conchita beim Besuch des
Allerheiligsten oft: „Herr, ich fühle mich so unfähig, Dich zu lieben,
deshalb möchte ich heiraten. Gib mir viele Kinder, so dass sie Dich mehr lieben
als ich.“ Aus ihrer überaus glücklichen Ehe gingen neun Kinder hervor, zwei
Mädchen und sieben Jungen, die sie alle der Gottesmutter weihte: „Ich
schenke sie dir ganz als deine Kinder. Du weißt, ich vermag sie nicht zu
erziehen, ich verstehe zu wenig, was es bedeutet, Mutter zu sein. Doch du, du
weißt es.“ Sie musste den Tod von vier ihrer Kinder miterleben, die alle
heiligmäßig starben.
Conchita durfte auch ganz konkret geistig Mutter
für das Priestertum ihres leiblichen Sohnes werden, über den sie schrieb: „Manuel
wurde in derselben Stunde geboren, als der Priester José Camacho starb. Als ich
dies hörte, bat ich Gott, dass mein Sohn diesen Priester am Altar ersetzen möge
... Als der kleine Manuel zu sprechen anfing, beteten wir gemeinsam um diese
große Gnade der Priesterberufung ... Am Tag seiner Erstkommunion und an allen
großen Festen erneuerte er dieses Gebet ... Mit 17 Jahren trat er in die
Gesellschaft Jesu ein.“
Als Manuel (geb. 1889), der Drittgeborene, ihr 1906 von Spanien aus die Entscheidung mitteilte,
dass er Priester werden wollte, schrieb sie ihm: „So schenke dich dem Herrn
von ganzem Herzen, ohne dich Ihm je vorzuenthalten! Vergiss die Geschöpfe und
vergiss vor allem dich selbst! Ich kann mir keinen Gottgeweihten vorstellen,
der nicht ein Heiliger ist. Man darf sich Gott nicht nur halb schenken. Sei Ihm
gegenüber großzügig!“
1914 traf Conchita Manuel zum letzten Mal in Spanien, denn er kehrte nie
mehr nach Mexiko zurück. Damals schrieb er: „Meine liebe, kleine Mama, du
hast mir den Weg gezeigt. Zu meinem Glück hörte ich von klein auf von deinen
Lippen die fordernde und heilsame Lehre vom Kreuz. Jetzt will ich sie in die
Tat umsetzen.“ Auch die Mutter spürte den Verzicht: „Ich brachte deinen
Brief zum Tabernakel und sagte dem Herrn, dass ich mit meiner ganzen Seele
dieses Opfer annehme. Am folgenden Tag trug ich den Brief auf meiner Brust und empfing
so die Hl. Kommunion, um mein Ganzopfer zu erneuern.“
Mama, lehre mich, Priester zu sein
Am 23. Juli 1922, eine Woche vor seiner
Priesterweihe, bat der 33-jährige Manuel: „Mama, lehre mich, Priester zu
sein! Sprich mir von der unermesslichen Freude, die Hl. Messe feiern zu dürfen.
Ich lege alles in deine Hände zurück, so wie du mich als ganz kleines Kind an
deiner Brust geborgen hast, um mich die schönen Namen Jesu und Mariens zu
lehren, um mich in dieses Geheimnis einzuführen. Ich erlebe mich wirklich wie
ein Baby, das dich um Licht, um deine Gebete und um dein Opfer bittet.“ „Sobald
ich Priester sein werde, werde ich dir meinen Segen schicken, und dann werde
ich auf den Knien den deinen empfangen.“
Als Manuel am 31. Juli 1922 in
Barcelona zum Priester geweiht wurde, stand in Mexiko zur selben Zeit Mutter
Conchita auf - es war wegen der Zeitverschiebung bei ihr noch Nacht -, um auf
geistige Weise an seiner Priesterweihe teilzunehmen. Dabei wurde sie sich ganz
ergriffen bewusst: „Ich bin Mutter eines Priesters! ... Ich kann nur weinen
und danken! Ich lade den ganzen Himmel ein, an meiner Stelle zu danken, weil
ich unfähig bin, es zu tun, ich, die ich so armselig bin.“ Zehn Jahre
später schrieb sie an ihren Sohn: „Ich kann mir keinen Priester vorstellen,
der nicht Jesus ist, noch viel weniger in der Gesellschaft Jesu. Ich bete für
dich, dass deine Umwandlung in Christus sich von der Hl. Messe ausgehend
erfüllt, dass du Tag und Nacht Jesus seiest“ (17. Mai 1932). „Was würden wir ohne Kreuz machen? Das Leben
wäre ohne die Schmerzen, die vereinen, heiligen, reinigen und Gnaden erlangen,
unerträglich“ (10. Juni 1932). Mit 66 Jahren starb P. Manuel im Jahr 1955
im Ruf der Heiligkeit.
Der Herr gab Conchita für ihr Apostolat zu
verstehen: „Ich werde dir noch ein anderes Martyrium anvertrauen: du wirst
das erleiden, was die Priester gegen Mich unternehmen. Du wirst ihre Untreuen
und Armseligkeiten erleben und aufopfern.“ Diese geistige Mutterschaft für
die Heiligung der Priester und der Kirche hat sie ganz verzehrt. Conchita starb
1937 im Alter von 75 Jahren.
Mein Priestertum und eine Unbekannte
Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler
(1811-1877)
Der bekannte „Sozialbischof“
Ketteler, eine führende Gestalt im deutschen Episkopat des 19. Jh. und
herausragender Begründer der katholischen Soziallehre,
verdankt seine Berufung dem Gebet
und Opfer einer einfachen Ordensschwester.
Im Jahr 1869 saß der Diözesanbischof einer
deutschen Diözese eines Abends mit seinem Gast, Bischof Ketteler von Mainz,
beisammen. Im Laufe des Gesprächs kam der Diözesanbischof auf das überaus
segensreiche Wirken seines Gastes zu sprechen. Doch Bischof Ketteler erklärte
seinem Gastgeber: „Alles, was ich mit Gottes Hilfe erreicht habe, verdanke
ich dem Gebet und Opfer eines mir unbekannten Menschen. Ich kann nur so viel
sagen: Ich weiß, es hat sich jemand mit seinem ganzen Leben für mich dem lieben
Gott geopfert, und diesem Opfer habe ich es zu verdanken, dass ich überhaupt
Priester geworden bin.“
Und er fuhr fort: „Ursprünglich war ich nicht
zum Priester bestimmt. Ich hatte meine Staatsprüfung in Rechtswissenschaften
gemacht und dachte nur daran, möglichst bald voranzukommen, eine bedeutende
Stelle in der Welt zu erhalten und Ehre, Ansehen und Geld zu erwerben. Ein
außerordentliches Ereignis hielt mich von diesem Weg zurück und lenkte mein
Leben in eine andere Bahn.
Eines Abends war ich allein im Zimmer und
überließ mich meinen ehrgeizigen Träumen und Zukunftsplänen. Ich weiß nicht,
was nun geschah. Wachte oder schlief ich, sah ich in Wirklichkeit oder im
Traum? Aber das eine weiß ich: Was ich sah, führte eine Wende in meinem Leben
herbei. Ganz klar und deutlich schaute ich, wie Christus über mir in einer
strahlenden Wolke stand und mir Sein Heiligstes Herz zeigte. Vor ihm kniete
eine Ordensfrau, die flehend ihre Hände zu Ihm erhob. Aus Seinem Mund aber
hörte ich die Worte: „Sie
betet ohne Unterlass für dich!“ Ich sah ganz deutlich die Gestalt der
Beterin, und ihre Gesichtszüge haben sich mir so eingeprägt, dass ich sie noch
heute im Gedächtnis habe. Sie schien eine ganz gewöhnliche Laienschwester zu
sein. Ihr Gewand war sehr ärmlich und grob, ihre Hände waren wie von schwerer
Arbeit gerötet und schwielig. Mag dem nun sein, wie da will, mag es ein
Traumbild gewesen sein oder nicht, außerordentlich war es jedenfalls für mich;
denn ich wurde davon so bis ins Mark hinein erschüttert, dass ich von da an
beschloss, mich ganz Gott im priesterlichen Dienst zu weihen.
Ich zog mich in ein Kloster zurück, um
Exerzitien zu machen, und besprach alles mit meinem Beichtvater. Mit 30 Jahren
begann ich dann, Theologie zu studieren. Das Weitere wissen Sie. Und wenn Sie
nun meinen, dass durch mich irgendwie Gutes geschieht, so wissen Sie jetzt
auch, wer eigentlich das Verdienst daran hat. Es ist jene Klosterfrau, die für
mich gebetet hat, vielleicht ohne mich zu kennen. Denn ich bin überzeugt, dass
für mich gebetet worden ist und noch im Verborgenen gebetet wird, und dass ich
ohne dieses Gebet das Ziel, das Gott mir gesteckt hat, nicht erreichen würde.“ „Haben Sie eine Ahnung, wo und durch wen
für Sie gebetet worden ist?“ fragte der Diözesanbischof. „Nein, ich kann nur
Gott täglich bitten, dass Er sie, wenn sie noch auf Erden ist, segne und ihr
tausendfach vergelte, was sie an mir getan.“
Die Stallschwester
Am nächsten Tag besuchte Bischof Ketteler einen
nahe gelegenen Schwesternkonvent der Stadt und feierte dort in der Hauskapelle
die Hl. Messe. Schon war er bei der Kommunionausteilung am Ende der letzten
Reihe angekommen, als sein Blick plötzlich auf einer Ordensschwester haften
blieb. Tiefe Blässe breitete sich über sein Antlitz aus. Er stand da, ohne sich
zu bewegen; doch raffte er sich auf und spendete der andächtig knienden
Klosterfrau, die von der Verzögerung nichts bemerkt hatte, die Hl. Kommunion.
Ruhig beendete er dann die Hl. Messe.
Zum Frühstück war auch der Bischof, dessen Gast er
war, ins Kloster gekommen. Anschließend bat Bischof Ketteler die Oberin, ihm
sämtliche Schwestern des Hauses vorzustellen, und nach kurzer Zeit waren alle
versammelt. Die beiden Bischöfe begaben sich zu ihnen, und Bischof Ketteler
überflog grüßend und suchend die Reihen der Schwestern. Doch er schien nicht zu
finden, was er suchte. Leise fragte er die Oberin: „Sind wirklich alle
Schwestern da?“ Sie überschaute die Schwesternschar und sagte dann:
„Bischöfliche Gnaden, ich ließ alle rufen, aber es fehlt in der Tat eine
Schwester.“ „Warum ist sie denn nicht gekommen?“ „Sie besorgt den
Stall“, antwortete die Oberin, „und zwar in so musterhafter Weise, dass sie in
ihrem Eifer dann manchmal andere Dinge vergisst.“ „Ich wünsche die Schwester
zu sehen“, bat der Bischof. Nach einiger Zeit trat die Gerufene herein.
Wieder erbleichte er, und nach einigen Worten an alle Schwestern bat er, mit
dieser einen Schwester allein gelassen zu werden.
„Kennen Sie mich?“ fragte
er sie nun. „Ich habe Bischöfliche Gnaden noch nie gesehen.“ „Haben Sie
einmal gebetet oder gute Werke für mich aufgeopfert?“, wollte
Ketteler wissen. „Es ist mir nicht bewusst, da ich von Eurer Bischöflichen
Gnaden noch nie gehört habe.“ Der Bischof stand einige Augenblicke schweigend
da und fragte plötzlich weiter: „Welche Andacht pflegen Sie am liebsten und
häufigsten?“ „Die Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu“, war die Antwort. „Sie
haben, wie es scheint, die schwerste Arbeit im Kloster“, fuhr er fort. „O
nein, Bischöfliche Gnaden“, entgegnete die Schwester, „aber ich kann nicht
leugnen, dass sie mir zuwider ist.“ „Und was tun Sie, wenn solche
Anfechtungen kommen?“ „Ich habe mir angewöhnt, alle Dinge, die mich
Überwindung kosten, aus Liebe zu Gott erst recht gern und eifrig anzupacken.
Und ich opfere das dann auf für eine Seele auf dieser Welt. Wem der liebe Gott
dafür gnädig sein will, das habe ich Ihm ganz überlassen und will es nicht
wissen. Auch die Stunde der Anbetung vor dem Heiligsten Sakrament jeden Abend
von acht bis neun Uhr opfere ich in dieser Meinung auf.“ „Und wie kommen Sie
auf diesen Gedanken, all Ihre Verdienste für eine ganz unbekannte Seele
aufzuopfern?“ „Das hatte ich mir schon angewöhnt, als ich noch in der Welt
draußen war“, lautete die Antwort. „In der Schule lehrte uns nämlich der Herr
Pfarrer, dass und wie man für seine Angehörigen beten und seine Verdienste
aufopfern solle. Außerdem, meinte er, solle man auch für andere, die in Gefahr
sind, verloren zu gehen, viel beten. Da aber nur Gott wisse, wer das Gebet
besonders braucht, so sei es das Beste, seine Verdienste dem Heiligsten Herzen
Jesu zur Verfügung zu stellen, damit sie demjenigen zugutekommen, für den Seine
Allwissenheit und Weisheit es für gut fände. So habe ich es gemacht“, schloss
sie, „und immer gedacht, Gott werde die rechte Seele schon finden.“
Geburtstag und Bekehrungstag
„Wie alt sind Sie?“, wollte Ketteler wissen.
„Dreiunddreißig Jahre, Bischöfliche Gnaden“, war die Antwort. Der Bischof hielt
einen Augenblick betroffen inne. Dann sagte er: „Wann sind Sie geboren?“ Die
Schwester nannte den Tag. Da entfuhr dem Bischof ein Ausruf. Ihr Geburtstag war
sein Bekehrungstag! An jenem Tag hatte er sie genau so vor sich gesehen, wie
sie jetzt vor ihm stand. „Und wissen Sie gar nicht, ob Ihr Gebet und Opfer
Erfolg gehabt haben?“, fragte er weiter. „Nein, Bischöfliche
Gnaden.“ „Und wünschen Sie es nicht zu wissen?“ „Der liebe Gott weiß,
wenn etwas Gutes geschieht, und das ist genug“, war die einfache Antwort. Der
Bischof war erschüttert. „So fahren Sie in Gottes Namen mit diesem Werk
fort“, sagte er.
Die Schwester aber kniete bereits zu seinen Füßen und erbat seinen Segen.
Der Bischof erhob feierlich seine Hände und sprach mit tiefer Bewegung und
Ergriffenheit: „So segne ich Sie in der Kraft und Gewalt, die ein Bischof
zum Segnen hat. Ich segne Ihre Seele, ich segne Ihre Hände und deren Arbeit,
ich segne Ihr Beten und Opfern, Ihr Überwinden und Gehorchen. Ich segne Sie
ganz besonders für die letzte Stunde und bitte Gott, dass Er Ihnen mit all
Seinem Trost beistehe.“ - „Amen“, antwortete die Schwester ruhig, erhob
sich und ging.
Eine Lehre für das ganze Leben
Der Kirchenfürst aber trat, im Innersten
erschüttert, ans Fenster und blickte, nach Fassung ringend, hinaus. Etwas
später verabschiedete er sich von der Oberin und kehrte in die Wohnung seines
bischöflichen Freundes zurück. Diesem vertraute er an: „Nun ist jene
gefunden, der ich meine Berufung verdanke. Es ist die letzte und ärmste
Laienschwester des Klosters. Ich kann Gott nicht genug für Seine Barmherzigkeit
danken. Denn die Schwester betet seit fast 20 Jahren für mich. Gott aber hat
schon im Voraus ihr Gebet angenommen und an dem Tag, an dem sie das Licht der
Welt erblickte, bereits meine Bekehrung bewirkt, im Vorauswissen ihrer
fürbittenden Werke und Gebete.
Welch eine Lehre und Mahnung für mich!“, fügte er bei. „Wenn ich je in
Versuchung kommen sollte, wegen gewisser Erfolge und wegen meines Wirkens vor
den Menschen eitel zu werden, dann muss ich mir um der Wahrheit willen stets
vor Augen halten: Das verdankst du dem Gebet und dem Opfer einer armen Magd im
Klosterstall. Und wenn mir eine kleine und geringe Arbeit wenig wertvoll
erscheinen möchte, dann sagt mir dieselbe Tatsache: Das, was diese Magd im
demütigen Gehorsam Gott gegenüber und in Selbstüberwindung tut und opfert, ist
vor Gott dem Herrn so viel wert, dass diese Verdienste der Kirche einen Bischof
erweckt haben.“
Heilige Theresia von Lisieux
(1873-1897)
Theresia war erst 14 Jahre alt, als sie während
einer Wallfahrt nach Rom die Berufung zur geistigen Mutterschaft für die
Priester verstand. In ihrer Autobiographie schrieb sie, wie sie erkannte,
nachdem sie in Italien viele Priester kennengelernt hatte, dass diese trotz
ihrer erhabenen Berufung schwache und gebrechliche Menschen blieben: „Wenn
also heilige Priester ... zeigen, dass sie des Gebetes bedürfen, was soll man
dann von jenen denken, die lau sind?“ In einem ihrer Briefe ermunterte sie Céline: „Leben wir für die Seelen,
seien wir Apostel, retten wir vor allem Priesterseelen ... Beten wir, leiden
wir für sie, und am Jüngsten Tag wird uns Jesus dankbar sein“(Brief 94, vom 14. Juli
1889).
Im Leben der
Kirchenlehrerin Theresia gibt es eine rührende Geschichte, welche ihren Eifer
für die Seelen, besonders für die Missionare unterstreicht. Sie war schon sehr
krank und konnte nur mehr mit Mühe gehen. So verschrieb ihr der Arzt, jeden Tag
eine Viertelstunde im Garten zu spazieren. Eines Tages wandte sich eine
Mitschwester, die Theresia begleitete und sah, wie viele Schmerzen dieses Gehen
verursachte, an sie: „Aber Sr. Theresia, warum nehmen Sie all diese Mühe auf
sich, wenn es Ihnen doch eigentlich mehr Schmerzen als Linderung verursacht?“ Und
die Heilige antwortete: - „Es ist wahr, aber wissen Sie, was mir
Kraft gibt? ... Nun, ich mache diese Schritte für einen Missionar. Ich denke,
dass einer von ihnen weit draußen vielleicht von seinen Seelsorgegängen
erschöpft ist, und um seine Müdigkeit zu verringern, opfere ich Gott die
meinige auf.“
Gott zeigte, dass er
den Wunsch Theresias erhört hatte, ihr Leben für die Priester aufzuopfern, als
die Mutter Oberin ihr die Namen zweier Seminaristen anvertraute, die um die
geistige Unterstützung einer Karmelitin gebeten hatten. Einer war Abbé Maurice
Bellière, der wenige Tage nach dem Sterben Theresias das Ordenskleid der
„Weißen Väter“ entgegennahm und dann Priester und Missionar wurde. Der andere
war P. Adolphe Rouillard, den die Heilige bis zu seiner Priesterweihe, und vor
allem danach als Missionar in China, mit ihren Gebeten und Opfern begleitete.
Seliger Kardinal Clemens August
von Galen (1878-1946)
Am 13. September 1933 wurde der Pfarrer Clemens
Graf von Galen mit 55 Jahren von Papst Pius XI. zum Bischof von Münster
ernannt. Seinem Wahlspruch gemäß, sich „nicht durch Lob und nicht durch Furcht“
beeinflussen zu lassen, protestierte er öffentlich gegen die Terrormaßnahmen
der Gestapo und klagte den Staat an, wo dieser die Rechte der Kirche und der
Gläubigen verletzte. 1946 ernannte Papst Pius XII. den Bischof von Münster
wegen seiner Verdienste und seinem einzigartigen Bekennermut zum Kardinal. Bei
seinem Amtsantritt als Oberhirte von Münster ließ Bischof Graf von Galen ein
Bildchen drucken, auf dem folgender Text stand:
„Ich bin das dreizehnte Kind in unserer
Familie, und ich werde es ewig meiner Mutter danken, dass sie den Mut hatte,
auch zu diesem dreizehnten Kind noch ein Ja zu sprechen. Ohne dieses Ja der
Mutter wäre ich jetzt nicht Priester und Bischof.“
Diener Gottes Papst Johannes Paul i. (1912-1978)
„Mich hat es die Mutter Gelehrt“
Johannes Paul I. begann seine letzte Generalaudienz
im September 1978 mit folgenden Dankesworten: „‚Mein Gott, aus ganzem Herzen und mehr als alles liebe ich Dich,
unendliches Gut und unsere ewige Seligkeit, und aus Liebe zu Dir liebe ich
meinen Nächsten wie mich selbst und verzeihe erlittenes Unrecht. Herr, gib,
dass ich Dich immer mehr liebe!‛ Das ist ein sehr bekanntes Gebet aus
Bibelworten. Mich hat es die Mutter gelehrt. Ich bete es noch heute mehrmals am
Tag.“ Diese Worte über seine Mutter sprach er mit so zärtlichem Ton in der
Stimme, dass die Teilnehmer im Audienzsaal mit einer Woge des Beifalls
antworteten. Eine junge Frau, die der Audienz beiwohnte, sagte mit Tränen in
den Augen: „Wie ergreifend ist es, dass
der Papst seine Mutter erwähnt! Jetzt verstehe ich besser, welchen Einfluss wir
Mütter auf unsere Kinder haben können.“
„Herr, schenke uns wieder Priester!“
Während der kommunistischen
Verfolgung hat Anna Stang viel Leid erfahren,
und, wie viele andere Frauen, die
unter den gleichen Bedingungen litten,
opferte sie es für die Priester
auf. Im Alter ist sie selbst zu einem Menschen
mit einem priesterlichen Geist
herangereift.
„Wir sind ohne Hirten geblieben“
Anna Stang wurde 1909 im deutschen Wolgagebiet in
eine gläubige, kinderreiche Familie hineingeboren. Bereits als neunjährige
Schülerin bekam sie die beginnende Glaubensverfolgung zu spüren und berichtete:
„1918, in der 2. Klasse, beteten wir noch das Vaterunser vor dem Unterricht.
Aber ein Jahr später war schon alles verboten, und der Priester durfte nicht
mehr in die Schule. Man begann über uns Gläubige zu lachen, ehrte die Priester
nicht mehr, und die Seminare wurden zerstört.“
Mit elf Jahren verlor Anna durch eine
Choleraepidemie ihren Vater und mehrere Geschwister. Als wenige Jahre später
auch ihre Mutter starb, musste die kaum 17-Jährige ihre jüngeren Geschwister großziehen. Doch nicht nur die Eltern
und Geschwister starben. „Auch unser Priester ist in dieser Zeit gestorben,
und viele Geistliche wurden inhaftiert. So sind wir ohne Hirten geblieben! Das
war so schwer ... In unserer Nachbarpfarrei war die Kirche noch offen,
aber es gab dort auch keinen Priester mehr. Die Gläubigen versammelten sich
trotzdem zum Gebet, doch ohne Priester war die Kirche ganz kalt. Ich musste
einfach weinen und konnte mich nicht mehr fassen. Wie viel wurde doch früher in
dieser Kirche gesungen und gebetet! Jetzt schien mir alles wie tot.“
Geprägt von dieser
tiefen geistigen Not, betete Anna von da an besonders um Priester und
Missionare: „Herr, gib uns wieder einen Priester, schenke uns die Heilige
Kommunion! Alles möchte ich aus Liebe zu Dir erleiden, Heiligstes Herz Jesu!“ Anna
opferte alle kommenden Leiden für die Priester auf, vor allem auch damals, als
während einer Nacht des Jahres 1938 ihr Bruder und ihr Ehemann - mit dem sie
seit sieben Jahren glücklich verheiratet war - verhaftet und abgeführt wurden.
Keiner der beiden kehrte zurück!
Anvertrautes priesterliches Dienen
Mit ihren drei Kindern wurde Anna als junge Witwe
1942 nach Kasachstan deportiert: „Es war schwer, in den kalten Winter
hineinzufahren, aber wir haben den Frühling erlebt. In der Zeit habe ich viel
geweint und auch viel gebetet. Es war mir aber immer, als hätte mich jemand an
der Hand geführt. In der Stadt Syrjanowsk habe ich dann später einige
katholische Frauen gefunden. Wir versammelten uns jeden Sonn- und Feiertag
heimlich, sangen Lieder und beteten den Rosenkranz. Und ich flehte oft, oft:
Maria, unsere liebe Mutter, sieh doch, wie arm wir sind. Schenke uns wieder
Priester, Lehrer und Hirten!“
Ab 1965 war die Verfolgung abgeschwächt, und Anna
konnte einmal jährlich in die Hauptstadt Kirgistans reisen, wo ein katholischer
Priester im Exil war. „Als in Bischkek sogar eine Kirche gebaut wurde, fuhr
ich mit meiner Bekannten Viktoria einmal im Jahr dorthin, um an einer Hl. Messe
teilzunehmen. Der Weg war weit, über 1000 km, aber das war für uns eine große
Freude. Über 20 Jahre hatten wir ja keinen Priester und keinen Beichtstuhl mehr
gesehen! Der Priester dort war alt und zehn Jahre für seinen Glauben im
Gefängnis gewesen. In der Zeit, als ich dort war, hat man mir die Schlüssel der
Kirche anvertraut, und ich habe viel angebetet. Nie hätte ich gedacht, dass ich
noch einmal so nahe beim Tabernakel sein würde, und in meinem Glück kniete ich
mich nieder und küsste ihn.“
Für die alten Katholiken ihrer Stadt, die nicht
mehr selbst kommen konnten, erhielt Anna vor ihrer Heimkehr immer die Hl.
Kommunion. „Im Auftrag des Priesters taufte ich in meiner Stadt 30 Jahre
lang Kinder und Erwachsene, führte Paare zum Ehesakrament und beerdigte die
Verstorbenen, bis es gesundheitlich nicht mehr ging.“
Verborgene Gebete ... damit ein Priester komme!
Man kann sich die Annas Dankbarkeit nicht
vorstellen, als sie 1995 erstmals einem Missionspriester begegnete. Sie weinte
vor Freude und sagte ergriffen: „Jesus, der Hohepriester, ist gekommen!“ Seit
Jahrzehnten hatte sie gebetet, damit ein Priester in ihre Stadt komme; aber
nun, im Alter von 86 Jahren, hatte sie fast alle Hoffnung aufgegeben, dass sie
die Verwirklichung ihres tiefsten Wunsches erleben durfte. Die Hl. Messe wurde
in ihrem Haus gefeiert, und diese wunderbare Frau mit dem priesterlichen Herzen
durfte die Hl. Kommunion empfangen. Aus Ehrfurcht und Freude darüber aß Anna
während des ganzen Tages nichts.
Ein Lebensopfer für den Papst
und die Kirche
Im wahrsten Sinn im
Herzen des Vatikans, im Schatten der Kuppel von Sankt Peter, liegt ein Kloster,
das der „Mater Ecclesiae“, der Mutter der Kirche, geweiht ist. Das einfache
Gebäude, das früher verschiedenen Zwecken gedient hatte, wurde vor einigen
Jahren umgebaut, um es den Bedürfnissen eines kontemplativen Ordens anzupassen.
Papst Johannes Paul II. selbst hat veranlasst, dass am 13. Mai 1994, einem Fatimatag,
im Vatikan ein Klausurkloster eröffnet wurde, in dem Schwestern für die
Berufung des Heiligen Vaters und für die Kirche ihr Leben einsetzen.
Jeweils für fünf Jahre bleibt ihnen diese Aufgabe anvertraut. Dann werden
Schwestern eines anderen kontemplativen Ordens ebenfalls für fünf Jahre diesen
Platz im Herzen der Kirche übernehmen. Die acht Klarissinnen, die erste
internationale Gemeinschaft an diesem Ort, stammten aus sechs verschiedenen
Ländern (Italien, Kanada, Ruanda, den Philippinen, Bosnien, Nicaragua). An ihre
Stelle traten am Rosenkranzfest, am 7. Oktober 2004, sieben Benediktinerinnen
aus vier verschiedenen Ländern. Eine Schwester stammt aus den Philippinen, eine
andere kommt aus den USA, zwei sind Französinnen und drei Italienerinnen.
Mit dieser Gründung
zeigte Johannes Paul II. der Weltöffentlichkeit ohne Worte, aber doch sehr
deutlich, wie wichtig und unerlässlich auch in unserer modernen, schnelllebigen
Zeit die Berufung zum kontemplativ-verborgenen Leben ist und welch hohen Wert
er dem Gebet in der Stille und dem im Verborgenen gebrachten Opfer beimisst.
Wenn er in seiner unmittelbaren Nähe Klausurschwestern haben wollte, damit sie
für ihn und sein Pontifikat beteten, so offenbart dies auch seine tiefe
Überzeugung, dass er sich die Fruchtbarkeit seines universalen Hirtenamtes und
den geistigen Erfolg seines immensen äußeren Wirkens in erster Linie vom Gebet
und Opfer anderer erwartet.
Auch Papst Benedikt XVI. hat dieselbe tiefe Überzeugung. Zweimal hat er
bereits die Hl. Messe bei „seinen Schwestern“ gefeiert und ihnen für das Opfer
ihres Lebens für ihn gedankt. Die Worte, die er am 15. September 2007 in
Castelgandolfo an Klarissinnen richtete, gelten in gleicher Weise auch für die
Klausurschwestern im Vatikan: „Das ist es, liebe Schwestern, was der Papst
von euch erwartet: Seid brennende Fackeln der Liebe, ‚gefaltete Hände‘, die in
unablässigem Gebet wachen, gänzlich losgelöst von der Welt, um das Amt dessen
zu unterstützen, den Jesus berufen hat, seine Kirche zu führen.“ Die
Vorsehung hat es wirklich wunderbar gefügt, dass unter dem Pontifikat eines
Papstes, der den hl. Benedikt sehr liebt, heute Benediktinerinnen ihm besonders
nahe sein dürfen.
Foto: Begegnung mit
dem Heiligen Vater Johannes Paul II. in seiner Privatbibliothek, am 23.
Dezember 2004
Täglich das leben Mariens nachahmen
Es ist kein Zufall, dass
der Heilige Vater einen weiblichen Orden für diese Aufgabe aussuchte. Waren es
im Laufe der Kirchengeschichte doch immer Frauen, die in der Nachfolge der
Gottesmutter betend und opfernd den Weg der Apostel und Priester in ihrem
missionarischen Wirken begleitet und unterstützt haben. So sehen die
kontemplativen Orden „die Nachahmung und Betrachtung Mariens“ als ihr
besonderes Charisma. Mutter M. Sofia Cicchetti, heutige Oberin des Klosters,
beschreibt das Leben ihrer Gemeinschaft als ein tägliches marianisches Leben. „Bei
uns ist nichts außerordentlich. Unser kontemplatives und klausuriertes Leben
kann man nur im Licht des Glaubens und der Liebe Gottes verstehen. In dieser
auf Konsum und Hedonismus ausgerichteten Gesellschaft scheinen der Sinn für das
Schöne und das Staunen vor den Werken Gottes in der Welt und im Leben jeder
Frau und jeden Mannes, so wie auch die Anbetung seiner geheimnisvollen
Gegenwart in unserer Mitte, verschwunden zu sein. Aus der Sicht der heutigen
Welt könnte unser von der Welt losgelöstes, aber ihr gegenüber nicht
gleichgültiges Leben, absurd und unnütz erscheinen. Trotzdem können wir freudig
bezeugen, dass es keinen Verlust bedeutet, Gott allein die Zeit zu schenken. In
prophetischer Sicht erinnert es an eine fundamentale Wahrheit: Damit die
Menschheit wahrhaft und in Fülle sie selbst sein kann, muss sie in Gott
verankert sein und gleichzeitig vom Geist der Liebe Gottes leben. Wir möchten
wie viele ‚Mose‘ sein, die mit erhobenen Händen und einem Herzen voll
universaler, doch auch ganz konkreter Liebe, für das Gut und das Heil der Welt
bitten und so ‚sich mit Jesus Christus
dem Vater darbringen und am Erlösungswerk mitwirken‘ (vgl. Verbi Sponsa, 3).
Unsere Aufgabe besteht
nicht so sehr im ‚Tun‘ als vielmehr im ‚Sein‘ einer neuen Menschheit. Im Licht
all dessen können wir sehr wohl sagen, dass unser Leben sinnvoll ist; es ist
keineswegs vergeudet oder verschwendet, weder Verschlossenheit noch eine Flucht
vor der Welt, sondern seine freudvolle Hingabe an Gott, der die Liebe ist, an
alle Brüder und Schwestern ohne Ausnahme, und hier im ‚Mater Ecclesiae‘ in
besonderer Weise für den Papst und seine Mitarbeiter.“
Sr. Chiara-Cristiana, die
Mutter Oberin der ersten Gemeinschaft im Herzen des Vatikans, erzählte: „Als
ich hierherkam, fand ich die Berufung in meiner Berufung: als Klarissin mein
Leben für den Heiligen Vater hinzugeben. So war es auch für die Mitschwestern.“
Mutter M. Sofia bestätigt: „Als
Benediktinerinnen sind wir zutiefst mit der Weltkirche verbunden und spüren
deswegen eine große Liebe zum Papst, wo immer wir auch sind. Sicher, in dieses
‚erste‘ Kloster, so ganz in seine Nähe gerufen worden zu sein - auch physisch
-, hat unsere Liebe zu ihm noch vertieft. Wir versuchen, diese Liebe auch
unseren ursprünglichen Häusern zu vermitteln.
Wir verstehen, dass wir dazu berufen sind,
in unserem verborgenen Leben und in der Stille geistige Mütter zu sein. Unter
unseren geistigen Kindern haben die Priester und Seminaristen und jene, die uns
um Unterstützung für ihr priesterliches Wirken inmitten von Prüfungen und
Hoffnungslosigkeit bitten, einen bevorzugten Platz. Unser Leben möchte ein
Zeugnis der apostolischen Fruchtbarkeit des kontemplativen Lebens sein, in der
Nachahmung der seligen Jungfrau Maria, die im Geheimnis der Kirche ‚selbst mit
Recht Mutter und Jungfrau genannt wird‘ (LG 63).“
Foto: Mutter M. Sofia Cicchetti schenkt dem Heiligen Vater ein
Mess-Set, das die Schwestern von Hand bestickt haben.