DRITTES KAPITEL
Die alexandrinische Tradition: Origenes[1]
1. Einführung
Wir setzen unsere
Präsentation und unseren Kommentar zu einigen patristischen Texten fort, die
von der Priesterausbildung sprechen. Ich nehme nun auf die sogenannte «alexandrinische Tradition» Bezug.
Alexandrien scheint
– wie bereits erwähnt – zwei zusätzliche Aspekte zur antiochenischen Tradition
zu verkörpern, nämliche die Allegorie in der
Exegese und die Valorisierung der
Göttlichkeit des Wortes in der Christologie. Allgemeiner gesagt, Alexandrien ist weit entfernt von dem
sogenannten asiatischen «Materialismus», von dem im zweiten Kapitel gesprochen
wurde: Dies ist auch in der
Ekklesiologie, vor allem in der Auffassung des geweihten Dienstes zu
erkennen.[2]
In der Darlegung der
alexandrinischen Orientierungen zum Thema der Priesterausbildung beschränke ich
mich nur auf ein Beispiel, das in höchster Weise bezeichnend ist: Ich spreche
von Origenes, vor allem seinen Homilien
zum Buch Levitikus , die er in Cesarea von Palästina zwischen 239 und 242
gesprochen hatte. Die schwere Krise, die – aufgrund der Priesterweihe, die ihm
um 231 von den Bischöfen von Cesarea und Jerusalem ohne Wissen des Bischofs von
Alexandrien erteilt wurde – zu Gegensätzen zwischen Origenes und seinem
Ordinarius Demetrius führten, liegt schon einige Jahre zurück. Die Krise wurde
nicht beigelegt und war der Grund zur Versetzung des Origenes nach Cesarea.
Erbe der alexandrinische
Tradition im Abendland – vor allem im exegetischen Bereich – ist Ambrosius, der
Bischof von Mailand. (+ 397).[3] Über Ambrosius und
Augustinus, seinen «Schüler», haben wir bereits im ersten Kapitel gesprochen.
Zur Ergänzung dieser Ausführungen verweise auch auf den oben zitierten Bericht
von Pater Janssens über die verecundia (oder
«würdiges Verhalten») der Kleriker, von der Ambrosius in seiner Abhandlung De officiis [ministrorum]spricht.[4]
2. Origenes (+ 254)[5]
In erster Linie muss
zugeben werden, dass es für Origenes, als echten Alexandriner, wichtiger ist,
die Kirche in ihrem geistlichen Aspekt als mystischen Leib Christi, und nicht
in ihrer Sichtbarkeit zu betrachten.
Origenes schenkt
sein Augenmerk also mehr der sogenannten «Hierarchie der Heiligkeit», gesehen als der jeden
Christen vorgeschlagene, unablässige Weg der Vollkommenheit, als der «sichtbaren
Hierarchie».
Demzufolge spricht der
Alexandriner häufiger vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen und seinen
Eigenarten, als vom hierarchischen Priestertum.[6]
Wenn wir den
Ausführungen des Origenes über das eine und andere Argument folgen, wird es
keinesfalls schwierig sein, daraus einige Hinweise über den Weg der Ausbildung der
Presbyter abzuleiten.
2.1. Das Priestertum der Gläubigen und die
Bedingungen für dessen Ausübung
Eine lange Reihe von
Texten des Origenes will die für die
Ausübung des allgemeinen Priestertums verlangten Voraussetzungen erläutern.
In der neunten Homilie zum Buch Levitikus warnt
Origines – indem er sich darauf bezieht, dass Aaron nach dem Tod seiner beiden
Söhne verboten wurde, das sancta sanctorum (das Heiligtum) «zu
jeder beliebigen Zeit» zu betreten (Levitikus
16,2) - : «Damit wird bewiesen, dass, wenn einer zu jeder beliebigen Zeit, ohne
die gebotenen Vorbereitungen, ohne die priesterliche Gewänder zu tragen, ohne
die vorgeschrieben Opfergaben vorbereitet zu haben und sich Gott gewogen
gemacht zu haben, das Heiligtum betritt, er sterben wird [...]. Dies Sache betrifft uns alle: Es wird nämlich
angeordnet, dass wir wissen, wie wir zum Altar Gottes treten sollen. Oder weißt
du nicht, dass auch dir, das heißt der ganzen Kirche Gottes und dem Volk der
Gläubigen das Priestertum übertragen worden ist? Höre, wie Petrus von den
Gläubigen spricht: “Auserwähltes Geschlecht - königliches, priesterliches
Geschlecht”, sagt er, „heiliger Stamm, Volk, das Gottes besonderes Eigentum
wurde". Du also hast das Priestertum, weil du „priesterliches Geschlecht“
bist, und deshalb musst du Gott das Opfer darbringen, das Opfer des Gebets, das
Opfer der Barmherzigkeit, das Opfer der Reinheit, das Opfer der Gerechtigkeit,
das Opfer der Heiligkeit darbringen. Damit du es aber würdig darbringen kannst,
brauchst du ein reines Gewand, die sich von den gewöhnlichen Gewändern der
anderen Menschen unterscheiden, und du brauchst das das göttliche Feuer – nicht
ein Gott fremdes Feuer, sondern das Feuer, das den Menschen von Gott gegeben
wird -, von dem der Sohn Gottes spricht: “Ich bin gekommen, um das Feuer auf
die Erde zu senden».[7]
Auch in der vierten
Homilie, in der Origines die levitischen Regeln, gemäß der das Feuer für das
Brandopfer auf dem Altar brennen bleiben soll (Levitikus 6,8-13), zum Anlass nimmt, wendet er sich mit diesen
Worten an seine Gläubigen: «Höre: Das
Feuer muss immer auf dem Altar bleiben: Und auch du, wenn du Priester Gottes
sein willst – wie geschrieben steht: „Ihr alle werdet Priester des Herrn sein“,
und dir wird gesagt werden: „Auserwähltes Geschlechte, königliches Priestertum,
Volk, das Gottes Eigentum wurde“ -; wenn du das Priesteramt deiner Seele
ausüben willst, lass niemals das Feuer auf deinem Altar erlöschen».[8]
Wie wir sehen,
deutet der Alexandriner auf die inneren Bedingungen hin, die den Gläubigen mehr
oder weniger der Ausübung seines Priesteramtes würdig machen. Denn mit diesen
Worten setzt diese Homilie fort: «Das
bedeutet das, was der Herr in den Evangelien befiehlt, dass “eure Flanken
geschürzt seien und eure Lampe brennen“. Für dich also brenne immer das Feuer
des Glaubens und die Lampe der Weisheit».[9]
Schließlich nehmen
einerseits die «geschürzten Flanken»[10] und die «priesterlichen Gewänder», das heißt die
Reinheit und Rechtschaffenheit des Lebens, und andererseits die «stets
brennende Lampe», nämlich der Glaube und das Wissen um die Schriften, Gestalt
an als die unverzichtbaren Bedingungen für
die Ausübung des universalen Priestertums.
Umso unerlässlicher
sind sie natürlich für die Ausübung des Amtspriestertums: Ja, wir könnten
sagen, dass sie im Gedankengut des Origenes die «Meilensteine» der Ausbildung
zum Presbyter sind. Darauf werden wir jedoch in den Schlussfolgerungen
zurückkommen.
2.2. Priestertum der Gläubigen und Aufnahme des
Wortes
Mehr als auf den «geschürzten
Flanken», besteht Origenes auf der «brennenden Lampe», nämlich der Aufnahme und
dem Studium des Gotteswortes.
«Jericho bricht
unter den Widderhörnern der Priester zusammen», so beginnt der Alexandriner die
siebente Homilie über das Buch Josua; und
kurz danach folgt sein Kommentar: «Du hast dank des Glaubens Josua[= Jesus]
als Führer in dir. Wenn du Priester bist,
baue dir „metallene Hörner“ (tubae
ductiles); oder besser, weil du Priester bist – und du bist “königliche
Sippe”, und von dir wird gesagt, dass die “heiliges Priestertum” bist -, baue dir
“metallene Hörner” aus den heiligen Schriften, ihnen entnehme (duc) die wahre Bedeutung, ihnen entnehme
deine Worte; gerade deswegen werden sie tubae
ductiles genannt. Mit ihnen sollst du singen, singen mit den Psalmen, den
Hymnen und heiligen Gesängen, sollst du singen mit den Symbolen der Propheten,
mit den Geheimnissen des Gesetztes, mit der Lehre der Apostel».[11]
Laut der dritten Homilie über das Buch Genesis muss das
“auserwählte Volk, das Gottes Eigentum geworden ist» die Beschneidung des Gotteswortes in sich aufnehmen: «Ihr, das
Gottesvolk», so spricht Origenes, «"das Volk, das auserwählt wurde, um von
den Tugenden des Herrn zu erzählen“, nehmt die würdige Beschneidung des Gotteswortes
in eure Ohren und eure Lippen und euer Herz und auf dem Präputium eures
Fleisches auf und allgemeinen in allen euren Gliedern».[12]
«Du, Volk Gottes», fügt
Origenes in einem anderen Zusammenhang hinzu, «bist gerufen, das Wort Gottes zu
hören, nicht als plebs, sondern als rex. Denn dir wird ja gesagt: „königliches
und priesterliches Geschlecht, Volk, das Gott auserwählt hat"».[13]
Die Aufnahme der
heiligen Schriften ist entscheidend für das volle Teilhaben am «priesterlichen
Geschlecht». In seiner allegorischen Deutung von Ezechiel 17, erläutert Origenes seinen Gläubigen zwei
gegensätzliche Möglichkeiten: den Bund mit Nebukadnezaar– gezeichnet durch Fluch
und Exil -, ein charakteristisches Merkmal dessen, der das Wort zurückweist;
oder der Bund mit Gott, dessen unterscheidendes Element eben die Aufnahme der
Schriften ist. Diesem Bund folgt die Segnung und das Versprechen: So «sind wird alle, die das Gotteswort gehört
haben, regium semen», erklärt
Origenes in der zwölften Homilie zum Buch
Ezechiel. «In der Tat, wir werden “auserwähltes Geschlecht und königliches
Priestertum, heiliger Stamm, Volk, das Gottes Eigentum geworden ist, genannt"».[14]
2.3. Priestertum der Gläubigen und «Hierarchie der
Heiligkeit»
Diese Bedingungen - eine rechtschaffener Lebenswandel, vor
allem aber die Aufnahme und das Studium des Wortes – legen eine echte «Hierarchie der Heiligkeit»[15] im allgemeinen Priestertum der Christen fest.
Origenes, zum
Beispiel, denkt eher und ganz klar an eine «Hierarchie geistlicher
Dienste», als an eine «sichtbare Hierarchie», wenn er in der vierten Homilie zum Buch Numeri bei der
Erklärung der Zählung der Kehatiter unter den Leviten (Numero 4) abschließend behauptet: «Da also Gott auf diese Weise
seine Geheimnisse verteilt und den Dienst der heiligen Gegenstände regelt,
müssen wir uns als solche zeigen, nämlich des Priesterranges würdig [...]. Denn
wir sind ein “heiliger Stamm, königliches Priestertum, ein an Kindes Statt
angenommenes Volk”, denn, wenn wir mit den Verdiensten unseres Lebens der
empfangenen Gnade antworten, werden wir des heiligen Dienstes als würdig
erachtet».[16]
In der nachfolgenden
Homilie , der fünften zum Buch Numeri, interpretiert er
allegorisch die verschiedenen Elemente, die das “Offenbarungszelt” bilden,
indem er sich auf eine kühne Auslegung des Textes (Numeri 4,7-9) einlässt. Zu erkennen sind noch einige Hinweise auf
die «Hierarchie der Heiligkeit» , wo der Homilet behauptet, «unter diesem
Zelt», das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes, gäbe es «an Verdienst
höhere und an Gnade reichere Personen». Alle Gläubigen in ihrer Ganzheit bilden
somit den «Rest», das heißt das Volk der Heiligen, die die Engel auf ihren
Händen tragen, damit ihr Fuß nicht über den Stein stolpere, und sie in den Ort
des Versprechens eintreten können. Trotz der strengen Vorsichtsmaßnahmen der
Leviten, ist es jedem von ihnen erlaubt, ohne Frevel einige Aspekte des
Geheimnisses Gottes zu betrachten, denn alle zusammen werden «königliches
Geschlecht und Priestertum, heiliger Stamm, Volk, das Gottes Eigentum geworden
ist, genannt».[17]
Ebenso in der Homilie zum Buch Numeri lesen wir die berühmte origenische Auslegung
des Brunnens zu Beer, «von dem der Herr zu Mose gesagt hat: "Versammle das Volk, damit ich ihnen
Wasser gebe". Damals sang Israel das folgende Lied: "Steig auf,
Brunnen! Singt über ihn ein Lied! Über den Brunnen, den die Heerführer gruben,
den die Edlen des Volkes aushoben mit dem Zepter, mit ihren Stäben"» (Numeri 21,16-18). Origenes sieht in
diesem Brunnen Jesus Christus selbst, die Quelle des Wortes, und im Hinweis auf
die Heerführer und Edlen des Volkes den verschiedenartigen Grad der Tiefe, mit
der die Schriften gelesen und gedeutet werden. Und dort, wo zwischen den
Heerführern und Edlen zu unterscheiden ist, meint Origines in den Heerführern
die Propheten und in den Edlen die Apostel zu sehen. «Dass nun die Apostel Edle genannt werden könne», so erklärt der
Alexandriner, «ist leicht dem zu entnehmen, was allen Gläubigen gesagt wird:
"Ihr seid königliches Geschlecht, höchstes Priestertum, heiliger Stamm"».[18]
Damit wird in jedem
Fall bekräftigt, dass die wirkliche Hierarchie laut Origines jene ist, die
darauf gründet, wie die Schriften aufgenommen werden, während es – zumindest in
der letztgenannten Homilie – als
selbstverständlich erscheint, dass die Bezugnahme auf das Gotteswort
unerlässlich ist für die Ausübung des allen Gläubigen gemeinsamen «königlichen
Priestertums».
2.4. Die «Hierarchie des Dienstamtes»
Origenes spricht in
seinen Homilien ausdrücklich von den Bischöfen, den Presbytern und Diakonen. Seiner
Ansicht nach, muss diese «sichtbare Hierarchie» in den Augen der Gläubigen die
«unsichtbare Hierarchie» der Heiligkeit darstellen. Mit anderen Worten, die Ordination zum Dienst und die Heiligkeit
müssen in der Doktrin des Origenes Hand in Hand gehen.
«Die Priester», so schreibt
er in der sechsten Homilie zum Buch
Levitikus «müssen sich in den
Vorschriften des göttlichen Gesetzes wie in einem Spiegel anblicken und dieser Prüfung den Grad ihres Verdienste entnehmen: Wenn sie in
die priesterlichen Gewänder gekleidet sind [...], wenn sie erkennen, dass sie
den Höhepunkt [ihrer Berufung] im Wissen, in den Handlungen, in der Lehre
erreicht haben; dann können sie glauben, dass sie das höchste Priestertum nicht
nur dem Namen nach, sondern auch durch den wirklichen Verdienst erlangt haben. Andernfalls
sollen sie sich als niedrigeren Ranges
betrachten, auch wenn sie dem Namen nach den ersten Rang erhalten haben».[19]
Wie wir sehen, die
sehr hohe Achtung des Origenes für das geweihte Priestertum lässt ihn besonders
anspruchsvoll, gleichsam radikal, gegenüber den heiligen Dienern werden. Deshalb
warnt er jeden davor, sich «auf jene Würden, die von Gott kommen, und die
Präsidentschaft und Dienste der Kirche zu stürzen».[20] Und in der zweiten Homilie zum Buch Numeri stellt er die
schmerzliche Frage: «Glaubst du, dass die, die den Titel Priester tragen, die
sich rühmen, dem Priesterorden anzugehören, ihrer Weihe entsprechend wandeln
und all das tun, was ihrer Weihe angemessen ist? Und glaubst du auch, dass die
Diakone gemäß der Ordnung ihres Dienstes wandeln? Und wie kommt es, dass man Leute oft klagen und sagen hört: "Schau
dir diesen Bischof, diesen Priester, diesen Diakon an…?“ Sagt man das nicht
vielleicht, weil der Priester oder der Diener Gottes den Pflichten seiner Weihe
nicht entspricht?». [21]
So zögert er in
seinen Homilien nicht, die deutlichsten Mängel der Priester seiner Zeit offen
zu tadeln. Für uns ergibt sich daraus ein wirksames, wie «im Negativ» gesehenes
Bild der Gefahren, die in der Ausbildung der Presbyter zu vermeiden sind.
Eine schwache Seite der
Priester ist, nach Ansicht des Origenes, der Hunger nach Geld und zeitlichen
Verdiensten; kurz und gut – wie wir sagen würden – die Versuchung der Verbürgerlichung
und des übertriebenen Horizontaslismus. Origenes klagt darüber, dass sich die Priester von den profanen
Sorgen ganz in Anspruch nehmen lassen und nichts anderes wollen, als dieses
Leben damit zu verbringen, dass sie «an die Geschäfte der Welt, die zeitlichen
Verdienste und das gute Essen denken».[22] Und in einem anderen
Kontext fügt er hinzu: «Unter uns Geistlichen wird es auch diejenigen geben,
die alles daran setzen, ihren Leib zu befriedigen, um verehrt zu werden und die
für die Kirche bestimmten Spenden zu eigen Vorteil zu erhalten. Das sind die,
die von nichts anderem als dem Leib sprechen und von dort alle ihre Worte
ableiten...».[23]
Origenes wirft den
Priester auch die Überheblichkeit und den Hochmut vor. «Zuweilen», so bemerkt
er in der zweiten Homilie zum Buch der Richter
, «befinden sich unter uns – die
wir Beispiel der Demut sein sollten, versammelt um den Altar des Herrn als
Spiegel für jene, die auf uns blicken, einige Männer, von denen die Untugend
der Überheblichkeit ausströmt. So verbreitet sich der widerlicher Geruch des
Hochmuts vom Altar des Herrn».[24]. Und an anderer Stelle spricht er: «Wie viele geweihte
Priester haben die Demut vergessen! Als wären sie geweiht worden, um zu
vergessen, demütig zu sein. [...] Sie haben dich als Oberhaupt gewählt: Rühme
dich nicht, sondern sei unter den deinen wie einer von ihnen; du musst die
Hoffart fliehen, die Gipfel alles Bösen ist».[25]
Andere Sünden der
Priester sind, nach Ansicht des Origenes, die Verachtung – oder zumindest die
Geringschätzung – der Einfachen, der Demütigen und Armen, und in ihrer
Beziehung zu den Gläubigen eine Art von «Auf und Ab» zwischen übermäßiger
Strenge und einer nicht weniger übertriebenen Nachsicht.
3. Vorläufige Schlussfolgerungen
Wenn wir die
Ausführungen des Origenes über das allgemeine und das Hierarchische Priestertum
zusammenfassen, können wir aus diesen den folgenden Weg für die Ausbildung zum
Presbyter ableiten.
Der «Ausweis», um diesen Weg zu begehen, ist die «brennende Lampe», das heißt das Anhören des
Wortes. Andere unverzichtbare Bedingungen
sind «die geschürzten Flanken» und
die «priesterlichen Gewänder», nämlich ein rechtschaffenes und reines Leben: In
diesem Hinblick müssen sich die geweihten Diener in erster Linie vor den
Versuchungen der Verbürgerlichung, des Hochmuts, der übermäßigen Strenge und
der Nachsicht hüten. Von den Priestern wird also ein radikaler Gehorsam vor dem
Herrn und seinem Wort, die Abkehr vom Geist der Welt, die volle Brüderlichkeit
mit dem Volk verlangt. Der Gipfel dieses Weges der Vollkommenheit – das heißt das
Endziel des Wegs der Priesterausbildung, zumal da die «Hierarchie der Heiligkeit» und die «Hierarchie
des Dienstes» sich gleichen müssen – ist laut Orignes das Martyrium.
In der neunten Homilie zum Buch Levitikus – wo er auf das
«Feuer für das Brandopfer», anspielt, das heißt den Glauben und das
Wissen um die Schriften, das auf dem Altar dessen, der das Priestertum ausübt,
nie erlöschen darf -[26]–
fügt der Alexandriner hinzu: «Aber jeder von uns» hat nicht nur das Feuer in
sich; er hat «auch das Brandopfer, und mit seinem Brandopfer entzündet er den
Altar, damit stets brenne. Wenn ich auf alles verzichte, was ich besitze, mein
Kreuz nehme und Christus nachfolge, biete ich mein Sühneopfer auf dem Altar
Gottes dar; und wenn ich meinen Leib gebe, damit er in Liebe brenne, und den
Ruhm des Martyriums erlangen werde, biete ich mein Sühneopfer auf dem Altar
Gottes dar».[27]
Diese Worte
offenbaren die ganze Sehnsucht des Origenes nach der Blutstaufe. In der siebten
Homilie zum Buch der Richter – die
vielleicht auf die Jahre von Philipp des Arabers (244-249) zurückgeht, als die
Möglichkeit eines grausamen Zeugnisses schon ausgeschlossen schien – ruft er
aus:: «Würde Gott mir gewähren, mit meinem eigenen Blut gewaschen zu werden, damit
ich die zweite Taufe empfange, da ich den Tod Christi hingenommen habe, würde
ich mich sicher von der Welt abkehren [...]. Aber selig sind die, die diese
Dinge verdienen».[28]
Ich schließe mit
einer ganzheitlichen Betrachtung über den origenischen Weg der
Priesterausbildung.
Man kann dem
Eindruck nicht entgehen, dass Origenes Einstellung in diesem Bereich, wie auch
in anderen, als sehr anspruchsvoll, wenn nicht sogar als radikal zu bezeichnen
ist.
Seine Reflexion über
das Priestertum (wie auch die anderer alexandrinischer Lehrer: siehe auch Clemens
Alexandrinus),[29] stellt den Priester,
obwohl er die «Hierarchie des Dienstes» mit der «Hierarchie der Vollkommenheit»
verbindet, niemals als eine Art Engel dar: Er versteht ihn eher so, als wäre er
auf einem sehr konkreten Weg der täglichen Askese, im Kampf gegen die Sünde und
das Böse.
Ich möchte hier nur
ein Beispiel nennen: Die schrittweise Abkehr von der Welt, die die
Priesterausbildung kennzeichnen soll, wird keineswegs zur mühevollen Suche nach
einem von der Welt getrennten Ort, denn, wie Origenes in der zwölften Homilie zum Buch Levitikus schreibt, «ist
es nicht an einem Ort, wo man das Heiligtum suchen muss, sondern in den
Handlungen, im Leben und in den Gewohnheiten. Wenn sie nach dem Willen Gottes
sind, wenn sie den Geboten Gottes entsprechen, ist es unwichtig, ob du zu Hause
oder auf dem offenen Platz bist; was sage ich, "auf dem offenen Platz"? Es ist sogar nicht wichtig, ob
du vielleicht im Theater bist: Wenn du dem Wort Gottes dienst, bist du im Heiligtum,
zweifle nicht».[30]
Letzten Endes aber
bereichert die alexandrinische Tradition das
von Ignatius von Antiochien und Johannes Chrysostomos umrissene Bild des
Hirten – vielleicht auf unerwartete Weise – doch gewissermaßen korrekt.
[1]Grundlegende
Bibliographie: siehe oben, Anmerkung 39.
[2]Es handelt
sich selbstverständlich um Betonungen, nicht
einseitige und ausschließliche Lehren, wie z.B. die Tatsache beweist,
dass Origenes, Meister der Allegorie und geistlichen Auslegung der Bibel, ein
Wissenschaftler ist, der nur selten den heiligen Text wörtlich wiedergibt. Zur Vertiefung der Fragen
verweise ich auch auf E. DAL COVOLO (cur.), Storia della teologia..., S.
181-203 («Esegesi biblica e teologia tra Alessandria e Antiochia») und S. 520,
Anm. 11. Siehe ebenso H. CROUZEL, La
Scuola di Alessandria e le sue vicissitudini, in ISTITUTO PATRISTICO
AUGUSTINIANUM (cur.), Storia della teologia, 1. Età patristica,
Casale Monferrato 1993, S. 179-223; J.J. FERNáNDEZ SANGRADOR, Los origenes
de la comunidad cristiana de Alejandría (= Plenitudo Temporis, 1),
Salamanca 1994.
[3]Vgl. M. SIMONETTI, Lettera
e/o allegoria. Un contributo alla storia dell'esegesi patristica (= Studia
Ephemeridis «Augustinianum», 23), Rom 1985, S. 271-280.
[4]Siehe oben,
Anm. 12-13 und Kontext.
[5]Als
Einführung zu Origenes, nach dem Band von H. CROUZEL, Origenes (= Antike
christliche Kultur) (franz. Ausgabe, Paris 1985), Rom 1986, siehe M. MARITANO, in G.
BOSIO - E. DAL COVOLO - M. MARITANO, Introduzione ai Padri della Chiesa.
Secoli II e III (= Strumenti della Corona Patrum, 2), Torino 19953,
S. 290-395 (mit Bibliographie). Über die Priesterweihe des Origenes, siehe letztlich M.
SZRAM, Das Problem per Priesterweihe von Origenes [in polnischer
Sprache], «Vox Patrum» 10 (1990), S. 659-670.
[6]Neben den
Werken von J. Lécuyer und A. Vilela (weiter unten zitiert, Anm. 76), über das
Priestertum bei Origenes vgl. vor allem - nach H.U. von BALTHASAR, Parole et
mystère chez Origène, Paris 1957, S. 86-94 (ital. Übersetzung in ID., Origene:
il mondo, Cristo e la Chiesa [= Teologia. Fonti, 2], Mailand
1972, S. 60-65), worauf sich Vilela oft bezieht - Th. SCHÄFER, Das
Priester-Bild im Leben und Werk des Origenes, Frankfurt 1977 und
Zusammenfassungen v. H. CROUZEL, Origenes, S. 299-301, und v. L.
PADOVESE, I sacerdoti dei primi secoli..., pp. 52-66. Siehe ebenso A.
QUACQUARELLI, I fondamenti della teologia comunitaria in Origene: il
sacerdozio dei fedeli, in S. FELICI (cur.), Sacerdozio battesimale e
formazione teologica nella catechesi e nella testimonianza di vita dei Padri
(= Biblioteca di Scienze Religiose, 99), Rom 1992, S. 51-59; Th. HERMANS, Origène.
Théologie sacrificielle du sacerdoce des chrétiens (= Théologie historique,
102), Paris 1996.
[7]ORIGENES, Homilie
zum Buch Levitikus 9,1, ed. M. BORRET, SC 287, Paris 1981, S. 72-74.
[8]Ibidem 4,6, ed. M. BORRET, SC 286,
Paris 1981, S. 180.
[9]Ibidem.
[10]Hinsichtlich
der origenischen Auslegung der «geschürzten Flanken» ist es nützlich, eine
Stelle aus der ersten Abhandlung Über das Paschafest zu zitieren, die 1941 in Tura aufgefunden
wurde, wo der Alexandriner die Bedeutung der «gegürteten Hüften» für das
Paschamahl (Exodus 12,11) erklärt. «Es ist uns geboten», kommentiert
Origenes, «rein zu sein von körperlichen Begegnungen, womit die Umgürtung der
Hüften gemeint ist. [Die Bibel] lehrt uns, ein Band um den Ort zu legen, woher
die Samen kommen, und befiehlt uns, die geschlechtlichen Impulse zu bremsen,
wenn wir am Fleische Christi teilhaben» (vgl. O. GUÉRAUD-P. NAUTIN, Origène.
Sur la Pâque. Traité inédit publié d'après un papyrus de Toura [=
Christianisme antique, 2], Paris 1979, S. 74. Die italien. Übersetzung ist von
G. SGHERRI, Origene. Sulla Pasqua. Il papiro di Tura [= Letture
cristiane del primo millennio, 6], Milano 1989, S. 107, auf die ich auch zum
Kommentar verweise. Vgl. schließlich E. DAL COVOLO, Origene: sulla Pasqua,
«Ricerche Teologiche» 2 (1991), S. 207-221).
[11]
ORIGENES, Homilie zum Buch Josua 7,2 ed. A.JAUBERT, SC 71, Paris 1960,
S.200.
[12]ID., Homelie
über das Buch Genesis 3,5, ed. L. DOUTRELEAU, SC 7 bis, Paris 1976, S. 130. Die Stelle
erinnert an einige Aspekte der origenischen Doktrin der geistlichen Sinne, dazu
siehe K. RAHNER, I «sensi spirituali» secondo Origene, in ID., Teologia
dell'esperienza dello Spirito (= Nuovi Saggi, 6), Rom 1978, S. 133-163. Allgemeine
Hinweise zur origenischen Exegese siehe letztlich T. HEITHER, Origenes als
Exeget. Ein
Forschungsüberblick,
in G. SCHÖLLGEN - C. SCHOLTEN (curr.),Stimuli. Exegese und ihre Hermeneutik
in Antike und Christentum. Festschrift für Ernst Dassmann, Münster Westfalen
1996, S. 141-153.
[13]ORIGENES, Homilie zum Buch der Richter 6,3,
edd. P. MESSIÉ-L.
NEYRAND-M. BORRET, SC 389, Paris 1993, S. 158. Laut Origenes ist somit jeder, der das
Wissen um das göttliche Gesetz besitzt, ein Priester, «et, ut breviter
explicem, qui legem et secundum spiritum et secundum litteram novit»: ID., Homilie
zum Buch Levitikusmelia 6,3, ed. M.
BORRET, SC 286, S. 280.
[14]ID., Homilie
zum Buch Ezechiel 12,3, ed. M. BORRET, SC 352, Paris 1989, S. 386.
[15]J. LÉCUYER, Sacerdoce des
fidèles et sacerdoce ministériel chez Origène, «Vetera Christianorum» 7
(1970), S. 259; A. VILELA, La condition collégiale des prêtres au III
siècle (= Théologie historique, 14), Paris 1971, S. 79-83.
[16]ORIGENES, Homilie
zum Buch Numeri 4,3, ed. W.A. BAEHRENS, GCS 30, Leipzig 1921, S. 24; vgl.
A. MÉHAT, SC 29, Paris 1951, S. 108: «Origène songe plus à la hiérarchie des
mérites qu'à la hiérarchie visible».
[17]ORIGENES, Homilie
zum Buch Numeri 5,3, ed. W.A. BAEHRENS, GCS 30, S. 28 f.
[18]Ibidem 12,2, S. 99.
[19]ID., Homilie
zum Buch Levitikus 6,6, ed. M. BORRET, SC 286, S. 290-292.
[20]ID., Homilie
zum Buch Jesaja 6,1, ed. W.A. BAEHRENS, GCS 33, Leipzig 1925, S. 269.
[21]ID., Homilie
zum Buch Numeri 2,1, ed. W.A. BAEHRENS, GCS 30, S. 10.
[22]ID., Homilie
zum Buch Ezechiel 3,7, ed. M.
BORRET, SC 352, Paris 1989, S. 140.
[23]ID., Homilie
zum Buch Jesaja 7,3, ed. W.A.
BAEHRENS, GCS 33, S. 283.
[24]ID., Homilie
zum Buch der Richter 2,2, ed. W.A. BAEHRENS, GCS 30, S. 481.
[25]ID., Homilie
zum Buch Ezechiel 9,2, ed. M. BORRET, SC 352, S. 304-306.
[26]
Siehe oben, Anmerkung 68 und Kontext.
[27]ID., Homilie
zum Buch Levitikus 9,9, ed. M. BORRET, SC 287, S. 116.
[28]ID., Homilie
zum Buch der Richter 7,2, edd. P. MESSIÉ-L. NEYRAND-M. BORRET, SC 389, S. 180-182. Zur
origenischen Martyrologie siehe nun E. DAL COVOLO, Appunti di escatologia
origeniana con particolare riferimento alla morte e al martirio, «Salesianum»
51 (1989), S. 769-784; ID., Morte e martirio in Origene, «Filosofia e
Teologia» 4 (1990), S. 287-294; ID., Note sulla dottrina origeniana della
morte, in R.J. DALY (cur.), Origeniana Quinta (= Bibliotheca
Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 105), Leuven 1992, S. 430-437; T.
BAUMEISTER, La teologia del martirio nella Chiesa antica (= Traditio
Christiana, 7), Torino 1995, S. 138-151 (siehe auch die Quellenangaben, S.
XXIX-XXXIX). Siehe schließlich Anm. 2, S. 180-181, der genannten
Ausgabe P. MESSIÉ-L. NEYRAND-M. BORRET, SC 389.
[29]«Die Großen
der Kirche hier auf Erden, Bischöfe, Presbyter, Diakone, sind, so glaube ich, ein
Reflex der engelhaften Hierarchie und jener Ökonomie, die – wie die Schriften
sagen - , diejenigen erwartet, die auf
den Spuren der Apostel in vollkommener Gerechtigkeit nach dem Evangelium gelebt
haben»: CLEMENS AL., Stromateis 6,13,107,2, edd. O. STÄHLIN-L.
FRÜCHTEL-U. TREU, GCS 524, Berlin 1985, S. 485.
[30]ORIGENES, Homilie
zum Buch Levitikus 12,4, ed. M. BORRET, SC 287, S. 182.