Charles de Foucauld

(1858 Straßburg – 1916 Hoggar)

 

 

Eines Tages betrat ein junger Mann den Beichtstuhl der Saint-Augustin-Kirche in Paris, beugte sich zum Prie- ster hin und sagte: "Herr Pfarrer, ich bin nicht gläubig; ich möchte Sie um Unterweisung bitten." Der Priester musterte ihn genau. "Knien Sie nieder und beichten Sie: Sie werden glauben." – "Aber ich bin nicht deswegen gekommen." – "Beichten Sie!" Der junge Mann spürte, dass die Vergebung für ihn eine Vorbedingung der Erleuchtung war. Er kniete nieder und beichtete sein ganzes Leben. Als er die Absolution für seine Sünden empfangen hatte, fragte der Priester: "Sind Sie nüchtern?" – "Ja." – "So gehen Sie zur Kommunion!" Der junge Mann ging sogleich zum Tisch des Herrn; es wurde seine "zweite Erstkommunion" ... All das geschah Ende Oktober 1886. Der für seine Kunst der Seelenführung berühmte Priester war Pfarrer Huvelin; der 28-jährige junge Mann hieß Charles de Foucauld.

Charles wurde am 15. September 1858 in Straßburg in einer sehr christlichen Familie geboren; im Jahre 1864 verlor er nacheinander erst seine Mutter, dann seinen Vater. Er wurde zusammen mit seiner einzigen Schwester Marie seinem Großvater, Herrn de Morlet, anvertraut, einem pensionierten Oberst. Der warmherzige, lebhafte und fleißige Junge wurde vom Großvater, der seine Zornausbrüche insgeheim mit Nachsicht und als Zeichen von Charakter betrachtete, nach Strich und Faden verwöhnt. Herr de Morlet und die beiden Kinder zogen 1872 nach Nancy. Dort nahm Charles die Gewohnheit an, neben der Schule wahllos alles Mögliche durcheinander zu lesen. Am Ende seiner Schulzeit hatte er jeden Glauben verloren; "und das war nicht das einzige Übel", bekannte er später. "Man wirft die Kinder in die Welt, ohne ihnen die notwendigen Waffen zur Bekämpfung der Feinde zu geben, auf die sie in sich und um sich treffen und die in großer Zahl auf sie warten. Die christlichen Philosophen haben seit langem und so klar viele der Fragen beantwortet, die jeder junge Mann sich fieberhaft stellt, ohne zu ahnen, dass die einleuchtende und schlichte Antwort nur zwei Schritte von ihm entfernt liegt!" Charles bestand später nachdrücklich darauf, dass seine Neffen von christlichen Lehrern erzogen werden: "Ich habe keinen einzigen schlechten Lehrer gehabt; doch die Jugend muss nicht von neutralen, sondern von gläubigen und heiligen Menschen erzogen werden, die ihren Glauben erklären und den jungen Menschen ein festes Vertrauen in die Wahrheit dieses Glaubens vermitteln können."

Voller Pietätlosigkeit, voller Streben nach dem Bösen

Als wissbegieriger, genussbereiter und dennoch trauriger Abiturient fuhr Charles nach Paris, um sich für die Aufnahmeprüfung auf die Militärakademie von Saint-Cyr vorzubereiten. Er selbst sagte später über sich, er sei voller Egoismus, Eitelkeit, Pietätlosigkeit, voller Streben nach dem Bösen gewesen. Er war so faul, dass er im zweiten Vorbereitungsjahr von der Schule flog. Nichtsdestoweniger schaffte er 1876 als einer der letzten die Aufnahmeprüfung. 1878 wechselte er auf die Kavallerieschule nach Saumur, wo er, wie ein Freund sagte, "das Leben eines milden Epikureers führte": Er lebte auf großem Fuß, kleidete sich mit extremer Sorgfalt und organisierte ein Fest nach dem anderen. Sein Onkel war darüber so empört, dass er seinem Neffen zu dessen großem Ärger eine gerichtliche Verwarnung erteilen ließ. 1880 reiste Unterleutnant de Foucauld mit seinem Regiment nach Algerien. Dort gesellte sich eine junge Frau zu ihm, die sich als seine Ehefrau ausgab. Als seine Vorgesetzten dahinter kamen, dass das nicht stimmte, baten sie ihn, seine Gefährtin nach Frankreich zurückzuschicken. Charles lehnte das entschieden ab. Die Strafe ließ nicht auf sich warten: Er wurde wegen Disziplinlosigkeit und liederlichen Lebenswandels in den Wartestand versetzt. Bald kam es in Algerien zu einem Aufstand des Muslimführers Bou-Amama. Foucauld konnte den Gedanken nicht ertragen, dass seine Kameraden ohne ihn kämpfen, Lorbeeren ernten und Gefahren bestehen würden. Er setzte durch, dass er sich seinem Regiment anschließen konnte. "Inmitten der Gefahren und Entbehrungen für die Expeditionskolonnen erwies er sich als wahrer Soldat und Anführer", sagte einer seiner Freunde, General Laperrine, über ihn.

Er war nun 24 Jahre alt und fühlte sich von der Atmosphäre des Maghrebs angezogen. Er nahm seinen Abschied von der Armee und stürzte sich in eine überaus schwierige Expedition: die Erforschung Marokkos, eines damals vor allem für Christen sehr unzugänglichen Landes. In Begleitung eines in Marokko geborenen jüdischen Rabbiners überquerte Charles, der sich selbst auch als Rabbiner ausgab, im Juni 1883 die marokkanische Grenze. Er reiste elf Monate lang durch Marokko; mehrere in den Falten seiner Kleider verborgene Messinstrumente verhalfen ihm zu Beobachtungen und Aufzeichnungen über das damals noch unerforschte Land, wobei er ständig Todesgefahr lief. 1884 kehrte er reich an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die er in seinem Buch Erkundung in Marokko niederlegte, nach Frankreich zurück; das Werk verhalf ihm bald zu hohem wissenschaftlichem Ansehen.

Von seiner Familie wurde er freudig und liebevoll aufgenommen. Charles war nach wie vor davon bewegt, was er in Nordafrika gesehen hatte, insbesondere vom ständigen Anrufen Gottes. Die ganze religiöse Ausrichtung des muslimischen Lebens führte ihn zu der Erkenntnis: "Und ich bin ohne Religion!" Er dachte sogar daran, zum Islam überzutreten; doch bereits bei der ersten Beschäftigung mit der Religion Mohammeds schien sie ihm nicht das Wahre zu sein, da sie "zu materiell" sei. Trotz seines angenehmen Lebens wuchs seine Traurigkeit immer weiter. In seinen Mußestunden las er Bücher heidnischer Philosophen: Ihre Antworten kamen ihm armselig vor.

"Niemand konnte Ihmden letzten Platz streitig machen"

Dank einer Fügung der Vorsehung traf Charles an einem Abend des Jahres 1886 Pfarrer Huvelin bei seiner Tante Moytessier. Die Zuneigung dieses Mannes Gottes zu den Sündern rührte auch die Gleichgültigsten; er dachte für sie an die entscheidende Stunde, in der über sie gerichtet wird und sie für immer verdammt werden, wenn sie sich nicht bekehren. An jenem Abend blieb die Unterhaltung der beiden Männer banal; doch die Vorsehung ließ daraus bald die Beichte erwachsen, und diese führte zu einem völligen Wandel im Leben Foucaulds. Im November 1888 schiffte sich Charles in Richtung Heiliges Land ein und bereiste es vier Monate lang. Vor allem von Nazareth war er begeistert; er dachte an denjenigen, der 30 Jahre dort gelebt hatte und von dem Pfarrer Huvelin sagte: "Unser Herr hat so sehr den letzten Platz eingenommen, dass niemand ihm diesen streitig machen konnte." Nach seiner Heimkehr halfen ihm Exerzitien, seine Berufung zu entdecken: Gott berief ihn zu einem Leben als Trappistenmönch. Er verließ sein Hab und Gut und reiste Ende 1889 in das Trappistenkloster von Notre-Dame des Neiges im südlichen Zentralmassiv. Am 26. Januar 1890 verlieh ihm der Pater Abt die Tracht zusammen mit dem Namen Bruder Albéric.

Mit seinen 32 Jahren fügte sich Bruder Albéric mühelos in das Klosterleben ein; einzig der Gehorsam fiel seiner stolzen Natur schwer. In seinen Kämpfen sah er sich von seiner ursprünglichen Absicht gestützt: "Ich wollte ins Kloster gehen, um unserem Herrn in seinen Leiden Gesellschaft zu leisten. Jesus hält mich in seiner Hand, versetzt mich in seinen Frieden und verjagt die Traurigkeit, sobald sie mich überkommen will." Am 27. Juni 1890 verwirklichte Bruder Albéric einen Plan, von dem er bereits bei seiner Ankunft dem Abt gegenüber gesprochen hatte: Er begab sich in ein sehr armes Kloster nach Syrien, in das Trappistenkloster von Akbes, um dort unerkannt und noch ärmlicher zu leben und zugleich dem Heiligen Land näher zu sein, wo der Sohn Gottes gewirkt und gelitten hatte. Die Mönche lebten dort inmitten einer aus Kurden, Syrern, Türken und Armeniern zusammengesetzten Bevölkerung, die ein "braves, fleißiges und ehrliches Volk" hätte sein können, "wenn es gebildet, gelenkt und vor allem bekehrt wäre", schrieb er. "Es ist an uns, diesen Völkern eine Zukunft zu geben. Die Zukunft, die einzig wahre Zukunft ist das ewige Leben: Dieses Leben ist nur die kurze Prüfung, die auf das zukünftige Leben vorbereitet ... In muslimischen Ländern zu predigen, ist schwer, doch die Missionare so vieler Jahrhunderte sind mit vielen, ganz anderen Schwierigkeiten fertig geworden. Geben wir ihnen das Beispiel eines vollkommenen Lebens, eines höheren und göttlichen Lebens."

1892, einige Monate nach seiner Profess, erhielt Bruder Albéric den Auftrag, im Blick auf das Priesteramt Theologie zu studieren. Trotz seines "extremen Widerwillens" gegen alles, was ihn vom letzten Platz fernhielt, den zu suchen er gekommen war, machte er sich an die Arbeit. Gleichzeitig eröffnete er dem Pater Generalabt, dass er sich ständig nach einer noch bescheideneren Lebensführung außerhalb des Zisterzienserordens sehnte. Der Pater Abt berief ihn nach Rom, damit er zwei Jahre dort studierte. Bruder Albéric gehorchte und kam im Oktober 1896 dort an. Doch bereits im Januar des kommenden Jahres gab ihm der Generalabt die Erlaubnis, den Trappistenorden zu verlassen und dem Ruf Gottes zu folgen.

"Du hat das gewirkt, mein Gott"

Bruder Charles de Jésus, wie er sich fortan nannte, kehrte nach Nazareth zurück. Er wurde in einem Klarissenkloster als Dienstbote angestellt: "Ich genieße das unendlich, arm, wie ein Arbeiter gekleidet und in jener niedrigen Stellung beschäftigt zu sein, die auch Jesus innegehabt hatte." Er verbrachte lange Stunden in Anbetung vor dem Allerheiligsten Sakrament. Eines Tages machte er mit folgenden Dankesworten seinem Herzen Luft: "Mein Gott, wir alle müssen deine Barmherzigkeit preisen, wir alle, die wir für die ewige Herrlichkeit erschaffen worden und durch das Blut Jesu erlöst worden sind ... wenn wir alle das müssen, um wieviel mehr ich, ich, der ich von Kindheit an mit so viel Gnade umgeben war als Sohn einer heiligen Mutter, die mir beigebracht hatte, dich zu kennen, dich zu lieben und dich anzubeten, sobald ich ein Wort verstehen konnte! Und die Katechismen, die ersten Beichten ... und dann, nach einer langen und guten Vorbereitung, die Erstkommunion!

"Als ich trotz all dieser Gnade begann, mich von dir zu entfernen, mit wie viel Sanftmut riefst du mich zu dir zurück durch die Stimme meines Großvaters, mit wie viel Barmherzigkeit hindertest du mich daran, den letzten Exzessen zu verfallen, indem du in meinem Herzen die Zuneigung zu ihm bewahrtest! Aber trotz all dem habe ich mich entfernt, immer mehr entfernt von dir, von dir; und so begann mein Leben ein Tod zu sein, oder vielmehr war es schon ein Tod in deinen Augen. Und in diesem Zustand des Todes hast du mich noch einmal bewahrt: Aller Glaube war verschwunden, doch der Respekt und die Hochachtung vor der Religion waren unversehrt geblieben.

"Durch die Umstände zwangst du mich, keusch zu sein, und bald nachdem du mich im Winter 1886 zu meiner Familie in Paris zurückgeführt hattest, wurde mir die Keuschheit ein süßes Herzensanliegen. Du hast das bewirkt, mein Gott, du allein; ich habe nichts dazu getan! Das war nötig, um meine Seele auf die Wahrheit vorzubereiten; eine unkeusche Seele wird zu sehr vom Dämon beherrscht, als dass die Wahrheit in sie gelangen könnte. Du konntest nicht in eine Seele treten, mein Gott, in der der Dämon unreiner Leidenschaften als Herr regierte. Mein Gott, wie soll ich deine Barmherzigkeit lobpreisen!

Eine gütige Seele half dir, allerdings eher durch ihr Schweigen, ihre Milde und ihre Vollkommenheit; sie war sichtbar, sie war gut, doch sie handelte nicht. Du, mein Jesus, mein Heiland, du hast alles bewirkt, innen wie außen. Du hast mir vier Gnadengaben geschenkt. Die erste war die Eingebung des folgenden Gedankens: Wenn diese Seele so intelligent ist, kann die Religion, an die sie glaubt, nicht eine solche Dummheit sein, wie ich denke. Die zweite war die Eingebung dieses anderen Gedankens: Da die Religion keine Dummheit ist, liegt vielleicht die Wahrheit in ihr, da sie in keiner anderen Religion auf Erden liegt, und auch in keinem philosophischen System? Die dritte war, dass ich mir sagte: Dann wollen wir diese Religion untersuchen; nehmen wir doch einen Lehrer in katholischer Religion, einen gebildeten Priester, und schauen wir mal, was dran ist. Die vierte war die unvergleichliche Gnade, mich zu Pfarrer Huvelin zu führen. Und seither, mein Gott, folgte eine Gnade auf die andere ... Wie eine immer weiter steigende Flut!"

Eine Messe mehr jeden Tag

Der Ruf der Heiligkeit von Bruder Charles verbreitete sich ohne sein Wissen. Die Äbtissin der Klarissen von Jerusalem hielt ihn dazu an, sich auf das Priestertum vorzubereiten. Um seinen Widerstand zu überwinden, machte sie ihn darauf aufmerksam, dass es jeden Tag eine Messe mehr auf der Erde gäbe, wenn er Priester wäre. Wenn er Gaben mitbekommen hätte, so seien sie doch nicht nur für ihn allein? Dieses Argument erschütterte ihn; den Rest besorgte eine Antwort von Pfarrer Huvelin. Bruder Charles wurde am 9. Juni 1900 in Viviers in Frankreich Priester. Was sollte er nun tun? Mit Zustimmung des Bischofs von Viviers sowie Pfarrer Huvelins wollte er den als sehr vernachlässigt geltenden Völkern der Sahara das Evangelium bringen.

Das Leben von Pater Charles de Jésus spielte sich fortan in der Wüste ab: zunächst in Beni-Abbes im Süden Orans, später in Tamanrasset im Bergmassiv Hoggar, 1500 km südlich von Algier. Er war sich dessen bewusst, dass er zweifellos der erste Priester in der Geschichte war, der an diesen Orten wohnte und die heilige Messe zelebrierte. Sein Ziel bestand darin, die Herzen der Muslime – zunächst der Araber, dann der Tuaregs – zu öffnen, indem er einen ersten Kontakt mit der christlichen Zivilisation und mit einem Priester herstellte, damit sie später dann von Missionaren im eigentlichen Sinne des Wortes evangelisiert werden konnten. Er zeigte ihnen gegenüber eine großherzige und uneigennützige Nächstenliebe, erzählte ihnen von Gott und lehrte sie die Gebote der Naturreligion.

Es wurde behauptet, Pater de Foucauld predige nicht den katholischen Glauben und beschränke sich auf eine stumme Gegenwart inmitten der Muslime. General Laperrine, der ihm öfters in der Sahara begegnet war, war darüber bereits verärgert; "Und seine Reden! Und seine Kleidung!", notierte er in sein Tagebuch. Klopfte jemand an die Tür seiner Einsiedelei, erschien Bruder Charles, die Augen voll heiterer Gelassenheit, mit ausgestreckten Händen und eingehüllt in eine sogenannte weiße Gandura, auf die ein rotes Herz mit einem Kreuz darüber aufgenäht war. Dieses Bild des Heiligsten Herzens Jesu verkündete den Glauben des weißen Mannes; sein ganzes Leben legte Zeugnis vom Evangelium ab. Die Eingeborenen waren sich dessen wohl bewusst. In einem Bericht an den apostolischen Präfekten für die Sahara schrieb Bruder Charles: "Für die Sklaven (Sklaverei war damals in der Wüste gängige Praxis) habe ich ein kleines Zimmer, in dem ich sie versammele; nach und nach bringe ich ihnen bei, zu Jesus zu beten ... Arme Reisende finden in der Bruderschaft ebenfalls einen bescheidenen Unterschlupf sowie ein ärmliches Mahl zusammen mit einem freundlichen Empfang und einigen Worten, die sie zum Guten und zu Jesus hinführen sollen." An einen Freund schrieb er: "Mir blutet das Herz, wenn ich die Dorfkinder sehe, immer auf Abenteuer aus, ohne Beschäftigung, ohne Bildung, ohne religiöse Unterweisung ... Ein paar Schwestern der Christlichen Nächstenliebe könnten mit Gottes Hilfe in kurzer Zeit das ganze Land Jesus schenken."

Ein Rezept gegen die Traurigkeit

Schon seit langem träumte er davon, eine Gemeinschaft um sich zu scharen, die "Kleinen Brüder des Heiligsten Herzens Jesu", die als Missionare Jesus unter diesen vielen Völkern, die den einzigen Erlöser nicht kannten, bekannt und beliebt machen würden. Es kommen aber keine Kandidate zu diesem allzu harten Leben. Er schrieb dennoch: "Augenblicklich befinde ich mich in einem großen Frieden. Das wird so lange dauern, wie Jesus will. Ich habe das Allerheiligste Sakrament, die Liebe Jesu; andere haben die Erde, ich habe den Lieben Gott. Wenn ich traurig bin, habe ich folgendes Rezept: Ich bete die glorreichen Geheimnisse des Rosenkranzes und sage mir: Was macht es schon aus, dass mir elend ist und nichts von dem Guten eintrifft, das ich wünsche? All das hindert meinen geliebten Jesus, der tausendmal mehr das Gute will als ich, nicht daran, selig zu sein, ewig und unendlich selig!"

Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges wohnte der Pater bereits seit neun Jahren im Hoggar. Von den sechs Tuaregstämmen, unter denen er lebte, hatten drei ihre Unterwerfung unter Frankreich erklärt und hielten dem Land die Treue; die anderen aber nutzten den europäischen Konflikt, um sie rebellisch zu machen. Sie kannten den entscheidenden Einfluss des Eremiten auf die Hoggar-Tuaregs. "Tamanrasset hat großes Interesse am Verbleib Pater de Foucaulds", schrieb ein französischer Arzt im Januar 1914. "Er hat sich durch seine Güte, seine Heiligkeit und sein Wissen großes Ansehen bei der Bevölkerung erworben." Der Pater wurde zur Zielscheibe der Aufständischen, die einen Anschlag auf ihn organisierten. Am 1. Dezember 1916 näherten sie sich lautlos dem kleinen befestigten Anwesen, das dieser bewohnte, und klopften an die Tür. Der Eremit öffnete arglos, wurde überwältigt und gefesselt. Da er alles durchschaute, war er auf den Tod gefasst. Endlich war der so herbeigesehnte Augenblick der Vereinigung mit seinem geliebten Herrn gekommen! "Nehmen wir alle Beleidigungen, alle Schläge, Verletzungen, ja den Tod hin", hatte er einmal geschrieben, "und beten wir für die, die uns hassen, nach dem Vorbild Jesu, und zwar ohne anderes Motiv und ohne anderen Nutzen, als dass wir dadurch Jesus unsere Liebe erklären."

Von zwei frankreichtreuen Soldaten überrascht, gerieten die Verschwörer in Panik. Derjenige, der den Pater bewachte, schoss diesem aus nächster Nähe eine Kugel in den Kopf. Pater Charles de Foucauld glitt langsam die Wand hinab und sank in sich zusammen: Er war tot, Opfer seiner großen Liebe zu diesen Völkern, unter denen das Licht des Glaubens noch nie geleuchtet hatte. Erst am 21. Dezember konnte Kompaniechef de La Roche, der Kommandant des Hoggar-Gebiets, nach Tamanrasset reisen. Er setzte ein Holzkreuz auf das Grab des Paters und betrat dann die befestigte Einsiedelei, die von den Banditen geplündert worden war. Er fand den Rosenkranz des Paters, einen feinen, von ihm mit der Feder auf Holzbrettchen gezeichneten Kreuzweg sowie ein Holzkreuz mit einem ebenfalls wunderschönen Christusbild ...

Eine Monstranz im Sand

Als der junge Offizier mit dem Fuß den Boden etwas aufwühlte, entdeckte er eine winzig kleine Monstranz im Sand, in der noch die heilige Hostie eingeschlossen war. Er hob sie respektvoll auf, wischte sie ab und hüllte sie in ein Tuch. Als der Moment zum Aufbruch aus Tamanrasset kam, stellte er sie vor sich auf den Sattel seines Kamels und legte so die 50 km Distanz nach Fort-Motylinski zurück: Das war die erste Prozession des Allerheiligsten Sakraments in der Sahara! Unterwegs erinnerte sich de La Roche an eine Unterhaltung mit Pater de Foucauld: "Wenn Ihnen ein Unglück widerfahren sollte", hatte er den Pater gefragt, "was soll dann mit dem Allerheiligsten Sakrament geschehen?" – "Es gibt zwei Lösungen: einen Akt der vollkommenen Reue tun und sich selbst die Kommunion spenden; oder aber die geweihte Hostie mit der Post den Weißen Vätern zusenden." Der Offizier konnte sich nicht für den zweiten Weg entscheiden. So rief er einen Unteroffizier zu sich, einen ehemaligen Seminaristen und eifrigen Christen, zog sich weiße, noch nie benutzte Handschuhe an und öffnete den Hostienbehälter der Monstranz. Darin lag die Hostie, wie sie der Pater geweiht und angebetet hatte. Die beiden jungen Männer fragten einander: "Sollen Sie sie empfangen oder ich?" Schließlich kniete der Unteroffizier nieder und empfing die Kommunion.

In Beni-Abbes hatte Charles sich einen Lebensablauf zugelegt, in dem das Gebet den wichtigsten Platz einnahm: Heilige Messe und Danksagung, Brevier, Kreuzweg, Rosenkranz usw. Doch an allererster Stelle kam die Anbetung der Allerheiligsten Eucharistie: Er widmete ihr dreieinhalb Stunden täglich, verteilt auf drei stille Andachten. In seinem Tagebuch steht zu lesen: "Mai 1903 – Heute ist es dreißig Jahre her, dass ich meine Erstkommunion begangen, dass ich den lieben Gott zum ersten Mal empfangen habe. Und heute halte ich Jesus in meinen armseligen Händen! Er begibt sich in meine Hände! Und heute erfreue ich mich Tag und Nacht am heiligen Tabernakel, ich besitze Jesus sozusagen für mich allein! Heute weihe ich jeden Morgen die Heilige Eucharistie und spende mit ihr jeden Abend den Segen!"

Durch seine glühende Liebe zur Hostie Jesus nahm Bruder Charles den Aufruf vorweg, den hundert Jahre später Papst Johannes-Paul II. an die ganze Kirche richtete: "Meine lieben Brüder und Schwestern, hier ist der Schatz der Kirche ... In der Eucharistie haben wir Jesus, haben wir sein Erlösungsopfer, haben wir seine Auferstehung, haben wir die Gabe des Heiligen Geistes, haben wir die Anbetung, den Gehorsam und die Liebe zum Vater. Würden wir die Eucharistie vernachlässigen, wie könnten wir unserer Armut abhelfen? Im demütigen Zeichen von Brot und Wein, die in seinen Leib und in sein Blut wesensverwandelt werden, geht Christus mit uns; er ist unsere Kraft und unsere Wegzehrung, er macht uns für alle zu Zeugen der Hoffnung" (Ecclesia de Eucharistia, 17. April 2003, Nr. 59; 60; 62).

Charles de Foucauld, der am 13. November in Rom seliggesprochen wurde, liebte die Eucharistie, als sähe er darin den gegenwärtigen Christus mit eigenen Augen. Bitten wir ihn, in unseren Seelen eine immer glühendere Liebe zu demjenigen zu entfachen, der mitten unter uns bleiben will, um unser Vertrauter, unser Beistand, unser wahrer und treuer Freund zu sein.

Dom Antoine Marie osb

 

http://www.clairval.com/lettres/de/2005/12/28/1281205.htm