Hl. Just de
Bretenières
Missions étrangères
de Paris, Märtyrer
(Chalon-sur-Saône 1838 – Seul 1866)
«Die technisierte Gesellschaft hat die
Gelegenheiten zu Vergnügungen vervielfacht, doch sie tut sich schwer, Freude zu
erzeugen. Denn die Freude kommt von anderswoher. Sie ist geistig. Oft fehlt es
nicht an Geld, Bequemlichkeit, Sauberkeit oder materieller Sicherheit; und doch
bleiben leider Langeweile, Verdrossenheit und Traurigkeit das Los von Vielen.
Man kann von der Traurigkeit der Ungläubigen sprechen, wenn der menschliche
Geist, der nach dem Bild und in der Ähnlichkeit Gottes erschaffen und folglich
instinktiv auf Ihn hin ausgerichtet ist als sein höchstes, einziges Wohl, ohne Ihn
klar zu erkennen bleibt, ohne Ihn zu lieben» (Papst Paul VI., Apostolisches
Schreiben Gaudete in Domino, GD, Über die christliche Freude, 9.
Mai 1975).
Das Erkennen Gottes und die Liebe
zu Ihm erweitern das Herz des Menschen und können ihn soweit bringen, dass er
mit Freuden sein Leben hingibt für das Heil seiner Mitmenschen, wie das
Beispiel des heiligen Just de Bretenières zeigt.
«Ich sehe die
Chinesen»
Just de Bretenières wurde am 28.
Februar 1838 in Chalon-sur-Saône im französischen Burgund geboren. Er
verbrachte seine Kindheit im Familienschloß von Bretenières bei Dijon. Frau von
Bretenières, die sich um das künftige Schicksal ihres Sohnes sorgte, vertraute
ihn den Händen der Seligsten Jungfrau Maria an: «Du Königin der Engel, erinnere
dich daran, dass du die Mutter dieses Kindes bist. Ich weihe ihn dir für
immer!» Mit sechs Jahren spielte Just mit seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder
im Park des Schlosses von Bretenières; sie gruben mit ihren kleinen Schaufeln
in der Erde. «Sei still!», sagte plötzlich Just zu seinem Bruder. Er beugte
sich über das Loch, das er gerade gegraben hatte, und rief, als er sich wieder
aufrichtete: «Ich sehe die Chinesen!. Oh! Ich höre sie. Sie rufen mich! Ich
soll kommen, um sie zu retten!» Diese Episode hinterließ in seinem Denken tiefe
Spuren, die niemals verblassten. Als sein Bruder einige Jahre später bemerkte:
«Das Schloss wird eines Tages dir gehören, denn du bist der Ältere», antwortete
er: «Oh nein, ich werde es nicht haben; es wird für dich sein, weil ich Priester
werde.» Das grösste Glück Justs bestand darin, entweder bei der Messe zu
ministrieren oder das Allerheiligste Sakrament in Weihrauch zu hüllen. Er
wetteiferte mit seinem Bruder, um dem Marienmonat Mai soviel Schönheit wie
möglich zu verleihen.
In der Familie von Bretenières
gab es für die Kinder vom Nötigen reichlich, doch für Luxus oder für
Verweichlichung hatte man nichts übrig. Im Oktober 1851 wurden die beiden
Knaben einem Privatlehrer anvertraut. Dieser stellte bei Just eine Neigung
fest, nach einer etwas radikalen Logik zu urteilen, so dass er keine gemäßigten
Ansichten zulassen konnte; wenn es um die Übung von Tugenden in seinem Sinne
ging, so durften weder Unvollkommenheiten noch Abstufungen vorkommen. Justs
Charakter war reizend, gewöhnlich sehr ausgeglichen. Als er sich eines Abends
dennoch beklagte, weil ein Kartenspiel, das er sehr gern mochte, ausfallen
musste, wurde zur Strafe für seine Ungeduld auch an den folgenden Tagen nicht
gespielt.
Nervös und sensibel, legte Just
von frühester Kindheit an extreme Furcht vor Schmerzen an den Tag. Doch das
Verlangen nach dem Leben eines Missionars spornte ihn an, Mühen, Hitze und
Durst frohgemut zu ertragen, sich an das Tragen von Lasten zu gewöhnen und bei
Gebirgswanderungen in den Ferien sich mit wenig zu begnügen. 1856 legte er das
Abitur in Lyon ab und begann Literatur zu studieren, denn seine Eltern hielten
ihn für zu jung, um seiner Berufung zu folgen. Auf den Rat seines Beichtvaters
und seiner Eltern trat er hin in das Seminar von Issy bei Paris ein. Dort
verstärkte sich der Ruf Gottes in die Mission: «Wir sprachen eines Tages vom
Allerheiligsten Sakrament», sagte später einer seiner Kommilitonen, «und wir
stöhnten darüber, wie wenig Platz die Erinnerung an diese Wohltat im Leben der
Christen einnimmt. – 'Die geweihte Hostie betrachten', sagte Just, 'ihren
göttlichen Ruf hören, der zur Eroberung von Seelen in der Ferne einlädt, wie
könnte man da zurückweichen?'» Der junge Seminarist verbrachte zwei Jahre in
Issy.
Im Mai 1861 beschloss Just, in
das Seminar der Missions Étrangères (für Missionen im Ausland) in Paris
einzutreten. Herr und Frau von Bretenières stimmten zu, selbst wenn es sie
schmerzte: damals war eine Reise als Missionar ohne Rückehr-Perspektive. Am 28.
Juni schrieb Just: «Ich fühle wohl, dass der von mir eingeschlagene Weg hart
und schwer ist, ich täusche mich weder über die Hindernisse noch über die
Leiden und Gefahren hinweg, die mir begegnen werden; aber ich gebe mich noch
einmal ganz in die Hände Gottes.»
Im Herbst 1861 wurde Just im
Missionsseminar wie ein lange erwarteter Bruder empfangen: «Gestern Abend, als
wir aus dem Refektorium kamen», schrieb er, «haben mich alle umarmt. Unser Herr
verbreitet eine außerordentich große Nächstenliebe hier. Wir sind mehr als
Brüder, wir bilden ein einziges Ganzes, ein einziges Herz, eine einzige Seele.»
Das Jahr begann mit den Exerzitien des heiligen Ignatius. Just war danach
voller Inbrunst. Er schrieb an seinen Bruder: «Das Wichtigste, was ich dir zu
sagen habe, ist und wird immer das sein, was der heilige Ignatius dem heiligen
Franz-Xaver immer wieder gesagt hat, als dieser eifrig dafür arbeitete, sich in
Paris Wissen anzueignen: Was wird es einem Menschen nützen, wenn er die
ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet? (Mt 16,26). Um
möglichst schnell den Platz finden zu können, den die Vorsehung für dich
bestimmt hat, erinnere dich daran und verliere das nie aus den Augen: Außer
Gott wird nichts, von dem du glaubst, dass es dich zufriedenstellen könnte,
dich jemals zufriedenstellen. Alles ist Eitelkeit, außer: Unseren Herrn zu
lieben.»
Eine
sprichwörtliche Heiterkeit
Am Ende des Jahres erwartete
Just, die niederen Weihen zu empfangen, doch er stand nicht auf der Liste der
Kandidaten. Er wusste nicht, dass die Regeln des Seminars ein volles Jahr
vorsahen, bevor man geweiht werden durfte. Da er folglich glaubte, dass seine
Vorgesetzten ihn als für die Missionsarbeit ungeeignet beurteilten, war er
zutiefst erbittert: «Zwei Tage schon leide ich unter dem Schlag dieser
Maßnahme, die mir unerklärlich erscheint», schrieb er an seinen Bruder, «denn
wenn ich mein Herz erforsche, kann ich an meiner Berufung in keiner Weise
zweifeln. Doch bevor ich meinen Beichtvater frage und ihm mein Leiden
anvertraue, will ich, wenn es sein muss, meine Bestrebungen voll und ganz Gott
zum Opfer darbieten und mich seinem Willen anvertrauen. In den Nächten kann ich
nicht schlafen; aber wenn ich mich zu verwirrt fühle, beginne ich ganz leise
eine Hymne an die Gottesmutter zu singen, in deren Hände ich meine Interessen
gelegt habe; das tut mir gut und schenkt mir wieder Mut.» Bald wurde er von
seinem Oberen, Pater Albrand, beruhigt: Er sei sehr wohl zum Missionarsleben
berufen.
Die Jahre vergingen mit Gebet,
Studium und Heiligungsarbeit: «Es gibt Punkte, die mich mehr beschäftigen als
die Perspektive des Missionarslebens», schrieb er, «nämlich die eigene
Vervollkommnung, die jeder Priester nötig hat. Daran muss ich am meisten
arbeiten und mich sehr anstrengen.» Die fleißige Beschäftigung mit den Werken
des heiligen Johannes vom Kreuz wies ihm den Weg, dem er zu folgen hatte. Jeden
Morgen widmete er lange Zeit dem Beten. Tagsüber stärkte er seinen Glauben
durch mehrfache längere Anbetung vor dem Tabernakel; seine Verehrung für die
Eucharistie hielt ihn sein ganzes Leben lang aufrecht. Um dem armen Jesus
Christus nachzueifern, bemühte er sich, in seiner Kleidung, in der Einrichtung
seines Zimmers usw. ärmlich zu leben. Mit Leidenschaft widmete er sich dem
Dienst an den Armen in der Umgebung, zu denen die Seminaristen entsandt wurden.
Aus Gehorsam unterbreitete er alles, was er tat, dem Urteil seines
Vorgesetzten. Trotz seiner asketischen Lebensführung war seine Fröhlichkeit
sprichwörtlich; während des Unterrichts brachte er seine Mitbrüder oft zum
Lachen. Er scherzte gern und machte hinreißend das Krähen des Hahnes nach; mehr
als einmal brachte er den Geflügelhof in Aufruhr, wenn er mitten in der Nacht
das morgendliche «Kikeriki» anstimmte. Die äußere Freude war bei ihm die Frucht
eines tiefen spirituellen Lebens.
Er weiss sich
geliebt
Über die geistliche Freude
schreibte Papst Paul VI: «Weil Christus unser Menschsein in jeder Hinsicht
durchlebt hat, außer der Sünde, hat Er die affektiven und geistigen Freuden als
ein Geschenk Gottes empfangen und empfunden. Doch es ist hier wichtig, das
Geheimnis der unergründlichen Freude, die Jesus innewohnt und die Ihm eigen
ist, richtig zu erfassen. Wenn Er einen solchen Frieden, eine solche Freude,
eine solche Offenheit ausstrahlt, so ist das wegen der unbeschreiblichen Liebe,
mit der Er sich von seinem Vater geliebt weiß. Die Jünger und alle, die an
Christus glauben, sind aufgerufen, an dieser Freude teilzuhaben, dieser Frucht
des Heiligen Geistes: Sie besteht darin, dass der menschliche Geist Frieden und
innere Befriedigung im Besitz des dreieinigen Gottes findet, der durch den
Glauben erkannt und mit der von Ihm kommenden Liebe geliebt wird».
Doch, «die spirituelle Freude
hier auf Erden wird stets in einem gewissen Maße die schmerzliche Erfahrung der
kreißenden Frau und eine gewisse scheinbare Verlassenheit mit einschließen,
ähnlich der eines Waisen: Weinen und Wehklagen, während die Welt eine falsche
Zufriedenheit zur Schau trägt. Doch die Trauer der Jünger, die nach Gott und
nicht nach der Welt beschaffen ist, wird prompt in spirituelle Freude
verwandelt, die ihnen niemand nehmen kann (vgl. Joh 16,20-22)» (GD).
Manchmal empfand Just Trostlosigkeit. Er war gelegentlich niedergeschlagen,
wenn er an die für den Missionar notwendigen Tugenden und an die von seinen
Vorgängern ertragenen Leiden dachte. Eines Tages hielt er es nicht mehr aus und
ging zum Pater Superior. «Ich kann nicht länger hier bleiben; mein Gewissen
zwingt mich, zu meiner Familie zurückzukehren», sagte er traurig. Pater Albrand
hörte ihm mit einem Lächeln zu: «Ist das alles, was Sie mir sagen wollen?» –
«Ja, Vater.» – «Dann gehen Sie wieder in Ihr Zimmer hinauf und denken Sie nicht
mehr daran!» Die Versuchung verschwand augenblicklich.
Am 21. Mai 1864 wurde Just zum
Priester geweiht. «Betet für mich um die Gnade des Märtyrertodes», schrieb er
an einen Freund. Er wartete nur noch auf seine Entsendung in die Mission. Die
Bewerber um eine Missionarsstelle erfuhren ihren Bestimmungsort erst im letzten
Augenblick. Sie mussten bereit sein, die Mission, zu der sie entsandt wurden,
aus der Hand Gottes anzunehmen, ganz gleich, um welche es sich handelte. Da er
sich voll und ganz selbst als Opfer dargeboten hatte, verhielt sich Just in
dieser Frage völlig gleichgültig. Am 13. Juni wurde er von seinem Superior
gerufen: «Welche Missionsstelle möchten Sie? – Es ist mir gleich. – Nun, dann
schicke ich Sie nach Tibet. Sind Sie zufrieden? – Sehr zufrieden, mein Vater. –
Nein, Sie werden nach Tongking fahren. – Wie Sie möchten. – Ist es Ihnen also
gleichgültig? – Ja, mein Vater. – Jetzt wollen wir ernsthaft reden. Sie werden
nach Korea gehen.» Just schrieb sofort an seinen ehemaligen Lehrer: «Ich
glaube, der Herr hat mir das beste Stück gegeben. Es lebe Korea, das Land der
Märtyrer!» In der Tat war in den hundert Jahren davor die Erde Koreas mit dem
Blut vieler Christen getränkt worden.
Am 19. Juli 1864 schifften sich
Just und neun seiner Mitbrüder in Marseille nach dem Fernen Osten ein. Es
gelang ihnen am 29. Mai 1865 heimlich nach Korea einzureisen (der Eintritt ins
Land war allen Ausländern streng verboten). Just wohnte in der Hauptstadt Seoul
in der Nähe Bischofs Siméon Berneux, des apostolischen Vikars für Korea: «Nun
bin ich Bürger Seouls, der 'Stadt der Wonnen', geworden. Doch lasst euch von
diesem großartigen Namen nicht blenden. Stellt euch eine riesige Siedlung aus
irdenen Hütten vor, alle so eng zusammengedrängt, dass zwischen ihnen als
Straßen nur schmale Passagen bleiben, in denen zwei Leute schon Mühe haben,
aneinander vorbeizukommen. Diese Gassen dienen zugleich als Abwasserkanal. Ihr
könnt euch denken, worin man zu gehen gezwungen ist!»
Unter seinem Hut
Er war bei Christen in einem sehr
ärmlichen Zimmer untergebracht: Als Stuhl diente die Erde; als Tisch ebenfalls;
als Bett ein einfaches Stück Holz unter dem Kopf. Ging er aus – was wegen der
Verfolgungen nur nachts möglich war –, so legte er ein Trauergewand an mit
einem «Hut, der wie das Dach eines Taubenschlags aussieht, so dass er einen
einhüllt und bis zu den Ellenbogen hinabreicht: ein gutes Mittel, um von
niemandem gesehen zu werden und auch selbst nichts zu sehen: Man kann unter dem
Hut sogar Andachten abhalten!» Seine Tage waren mit Gebet und dem Erlernen der
koreanischen Sprache ausgefüllt. Dank der Hilfe eines jungen Christen war der
Missionar nach sechs Monaten in der Lage, sich auf koreanisch ausreichend
verständlich zu machen, um zu predigen und die Beichte zu hören.
Die Katechumenen kamen von weit
her (150 km und mehr), um sich taufen zu lassen oder die heilige Kommunion zu
empfangen: «Ich habe siebzigjährige Frauen gesehen», schrieb Just, «die 240 km
zurückgelegt hatten, um zur Kommunion zu gehen. Arme Menschen, die nur an einem
einzigen Tag im Jahr einen Priester sehen können und die es doch so nach dem
Wort Gottes dürstet! Wenn man bedenkt, dass die Gläubigen in Europa über diese
Reichtümer im Überfluss verfügen und sie nicht immer so nutzen, wie sie
eigentlich sollten!» Just war glücklich, unter dem Namen «Pater Paik» seinen
Mitbrüdern endlich helfen zu können: In den letzten Monaten des Jahres 1865
nahm er Beichten ab, bereitete mindestens 40 Erwachsene auf die Taufe vor und
taufte sie, segnete mehrere Ehen, spendete einige Male die Firmung und häufig
die Letzte Ölung. Es zeichneten sich viele Bekehrungen ab.
Dann brach der Sturm los. Nach
einer ruhigen Periode wurde die Verfolgung der Europäer und der Christen
energisch wieder aufgenommen. Der Verrat eines Hausangestellten des Bischofs
zog die Verhaftung mehrerer Priester nach sich. Bischof Berneux wurde am 23.
Februar 1866 festgenommen. Am Morgen des 26. wurde das Zimmer Justs in dem
Augenblick gestürmt, als er sich anschickte, die Messe zu feiern; er wurde mit
einer roten Schnur, die großen Verbrechern vorbehalten war, gefesselt und
abgeführt. Auf die ihm gestellten Fragen antwortete Just immer wieder: «Ich bin
nach Korea gekommen, um eure Seelen zu retten. Ich werde mit Freuden für Gott
sterben.»
Daraufhin wurde er der Folter
«Shien-noum» unterworfen: Der an einen Stuhl gefesselte Gefangene wurde mit
einem dreieckig zugeschnittenen Holzstock auf die Schienbeine und Füße
geschlagen. Vier Tage lang musste der Missionar vor verschiedenen Instanzen
erscheinen. Nach jedem Verhör wurde sein Körper mit einem armdicken, spitzen
Pfahl misshandelt. Während seiner Qualen betete der Märtyrer still. Jeden Abend
wurde er erschöpft ins Gefängnis zurückgebracht, wo man seine Wunden mit
geöltem Papier verband. Mit Pater de Bretenières zusammen wurden auch Bischof
Berneux sowie die Patres Beaulieu und Dorie gefoltert und dann zum Tode
verurteilt.
Freudensprünge
Ihre Liebe zur menschlichen Seele
führte sie zur völligen Selbsthingabe. 1862 hatte Just seinem ehemaligen
Lehrer, der zwar eifrig für das Heil der Seelen kämpfte, die Entbehrungen
jedoch fürchtete, die die Berufung zum Missionar für ihn mit sich brächte,
folgende Zeilen geschrieben: «Oh! Wer den Preis einer Seele kennt und nichts
mehr schätzt, als für ihre Rettung zu arbeiten, der schaut kaum darauf, was er
alles dafür wird tun müssen; er würde vor Überraschung lachen, wenn einer zu
ihm sagte: 'Bedenken Sie, dass Sie ihre regelmäßigen Gewohnheiten haben:
Trinken, essen, aufstehen, sich hinlegen. Auf diese Gewohnheiten müssen Sie
dann verzichten.' Käme es ihm auch nur in den Sinn, dass ihm, wenn er darauf
verzichtet, etwas fehlt? Die Liebe zum Wohl der Seelen trägt seine Gedanken
woanders hin; er fährt über die Meere, ohne an die Gefahren zu denken, die ihm
begegnen; er wird Freudensprünge machen, wenn Gott ihn an einen Ort führt, wo
alles lebensbedrohlich ist; er wird seinen Jubel nicht unterdrücken können,
wenn er sich Verfolgungen ausgesetzt, vom Schwert bedroht sieht, wenn er
pausenlos fast vor Hunger, Müdigkeit, Elend und Angst stirbt; und bei all dem
wird er glauben, dass er nicht genug leidet, weil er immer noch Seelen vor sich
hat, die der Gnade gegenüber taub sind.»
8. März 1866 - Da sich die
Verurteilten nicht mehr aufrecht halten konnten, wurden sie – jeder an einen
Stuhl gefesselt – zum Richtplatz getragen. Als Staatsverbrecher sollten sie auf
einem der großen Sandstrände etwa 5 km von Seoul entfernt hingerichtet werden.
Vierhundert bewaffnete Soldaten hielten die Menge in Schach. Als die Gefangenen
von einigen Umstehenden beschimpft wurden, antwortete der heilige Bischof
entschieden: «Spottet nicht und lacht nicht so; ihr solltet lieber weinen. Wir
waren gekommen, um euch den Weg zum Himmel zu lehren, und wir werden das nun
nicht mehr tun können. Wie ihr zu beklagen seid!» Unterwegs hielten die Träger
mehrmals an. Bischof Berneux nutzte das, um mit seinen Märtyrergefährten zu
sprechen. Auf ihren Gesichtern leuchtete die Freude, die Gott denen schenkt,
die sich selbst vergessen und sich für Ihn opfern, und erstaunte die Heiden.
«Sterben ist süß!», sagte Just zu ihnen und wandte ihnen sein vor Frieden
strahlendes Antlitz zu.
Just kam nach seinem Bischof als
Zweiter an die Reihe. Nachdem er auf den Boden gesetzt worden war, wurden ihm
die Kleider vom Leibe gerissen. Seine beiden Ohren wurden zusammengefaltet und
mit einem Pfeil durchbohrt. Unter seinen auf dem Rücken gefesselten Armen schob
man einen dicken, langen Stock durch: Er wurde von zwei Soldaten hochgehoben
und in dieser schmerzhaften Körperhaltung lange in Spiralen hin- und
hergetragen, um ihn der versammelten Menge vorzuführen. Dann wurde er auf Knien
auf den Boden gesetzt, so dass sein Kopf nach vorne gestreckt war. Auf das
Zeichen des Mandarins hin begannen sechs Henker im Kreis um den Märtyrer zu
tanzen, wobei sie ihre Säbel schwenkten und ununterbrochen wilde Schreie
ausstießen: «Tod ihm! Tod ihm!» Schließlich hieben sie auf ihn ein: Beim
vierten Hieb fiel der Kopf. Für die Zuschauer war alles vorbei; doch die Seele
Justs befand sich bereits in der ewigen Freude des Himmels. Er war 28 Jahre
alt. Bei der Nachricht vom Tode ihres Sohnes fielen die Eltern von Just auf die
Knie und dankten, trotz ihr unsäglichen Leides, dem lieben Gott: Ihr Sohn war
im Himmel.
Eine Saat von
Christen
Aus menschlicher Sicht erscheint
der Tod Justs de Bretenières, der seinem allzu kurzen Apostolat ein Ende
setzte, als Scheitern. Doch der Glaube lehrt uns, dass das Weizenkorn., wenn
es stirbt, viele Frucht bringt (Joh 12,24). Bei der Heiligsprechung von 103
Märtyrern in Korea – darunter auch von Just de Bretenières und seinen Gefährten
– am 6. Mai 1984 sagte Papst Johannes-Paul II.: «Der Tod der Märtyrer ist dem
Tod Christi am Kreuze ähnlich, weil ihr Tod wie seiner der Beginn eines neuen
Lebens wurde. Dieses neue Leben hat sich nicht nur in ihnen – in denen, die für
Christus den Tod erlitten haben – manifestiert, es hat sich auch auf andere
ausgedehnt. Es wurde zur Triebfeder der Kirche als lebendige Gemeinschaft der
Jünger und Zeugen Jesu Christi. 'Das Blut der Märtyrer ist eine Saat von
Christen': Dieser Satz aus den ersten Jahrhunderten des Christentums findet vor
unseren Augen seine Bestätigung.»
In der Tat hat die katholische
Kirche in Korea einen erstaunlichen Aufschwung genommen, und dieser setzt sich
auch heute noch fort. Jährlich empfangen mehr als 100 000 Katechumenen die
Taufe (150000 im Jahr 2000). Von 1990 bis 1996 stieg die Zahl der Katholiken in
Korea von 2,7 auf 3,5 Millionen; sie stellen 7,7 % der Bevölkerung dar. Es gibt
über tausend koreanische Priester, die von 18 Bischöfen geleitet werden; viele
Priester, Ordensleuten und Nonnen sind als Missionare ins Ausland entsandt
worden.
Die Märtyrer haben ihr Blut nicht
umsonst vergossen. Sie «sind in die Freude Marias eingegangen, die am Fuße des
Kreuzes an der Passion und am Tode ihres Sohnes und Heilands Anteil nahm. Die
Königin der Märtyrer freut sich mit uns!» (Johannes-Paul II., Ibid.).
«Nach Maria», schrieb Paul VI., «treffen wir den Ausdruck reinster,
brennendster Freude dort, wo das Kreuz Jesu mit der treuesten Liebe umarmt
wird, bei den Märtyrern, denen der Heilige Geist mitten in der Heimsuchung eine
leidenschaftliche Hoffnung auf das Kommen des Bräutigams eingibt» (GD).
Bitten wir den heiligen Just de Bretenières, er möge uns selbst inmitten der
schmerzlichsten Heimsuchungen des Lebens die Freude erwirken, die der Heilige
Geist spendet.
Dom Antoine Marie osb
http://www.clairval.com/lettres/de/2001/05/23/1230501.htm