Hl. Franz Xaver, S.J.
(1506 Spanien – 1552 China)
«Xaver, was
wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, seine Seele aber
verliert?»(Mt 16,26). Diese Worte mit der Mahnung unseres Herrn wurden von
Ignatius von Loyola an Franz Xaver gerichtet, der sie folgendermaßen
kommentierte: «Bedenkt, dass die Welt eine Lehrmeisterin ist, die
Versprechungen macht und nicht Wort hält. Und selbst wenn sie ihre Versprechen
an euch hält, wird sie euer Herz niemals zufriedenstellen. Nehmen wir aber einmal
an, dass sie euer Herz doch zufriedenstellt, wie dauerhaft wird euer Glück
sein? Wird es in jedem Fall über euer Leben hinaus andauern? Und was werdet ihr
bei eurem Tod in die Ewigkeit mitnehmen?» Was wird es einem Menschen nützen,
wenn er die ganze Welt gewinnt, an seinem Leben aber Schaden leidet? Der
Spruch fand nach und nach Eingang in Franz Xavers Herz und schlug dort tiefe
Wurzeln. Das war der Beginn seines Weges, der ihn zu einem der größten Heiligen
der Kirchengeschichte machte.
Nur eine Leidenschaft
Franz wurde am 7. April 1506 auf
Burg Javier in Navarra im Nordosten Spaniens geboren. Weil sein Vater in einem
Krieg gegen die kastilische Krone an der Seite des Königs von Navarra gekämpft
hatte, verlor er 1512 seinen gesamten Besitz und starb 1515 vor Kummer. Im
folgenden Jahr wurde die Festung Javier geschleift, die Ländereien der Familie
wurden konfisziert. Als Xaver die Volljährigkeit erreichte, war seine Familie
ruiniert. In dieser Ausgangslage erschien ihm eine militärische Laufbahn nicht verlockend.
Im September 1525 verließ er seine Mutter und seine Brüder, die er in dieser
Welt nie mehr wiedersehen sollte, und reiste zum Studieren nach Paris, wo er im
Collège Sainte-Barbe unterkam; die meisten seiner Mitbewohner führten
ein wenig erbauliches Leben. Allerdings befanden sich zwei Männer von
außergewöhnlicher Frömmigkeit darunter, Pierre Le Fèvre und Ignatius von
Loyola. Letzterer stammte aus dem Navarra nahegelegenen Baskenland und dachte
bereits seit einiger Zeit über die Gründung eines religiösen Werkes zum Wohl
der Kirche nach; als er sich von den seelischen Qualitäten Pierres und Xavers
überzeugt hatte, versuchte er sie für seine spirituellen Anliegen zu gewinnen.
Leicht gewann er Pierre Le Fèvre für die gute Sache. Bei Xaver war das schwieriger.
Er hatte sich zwar dank der Ratschläge von Ignatius und Pierre von seinen
suspekten Bekannten bereits abgewandt und die von den Anhängern Calvins in
Paris verbreiteten verderblichen Lehren zurückgewiesen, doch sein stolzes und
für weltliche Ambitionen aufgeschlossenes Herz fühlte sich von dem von Ignatius
propagierten düsteren und entsagungsvollen Leben abgestoßen. So suchte
Ignatius, ein scharfsinniger Seelenkenner, zunächst einen Zugang zu Xavers
Gefühlen, der mittlerweile als Philosophieprofessor nach einer schönen Karriere
und einer großen Hörerschaft strebte. Ignatius fand so viele Schüler für Xaver,
dass dieser in ihm schließlich einen wahren Freund sah, dem er sich anvertrauen
konnte. Ignatius nützte diese Freundschaft, um Xaver an die Eitelkeit der
Größen und der Vorteile dieser Welt zu erinnern, wie auch an ihre Nutzlosigkeit
für das ewige Leben. Von der Gnade Gottes berührt, nahm Xaver nun an den
dreißig Tage dauernden Geistlichen Übungen teil. Von da an hatte er nur noch
eine Leidenschaft: Jesus Christus zu lieben und andere zu Ihm zu führen.
Bald stießen vier weitere
Studenten zu der kleinen Gruppe. Ignatius schlug seinen sechs Gefährten vor,
sich noch umfassender Gott zu weihen und durch das Band der religiösen Gelübde
miteinander zu verbünden. Am 15. August 1534 las Pierre Le Fèvre, damals der
einzige Priester der Gruppe, in der Kapelle Notre-Dame de Montmartre
eine heilige Messe, in deren Verlauf alle die ewigen Gelübde der Armut sowie
der Keuschheit ablegten und versprachen, ins Heilige Land zu reisen bzw. sich
dem Willen des Papstes zu unterwerfen. Während sie darauf warteten, dass Gott
ihnen seinen heiligen Willen kundtat, versammelten sie sich oft zum gemeinsamen
Gebet und ermunterten sich gegenseitig zur Übung der Tugenden.
Mitten ins Herz
Am 25. Januar 1537 trafen sich
die ersten Mitglieder der Societas Jesu in Venedig wieder, doch da wegen
der politischen Lage eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unmöglich war,
beschlossen sie, nach Rom zu fahren und dort um den Segen von Papst Paul III.
zu bitten. Dieser empfing sie wohlwollend und erteilte ihnen die Erlaubnis, die
Priesterweihe zu empfangen; diese Feier fand am 24. Juni 1537 statt. Danach
zerstreute sich die kleine Gruppe auf mehrere italienische Städte. Pater Xaver
wurde nach Bologna entsandt, wo er sich der Unterweisung von einfachen Leuten,
Kranken und Gefangenen zu widmen hatte. Ende 1538 bat der portugiesische König
Johann III. Ignatius um einige Patres zur Evangelisierung Indiens. In
Abstimmung mit dem Papst stellte dieser zwei Mönche zur Verfügung; einer von
ihnen war Franz Xaver, der erst am Abend vor der Abreise am 15. März 1540 davon
erfuhr. Als Gepäck nahm er lediglich seine Kutte, die er am Leibe trug, sein
Kruzifix, ein Brevier und ein weiteres Buch mit.
Nach einer dreimonatigen Reise
kam Xaver in Gesellschaft von Simon Rodriguez in Lissabon an; sie wurden von
Johann III. empfangen, einem wahrhaft frommen und um das Seelenheil der
Menschen bemühten Mann. Während die beiden Patres darauf warteten, nach Indien
aufbrechen zu können, arbeiteten sie in der portugiesischen Hauptstadt als
Seelsorger. Ihr apostolischer Eifer erregte in Lissabon so viel Bewunderung,
dass man den König bat, die Patres im Land zu behalten. Ignatius beschloss
daraufhin, Rodriguez in Lissabon zu lassen; Pater Xaver hingegen sollte nach
Indien fahren. Seine Abreise in Gesellschaft von drei jungen Mitbrüdern fand am
7. April 1541 statt.
Zu jener Zeit war die Reise von
Portugal über das Kap der Guten Hoffnung nach Indien ein Abenteuer, bei dem
sich niemand sicher sein konnte, lebendig anzukommen. Erlitt das Schiff keinen
Schiffbruch, wurde die Zahl der Passagiere oft genug durch Seuchen, Kälte,
Hunger und Durst dezimiert. Am 1. Januar 1542 schrieb Xaver an seine Mitbrüder
in Rom: «Ich war zwei Monate lang seekrank; und in den vierzig Tagen vor der
Küste Guineas haben alle sehr gelitten « Die Schmerzen und die Mühsal sind
derart groß, dass ich es um alles in der Welt nicht gewagt hätte, ihnen auch
nur einen einzigen Tag die Stirn zu bieten. Trost und eine wachsende Hoffnung
finden wir in der Barmherzigkeit Gottes, denn wir sind überzeugt, dass uns die
nötige Begabung fehlt, um den Glauben an Jesus Christus im Heidenland zu
predigen.» Am 6. Mai 1542 erreichte das Schiff Goa an der Westküste Indiens.
Die erste Weise zu
beten
Da Franz Xaver vom Papst eine
geistliche Vollmacht über die Untertanen des portugiesischen Kolonialreiches
erhalten hatte, kam er als «Apostolischer Nuntius» nach Indien. In Goa fand er
eine christliche Gemeinde vor, die mit dem wenig erbaulichen Vorbild einiger
Europäer konfrontiert war. Dank seines Eifers bot Goa noch vor Jahresende ein
völlig verändertes Bild; eine große Anzahl von Gläubigen befand sich bereits
auf dem Wege der Vollkommenheit: Pater Xaver half ihnen, indem er sie nach der
vom hl. Ignatius «die erste Weise zu beten» genannten Methode in der Besinnung
übte (Ex. Sp. 238-248). Diese Art der Besinnung besteht in einer
Selbstbefragung zu den zehn Geboten Gottes, zu den sieben Hauptsünden, den drei
Fähigkeiten der Seele (Erinnerung, Verstand, Wille) sowie den fünf leiblichen
Sinnen. Man bittet Gott um die Gnade zu erfahren, worin man seine Gebote
befolgt bzw. übertreten hat, sowie um den notwendigen Beistand, um sich in
Zukunft zu bessern. Der Bischof von Goa wollte, dass Pater Xaver mit dem guten
Werk fortfuhr, das er in der Stadt getan hatte, doch dieser strebte,
angetrieben vom Heiligen Geist, nach weiteren Eroberungen. Wie die Apostel
brannte er vor dem Verlangen, möglichst viele Seelen für Jesus Christus zu
gewinnen. Der Gouverneur von Goa, der seinen Eifer kannte, schloss sich seiner
Meinung an und machte ihn auf die zwanzigtausend Mitglieder des Stammes der
Paravers an der Fischereiküste aufmerksam, die acht Jahre zuvor Hals über Kopf
getauft worden waren und die seither wieder in die Unwissenheit und den
Aberglauben zurückgefallen waren.
Pater Xaver schrieb in einem
Brief an den hl. Ignatius: «Ich reise zufrieden ab: Die Mühen einer langen
Schiffsreise ertragen, die Sünden Anderer auf sich nehmen, obwohl man an den
eigenen genug hat, inmitten von Heiden leben, die brennende Hitze der Sonne
ertragen - all das tue ich für Gott; das ist fürwahr ein großer Trost und
bietet Anlass zu himmlischer Freude. Denn schließlich bedeutet ein glückseliges
Leben für die Freunde des Kreuzes Jesu Christi, wie mir scheint, ein Leben
voller solcher Kreuze « Was für ein unvergleichliches Glück, so zu leben, dass
man jeden Tag stirbt, dass man seinen eigenen Willen bricht, um nicht das zu
suchen und zu finden, was uns nützt, sondern das, was Jesus Christus nützt!»
Die Christen, die er an der Fischereiküste vorfand, wussten nichts mehr über
ihren Glauben. So begann Pater Xaver mit den Grundbegriffen: dem Zeichen des
Kreuzes, begleitet von der Anrufung der drei göttlichen Personen; dem Credo,
dem Ave Maria, dem Salve Regina sowie dem Confiteor.
«Wenn es nicht an
Arbeitern fehlte«»
Angesichts dieser reichen Ernte
an Seelen und der Vorstellung, wie viel Gutes mit einer größeren Zahl von
Mitarbeitern bewirkt werden könnte, wandte sich Franz Xaver nach Europa, wo so
viele kluge Menschen ihre Kraft mit weitgehend nutzlosen Beschäftigungen
vergeudeten. «Oft kommt mir Gedanke», schrieb er, «an die europäischen
Universitäten zu gehen und dort unter lautem Geschrei, als hätte ich den
Verstand verloren, die Männer, die an Wissen reicher sind als an dem Wunsch,
dieses Wissen zu nutzen, darauf hinzuweisen, wie viele Seelen durch ihre
Nachlässigkeit um die himmlische Herrlichkeit betrogen werden und zur Hölle
fahren! Und wenn sie neben ihrem wissenschaftlichen Studium auch lernen würden
zu bedenken, welche Rechnung Gott ihnen dafür präsentieren wird, so würden
viele von ihnen, von diesem Gedanken gerührt, nach den Mitteln und geistlichen
Übungen greifen, die ihnen die wahre Erkenntnis und das innige Gespür für den Willen
Gottes vermitteln können; sie würden sich mehr danach richten als nach ihren
eigenen Vorlieben und sagen: ‚Hier bin ich, Herr: Was soll ich tun? Schick
mich, wohin du willst, wenn es nötig ist, sogar nach Indien «' Ich war nahe
dran, an die Universität von Paris zu schreiben, dass Millionen und
Abermillionen von Heiden zu Christen werden könnten, wenn es nicht an Arbeitern
fehlte «»
Sich um die Seele
sorgen
Am 7. April 2006 erklärte
Kardinal Antonio María Rouco Varela, der Erzbischof von Madrid, anlässlich
einer Messe zum 500. Geburtstag des hl. Franz Xaver diese Leidenschaft des
Heiligen folgendermaßen: «Xaver sorgte sich um die Seele: um seine Seele und um
die aller Anderen, um die Seele eines jeden menschlichen Wesens. Er sorgte sich
um die ‚Seele', weil er sich um das Leben sorgte: um das Leben in seiner Fülle,
um das Leben im Glück, um das ewige Leben « Er sorgte sich um das Heil des
Menschen, und deshalb verzehrte er sich sein ganzes Leben lang dafür, dass
jedes Geschöpf, dem er begegnete, die Wahrheit kennenlernen und sich zueigen
machen konnte, nach der Gott die Welt so sehr liebte, dass er seinen
eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe,
sondern ewiges Leben habe (Joh 3,16). Gerade wegen seiner Liebe zum Menschen
wünschte er, dass möglichst viele Völker und Personen zum christlichen Glauben
gelangen; so erklärt sich seine unermüdliche Suche nach Seelen bis in die
entlegensten Gegenden, in die die Gute Nachricht Jesu noch nicht vorgedrungen
war.»
Die Zahl der Leute, die Franz
Xaver jeden Tag zum Glauben führte, war so groß, dass ihm manchmal vom vielen
Taufen die Arme schwer wurden. Mit Arbeit überhäuft, hatte er lediglich die
Nächte für sich, die er größtenteils zum Gebet und zum Sprachenlernen nutzte.
Doch Gott lässt seine Diener nie im Stich: Er überschüttete die Seele des
Missionars mit himmlischem Trost und gewährte ihm großzügig das Geschenk von
Wundern. Ende Oktober 1543 beschloss Pater Xaver, nach Goa zurückzukehren, um
Verstärkung zu holen.
Pater Xaver wusste jedoch, dass
weitere Gegenden auf die Gute Nachricht warteten. Er war unentschlossen: Sollte
er in diese fernen Länder reisen, in denen der Name Christi so vielen Leuten
unbekannt war? Er suchte das Grab des hl. Apostels Thomas auf, um Gott um Erleuchtung
zu bitten. Er blieb vier Monate dort (April-August 1545) und unterstützte den
Gemeindepfarrer, der später über ihn sagte: «Er führte alles in allem das Leben
eines Apostels.» Im Hause des hl. Thomas schrieb der Missionar an die Patres
von Goa: «Ich habe ohne Unterlass dafür gebetet, dass Gott, der Herr, in seiner
Gnade mich in meiner Seele seinen heiligen Willen spüren lässt, und zwar mit
dem festen Entschluss, diesen Willen zu erfüllen « Mit großem innerem Trost
fühlte ich dann, dass der Wille Gottes mir auftrug, zu jenen Orten in Malakka
zu reisen, an denen man vor kurzem einige Christen getauft hatte.»
Nachdem er einige Monate auf der
malaysischen Halbinsel Malakka verbracht hatte, wo er sich nicht scheute, die
Fischer zu Hause, in den Spielhöllen und Vergnügungsstätten aufzusuchen, um sie
auf den rechten Weg zurückzuführen, begab sich Franz Xaver am 1. Januar 1546
auf eine über 2000 km lange Kreuzfahrt, in deren Verlauf er mehrere Inseln
evangelisierte, insbesondere die Insel More, wo er inmitten von Kannibalen sein
Leben aufs Spiel setzte. In einem Brief an seine europäischen Mitbrüder, die
sich wegen dieses Abenteuers Sorgen machten, antwortete er: «Es ist notwendig,
dass die Menschen auf der Insel More unterwiesen werden und dass jemand sie um
ihres Seelenheiles willen tauft. Ich bin meinerseits verpflichtet, mein
leibliches Leben zu opfern, um der Seele unseres Nächsten das Leben zu sichern.
Ich werde also auf die Insel More reisen, um dort den Christen geistlich
beizustehen, und ich werde jeder Gefahr die Stirn bieten und mich dabei Gott,
unserem Herrn, anvertrauen und all meine Hoffnung in Ihn setzen. Ich will im
Rahmen meiner kleinen und armseligen Kräfte in mir die folgenden Worte unseres
Erlösers und Herrn Jesus Christus an mir selbst erfahren: Wer sein Leben
findet, wird es verlieren, und wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es
finden (Mt 10,39).»
Das umfassende Heil
Der Eifer des hl. Franz Xaver,
der sich bei der Verkündigung des Evangeliums an Tausende von Menschen
rückhaltlos verausgabt hatte, stellt eine Lehre und ein Vorbild für unsere
Generation dar; er erinnert uns an die dringliche Notwendigkeit der Mission,
ganz wie Johannes-Paul II. lehrte: «Die Versuchung heute besteht darin, das
Christentum auf eine rein menschliche Weisheit zu reduzieren, gleichsam als
Lehre des guten Lebens. In einer stark säkularisierten Welt ist ‚nach und nach
eine Säkularisierung des Heiles' eingetreten, für die man gewiss zugunsten des
Menschen kämpft, aber eines Menschen, der halbiert und allein auf die
horizontale Dimension beschränkt ist. Wir unsererseits wissen, dass Jesus
gekommen ist, um das umfassende Heil zu bringen, das den ganzen Menschen und
alle Menschen erfassen soll, um die wunderbaren Horizonte der göttlichen
Kindschaft zu erschließen. Warum Mission? Weil uns, wie dem heiligen Paulus, die
Gnade geschenkt wurde, den Heiden den unergründlichen Reichtum Christi zu
verkündigen (Eph 3, 8). Das neue Leben in ihm ist die gute Nachricht
für den Menschen aller Zeiten: alle Menschen sind dazu gerufen und dazu
bestimmt « Die Kirche, und in ihr jeder Christ, kann dieses neue Leben und
dessen Reichtum weder verbergen noch für sich allein zurückhalten, da dies
alles von der göttlichen Güte gegeben wurde, um allen Menschen mitgeteilt zu
werden» (Enzyklika Redemptoris Missio, 7. Dezember 1990, Nr. 11).
Japan und China
Im Dezember 1547 machte Pater
Xaver die Bekanntschaft eines japanischen Adligen namens Anjiro. Dieser irrte
seit fünf Jahren auf der Suche nach einem Mentor umher, der seiner Seele Frieden
schenken konnte. «Wir entdeckten Pater Franz in der Kirche Unserer Lieben Frau
vom Berge, wo er gerade eine Hochzeit zelebrierte», berichtete Anjiro. «Ich war
sogleich von ihm bezaubert und gab ihm einen ausführlichen Bericht über mein
Leben. Er umarmte mich und schien so erfreut zu sein, mich zu sehen, dass uns
klar war: Gott selbst hatte unsere Begegnung eingefädelt.» Im Laufe ihrer
Gespräche informierte sich der Pater über Japan. Bald beschloss er, dort zu
gehen.
Da er sich seiner Pflichten als Apostolischer
Nuntius bewusst war, nahm er erst wieder Kontakt mit Indien auf und kehrte nach
Goa zurück, von wo er am 15. April 1549 nach Japan aufbrach. Am 15. August ging
er in Kagoshima an Land, wo er über ein Jahr lang blieb, um die Sprache und die
Sitten der Japaner kennenzulernen. Ende 1550 reiste er in die bedeutendste
Residenz Japans, dann in die Hauptstadt. Dort wartete eine große Enttäuschung
auf ihn: Der König, der de facto nur eine Marionette war, empfing
ihn nicht einmal. Pater Xaver erhielt indessen vom Prinzen die Erlaubnis, den
christlichen Glauben zu predigen, und hatte die Freude, einige hundert
Bekehrungen zu bewirken. Doch bald brach eine Revolution aus, und der Missionar
musste das Land verlassen. Da er seit über zwei Jahren keine Nachrichten aus
Indien hatte, kehrte er nach Malakka zurück. Dort fand er einen zwei Jahre
alten Brief des hl. Ignatius vor, in dem er zum «Provinzial des Ostens» ernannt
wurde, d.h. zum Provinzial sämtlicher Missionen der Gesellschaft Jesu vom Kap
Komorin bis Japan.
Am 17. April 1552 unternahm der
Missionar noch einmal eine Seereise, diesmal nach China. Diese letzte Reise
seines Lebens führte zur letzten Selbstentäußerung und machte ihn dem leidenden
Christus gleich. Anfang September 1552 erreichte er die zehn Kilometer vor der
chinesischen Küste liegende Insel Sancian. Die wenigen Portugiesen dort nahmen
ihn freudig auf und bauten ihm eine Holzhütte sowie eine kleine Kapelle aus
Ästen. Pater Xaver begann sogleich sich um die Kinder und Kranken zu kümmern,
zu predigen, zu katechisieren und die Beichte zu hören. Währenddessen versuchte
er einen chinesischen «Menschenschmuggler» zu finden, der ihn heimlich nach
Kanton bringen würde. Denn das Betreten der chinesischen Küste war streng
untersagt; wer dieses Verbot zu übertreten wagte, musste, wenn er gefasst
wurde, mit Folter sowie der Todesstrafe rechnen. Der Missionar fand mindestens
zweimal jemanden, der gegen eine hohe Geldsumme bereit war, ihn
hinüberzubringen; doch sobald das Geld bezahlt war, verschwand der «Schleuser».
Am 21. November feierte Pater
Xaver zum letzten Mal die Messe. Als er die Stufen vom Altar hinunterschritt,
erlitt er einen Schwächeanfall. Er versuchte, an Bord eines Schiffes zu gehen,
doch das Schlingern auf See war ihm unerträglich. So wurde er nach Sancian
zurückgebracht, wo er die letzten Tage seines Lebens halb bewusstlos
verbrachte. Ohne Medikamente und in der Gewissheit, bald zu sterben, erhob er
die Augen zum Himmel und sprach folgende Worte: «Jesus, Sohn Davids, hab
Erbarmen mit mir – O seligste Jungfrau, Mutter Gottes, gedenke meiner.» Mit dem
Namen Jesu auf den Lippen starb er am 2. Dezember 1552. Er war erst 46 Jahre
alt. Sein Leib wurde nach Goa zurückgebracht, wo sein Grab heute noch von den
Gläubigen verehrt wird. Franz Xaver wurde gleichzeitig mit Ignatius von Loyola
am 12. März 1622 heiliggesprochen und ist der Schutzheilige der katholischen
Mission.
Betrachtet man das Leben dieses
überragenden Heiligen, so staunt man über die Menge an Arbeit und Leiden, die
er auf sich nehmen konnte. Sein Geheimnis lag in seiner grenzenlosen Liebe zu
Jesus. Der hl. Ignatius hatte ihn in den Geistlichen Exerzitien gelehrt,
auf den Ruf Christi zu hören: «Mein Wille ist es, die gesamte Welt und
sämtliche Feinde zu unterwerfen, und so in die Glorie meines Vaters einzugehen.
Wer deshalb mit mir kommen will, hat sich anzustrengen mit mir, damit er, wie
er mir in der Mühsal folgte, so auch mir in der Glorie folge» (Ex. Sp.
95). Franz Xaver war folgsam und erwies sich als «schnell und voll
Bereitschaft, zu erfüllen den heiligsten Willen Jesu» (ibid. 91); er
verausgabte sich rückhaltlos bei allen Arbeiten, um das Reich Gottes auf Erden
auszuweiten. Möge er für uns die Gnade erwirken, dass wir uns ganz wie er
voller Eifer für das ewige Heil unseres Nächsten einsetzen können.
Dom Antoine Marie osb
http://www.clairval.com/lettres/de/2007/03/26/1280307.htm