»Seid ihr bereit, die Mysterien Christi... gemäß der
kirchlichen Überlieferung zum Lobe Gottes und zum Heil seines Volkes in
gläubiger Ehrfurcht [pie et fideliter]
zu feiern?«
(Pontificale Romanum. De Ordinatione Episcopi, presbyterorum et
diaconorum,
editio typica altera, Typis
Polyglottis Vaticanis 1990)
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst!
Das Amt, das der Herr uns durch die Vermittlung
der Kirche anvertraut hat, besitzt im Munus
Sanctificandi einen besonderen und unersetzlichen Grundvollzug. In der
Feier der »Mysterien Christi«, die auch auf existentielle Weise den Einsatz der
besten und sich dabei gleichsam »verzehrenden« Kräfte des Apostolats erkennen
lassen und erkennen lassen müssen, verwirklicht sich dieser Vollzug.
Jenes »Feiern«, zu dem wir uns verpflichtet haben,
ist nicht etwas, was vom aktiven Apostolat und der Sendung zu »trennen« wäre:
das Werk Gottes vollzieht sich gerade durch die Heiligung seines Volkes. Heiligung
»geschieht« in der Feier der Geheimnisse Christi, die jeweils auf Wesen mit geschaffener
Freiheit treffen. Zu oft ist unrechtmäßigerweise jene Wahrheit vernachlässigt
worden, nach der eben durch die Feier der Geheimnisse immerfort das von
Christus, dem Herrn, gewirkte Heil in der Gegenwart wirksam wird.
Die Kirche fordert von ihren Dienern, »pie et fideliter« zu feiern. Die beiden Adjektive beziehen sich auf die innere und die
äußere Haltung, die bei der Feier vorherrschen sollte. Die pietas – ein edles menschliches Gefühl – ist weit davon entfernt,
eine leere Frömmelei zu meinen; sie verweist unmittelbar auf jenen hohen Sinn
des Adels und der Religiosität, der Anerkennung und der Achtung des Heiligen,
der die Ausübung des Munus Sanctificandi
auszeichnen muß. Frömmigkeit und Hingabe, devotio
– das heißt Aufopferung seiner selbst –, sind Gefühle, die typisch sind für
den, der wirklich in den Herrn verliebt ist und »dessen Dinge« mit jener
Achtung und Zartheit behandelt, die das Herz ohne die geringste Anstrengung für
den Geliebten für angebracht erachtet! Die Treue
wird einerseits von der Achtung der Form bestimmt, die die Kirche für die Feier
der Geheimnisse festgelegt hat; dabei handelt es sich um eine objektive,
universale und nie willkürliche Form, die einem Ort oder persönlichen Erfordernissen
entsprechend gebeugt werden dürfte. Andererseits gehört zur Treue die
»Beständigkeit«, mit der die Geheimnisse gefeiert werden. Die Liturgie, die vor
allem göttliches Werk ist, lebt weniger von »subjektiver Kreativität« als
vielmehr von jener treuen Wiederholung, die nie eine Schwere zutage treten
läßt, sondern Gottes Treue selbst räumlich und zeitlich zum Ausdruck bringt.
Kreativ sein bedeutet daher vielmehr, ein Herz zu besitzen, das immer neu, weil
verliebt, ist.
Die Geheimnisse werden
»zum Lobe Gottes und zum Heil seines Volkes« gefeiert: die Ordnung der Faktoren
ist nicht zufällig, obwohl diese gleich-wesentlich bleiben. Wir feiern immer
»zum Lobe Gottes«, das heißt innerlich hingewandt zum Herrn, in jener
Vertikalität, die der feierlichen Handlung eignet, die ein zur Ewigkeit hin
offenes »Fenster« und ein Einbrechen des Ewigen in die Zeit ist. Der Priester
ist weniger »Gestalter« des Gebets, als vielmehr derjenige, der beten muss: das
Gebet wird nämlich dadurch »beseelt«, daß man betet und mit Taten aufzeigt, wie
unersetzlich die Zentralität des Gebetes ist. »Zum Lobe Gottes« verweist auch auf
die Anerkennung der Herrlichkeit des Herrn innerhalb des Gottesdienstes: die
Sorgfalt in der Liturgie, die Auswahl der Lieder und der Musik, die
Vorbereitung des Altares, die Schönheit der liturgischen Gewänder und der
Einrichtung – alles trägt dazu bei zu sagen, »wem« wir gehören und was uns
wirklich am Herzen liegt; alles bringt zum Ausdruck, zu wem wir beten und was
wir feiern. All dies fällt dann wie ein Regen, wie ein »erquickender Tau« auf
das heilige Volk Gottes hernieder, für das die Mysterien des Herrn gefeiert
werden, eben »zur Heiligung«! Das Leben des Priesters ist zutiefst
»gottesdienstlich« – alle Getauften sollen durch das Weiheamt dazu angeleitet
werden, ihr Dasein Gott aufzuopfern, »als Opfer, das Gott gefällt« (Eph 5,2).
All dies soll »gemäß der
kirchlichen Überlieferung« geschehen. Darin besteht die Wirksamkeit und manchmal
sogar die Gültigkeit der Feier der Geheimnisse: daß sie »gemäß der kirchlichen
Überlieferung« stattfinden: eingesenkt in eine zweitausendjährige Geschichte, die
abseits von jedem Hang zur Selbstdarstellung in Jesus Christus ihren Ursprung
und in seiner durch die Kirche fortgesetzten Gegenwart in der Welt ihren Sinn
hat. Die Vergangenheit legt ein sehr kostbares Erbe in unsere Hände, und wir
sind dazu berufen, es unseren Brüdern unversehrt in seinem Reichtum und – wenn
es der Heilige Geist und die übernatürliche Gnade gestatten – bereichert durch
unseren Glauben und unser Zeugnis weiterzugeben (tradere).
Diese Vertikalität,
Frömmigkeit, Treue und dieser Gehorsam gegenüber der kirchlichen Überlieferung gewährleisten
erst die echte Verwirklichung des Priesters, der seines Zeichens dazu da ist,
um »die Mysterien Christi« zu feiern.
X
Mauro Piacenza
Titularerzbischof von Victoriana
Sekretär
Aus dem Vatikan, 15. August 2009