Liebe zu Christus, dem Zentrum
priesterlichen Lebens
nach der hl. Katharina von
Siena
fr. François-Marie Léthel ocd
Für
unser Thema „Die Liebe zu Christus, Zentrum des priesterlichen Lebens“ finden
wir in den Werken der hl. Katharina eine Fülle von Material. Um ihre Lehre in
ihrer Tiefe aufnehmen zu können, ist es nötig, kurz den kirchlichen Kontext
ihres Lebens und einige charakteristische wesentliche Themen ihrer Theologie aufzuzeigen.
Katharina
wurde im Jahr 1347 geboren und starb im Jahr 1380. Ihr Leben war also ziemlich
kurz: wie Jesus starb sie mit 33 Jahren; ihr intensiv gelebtes Leben spielte
sich in einem besonders dramatischen Augenblick der Geschichte der Kirche ab.
Es genügt, das tragischste Ereignis in Erinnerung zu rufen: das große Schisma
des Westens, das im Jahre 1378 ausbrach. Ungefähr 40 Jahre lang bis zum Jahr
1417 wird es gleichzeitig zwei Päpste geben (und am Ende sogar drei), den einen
in Rom und den anderen in Avignon, jeweils zusammen mit ihren Kardinälen (und
auch mit ihren Heiligen). Die ganze Kirche wird in zwei Lager gespalten sein,
auch die Orden. Dieser Riß der Kirche wird Katharinas eigentliches Martyrium in
den zwei letzten Jahren ihres Lebens sein.
Wir
müssen diese Seite der Geschichte im Licht des Evangeliums interpretieren, im
Licht des Mysteriums Christi. Während das XIII. Jahrhundert von einem geistigen
Klima des Wandels charakterisiert ist, trägt das XIV. eher den Charakter der
Passion Jesu. Das XIII. Jahrhundert ist das leuchtendste des Mittelalters: die
gotische Kunst ist die Kunst des Lichtes, jenes Lichtes, das Christus ist und
das von den Heiligen der Epoche auf das Leben des Volkes Gottes ausstrahlt, auf
das theologische Denken und auch auf die Politik. Wir denken an den hl.
Franziskus und an den hl. Dominikus, an ihre (geistlichen) Söhne, die
Bonaventura und Thomas von Aquin heißen, und auch an den christlichsten König,
den hl. Ludwig von Frankreich, der dem Dritten Orden der Franziskaner angehört.
Das Klima des XIV. Jahrhunderts (und auch des XV.) ist von Grund auf
verschieden: es ist eine Periode der Finsternis und der Dunkelheit, wie sie bei
der Passion Jesu herrschte; eine Zeit großer Leiden: die große Pest, die
Kriege; eine Periode der Kirchen- und der Kulturkrise, der Krise des
theologischen Denkens (Stichwort: Nominalismus). In diesem Kontext des Leidens
finden wir das wieder, was in der Passion Jesu geschehen ist: das Versagen und
die Sünde seiner Jünger, besonders seiner Apostel; Judas hatte ihn verraten,
alle waren geflohen, selbst Petrus hatte ihn dreimal verleugnet. Nur die
heiligen Frauen sind dem Gekreuzigten nahe geblieben: Maria seine Mutter, Maria
Magdalena und die anderen Frauen. All dies tritt gerade zu Katharinas Zeit ein:
in dem Moment, in dem die Nachfolger der Apostel sich als so schwach erweisen,
so unvollkommen, bleibt eine kleine Gruppe heiliger Frauen dem gekreuzigten
Jesus absolut treu. Wie bei der Passion Jesu, stehen die heiligen Frauen in
diesem Moment der Passion der Kirche im Vordergrund. Im Hinblick auf sie hat
man mit Recht vom „weiblichen Prophetentum am Ende des Mittelalters“
gesprochen. Es genügt, einige Namen zu nennen: die hl. Birgitta von Schweden,
die im Jahr 1373 in Rom gestorben ist; unsere hl. Katharina, gestorben in Rom
im Jahr 1380; die hl. Jeanne d’ Arc, gestorben in Rouen im Jahr 1431[1];
die hl. Franziska von Rom, gestorben in Rom im Jahr 1440. Alle diese Heiligen
leben ein tiefes mystisches Leben; sie leben kontemplativ, aber ohne jede
Klausur. Sie leben mitten in der Welt und befassen sich intensiv mit den
Problemen der Kirche und der Politik ihrer Zeit. Innig verbunden mit dem
gekreuzigten Jesus, sind sie allen Menschen nahe, mit einer außergewöhnlichen
Freimütigkeit der Rede und Unabhängigkeit in ihrem Handeln. Birgitta und
Franziska sind Ehefrauen und Mütter, während Katharina und Jeanne D’ Arc
geweihte Frauen sind. Wohlgemerkt, Katharina ist keine Ordensfrau, sondern als
dominikanische Tertiarin ist sie vielmehr eine geweihte Laiin. Diese Frauen
lenken die Männer, auch die hochgestelltesten in der Kirche und in der Welt,
mit derselben starken und tief mütterlichen Haltung, die sie wirklich mit jener
Mütterlichkeit Mariens unter dem Kreuz teilen. So wie Katharina Papst Gregor
den XI. unterstützt, so tut es Jeanne d’ Arc mit ihrem König Karl dem VII. Es sind
die stärksten und mutigsten Frauen, welche die schwächsten Männer unterstützen.
Gerade die Haltung Katharinas gegenüber den Priestern wird für uns eine gute
Lektion in der Demut sein, damit wir nicht dem Klerikalismus verfallen!
An
diesem Punkt ist es nötig, ein kurzes Wort über die Theologie der hl. Katharina
zu sagen. Das große Paradoxon besteht darin, daß diese Frau, eine
Kirchenlehrerin, nicht gebildet und nahezu Analphabetin war. Sie konnte
schlecht lesen und noch schlechter schreiben. Aber sie konnte außergewöhnlich
gut reden. Daher sind alle Werke Katharinas, das sind die Reden, der Dialog und die Briefe[2],
alles Worte der Heiligen, die von ihren Schülern aufgeschrieben wurden. Ihre
Theologie ist im Wesentlichen eine mündliche Theologie, sie ist in
außergewöhnlichem Maß inkarniert, d. h. von der Menschwerdung geprägt, und
konkret. Sie verwendet nicht so sehr Begriffe und Gedankengebäude sondern
Symbole und Bilder. Während der andere große Kirchenlehrer, der hl. Thomas von
Aquin eine spekulative Theologie repräsentiert, vertritt Katharina eine
symbolische. Hier sieht man die Komplementarität der Theologie, die von einem
Mann, dem Thomas, geschrieben wird, und die Theologie einer Frau, der hl.
Katharina. In der Tat ist ihre symbolische Theologie mit ihrer ständigen
Bezugnahme auf die Menschwerdung, auf den Leib und das Blut Jesu, typisch
weiblich. Als Frau ist Katharina der Jungfrau Maria tief verbunden, der Frau,
die Christus am besten kannte und verstand, mit all ihrem Sein, mit Leib und
Seele, in der innigsten Gemeinschaft mit dem Leib und Blut Jesu lebend. Durch
das Werk des Heiligen Geistes hat Maria ihr Fleisch und ihr Blut dem göttlichen
Wort gegeben; ihre innerste Haltung bestand darin, alles „in ihrem Herzen aufzunehmen
und zu erwägen“, (griech. symbállousa),
Luk. 2,19). Sie ist das vollkommene
Modell für diese in hohem Maße inkarnatorisch feminine, symbolische Theologie.
Als Frau hat Katharina mit Maria dieselbe tiefe christologische Innerlichkeit,
diese privilegierte intime Beziehung zum Leib und zum Blut Jesu gemeinsam, die
jungfräuliche Vereinigung mit ihm.
Ja,
der ständige Bezug zum Leib und Blut Jesu ist wirklich das Herz der ganzen
Theologie der hl. Katharina, und dieser (der Bezug) ist sehr tief; denn „in Ihm
wohnt leibhaftig die ganze Fülle der Gottheit" (Kol. 2,9). In Jesus drückt sich Gott aus und teilt sich mit.
So
offenbart sich Jesus für unsere Heilige wirklich mit seinem gekreuzigten und
auferstandenen Leib als Weg, Wahrheit und Leben. Katharina betrachtet ihn von den
Füßen bis zum Kopf, indem sie nach und nach von den durchbohrten Füßen am Kreuz
hinauf zu seiner Seite steigt, an die Stelle, wo die Kirche im Blut und Wasser
geboren wird, und schließlich bis zu seinem Mund, der bei der Passion die ganze
Bitterkeit des Leidenskelchs getrunken hat und bei der Auferstehung den
Heiligen Geist aushaucht und den Frieden schenkt. Für Katharina sind die Füße, die
Seite und der Mund die drei Stufen der großen Brücke, die der Leib Christi, der
Weg, ist[3]; sie sind auch die drei Kapitel des Buches, das derselbe Leib Christi, die
Wahrheit, ist[4]. Christus, das Leben, offenbart sich im Mysterium seiner geöffneten Seite,
im Blut der Erlösung und im lebendigen Wasser des Heiligen Geistes.
Dieser
leibhaftige Christozentrismus ist also der Schlüssel der ganzen Theologie
Katharinas und speziell ihrer Lehre über das Priestertum, hinsichtlich des
eucharistischen Mysteriums, der wahren Sonne der pilgernden Kirche. Wir wollen
jetzt einige wesentliche Aspekte dieser Lehre betrachten, zunächst im Dialogo
und dann in den Briefen der Heiligen. Meine Ausführungen werden sich
daher in zwei Teilen entfalten: I/Das Priestertum und die Priester im ‚Dialogos’
der Katharina, II/Die Briefe Katharinas an die Priester.
I/ Das Priestertum und die Priester
im ‘Dialogo’ der Katharina
Im
Dialogo der hl. Katharina finden wir eine Lehre, die sich sehr stark auf
das Priestertum und auf die Priester bezieht. Die Gedanken der Heiligen ähneln
sehr denen des hl. Franziskus (man vergleiche meinen ersten Vortrag) und stützt
sich ganz auf das Mysterium der Eucharistie, mit derselben Betonung der
erhabenen Würde des Priestertums, derselben dringenden Forderung der Heiligkeit
und auch demselben Wissen um die Unwürdigkeit vieler Priester. Man findet auch
dieselbe Liebe zu allen mit einem starken Eifer, sich für ihre Heiligung
einzusetzen, besonders im Gebet.
So
ist eines der Hauptthemen des Dialogo in der Tat die „Reformation ( = die Reform) der heiligen
Kirche". Sie ist der eigentliche Gegenstand der „zweiten Petition"
im ersten Kapitel. Es handelt sich um jene tiefe, dringende „Reformatio in
capite et in membris" (Reform am Haupt und an den Gliedern), die von den
Heiligen dieser gequälten Epoche sehnlich herbei gewünscht wurde. Aber besonders
die Reform „in capite"; denn es ist die Hierarchie der Kirche, die am meisten
der Reform bedarf, und das auf der höchsten Ebene, wie das große Schisma des
Westens zeigen wird, das im Jahr 1378, zwei Jahre vor Katharinas Tod, ausbricht.
Die Hauptverantwortlichen sind die damaligen Kardinäle aber auch die Päpste.
Aber
diese Notwendigkeit einer tiefgreifenden Reform betrifft auch den ganzen Klerus,
die Welt- und die Ordenspriester und auch die Theologen.
Hier
muß darauf hingewiesen werden, daß in der Sprache Katharinas „der Ausdruck Corpo
Mistico (mystischer Leib) Priester und Bischöfe bezeichnet”, während der
Ausdruck Corpo Universale das gesamte Volk Gottes meint[5]. Wir erkennen dies zum Beispiel, wenn sie sagt: „Mein Herr, wende das Auge
deiner Barmherzigkeit deinem Volk und deinem Corpo Mistico der heiligen Kirche
zu" (D 13). Und daher betrifft die Reform, die Gott Katharina verspricht,
hauptsächlich den Klerus hinsichtlich des eucharistischen Mysteriums, das in
seiner absoluten Heiligkeit immer dasselbe bleibt. So sagt es Gott selbst in
der literarischen Stilform des Dialogo:
„Ich sage dir
auch: je mehr die Drangsal derzeit im Überfluß vorhanden ist, um so mehr wird in ihr die Süßigkeit und der
Trost im Überfluß vorhanden sein. Und darin wird ihre Süßigkeit bestehen: in
der Reform der heiligen, guten Hirten; sie sind die Blumen des Ruhmes, denn sie
erweisen meinem Namen Verherrlichung und Lob, indem sie mir den in Wahrheit
getauchten Duft der Tugend schenken. Und darin besteht die Reform der Duft
verbreitenden Blumen, meiner Diener und Hirten. Nicht daß die Frucht dieser Braut
(die Erlösung des Menschen) reformiert zu werden braucht; denn sie kann durch
die Sünden der Priester nicht gemindert werden, und sie verdirbt niemals. Vielmehr
freut euch, du und dein Seelenführer und ihr alle, meine anderen Diener,
inmitten der Bitterkeit, darüber, daß Ich, die ewige Wahrheit, euch versprochen
habe, euch Erquickung zu schenken, nach der Bitterkeit werde ich euch Trost
schenken, mit viel Unterstützung bei der Reform der heiligen Kirche." (D
12).
Der mystische Leib der heiligen Kirche, die Erhabenheit
des priesterlichen Dienstes
Dann
wird dieses Thema besonders in einem langen Abschnitt des „Dialogo” behandelt,
den Giuliana Cavallini Der mystische Leib der heiligen Kirche, die Erhabenheit des Dienstes (c. 110 bis 134) betitelt hat.
Für
Katharina empfängt das ganze Geheimnis der Kirche von der Eucharistie her, die
wie die Sonne ist, Licht. Daher spricht Giuliana Cavallini zu recht von der eucharistischen Sonne.
Am
Anfang dieses Abschnittes betont Katharina im Kapitel 110 in sehr ausgewogener
Weise einerseits die Würde aller Menschen auf Grund des Mysteriums der
Inkarnation und andererseits die besondere Würde der Priester auf Grund des
Mysteriums der Eucharistie, weil sie Diener dieser Sonne sind. In der ganz
stark auf die Inkarnation bezogenen Theologie steht der Leib Christi immer im
Zentrum, da „in Ihm leibhaftig die ganze Fülle der Gottheit wohnt" (Kol. 2,9). Und die Gottheit ist nichts
anderes als die Liebe, da „Gott die
Liebe ist" (1. Joh. 4,8). Für
unsere Heilige ist die höchste Wirklichkeit immer die Liebe. Alle Werke Gottes
sind Liebe, und besonders alles, was den Menschen betrifft. So bekräftigt Gott
im selben Kapitel:
„Der Stoff,
aus dem ihr gemacht seid, ist die Liebe, denn ich habe euch aus Liebe
erschaffen, und deshalb könnt ihr nicht ohne Liebe leben... eure von mir
geschaffene Seele ist so zum Lieben gemacht, daß sie nicht ohne Liebe leben
kann; auch ihre Speise ist Liebe" (D 110).
Ja,
die Unendliche Liebe macht sich in der Eucharistie zur Nahrung des Menschen.
Und so, bekräftigt Katharina, ausgehend von dieser Sonne, die erhabene Würde
der Priester, die Diener dieser Sonne sind. So hört die Heilige in Kapitel 113,
wie Gott diese Würde der Priester noch über die Würde der Engel stellt, was einen
besonderen Anspruch auf Heiligkeit mit sich bringt:
„Sie sind
meine Gesalbten und ich nenne sie meine «christi», weil ich mich ihnen gegeben
habe, damit sie mich euch geben, und ich habe sie euch gegeben, als Duft
verbreitende Blumen im mystischen Leib der heiligen Kirche. Diese Würde hat
nicht der Engel, und ich habe sie dem Menschen gegeben, denen, die ich als
meine Diener erwählt habe, und die ich als Engel eingesetzt habe, und sie
müssen irdische Engel in diesem Leben sein, weil sie (so vollkommen) wie Engel
sein müssen (D 113).
Mit
Bezug auf den Leib Jesu legt Katharina besonderes Gewicht auf die Heiligkeit des Priesters in der Form der carità und der purezza, der Liebe und
der Reinheit.
„Ich verlange die Reinheit
und die Liebe in jeder Seele. Sie soll mich und ihren Nächsten lieben und Letzteren
mit dem, was in ihrer Macht steht, unterstützen, ihm ihr Gebet zuwenden,
beharrlich in der Freude an der Liebe zum Nächsten (Caritas) bleiben, so wie ich
dir an anderer Stelle über dieses Thema gesagt habe. Aber viel mehr fordere ich
die Reinheit und die Liebe zu mir und zu ihrem Nächsten von meinen Dienern, sie
sollen den Leib und das Blut meines eingeborenen geliebten Sohnes mit dem Feuer
der Liebe und dem Hunger nach dem Heil der Seelen austeilen, zur Verherrlichung
und zum Lob meines Namens. So wie diese Diener Wert legen auf die Sauberkeit
des Kelchs, in dem dieses Opfer sich vollzieht, so lege ich Wert auf die
Sauberkeit und Reinheit ihres Herzens, ihrer Seele und ihres Geistes. Und von
ihrem Körper, der gleichsam das Werkzeug der Seele ist, will ich, daß er in
vollkommener Reinheit bewahrt wird"(D 113).
Die guten und die schlechten Diener: die Hoffnung auf die Reform
Aber
Katharina weiß wohl, daß in Wirklichkeit nicht alle Priester dieser Forderung
entsprechen, und so finden wir im Dialogo ein langes Gespräch über die
guten und die schlechten Priester. Ebenso wie für den hl. Franziskus gilt auch
für sie, daß wir sie alle um des Sakraments der Eucharistie willen achten und
lieben müssen, zu dem sie geweiht worden sind:
„Ich habe dir,
meine liebste Tochter, etwas über die Ehrerbietung erklärt, die man meinen
Gesalbten ungeachtet ihrer Fehler und Sünden erweisen muß; die Ehrerbietung
wird und darf ihnen nicht um ihrer selbst willen erwiesen werden, sondern um
der Vollmacht willen, die ich ihnen gegeben habe. Und da das Mysterium des
Sakraments durch ihre Fehler und Sünden nicht gemindert noch zerstört werden
kann, darf die Ehrerbietung ihnen gegenüber nicht geringer werden: nicht um ihretwillen,
wie gesagt, sondern um des Schatzes willen, den das Blut darstellt" (D
118).
Für
unsere Heilige sind heilige Priester eines der schönsten Dinge in der Kirche: als
Diener der eucharistischen Sonne sind sie selbst zu Sonnen geworden:
„Ich habe dir
gesagt, daß diese Vollkommenen (heilige Priester) die Eigenschaft der Sonne gehabt
haben, indem sie ihre Nächsten durch die Freude an der Nächstenliebe erleuchteten
und wärmten; und mit dieser Wärme brachten sie Frucht und ließen die Tugenden
in den Seelen der ihnen Anvertrauten sprießen. Ich habe sie für dich dazu
eingesetzt, daß sie Engel sind, und so verhält es sich in Wahrheit: sie sind
euch von mir zu eurem Schutz gegeben, damit sie auf euch acht geben und in eure
Herzen durch heilige Gebete, durch heilige Belehrung und mit ihrem guten
Vorbild die guten Inspirationen eingeben, und daß sie euch dadurch dienen, daß
sie euch die heiligen Sakramente spenden, so wie der Engel, der euch dient, auf
euch acht gibt und euch die guten und heiligen Eingebungen gibt. Ja du siehst also,
daß sie außer der Würde, in die ich sie eingesetzt habe, für euch auch der
Schmuck der Tugenden sein sollen – ja, wie diese (die heiligen Priester/die bereits
Vollkommenen), von denen ich mit dir eben gesprochen habe, und so wie alle, die
ebenfalls dazu angehalten und verpflichtet sind, so zu sein - wie sehr sind diese
würdig, geliebt zu werden! - Ihr müßt
sie auch in hoher Ehre halten, sie, die meine geliebten Söhne und die durch
ihre Tugend eine Sonne mitten im mystischen Leib der heiligen Kirche sind. Wenn
schon jeder tugendhafte Mensch liebenswert ist, um wie viel mehr sind es dann
diese (die Priester), durch den Dienst, den ich ihnen in die Hand gegeben habe.
Fürwahr sowohl um der Tugend willen als auch um der Würde des Sakraments willen
müßt ihr sie lieben" (D 120).
Gleich
danach spricht Katharina von den sündigen Priestern. Es ist eine sehr starke,
sehr bewegende Ausführung, ganz beseelt von Glaube und Liebe. Wir müssen auch
diese immer lieben und verehren, um des Sakraments willen, dessen Diener sie
bleiben, wir müssen auch inständig für ihre Bekehrung beten:
„verabscheuen müßt
ihr die Sünden derer, die ein bejammernswertes Leben führen; aber ihr dürft
euch nicht zu ihren Richtern machen, bewahre! das will ich nicht! denn sie sind
meine Gesalbten, (meine christi), und ihr müßt die Vollmacht lieben und
verehren, die Ich ihnen gegeben habe. Es leuchtet euch doch ein, daß ihr, wenn
ein schmutziger oder schlecht gekleideter Mann euch einen großen Schatz gebracht
hat, von dem ihr euren Lebensunterhalt bestreitet, ihr aus Liebe zu dem Schatz
und zu dem Herrn, der ihn euch geschickt hat, den Überbringer nicht verabscheuen
würdet, wenn er auch zerlumpt und
schmutzig ist... Gut, er würde euch zwar, (so wie er ist,) nicht gefallen, aber
ihr würdet euch aus Liebe zu seinem Herrn darum bemühen, daß er sich das
Schmutzigsein abgewöhnt und sich neue Kleider anzieht. So also müßt ihr, wie es
die Nächstenliebe verlangt – das seid ihr ihnen schuldig, es mit solchen wenig
ordentlichen Dienern machen, -- und ich will, daß ihr es macht -- mit denen, die
schmutzig und mit Lastern bekleidet, zerlumpt durch die Trennung von der Liebe,
euch die großen Schätze bringen, das sind die Sakramente der heiligen Kirche. Von
diesen Sakramenten empfangt ihr das Leben der Gnade, empfangt sie würdig,
ungeachtet dessen, daß diese (die schlechten Priester) in so großer Sünde
leben, (tut es) aus Liebe zu mir, dem ewigen Gott, der ich sie euch schicke, und
aus Liebe zu dem Leben der Gnade, das ihr aus dem großen Schatz empfangt, weil
sie euch mich ganz, als Gott und Mensch, darreichen, das heißt, den Leib und
das Blut meines Sohnes, vereint mit meiner göttlichen Natur. Ihre Sünden müssen
euch mißfallen, und ihr müßt sie verabscheuen und euch bemühen, mit herzlicher
Liebe und frommem Gebet, sie neu zu bekleiden und ihnen mit euren Tränen den
Schmutz abzuwaschen, das heißt, sie mir vor meinem Angesicht als Opfer darzubieten,
mit Tränen und großer Sehnsucht, damit ich sie in meiner Güte mit dem Gewand
der Liebe neu bekleide." (D 120).
Dann
folgt die Beschreibung des Zustands der sündigen Priester in dem ganzen
Realismus der hl. Katharina und in der ihr eigenen Sprache, die kein Blatt vor
den Mund nimmt. Es ist ein wahrer Greuel, den Katharina unter den Hauptaspekten
des Hochmuts, der Habgier und der Unzucht sieht. Dieser letzte Aspekt tritt in der
von der Menschwerdung so sehr geprägten Sicht der hl. Katharina besonders hervor.
Ihre Theologie ist ja im Wesentlichen Theologie des Leibes, der absoluten
Heiligkeit des Leibes Christi und der Heiligkeit unseres Leibes in der
Vereinigung mit Ihm. Der Priester ist auf Grund seiner Beziehung zum Leib
Christi dazu berufen in großer Reinheit zu leben.
Die
Lehre der hl. Katharina über dieses Thema erreicht ihren Höhepunkt in Kapitel
126, wenn Gott den sündigen Priester tadelt und ihn an all das erinnert, was
sein göttlicher Sohn Jesus aus Liebe zu uns mit seinem eigenen Leib in seiner
Passion getan hat. Der Sünder tut mit seinem Leib genau das Gegenteil. Der Text
ist ein literarisches Meisterwerk, mit seiner Wiederholung der Antithesen, ….das,
was ich getan habe, das, was du tust…:
„Oh liebste
Tochter, das Fleisch, das durch die Vereinigung meiner göttlichen Natur mit
eurer menschlichen Natur über alle Chöre der Engel erhaben ist, dieses geben
sie (die schlechten Priester) solch großem Elend preis... An deinem Fleisch und an dem der ganzen
Menschheit wurde die Wunde, die ihr Adam durch seine Sünde geschlagen hat, am
Holz des heiligsten Kreuzes mit dem verwundeten Leib meines eingeborenen Sohnes
weggenommen. Oh Elender! Er hat dir Ehre gemacht, und du machst ihm Schande! Er
hat dir deine Wunden mit seinem Blut geheilt und mehr noch, du bist von ihm zu
seinem Diener gemacht worden, und du durchbohrst ihn mit unzüchtigen, schändlichen
Sünden! Der gute Hirt hat die Schäflein in seinem Blut gewaschen, und du beschmutzt
sie ihm, sie, die rein sind... Alle Glieder deines Leibes hast du darauf
gerichtet, sie auf erbärmliche Weise zu gebrauchen, und du tust das Gegenteil
von dem, was meine göttliche Wahrheit für dich getan hat. Ich habe es ertragen,
daß ihm die Augen verbunden wurden, um dich zu erleuchten, und du hast mit
deinen unzüchtigen Augen giftige Pfeile in deine Seele und in das Herz derer, geworfen,
auf die du mit so großer Erbärmlichkeit geschaut hast. Ich habe es ertragen, daß
Er mit Galle und Essig getränkt wurde, und du hast dich wie ein viehischer
Mensch an delikaten Speisen ergötzt und den Bauch zu deinem Gott gemacht. Deine
Sprache ist voller unehrlicher und leerer Worte; die Sprache, mit der du eigentlich
mit deinem Herzen und mit deiner Zunge den Nächsten ermahnen, mein Wort verkünden
und die Messe lesen solltest... Ich habe es ertragen, daß ihm die Hände
gebunden wurden, um dich und das ganze Menschengeschlecht von der Fessel der
Schuld zu befreien, und deine Hände sind gesalbt und geweiht, um das heiligste
Sakrament zu spenden, und du gebrauchst sie auf widerliche Weise zu
erbärmlichen Berührungen... Ich wollte, daß ihm die Füße angenagelt wurden, und
so habe ich für dich aus seinem Leib eine Leiter gemacht, und die offene Seite habe
ich, damit du das innerste Geheimnis des Herzens siehst, zu einem offenen Laden
bestimmt, wo ihr die unaussprechliche Liebe sehen und kosten könnt, die Ich zu
euch habe.. Sieh doch, daß Ich aus dem Blut, das du mir (als Priester)
aufopferst, für dich ein Bad gemacht habe, um eure bösen Taten abzuwaschen. Und
du hast aus deinem Herzen einen Tempel des Dämon gemacht. Und die liebende
Zuneigung, die (nach meinem Plan) durch deine Füße ausgedrückt werden sollte, bietet
mir nichts anderes als Gestank und Lästerung; die Füße, die deine Zuneigung
ausdrücken sollten, führen deine Seele nirgends anderswo hin als an die Orte
des Dämons. Ja fürwahr mit deinem ganzen Körper durchbohrst du den Leib meines
Sohnes, indem du das Gegenteil von dem tust, was er getan hat und von dem, was
sich für dich und jedes Geschöpf gehören würde" (D 126).
Katharina
nimmt dieselbe Ausdrucksweise, dieselbe äußerst bewegende Betrachtung des
gekreuzigten Christus im Hinblick auf den Hochmut wieder auf:
„Er hat das
Haupt geneigt, um dich zu grüßen, die Krone auf dem Haupt, um dich zu schmücken,
die Arme ausgebreitet, um dich zu umarmen, die Füße durchbohrt, um bei dir zu
stehen. Und du, elender Mensch, der du zum Diener dieser Großmut und solch
großer Demut gemacht worden bist, müßtest eigentlich das Kreuz umarmen; und du
läufst vor ihm davon und umarmst statt dessen schändliche, unreine Geschöpfe. Du
müßtest eigentlich fest und standhaft da stehen, indem du der Lehre meiner göttlichen
Wahrheit folgst, indem du dein Herz und deinen Geist in ihr festmachst, und du
drehst dich wie ein Blatt im Wind, und bei jeder geringsten Kleinigkeit suchst
du das Weite" (D 128).
All
diese Ausführungen Katharinas über die Sünde der Priester haben einen ausgesprochen
prophetischen Charakter: sie sind eine Aufforderung zur Umkehr, zum Gebet. Die
Absicht ist nie, zu verurteilen, zu kritisieren, sich über etwas zu empören, sondern
in einer für die Kirche so schmerzlichen Situation zu heilen. Wie bei den
Propheten, sind die stärksten Anklagen begleitet von der Verheißung des Heils. Hier
ist es die Verheißung der von der Barmherzigkeit des Herrn gewirkten Reform der
Kirche:
All das habe
ich dir gesagt, um dir mehr Anlaß zu Tränen und Bitterkeit über ihre Blindheit
zu geben, wenn du siehst, wie sie sich im Zustand der Verdammnis befinden, und
damit du meine Barmherzigkeit besser erkennst, um größte Zuversicht und größtes
Vertrauen auf diese Barmherzigkeit zu gewinnen, weil
ich ihnen Diener der heiligen Kirche anbiete und alles, was die Welt vor
meinem Angesicht durch die Barmherzigkeit ihnen gegenüber nur erbitten kann. Und
je mehr du mir für sie schmerzvolle und liebevolle Wünsche aufopfern wirst, um
so mehr wirst du mir die Liebe zeigen, die du zu mir hast; denn womit du dich
mir nicht nützlich machen kannst, weder du noch meine anderen Diener, das müßt
ihr mit Hilfe von den sündigen Priestern tun. Dann werde ich mich durch die
Sehnsucht, durch die Tränen und durch die Gebete meiner Diener umstimmen
lassen, und ich werde Barmherzigkeit üben an meiner Braut, ich werde sie
reformieren mit guten, heiligen Priestern und nachdem sie durch gute Priester
reformiert sein wird, werden auch die ihnen Anvertrauten mit viel Mühe auf den
rechten Weg gebracht werden.“ (D 129).
II/ Die Briefe der hl. Katharina an
die Priester
Das
Epistolarium, die Briefsammlung, die den umfangreichsten Teil der Werke der
hl. Katharina darstellt, offenbart uns die vollkommene Offenheit ihres Herzens
für die ganze Kirche und für die ganze Menschheit ihrer Zeit. Es sind uns 381 von
der Heiligen datierte und an die verschiedensten Kategorien von Personen
gerichtete Briefe erhalten: an Männer und Frauen, Priester und Laien, Erwachsene
und Kinder, Italiener und Ausländer, Gebildete und Ungebildete, Gerechte und
Sünder... Unter den Empfängern der
Briefe befinden sich viele Priester: die Päpste ihrer Zeit, die Kardinäle und
Bischöfe und viele Welt- und Ordenspriester. Die Briefsammlung, das Epistolario,
repräsentiert alle in der Gesamtheit des Volkes Gottes.
Das,
was in der Gesamtheit der Briefe Katharinas am meisten auffällt, ist ihre
wunderbare kirchliche Mütterlichkeit (maternità ecclesiale), die sich in
der innigen Verbindung mit Maria unter Jesu Kreuz offenbart. So fangen in der
Tat alle Briefe mit denselben Worten an: „Im Namen Jesu Christi, des
Gekreuzigten, und der liebenswürdigen Maria.“ Katharina teilt wirklich die
mütterliche Liebe Mariens zu allen Menschen, für die Christus gestorben ist, zusammen
mit der leidenschaftlichen Sehnsucht nach ihrem Heil. Man könnte auch sagen,
die Heilige wiederholt unermüdlich für alle die Worte Mariens auf der Hochzeit
zu Kana: „Was immer Er euch sagt, das tut“. Als Mutter versteht es Katharina, denselben
Anspruch des Evangeliums an jeden ihrer Söhne, auf ihn passend zuzuschneiden. Aber
besonders zeigt sich diese mütterliche Liebe, die wirklich alle umarmt, gegenüber
ihren Schülern, den Gliedern dieser außergewöhnlichen katharinischen „Familie“,
die ihre Einheit in der Bezeichnung „Mamma" findet, wie alle sie nennen[6]. In besonderer Weise ist Katharina die Mamma der Priester. Ihre Briefe an
ihre Schüler, die Priester, zeigen sie als eine wunderbare Formerin und
Erzieherin ihrer Herzen in der Liebe zu Jesus. So ist die hl. Katharina ein
leuchtendes Beispiel der donna formatrice des Klerus. Dies ist ein sehr
delikates, aber auch sehr schönes und aktuelles Thema, das von Kardinal
Decourtray, dem Erzbischof von Lyon, auf der Synode über die Ausbildung der
Priester vorgetragen wurde. Alle Themen dieser Art müssen immer in dem
erhabensten Licht betrachtet werden, im Licht der Heiligen[7]. Wir müssen jetzt einige Briefe der hl. Katharina an ihre Priesterschüler
betrachten.
„Liebster Vater und Bruder und Sohn
in Christus Jesus"
Der
Schlüssel zu allem findet sich in einem für Katharina typischen Ausdruck; wenn
sie an einen ihrer Priesterschüler schreibt, nennt sie ihn: „liebster Vater und Bruder und Sohn in Christus Jesus" (L 225). Es ist
wirklich die ganze, tiefste Beziehung der Heiligen zum Priester, die in diesen
drei Titeln zum Ausdruck kommt: Vater, Bruder und Sohn. In Bezug auf ihn ist Katharina
gleichzeitig eine Tochter, eine Schwester und eine Mutter. Es ist also eine
sehr reiche, dichte Beziehung, ganz unter dem Gesichtspunkt der Caritas als
Liebe zum Nächsten gesehen. Es ist auch eine paradoxe Beziehung, in ihrer Art,
all diese Aspekte der Väterlichkeit, der Mütterlichkeit, der Sohnschaft und der
Brüderlichkeit zu einer Einheit zusammenzufügen. Das, was zweifellos auf der
natürlichen Ebene der menschlichen Liebe unmöglich ist, wird auf der
übernatürlichen Ebene der jungfräulichen Liebe Wirklichkeit. Auf der
menschlichen Ebene ist in der Familie für ein und dieselbe Person der eine ihr
Vater, der andere ihr Bruder, der andere ihr Sohn. In der geistlichen Familie der
Katharina jedoch, ist es dieselbe Person, derselbe Priester, der gleichzeitig
ihr Vater, ihr Bruder und ihr Sohn ist.
Um
dieses wunderbare Paradoxon der Liebe zu verstehen, das alle Dimensionen der
göttlichen Liebe zusammenfaßt, muß auf den Brief des hl. Franziskus an alle
Gläubigen hingewiesen werden, der am Ende meines ersten Vortrags von mir zitiert
wurde. Für Franziskus sind alle Gläubigen, die in der Liebe leben „Söhne des
himmlischen Vaters", und gleichzeitig sind sie „Ehegatten, Brüder und
Mütter unseres Herrn Jesus Christus". So wird Jesus für den Gläubigen, der
ihn und den Nächsten liebt, zugleich Bruder und Sohn. Die heilige Klara hat
diesem Ausdruck eine neue Intensität gegeben, als sie ihn in der femininen Form
in der Perspektive der geweihten Jungfräulichkeit wieder aufnahm, als sie an
Agnes von Prag schrieb: „Ihr seid Ehefrau und Mutter und Schwester meines
Herrn Jesus Christus"[8]. So findet man in der Tat das Paradoxon der jungfräulichen Liebe Jesu, die
hier die Bräutlichkeit, die Mütterlichkeit und die Brüderlichkeit zusammenfaßt,
in der Beziehung zu Jesus selbst wieder, der wahrhaft Bräutigam, Sohn und
Bruder derselben Ihm geweihten Person ist. Wenn wir also die Formulierungen der
hl. Katharina und der hl. Klara zusammenfügen, entdecken wir den ganzen
wunderbaren Reichtum der Liebe als einziger Liebe zum Herrn und zum Nächsten, der
Liebe, die wahrhaft das ganze menschliche Herz in allen seinen Dimensionen
ergreift, die alle seine innersten „Saiten“ vibrieren läßt: die Saiten der bräutlichen
Liebe, der Sohnesliebe, der Liebe einer Tochter, der väterlichen und der
mütterlichen Liebe und der Liebe eines Bruders. Ja, in jeder Frau schlägt
das Herz einer Braut, einer Mutter, einer Tochter und einer Schwester, wie in
jedem Mann das Herz eines Bräutigams, Vaters, Sohnes und Bruders schlägt. Diese
Dimensionen dürfen wir niemals vergessen, diese „Saiten" des menschlichen
Herzens, das als Ebenbild Gottes geschaffen ist, der die Liebe ist, geschaffen,
um zu lieben und geliebt zu werden. Sicher, all dies ist durch die Sünde
verwundet worden, ohne aber je zerstört worden zu sein. Die Liebe reinigt und
heilt unser Herz, indem sie diese innersten „Saiten" anschlägt, die neu
„gestimmt“ werden müssen, damit sie einen rechten Ton erklingen lassen können. Der
priesterliche Zölibat bedeutet daher keine Repression, keine Verstümmelung des
Herzens, keine Scheu zu lieben sondern im Gegenteil, er ist ein Weg der Liebe,
um mit ganzem Herzen den Herrn und den Nächsten lieben zu können. Der Priester
ist dazu berufen, auf diese Art zu lieben, mit seinem ganzen Herzen eines
Bräutigams, eines Vaters, eines Sohnes und eines Bruders, ohne irgendeine
dieser „Saiten“ abzulehnen oder zu unterdrücken. Und genau all dies lehrt
Katharina die Priester, als Mutter, als Erzieherin ihres Herzens.
Um
ihr Lehren besser zu verstehen, müssen wir auch einige wesentliche
Charakteristika dieser „Saiten“ des Herzens erwähnen. Vor allem die der
bräutlichen Liebe. Sie ist der Teil des Herzens, der exklusiv einer einzigen
Person gegeben wird, der Person des Bräutigams (beziehungsweise der Braut), und
den man nicht teilen darf; sonst wäre es Untreue und Ehebruch. Bei der im
Zölibat geweihten Person handelt es sich um die exklusive Liebe zum Herrn, der
sich selbst „der Bräutigam“ nennt. Katharina verwendet oft diese Sprache der Bräutlichkeit
im Hinblick auf die Kirche als Braut Christi, im Hinblick auf die geweihte Frau
und auf sich selbst als Braut Christi, aber auch im Hinblick auf den Priester,
der, wie sie es ausdrückt, „Bräutigam der Wahrheit“ sein muß, das heißt
Bräutigam Christi, der die Wahrheit ist. Im Unterschied zu dieser bräutlichen „Saite",
die den Teil des Herzens darstellt, der exklusiv für den Herrn reserviert ist, beziehen
sich die anderen „Saiten", die der väterlichen und mütterlichen Liebe, der
Liebe zum Sohn und zum Bruder untrennbar auf den Herrn und den Nächsten
zusammen. Konkret heißt das, daß Katharina den Priester dazu einlädt/auffordert,
wirklich Vater, Bruder und Sohn zu sein, während er ihn (den Nächsten) gleichzeitig
mit dem ganzem Herzen einer Tochter, einer Schwester und einer Mutter liebt.
Der
erste Titel, den Katharina gebraucht, ist der Titel Vater. Diesen erläutert
sie oft in folgendem Ausdruck: „liebster Vater, um der Ehrfurcht dieses
süßesten Sakramentes willen" (L 146). Der Priester ist Vater, auf Grund
seiner privilegierten Beziehung zur Eucharistie, die sich auf das Sakrament der
Priesterweihe gründet. Daher liebt Katharina alle Priester mit der Liebe einer
Tochter, innerhalb des großen Stromes ihrer Liebe als Tochter gegenüber dem
göttlichen Vater, gegenüber Maria und gegenüber der Kirche. Innerhalb der
Kirche drückt sich die Tochterliebe der Heiligen in einer besonderen Art aus,
wie sie den Papst anredet, der oft „Mein süßer Papa" genannt wird. Man findet
hier die Zärtlichkeit und Zuneigung wieder, die in der Anrede „Abba"
enthalten ist. Diese Tochterliebe kommt vor allem im Gehorsam zum Ausdruck, in
jenem liebevollen Gehorsam Jesu gegenüber seinem Vater.
Die Mamma der Priester
Aber
dieser Titel Vater, der dem Priester von Katharina gegeben wird, wird sogleich
durch zwei andere vervollständigt: Bruder und Sohn. Und dies ist nötig, um jede
Form des klerikalen Paternalismus zu vermeiden -- einer der tiefsten
Versuchungen für die Priester, eine falsche Weise, die eigene Identität zu behaupten
--. Der Titel Bruder bringt die zu Grunde liegende, wesentliche Gleichheit
aller Getauften in der Kirche und auch aller anderen Menschen zum Ausdruck; denn
ein jeder ist Bruder, für den Christus gestorben ist. Der Priester bleibt immer
ein Bruder; er ist wahrhaft Vater, bleibt aber auch ein Sohn. In Bezug auf ihn ist
Katharina nicht nur eine gehorsame Tochter sondern auch eine Schwester und in
noch tieferem Maß auch eine Mutter, die es wagen kann, ihn mit „mein Sohn"
anzureden. Hier treffen wir sicher auf den originellsten, stärksten und auch
aktuellsten Aspekt der Lehre unserer Heiligen. Katharina erinnert den Priester
daran, daß seine Weihe ihn in Wahrheit zu einem Vater gemacht hat, daß er aber
zugleich ein Sohn bleibt, und zwar ein noch kleiner Sohn, der geistlich noch
wachsen muß, bis er das Erwachsenenalter erreicht, das heißt, die
Vollkommenheit, die Heiligkeit. Für dieses Wachstum braucht der Priester die
Liebe der Mutter, der Mamma. Katharina bezieht sich immer auf die kirchliche
Mütterlichkeit Mariens: sie spricht oft von ihr, und vor allem teilt und zeigt
sie diese durch ihre eigene geistliche Mütterlichkeit. Diese Frau, die eine
Kirchenlehrerin ist, bietet uns eine wunderbare Theologie der Mütterlichkeit
an, die es verdienen würde, gründlich studiert zu werden, damit wir die
Berufung der Frau in der Kirche besser verstehen (lernen), und zwar besonders
ihren spezifischen Beitrag zur Priesterausbildung.
In
den Briefen Katharinas an die Priester, finden wir eine besondere Bezugnahme
auf Maria, auf ihre Mütterlichkeit. Dies wird vor allem deutlich, wenn sie an
den Priester schreibt, der ihr besonders nahe stand, der Selige Raimondo da
Capua, ihr Seelenführer. Sie redet ihn in der Tat folgendermaßen an: „Liebster
Vater in Christus Jesus, (mir) gegeben von jener süßen Maria" (L 226). Von
Maria, von deren Mütterlichkeit, hat die Heilige Raimondo als Vater, und noch
mehr als Sohn, empfangen. Dieser selbst nennt sie, wie alle anderen Schüler es
tun, „Mamma".
An
einen anderen Priestersohn, den Dominikaner Fra Bartolomeo, schreibt die
Heilige: „ich als Mutter werde euch dem ewigen Vatergott darbringen und euch
ihm hinhalten“ (L 129). Es ist gerade die Haltung Mariens neben dem
gekreuzigten Sohn, wie Katharina sie stets vor Augen hat. Es ist die wahre
mütterliche Liebe, die, ganz opferbereit, ihren Sohn darbietet bis zum Opfer, bis zum Tod. Viele Male in den
Briefen beschreibt die Heilige in diesem Sinne die mütterliche Liebe Mariens unter
dem Kreuz. Während die Ikonographie ihrer Zeit nur den menschlichen Aspekt betrachtet
und Maria zeigt, wie sie, der Ohnmacht nahe, von Johannes gestützt wird, legt
Katharina statt dessen, vollkommen treu zum Text des Evangeliums, das Gewicht
auf die tatsächliche Haltung Marias, die aufrecht steht, stark, mutig, im
Glauben und in der Liebe vollkommen dem Opfer des Sohnes zustimmend, indem sie
so die Grenzen der rein natürlichen Mutterliebe überwindet, die immer dazu
neigt, den Sohn zu beschützen und, koste es, was es wolle, sein Leben zu behalten.
In all dem befindet sich die Mütterlichkeit Mariens in tiefem Einklang mit der
Väterlichkeit Gottes, „der seines eigenen Sohnes nicht verschonte, sondern ihn
für uns alle hingegeben hat" (Röm. 8,32). Wie Abraham verschont Maria
ihren einzigen Sohn nicht sondern bietet ihn als Opfer an[9].
So
verliert, nach Katharina, „jene süßeste und liebste Mutter… freiwillig die
Liebe des Sohnes; sie macht es nicht so, wie es eine Mutter machen würde, die
ihn vom Tod abhalten würde; sondern sie will sich zu einer Leiter machen und will,
daß er stirbt" (L 30). Das ist das wahre Bild Mariens unter dem Kreuz, wie
es das Evangelium schildert, aufrecht und so stark, daß sie aus ihrem eignen
mütterlichen Leib eine Leiter machen kann, um ihrem Sohn, wenn es denn nötig
wäre, dabei zu helfen, auf das Kreuz zu steigen.
Dasselbe
sagt die Heilige, wenn sie an den Priester Don Roberto von Neapel schreibt:
„Maria... konnte
nichts anderes ersehnen als die Ehre Gottes und das Heil der Geschöpfe; deshalb
sagen die Gelehrten, indem sie die unendlich große Liebe Mariens kundtun, die
aus sich selbst eine Leiter gemacht habe, um ihren Sohn an das Kreuz zu bringen,
wenn sie keine andere Möglichkeit gehabt hätte. Und all dies hat sie getan, weil
ihr Wille stets mit dem des Sohnes übereinstimmte. Denkt daran, Vater, und möge
es euch niemals aus dem Herzen noch aus dem Gedächtnis noch aus eurer Seele
entschwinden, daß ihr Maria dargebracht und geweiht seid. Bittet sie also, daß
sie euch dem süßen Jesus, ihrem Sohn, vorstellt und weiht. Und sie wird euch
als süße Mutter und als gütige Mutter der Barmherzigkeit vorstellen." (L
342).
Auf
Grund seiner sakramentalen Bindung an Christus, den Erlöser, ist der Priester
in der Tat besonders „Maria dargeboten
und geweiht", damit Maria ihn Jesus vorstellt und ihn dem Vater
durch das Kreuz Jesu darreicht. Die mütterliche Liebe Mariens wird stets dem Priestersohn
helfen, das Kreuz zu besteigen.[10].
Katharina zeigt,
wie Maria dieselbe opferbereite Haltung in Bezug auf ihre anderen Söhne, die Jünger
Jesu, nach Pfingsten bewahrt. Sie will sie nicht bei sich zurückbehalten,
sondern stimmt der Trennung von ihnen zu, damit sie aufbrechen, um das
Evangelium in der ganzen Welt zu verkünden. Mit einem tiefen psychologischen
Verständnis gibt Katharina den in ihrer mütterlichen Liebe allzu „besitzergreifenden,
klammernden" Frauen dieses Beispiel, auch besonders ihrer eigenen Mutter
(cf die Briefe 117 e 118). Die Heilige kennt diese „possessive” Tendenz der
(natürlichen, rein menschlichen) Mutterliebe gut, die sich zeigt, wenn diese noch
nicht vollkommen durch die Caritas (christliche Nächstenliebe) gereinigt und
verwandelt ist; die (instinktive) Neigung der Mutter, den Sohn immer zu
beschützen, ihn immer bei sich behalten zu wollen. Diese ungeordnete Mutterliebe
behindert das Wachstum des Sohnes und läßt ihn infantil bleiben.
Ganz
anders ist die wahre Mutterliebe, welche die Heilige mit Maria teilt. Über sie
finden wir das schönste Zeugnis in ihren Briefen an den Seligen Raimondo. Es
ist die Liebe, die dem Sohn hilft, zu wachsen, bis er ein starker erwachsener
Mann geworden ist, die dem Priester hilft, Jesus furchtlos bis ans Kreuz zu
folgen. In diesen Briefen bezieht sich Katharina oft auf den gekreuzigten
Christus und auf Maria, zum Beispiel, wenn sie schreibt: „ich hoffe auf jene
süße Maria, die meine Sehnsucht erfüllen wird. Verliert euch selbst und sucht
allein Christus, den Gekreuzigten" (L 104); und auch: „schaut zu, daß ihr
in allem bei Maria Zuflucht sucht und umarmt dabei das heilige Kreuz" (L
267). Die wahre Mutterliebe, jene Liebe Mariens, hilft dem Sohn, auf das Kreuz
zu steigen; und wie Maria den Tod des eigenen Sohnes wollte, so sehnt sich
Katharina nach dem vollkommenen Opfer ihres Priestersohnes, um der Ehre Gottes
willen. Und so wird diese starke und mutige Frau ihren Sohn oft wegen seines
Mangels an Mut, seiner Angst vor dem Tod und seiner Neigung, vor dem Martyrium
zu fliehen, tadeln. In diesem Sinn schreibt sie an ihn:
„Ich schreibe euch...
mit der Sehnsucht, danach es endlich zu erleben, daß ihr die Kinderschuhe
abgelegt habt und ein mutiger Mann geworden seid... Du Schlingel, mein Vater, wie
glücklich wäre eure Seele und die meine, wenn ihr mit eurem Blut einen Stein in
die heilige Kirche gemauert hättet, um der Liebe zum Blute willen " (L 333).
Mit
all ihrer mütterlichen Liebe ersehnt Katharina nichts anderes für ihren Priestersohn
als die Heiligkeit und sogar das Martyrium:
„Und deshalb möchte
ich liebend gern und ersehne es ohne Maßen, um eures Heiles Willen, euch im Stand
der (bereits) Vollkommenen (der Heiligen) zu sehen; deshalb bitte ich euch mit
vielen Worten, aber lieber noch würde ich es tatsächlich gern tun und wie
gewohnt möchte ich euch tadeln, damit ihr immer wieder zu euch selbst kommt.
Ich habe mich bemüht und werde mich bemühen, euch dazu zu bringen, euch, um der
Ehre Gottes willen, an die Heiligen zu halten und sie zu bitten, sich in ihrer
Güte für euch einzusetzen, und ich werde mich weiter darum bemühen, euch dazu
zu bringen, den höchsten Stand der Vollkommenheit zu erlangen, das heißt das
Martyrium für die Kirche zu erleiden. Ihr braucht keine Angst zu haben. Habt
Mut und Zuversicht; denn die süße Maria und die göttliche Wahrheit (Jesus)
werden immer an eurer Seite sein... Ich bitte euch, daß ihr so handelt, daß ihr
mir nicht Grund zum Weinen gebt und daß ich mich nicht vor dem Angesicht Gottes
wegen euch schämen muß. Wenn ihr ein Mann seid im Versprechen, zur Ehre Gottes
zu handeln und erleiden zu wollen, seid
mir dann aber keine törichte Jungfrau, wenn die Tür geschlossen wird;
daß ich bei Christus, dem Gekreuzigten, und Maria wegen euch betteln müßte."
(L 344).
Vom Geheimnis der Kirche, der Braut
Christi
Wie
die Mütterlichkeit Mariens, so hat auch jene Katharinas einen grundlegend kirchlichen
Charakter: sie ist ganz auf den Aufbau und das Wachstum des Leibes Christi durch
das Werk des Heiligen Geistes bezogen. Um aber das Mysterium der Kirche darzustellen,
verwendet Katharina hauptsächlich das Symbol der Braut: die Kirche ist „die
süße Braut Christi". Daher ist die geistliche Mütterlichkeit stets auf den
Aufbau und die „riformazione, die Reform" der Braut ausgerichtet. Dies
zeigt sich besonders in den Briefen an den Seligen Raimondo.
In
der Tat finden wir in dem Brief 273, dem Meisterwerk Katharinas, folgende Worte
von ihr:
"Ich will
also, daß ihr in der offenen Seite des Sohnes Gottes sein werdet, die ein
offener Kaufladen ist, voller Duft; so
sehr, daß euch die Sünde duftend wird. Dort ruht sich die süße Braut im Bett
aus Feuer und Blut aus. Dort ist das Geheimnis des Herzens des Sohnes Gottes
sichtbar und offenbart".
Hier
finden wir eines der wichtigsten Themen der symbolischen Theologie der hl.
Katharina: Die geöffnete Seite des Bräutigams Jesus, als Ort der Kirche, seiner
Braut. Die Heilige hat dieses klassische Thema der patristischen und
mittelalterlichen Theologie, das in der Heiligen Schrift tief verwurzelt ist, auf
wunderbarste Weise entfaltet. So lautet in der Tat das griechische Wort, das
Johannes gebraucht, wenn er von der “Seite” Jesu spricht, die nach seinem Tod
geöffnet wurde und die nach der Auferstehung geöffnet blieb (Joh. 19,34; 20,27),
“pleura“. Es ist ein feminines Substantiv, das sowohl Rippe als auch
Seite bedeutet, dasselbe Wort, das die Übersetzung der Siebzig Gelehrten (die Septuaginta)
im Zusammenhang mit der Erschaffung der Frau im zweiten Kapitel des Buches
Genesis verwendet hat: Eva, aus der Seite Adams, aus einer seiner Rippen während
seines Schlafes als seine Gattin erschaffen. Daher besteht kein Zweifel daran,
daß Johannes, wenn er dasselbe Wort wählt, nicht nur von der Seite Jesu als
Teil seines echten im Unterschied zu einem Scheinleib menschlichen Leibes
sprechen will, sondern auch von seiner „Rippe”, das heißt vom Mysterium der
Kirche, der neuen Eva, der Braut des neuen Adam, die während seines
Todesschlafes in seiner geöffneten Seite neu geschaffen wurde, durch das Blut
der Erlösung und das lebendige Wasser des Geistes. Derselbe Gott, der die Seite
Adams nach der Erschaffung Evas geschlossen hat, hat die Seite seines Sohnes,
des Neuen Adam, für immer offen gelassen; und dies, um damit anzuzeigen, daß
die ganze Menschheit bis ans Ende der Zeiten dazu aufgerufen ist einzutreten,
um im Blut und im Wasser errettet zu werden. So wird die sündige Menschheit, indem
sie in die offene Seite Jesu eintritt, zu seiner Kirche, als seiner Braut, das
heißt, als seiner Rippe, dem innersten, seinem Herzen nächsten Teil seines
Leibes.
Genau
hier kommt der dynamischste Wesenszug der Spiritualität der hl. Katharina zum
Ausdruck: hineingehen in die geöffnete Seite Jesu und all die anderen dazu
bringen, auch einzutreten. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, einen
kurzen sehr charakteristischen Dialog zu erwähnen, von dem der Selige Raimondo
berichtet. Eines Tages, vor der Kommunion, als Katharina die liturgischen Worte:
„Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach (=in mich
eintrittst)“ gesagt hatte, hörte sie die Stimme Jesu, die antwortete: „Und ich
bin würdig, daß du in mich eingehst"[11]. In der Tat, allein der Retter Jesus ist würdig, der ganzen sündigen
Menschheit Einlaß zu gewähren in sich, den Tempel seines Leibes”(cf Joh. 2,21),
durch die immer offene Tür seiner Seite, um sie würdig zu machen, seine Kirche,
seine Braut zu sein.
Im
selben Brief, Lettera 273, schildert Katharina dem Seligen Raimondo die
dramatische Episode des Todes des Niccolò di Tuldo. Es ist eine der schönsten Darstellungen
ihrer mütterlichen Spiritualität. Mit aller Zärtlichkeit ihrer mütterlichen
Liebe hat die Heilige diesen zum Tode verurteilten, verzweifelten und gegen
Gott und die Menschen rebellierenden jungen Mann zu Christus zurückgebracht; sie
hat ihm dabei geholfen, seinen Tod aus Liebe anzunehmen, als die Stunde der
„Hochzeit“. Es fällt die außergewöhnliche Kraft und Reinheit der hl. Katharina
auf. Ihre Haltung ist die einer Mutter, die ihren leidenden Sohn, der im
Begriff ist zu sterben, fest in ihren Armen hält -- „ich barg seinen Kopf an
meiner Brust,“ -- und das bis zum
letzten Augenblick. Als er enthauptet wird, steht Katharina so nahe bei ihm, daß
sie seinen Kopf in ihren Händen auffängt. Aber sofort nach diesem schrecklichen
Geschehen sieht die Heilige die
wunderbare Wirklichkeit der Hochzeit, sie sieht, wie diese Seele, kaum von
ihrem Körper getrennt, in die offene Seite Jesu eintritt, die immer der Ort der
Braut, der Kirche ist, im Himmel wie auf Erden. Es ist für diese Seele, die für
immer in die „göttliche Süßigkeit“ eingeht, genau der Augenblick der ewigen
Hochzeit. Katharina vergleicht sie (diese Seele) mit der „Braut, wenn sie an
der Tür des Bräutigams angelangt ist." Diese wunderbare Schilderung ist
unter theologischem Gesichtspunkt ergiebig, um zu zeigen, wie die Vereinigung
mit dem Leib und dem Blut Jesu nach dem Tod fortdauert, in der wirklichen,
tatsächlichen Anschauung und nicht mehr nur im Glauben, ohne den Schleier der
eucharistischen Gestalten. Die letzte Vereinigung mit dem Leib Jesu wird in dem
Augenblick der Auferstehung der Leiber am Ende der Zeiten stattfinden. Davon
spricht Katharina im Dialogo, wo sie die Stimme Gottvaters hört, der
immer Zeugnis für den Sohn ablegt:
„Ich habe zu
dir von dem Gut gesprochen, das der verherrlichte Leib in der verherrlichten
Menschheit meines eingeborenen Sohnes haben wird, die (die verherrlichte
Menschheit) euch die Gewißheit eurer Auferstehung gibt. Dort jubeln in seinen
Wunden, die frisch geblieben sind, die übriggebliebenen Narben an seinem Körper,
die ununterbrochen für euch Barmherzigkeit von mir erflehen, von mir dem
höchsten und ewigen Vater. Alle werden sie in Wonne und Fröhlichkeit mit ihm eins
werden: Auge mit Auge und Hand mit Hand, mit dem ganzen Leib des süßen Wortes,
meines Sohnes werdet ihr alle eins werden"
(D 41).
Diese
verherrlichte leibliche Vereinigung mit Christus ist bereits in Maria
verwirklicht und nur in ihr: Das ist das Dogma der Aufnahme Mariens (in den
Himmel).
In
einem anderen Brief an den Seligen Raimondo, Lettera 219, berichtet
Katharina von einer ähnlichen Vision, die sich jedoch auf die ganze Menschheit
bezieht:
staunend sah ich das
christliche Volk und das ungläubige in die Seite des gekreuzigten Christus
eintreten: und ich ging, aus Sehnsucht und liebender Zuneigung, mitten durch
sie hindurch; und ich trat mit ihnen in Christus, den süßen Jesus, ein, begleitet
von meinem heiligen (geistlichen) Vter Dominikus... mit allen meinen Söhnen. Und dann legte er mir das Kreuz auf den Nacken
und gab mir einen Ölzweig in die Hand, beinahe
so, wie ich es gewollt hatte; und so sagte er, daß ich es zu dem einen und zu
dem anderen Volk tragen sollte. Und er sagte zu mir: «Sag’ ihnen: ich
verkündige ihnen eine große Freude».Und meine Seele wurde noch trunkener vor Freude, ich versank
zusammen mit den wahren Genießern in dem göttlichen Sein durch die Vereinigung
und Zuneigung der Liebe. Und so groß war das Entzücken meiner Seele, daß ich
den vergangenen Kummer beim Anblick der Beleidigung Gottes nicht mehr sah; und ich sagte: «Oh glückliche und
(von Gott) gewagte (riskierte) Schuld!“
In
diesem wunderbaren Text finden wir die ausführlichste Vision über das Mysterium
der Kirche: es handelt sich um die ganze Menschheit, für die Jesus seine Seite
am Kreuz geöffnet hat und die er dazu einlädt, dort einzutreten. „Das
christliche Volk und das ungläubige", das bedeutet alle Menschen, die
Katharina in die Seite Jesu eintreten sieht. Es fällt die Freude der Heiligen
auf, die so begeistert über die Rettung aller Brüder ist, so sehr, daß sie die
Worte des österlichen Exsultet wieder aufgreift: „O glückliche Schuld!"
Die kirchliche Mütterlichkeit der hl. Katharina besteht darin, daß sie mit
allen ihren Söhnen in die Seite Jesu eintritt und auch mit allen Menschen ihrer
Zeit. In ihren Briefen ruft die Heilige wirklich alle dazu auf, das Mysterium
der bräutlichen Kirche zu leben, indem sie sich in der Seite Christi bergen, aber
mit verschiedenen Akzenten. Sie sagt es auf besondere Weise zu den geweihten
Frauen, indem sie ihr Brautsein betont, ihre privilegierte Weise, symbolisch
die Braut Jesu zu repräsentieren[12], weil sie Frauen sind. Sie selbst lebt intensiv dieses Privileg, „Privileg der Feminilität in der Liebe Jesu",
unter dem Aspekt der Bräutlichkeit. Aber mit ihrer großen symbolischen
Sensibilität (für Symbolik) wagt es Katharina auch, dieses große kirchliche
Thema der Bräutlichkeit auf die Männer anzuwenden, auf die Priester. Dazu
finden wir eine der schönsten Äußerungen in Brief 102 an den Seligen
Raimondo: „Ich schreibe an euch... mit
der Sehnsucht, euch als den wahren Bräutigam der (göttlichen) Wahrheit zu sehen".
Es ist geradezu das Leitmotiv des ganzen Briefes: Raimondo soll der „Bräutigam
der Wahrheit” werden, die Christus selber, „der Weg, die Wahrheit und das Leben“,
ist. „Weil sie von der Bräutlichkeit zu einem Mann spricht, indem sie ihn „Bräutigam”
nennt, drückt Katharina symbolisch das Mysterium Christi mit einem weiblichen
Substantiv aus: die Wahrheit. Die Armut beim hl. Franziskus und die Weisheit bei
Ludwig Maria de Montfort, haben genau die selbe symbolische Bedeutung, um
auszudrücken, wie der geweihte Mann „der Bräutigam” der Wahrheit oder der Weisheit
ist, die Christus selbst ist[13]. Und der Priester ist auf besondere Weise ein geweihter Mensch: seine
Weihe taucht ihn in das Mysterium der Braut, der Kirche, ein, und sein Zölibat,
als Weihe an Christus, ist symbolischer Ausdruck dieses Mysteriums, Ausdruck
der bräutlichen Dimension seines Herzens. In der Seite Christi, des Bräutigams,
lebt der Priester seine Bräutlichkeit in einer privilegierten Beziehung zum Blut
(Christi), dessen Diener er in den Sakramenten der Eucharistie und der Buße ist.
Und so löst das Thema des „Bräutigams der Wahrheit” in demselben Brief
Katharinas einen wundervollen „Hymnus an das Blut” Christi aus:
„Es ist für
euch daher nötig, die Wahrheit kennenzulernen, wenn ihr Braut der Wahrheit sein
wollt... Und in euch das Neu-geschaffen-werden
zu erkennen, das sie (die Wahrheit) euch geschenkt hat, das heißt, neu
geschaffen zu werden von der göttlichen Gnade im Blut des Lammes, und euch in
ihm (dem Blut) zu baden, und den eigenen Willen zu verleugnen und abzutöten. Sonst
werdet ihr kein treuer Bräutigam der Wahrheit sein, sondern ein treuloser. Und
deswegen habe ich euch gesagt, daß ich mich danach gesehnt habe, euch als
Bräutigam der Wahrheit zu sehen. Tränkt euch also im Blut des gekreuzigten
Christus und badet euch im Blut und berauscht euch am Blut und sättigt euch mit
dem Blut und bekleidet euch mit dem Blut. Und wenn ihr untreu geworden seid, laßt euch wieder im
Blut reinwaschen (wörtl. taufen); wenn der Dämon euch das Auge des Verstandes getrübt
hat, wascht euch das Auge mit dem Blut; wenn ihr in die Undankbarkeit gegenüber
nicht gewürdigten Geschenken gefallen seid, seid dankbar im Blut; wenn ihr ein
feiger Hirte wart und ohne die Rute der Gerechtigkeit, die mit Klugheit und Barmherzigkeit
gepaart ist, die Rute der Gerechtigkeit, holt sie euch vom Blut; und mit dem
Auge des Verstandes erkennt die göttliche Wahrheit im Blut, und mit der Hand
der Liebe ergreift sie, und mit der
angsterfüllten Sehnsucht drücket sie an euch. In der Wärme des Blutes verscheucht
die Finsternis; damit ihr ein Bräutigam der göttlichen Wahrheit seid und ein echter
Hirte und Versorger der Schafe, die euch anvertraut worden sind."
Eine Lektion über die wahre Liebe
Am
Schluß meines Vortrags möchte ich die schönste Unterweisung wiedergeben, die
Katharina in Brief 52 einem anderen
ihrer Priesterschüler gibt, dem Bruder Hieronymus von Siena (fra Jeronimo da
Siena), von den Eremitenbrüdern des hl. Augustinus. Es ist wahrlich eine
Lektion über die wahre Liebe zum Nächsten, über die Art, ihn in Gott zu lieben,
mit dem ganzen Herzen, in völliger Hingabe und Reinheit. Mit ihrem
Priesterschüler, der von ihr mit „teuerster und geliebtester Vater und Sohn in
Christus Jesus", angeredet wird, teilt die Heilige ihre Art zu lieben. Hier
zeigen sich ihre tiefe Kenntnis des menschlichen Herzens, ihr Realismus und
auch ihr ganzes Zartgefühl als Mutter und Erzieherin des Herzens in der Liebe
Jesu:
„Da ich will,
daß ihr vollkommen seid und Früchte der Vollkommenheit bringt, will ich, daß
ihr kein Geschöpf, weder gemeinschaftlich noch im besonderen, liebt, ohne es in
Gott zu lieben. Aber paßt genau auf, wie ich es meine; denn ich weiß wohl, daß
ihr in Gott auf geistliche Weise liebt; aber irgendwann einmal, entweder wegen
ein wenig Aufmerksamkeit oder weil der Mensch die Natur hat, die ihn dahin
lenkt, wie es bei euch der Fall ist, liebt er geistlich, und er findet Gefallen
und Freude an der Liebe, so sehr, daß eines Tages das eigene Gefühl die Stelle
des Geistes einnimmt, so als wäre diese Liebe geistlich, ihren Teil ergreift
mit dem äußeren Schein der geistlichen
Liebe. Und wenn ihr zu mir sagt: «an was kann ich erkennen, daß hier ein Fehlverhalten
vorliegt», sage ich euch folgendes: Wenn ihr seht, daß die Person, die geliebt
wird, es in irgend einer Sache gegenüber euch an irgend etwas fehlen läßt d.h.,
daß sie entweder entgegen der Gewohnheit kein Wort mehr mit euch spricht oder daß
sie jemand anderen mehr zu lieben scheint als euch, wenn euch dann ein Groll oder
Verachtung oder so ein gewisses halbes Mißfallen befällt, das die Liebe
nachlassen läßt, die vorher da war: dann seid gewiß, daß diese Liebe noch
unvollkommen war. Auf welche Art kann man sie also vollkommen machen? Ich sage
euch keine andere Art, mein liebster Sohn, als die, welche einmal die höchste Wahrheit (Jesus) zu einer ihrer
Dienerinnen gesagt hat: «Meine liebste Tochter, ich möchte nicht, daß du so
handelst wie einer, der das Gefäß voller Wasser von der Quelle wegträgt; und er
trinkt daraus, nachdem er es weggetragen hat; so ist das Gefäß leer, ohne daß
er dessen recht gewahr wird. Aber ich will nicht, daß du, wenn ich das Gefäß
deiner Seele fülle, indem ich dich durch Liebe und Zuneigung mit dem, den du aus
Liebe zu mir liebst, ganz mit dir eins mache, diesen von mir wegziehst, von
mir, der Quelle lebendigen Wassers; sondern halte das Geschöpf, das du um
meiner Liebe willen liebst, wie ein Gefäß mit Wasser; und auf diese Weise wirst
weder du noch der, den du liebst, leer sein, sondern ihr werdet immer voll der
göttlichen Gnade sein und voll der glühendsten Liebe. Und dann wird euch kein Groll
und kein Mißfallen überkommen; denn den, der liebt, befällt kein Schmerz, weil
er sieht und spürt, daß er mit den süßen, wirklichen Tugenden lebt und um
Gottes und nicht um seinetwillen geliebt hat. Wohl wird er eine heilige kleine
Wehmut spüren, wenn er sieht, daß er sich von dem Gegenstand seiner Liebe
entfernt. Nun, das ist in der Regel so, und so will ich es haben; dies ist die
Regel und die Art, von der ich will, daß ihr sie von jetzt an einhaltet, damit
ihr vollkommen seid. Mehr sage ich nicht. Bleibt in der heiligen Liebe zu Gott.
Süßer Jesus, Jesus die Liebe." (L 52).
[1] Il capitolo IV del mio libro: Connaître l'Amour du Christ qui surpasse toute connaissance. la théologie des saints, è dedicato a santa Giovanna d'Arco. Ne ho dato un riassunto in italiano: Santa Giovanna d'Arco (1412-1431): Preghiera, Liberazione, Pace (in Sul Monte la Pace, Roma, 1990, ed. Teresianum).
[2] Per le Orazioni e per il Dialogo, abbiamo
l'ottima edizione critica fatta da Giuliana Cavallini (Roma, ed. Cateriniane,
1978 per le Orazioni, 1980 per il Dialogo. Per le Lettere,
l'edizione critica non è ancora finita; si può trovare il testo completo
nell'edizione più comoda fatta a cura di Umberto Meatini (Milano, 1987, ed.
Paoline, 1 vol.). Userò il testo di queste edizioni, indicando i riferimenti al
Dialogo con la lettera D e il numero del capitolo, e i riferimenti alle Lettere
con la lettera L e il numero della lettera
[6] so bekräftigt der Selige Raimondo
da Capua: "wir alle nannten sie
die jungfräuliche Mamma, weil sie für uns wirklich die Mama war, die uns
ohne Tränen und ohne Kummer, Tag für Tag aus dem Schoß ihres Geistes geboren
hat, bis wir endlich Abbilder Christi geworden sein würden, und die uns unentwegt
mit dem Brot der gesunden, nützlichen Lehre nährte" (Legenda Maior,
n° 301, nella trad. italiana di G.
Tinagli, ed. Cantagalli, Siena, 1988).
[7] In der gleichen Weise geben auch die Kirchenväter sehr schöne Beispiele
wahrer Inkulturation. Auch eine Heilige, wie die Johanna von Orleans, schenkt
uns ein Beispiel einer ganz und gar evangelischen Befreiungstheologie.
[9] zum Vergleich zwischen Maria und
Abraham beim Opfer des Sohnes, vgl. Ludw. Maria Grignion de Montforts: Traktat:
Über die wahre Frömmigkeit, n° 18; vergl auch Enzyklika Redemptoris Mater.
[10] Die Heiligen betonen sehr dieses Paradoxon der mütterlichen Liebe Marias, die ihre besonders geliebten Söhne nicht schont sondern ihnen den größeren Schatz, das Kreuz Jesu, reicht. Vgl. z.B. St. Ludwig Maria di Montfort: Trattato della Vera Devozione n° 153-154.