Erzbischof
Mauro Piacenza, Sekretär der Kongregation für den Klerus, anlässlich der Eröffnung
des Studientages zum Thema „Die Kommunikation in der Sendung des Priesters“ –
Päpstliche Universität „Santa Croce“ – Rom
„Die
Kommunikation in der Sendung des Priesters“
Sehr geehrter Herr Dekan
(Diego Contreras),
sehr geehrte Vortragende,
meine Herren Professoren,
liebe Priester, Ordensfrauen
und Ordensmänner,
liebe Brüder!
Ich freue mich sehr darüber, eingeladen
worden zu sein, den Vorsitz dieser ersten Sitzung Ihres Studientages, der in speziellem
Zusammenhang mit dem Priesterjahr und unter dem Titel „Die Kommunikation in der
Sendung des Priesters“ steht, zu übernehmen. Es war die erklärte Absicht des
Heiligen Vaters, mit diesem besonderen Jahr „dieses Streben der Priester nach
geistlicher Vollkommenheit, von dem die Wirksamkeit ihres Dienstes entscheidend
abhängt, zu unterstützen“[1].
In ihren wesentlichen Aspekten
wird die Wirksamkeit des Dienstes durch die göttliche Gnade gewährleistet, was im
Wort thomistischen Angedenkens des ex
opere operato beschrieben ist. Gleichzeitig ist diese aber auch auf
geheimnisvolle und faszinierende Weise der Freiheit des einzelnen Priesters überantwortet,
sowie dem Prozess seiner fortschreitenden existentiellen Gleichgestaltung mit
Christus, dem Einzigen Hohenpriester; ein Prozess, der mit dem Empfang des
Weihesakraments seinen Anfang nimmt und sich entlang seines gesamten irdischen
Daseins fortsetzt.
In diesem Sinn ist jeder
Priester schlechthin ein „Mann der Kommunikation“: der Kommunikation mit Gott und der Kommunikation seitens Gott an die seiner Fürsorge und
seinem Dienst anvertrauten Brüder.
Indem ich diesen Studientag für
eröffnet erkläre und mich somit anschicke, den geplanten Beiträgen nacheinander
Gehör zu schenken, halte ich es für geboten, drei Aspekte hervorzuheben, die
meines Erachtens wesentlich zur Kommunikation gehören, die dem Priester aufgetragen
ist.
1. Der
Priester: ein der Kommunikation
verpflichteter Mann
Im Brief an die Hebräer heißt
es: „Jeder
Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt
zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen“ (Hebr
5,1-2).
Der Priester ist ein Mann, der völlig durch seine Beziehung zu Gott bestimmt
– „relativiert“ – ist; das ist der einzige „Relativismus“, dessen man sich
rühmen darf! Er ist ein Mann, den die göttliche Barmherzigkeit für eine präzise
Aufgabe bestimmt hat, die darin besteht, Christus selbst zu repräsentierten er
ist alter Christus - wie uns eine der
segensreichsten Traditionen der Kirche lehrt. In diesem Sinne ist er – auch unabhängig
von seiner persönlichen Begabung – sakramental als „Übermittler“ einer Kommunikation
eingesetzt, die in Vertretung Christi selbst geschieht: der Priester und das
Priestertum sind nicht selbstgenügsam, nicht unabhängig von Christus, und –
Gott behüte! – sollten sie dies werden, würden sie ihre missionarische Kraft
verlieren, zur bloß menschlichen Realität werden und folglich unfähig sein, das
Geheimnis „mitzuteilen“ und darzustellen.
Bei der Ausübung der priesterlichen tria
munera findet in ganz herausragender Weise Kommunikation statt. Ich beziehe
mich nicht allein auf das munus docendi,
wo dies in Predigt und Katechese auf direkte und unmittelbare Weise zutrifft,
sondern auch auf das munus sanctificandi
das sich in einer außerordentlichen Form von himmlischer Kommunikation, der
Göttlichen Liturgie, verwirklicht; dieselbe folgt eigenen, genau festgelegten
Kommunikationsregeln, die nie der persönlichen Manipulation oder Anpassung anheimgegeben
sind; hierzu kommt das munus regendi,
durch das die Priester berufen sind, die Fürsorge Christi zu „vermitteln“, jenes
Hauptes und jenes Guten Hirten, der durch seine Diener die Herde „weidet“, um
sie zum Vater zu führen.
Das
Verständnis und – wo notwendig – das neu gewonnene Verständnis der Natur des Amtspriestertums in Bezug auf seinen, seiner
Substanz nach ontologisch-repräsentativen Charakter, der dieses wesentlich von
dem aus der Taufe entspringenden Priestertum unterscheidet, stellt heute für
den Klerus eine echte Priorität dar und zwar sowohl bei der anfänglichen
Ausbildung als auch bei der ständigen Weiterbildung.
Dazu lehrt der Katechismus der Katholischen Kirche: „Durch eine besondere Gnade des
Heiligen Geistes gleicht dieses Sakrament den Empfänger Christus an, damit er
als Werkzeug Christi seiner Kirche diene. Die Weihe ermächtigt ihn, als
Vertreter Christi, des Hauptes, in dessen dreifacher Funktion als Priester,
Prophet und König zu handeln“ (Nr. 1581).
Erste
und zugleich wirksamste Voraussetzung dafür, dass jeder Priester bewusst die
Verantwortung für die „Kommunikation“, zu deren Träger er wird, übernimmt, ist
das Verständnis, das er von seiner eigenen Identität in aller Authentizität und
Tiefe besitzt. Diese seine Identität ist wiederum sakramental und endgültig festgelegt,
nicht verfügbar und gerade deshalb objektive „Kommunikation“ des Göttlichen. Der
Papst hat seinerseits den wesentlichen Kern der Spiritualität des hl.
Jean-Marie Vianney, dessen 150. Jubiläumsjahr wir feiern, in der „völligen
Identifizierung mit der eigenen Aufgabe“ ausgemacht und diesen Aspekt während
dem Priester-Jahr ins Licht gerückt. Gerade diese Identifizierung ist
unverzichtbare Vorraussetzung für jeder wirksame „Kommunikation“.
2.
Der Priester: ein von der Kirche und in der Kirche autorisierter „Kommunikationsträger“
Ein
zweiter Punkt, über den – wie es mir scheint – dringend nachgedacht werden muss,
betrifft den unerlaubten und nicht selten sogar regelrecht peinlichen Zuwachs
von Fällen, in denen Priester in vielen Presseorganen und vor allem im
Fernsehen gegenwärtig sind und zum „Star“ werden, wobei dies ohne jegliche
Erlaubnis des Ordinarius und ohne die Möglichkeit einer realen Kontrolle
seitens der legitimen kirchlichen Autorität geschieht.
In
diesem Bereich wäre es einerseits wahrhaft wünschenswert, auf angemessene Weise
über den Dienst der „Aufsicht“ – epi-scopé
durch die Ordinarien nachzudenken (es würde sich dabei nicht um ein erstickendes
„Polizeiregime“ handeln, sondern darum, mit Sinn für Verantwortung und
pastoraler Liebe gegenüber allen vorzugehen, den Gläubigen wie den Nichtgläubigen).
Andererseits ist es sehr schmerzhaft, feststellen zu müssen, dass oft – wenn nicht
sogar in der Mehrheit der Fälle – gewisse Priester und bisweilen selbst Ordensleute
auch offen von der allgemeinen Lehre abweichen, und dies nicht nur im Bereich
der Moral, sondern auch im Bereich de
fide. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Bewusstsein für die eigene
Identität verlorengegangen ist, was nicht selten bei den Gläubigen und Zuhörern
im allgemeinen zu Verwirrung führt, da sie sich einer Situation
gegenübergestellt sehen, in der ein bisweilen aufsehenerregender Unterschied
zwischen der „offiziellen Lehre der Kirche“ und dem entsteht, was (ich würde
hinzufügen: auf unangemessene Weise) von den selbsternannten Priester-Stars „vermittelt“
wird.
Wir
wissen wohl, wie die im johanneischen Sinn verstandene Welt – und in diesem
Sinn erfüllen nicht wenige Medien voll ihre Aufgabe – immer versucht hat, die
Wahrheit zu „entstellen“, für Verwirrung zu sorgen und vor allem zu verhindern,
dass die starke innere Einheit der katholischen Lehre wahrgenommen wird. Dies
geschieht sowohl in Bezug auf die Lehre, wenn sie für sich genommen als ein zu
Ende geführtes System des Verstehens der Wirklichkeit, das in Gott seinen
übernatürlichen Ursprung hat, begriffen wird, als auch hinsichtlich der tatsächlichen
Einheit des Leibes der Kirche, die, wie wir wissen, fruchtbarer Same wirksamen
Zeugnisses im Zeichen des priesterlichen Gebetes ist: Ut unum sint.
Mehr
denn je ist nun die Verbreitung dessen zu vermeiden, was ich ohne Zögern als einen
echten „Wilden Westen“ der Kommunikation bezeichne, in dessen Zusammenhang einige
Priester auftreten und den Anspruch erheben, im Namen der Kirche zu sprechen,
und diese wenigstens kraft der sakramentalen Weihe tatsächlich teilweise
vertreten, dabei aber für Spaltung und Verwirrung sorgen sowie der Einheit und
Wirksamkeit der kirchlichen und dem Evangelium entsprechenden Kommunikation
wahren Schaden zufügen. Wenn man dann die Breitenwirkung in Betracht zieht, derer
sich eine derartige „Medienpräsenz“ durch die angewandten Mittel erfreut
(manchmal werden Millionen von Menschen erreicht), so wird die Verantwortung,
die hierbei im Spiel ist, in der Tat unberechenbar. Es kommen einem die
eindeutigen Worte des Herrn in den Sinn: „Wer auch nur eines von den kleinsten
Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich
der Kleinste sein“ (Mt 5,19).
Diese Ihre
überaus nützliche Fakultät – die erste ihrer Art – fügt sich sehr gut in das
Angebot akademischer Disziplinen der Päpstlichen Universität „Santa Croce“ ein.
Sie hat dieses wichtige Ziel: das epistemologische Statut von Kommunikation zu
erhellen, die verschiedenen Stufen der Kategorie ihrer „Institutionalität“ aufzuführen,
und ihre jeweiligen „Akteure“, die offiziell für diese Aufgabe bestellt werden,
zu finden und heranzubilden.
Wahrscheinlich
muss von einem Teil der Kirche und innerhalb ihrer von einem Teil des zur
„Wachsamkeit“ berufenen Episkopats, noch voll erfasst werden, welch tragende
Bedeutung der sogenannten „Medienrevolution“ auch auf anthropologischer Ebene zukam
und immer noch in den kommenden Jahrzehnten zukommen wird, eine Revolution, die
nach der „Französischen“ und „Industriellen“ Revolution die wichtigste der
Moderne ist.
3.
Kommunikation als Mittel
Bevor
ich das Wort Herrn Prof. Philip Goyret überlasse, möchte ich eine letzte
Anmerkung zur Bedeutung und zum korrekten „theologischen“ Ort der Kommunikation
machen.
Nicht
selten ist es zu einer gewissen semantischen Verschiebung zwischen den
Begriffen der „communio“ und der „Kommunikation“ gekommen, wobei man dachte,
wirklich gegebene oder vermeintlich „trinitarische Wurzeln“ in der menschlichen
Kommunikation vorzufinden. Obwohl klar ist, dass bei jeder Kommunikation der
Mensch Akteur oder wenigstens einer der Akteure ist und dass dieser nach dem Abbild
des dreifaltigen Gottes geschaffen wurde und dazu berufen ist, ihm ähnlich zu
werden, so scheint es dennoch nicht unmittelbar gerechtfertigt, die beiden oben
genannten Begriffe miteinander zu identifizieren.
Die communio ist Zielsetzung und ist im
Bereich der Endzwecke anzusiedeln, wobei ihr Wesen strikt respektiert werden
muss, auch und vor allem innerhalb der theologischen Auseinandersetzung. Die Kommunikation
hingegen ist ein Mittel und kann berechtigterweise als ein Mittel – vielleicht
als eines der wirksamsten – zur Erzielung oder besser zum Empfang der communio beschrieben werden.
Meiner
Ansicht nach ist die Reflexion über diesen „instrumentalen“ Charakter der
Kommunikation, dessen Vertiefung und „letzte Ausrichtung“ auf die Communio unverzichtbare Voraussetzung
jeden theologischen Denkens, das einen wirklich positiven Beitrag leisten will.
Solches theologisches Denken gestattet auch den Priestern, ihre Kommunikation letztlich
auszurichten, indem sie einfach die Frage beantworten: „Gehört das, was ich
kommuniziere, zur Kirche? Begünstigt es die Gemeinschaft? Kommuniziere ich, das
heißt: bringe ich den, der mir zuhört, in Gemeinschaft mit 2000 Jahren
christlicher Geschichte?“
Auch dann,
wenn ein Priester kommuniziert – und damit schließe ich – ist das, was die
Enzyklika des Heiligen Vaters Benedikt XVI. Caritas
in veritate in Erinnerung ruft, von außerordentlicher Bedeutung: „Die Liebe in der Wahrheit stellt den
Menschen vor die staunenswerte Erfahrung des Geschenks. Die Unentgeltlichkeit
ist in seinem Leben in vielerlei Formen gegenwärtig, die aufgrund einer nur
produktivistischen und utilitaristischen Sicht des Daseins jedoch oft nicht
erkannt werden.
Der
Mensch ist für das Geschenk geschaffen, das seine transzendente Dimension
ausdrückt und umsetzt. Manchmal ist der moderne Mensch fälschlicherweise der
Überzeugung, der einzige Urheber seiner selbst, seines Lebens und der Gesellschaft
zu sein. Diese Überheblichkeit ist eine Folge des egoistischen
Sich-in-sich-selbst-Verschließens und rührt – in Begriffen des Glaubens
gesprochen – von der Ursünde her. Die Weisheit der Kirche hat
stets vorgeschlagen, die Erbsünde auch bei der Interpretation der sozialen
Gegebenheiten und beim Aufbau der Gesellschaft zu beachten: ‚Zu übersehen, dass
der Mensch eine verwundete, zum Bösen geneigte Natur hat, führt zu schlimmen
Irrtümern im Bereich der Erziehung, der Politik, des gesellschaftlichen Handelns
und der Sittlichkeit’ (KKK, Nr. 407)“ (Caritas
in veritate 34).
Offensichtlich
kann dies auch im Bereich der Kommunikation und der „Kommunikation, die dem Priester
aufgrund seiner Sendung zukommt“ zu schwerwiegenden Irrtümern führen; so
wünsche ich Ihnen allen nun von ganzem Herzen eine gute Arbeit!
18.
November 2009