ANSPRACHE 2008 Januar 2008 182
182 In diesem Zusammenhang möchte ich euch für die Anstrengung danken, die ihr nicht ohne große Opfer vollbringt, um die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf jene Werte zu lenken, die das menschliche Leben gerechter und solidarischer machen. Auch wenn die Arbeit der Kirche nicht mit dem politischen Engagement verwechselt werden darf (vgl. Deus Caritas, 28), muß sie durch ihre Reflexion und ihre moralischen Urteile auch über jene politischen Probleme, die in besonderer Weise die Würde der Person betreffen, der menschlichen Gemeinschaft insgesamt ihren Beitrag anbieten (vgl. Gaudium et spes GS 76). Hervorzuheben sind darunter, auch wegen ihrer Bedeutung für die Zukunft eures Volkes, die Förderung und Stabilität der auf den Liebesbund zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie, die Verteidigung des menschlichen Lebens vom Augenblick der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende sowie die Verantwortung der Eltern für die sittliche Erziehung ihrer Kinder, bei der die großen menschlichen und christlichen Werte weitergegeben werden, die die Identität eurer Völker geformt haben.
Ich fordere euch auch inständig dazu auf, der karitativen Arbeit eurer Kirchen, in der die barmherzige Liebe Christi gegenwärtig wird, vor allem für die Notleidenden, die Alten, die Kinder, die Emigranten sowie für die verlassenen oder mißhandelten Frauen, besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
5. Liebe Brüder, die vor kurzem erfolgte Heiligsprechung der hl. Narcisa de Jesús Martillo Morán zeigt die spirituelle Fruchtbarkeit eurer Gemeinden. Möge das Beispiel und die Fürsprache dieser jungen ecuadorianischen Heiligen allen euren Teilkirchen eine erneuerte Vitalität und einen größeren apostolischen Eifer verleihen, damit sie sich voller Glaube und Hoffnung in die aufregende Aufgabe stürzen, das Evangelium in das Herz aller Männer und Frauen dieses gesegneten Landes auszusäen.
Zum Abschluß dieser brüderlichen Begegnung spreche ich euch noch einmal meine Ermutigung in eurer Hirtenaufgabe aus und bitte euch, euren Priestern, den Diakonen und den Seminaristen, den Missionaren, den Ordensmännern und Ordensfrauen und allen gläubigen Laien den Gruß und die Nähe des Papstes zu übermitteln. Mit diesen innigen Wünschen erflehe ich für euch den Schutz der Jungfrau Maria und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.
Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist mir eine Freude, Sie anläßlich der Tagung zu empfangen, die zum 10. Jahrestag der Enzyklika Fides et ratio stattfindet. Ich danke vor allem Erzbischof Rino Fisichella für die herzlichen Worte, die er heute zu Beginn dieser Begegnung an mich gerichtet hat. Ich freue mich, daß die Studientage im Rahmen Ihres Kongresses unter der Zusammenarbeit der Lateran-Universität, der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Weltkonferenz der Katholischen Philosophischen Universitätseinrichtungen stattfinden. Eine solche Zusammenarbeit ist immer wünschenswert, vor allem wenn man aufgefordert ist, über den eigenen Glauben Rechenschaft abzulegen angesichts der immer schwierigeren Herausforderungen, die heute auch die Gläubigen in der Welt betreffen.
Ein aufmerksamer Blick auf die Enzyklika Fides et ratio erlaubt es mir, im Abstand von zehn Jahren voll Bewunderung ihre bleibende Aktualität zu erfassen: In ihr wird die weit vorausblickende Tiefe meines unvergeßlichen Vorgängers offenbar. Denn die Enzyklika zeichnet sich durch ihre weite Offenheit gegenüber der Vernunft aus, vor allem in einer Zeit, in der Theorien über ihre Schwäche aufgestellt werden. Johannes Paul II. hingegen unterstreicht die Bedeutung, Glaube und Vernunft in ihrer wechselseitigen Beziehung miteinander zu verbinden, stets unter Achtung der jeweiligen eigenen Autonomiesphäre. Mit dieser Lehre hat sich die Kirche zur Wortführerin eines steigenden Anspruchs im derzeitigen kulturellen Kontext gemacht. Sie wollte die Kraft der Vernunft und ihre Fähigkeit der Wahrheitsfindung verteidigen, indem sie erneut den Glauben als eine besondere Form der Erkenntnis darstellt, dank derer man sich der Wahrheit der Offenbarung öffnet (vgl. Fides et ratio, FR 13). In der Enzyklika ist zu lesen, daß man Vertrauen haben muß in die Fähigkeiten der menschlichen Vernunft und sich nicht zu bescheidene Ziele setzen soll: »Es ist der Glaube, der die Vernunft dazu herausfordert, aus jedweder Isolation herauszutreten und für alles, was schön, gut und wahr ist, etwas zu riskieren. So wird der Glaube zum überzeugten und überzeugenden Anwalt der Vernunft« (FR 56). Im übrigen zeigt sich im Laufe der Zeit, welche Ziele die aus Leidenschaft zur Wahrheit bewegte Vernunft erreichen konnte. Wer könnte den Beitrag leugnen, den die großen philosophischen Systeme zur Entwicklung der Selbsterkenntnis des Menschen und zum Fortschritt der einzelnen Kulturen geleistet haben? Diese bringen Frucht, wenn sie sich der Wahrheit öffnen, indem sie denen, die daran teilhaben, ermöglichen, Ziele zu erreichen, die das soziale Leben immer menschenwürdiger machen. Augustinus hat geschrieben: »Was man mit dem Verstand besitzt, das hat man, weil man es erkannt hat, aber es wird nicht vollkommen erkannt, wenn man es nicht vollkommen liebt« (De diversis quaestionibus, 35,2).
Wir können jedoch nicht verschweigen, daß eine Verlagerung von einem vorrangig spekulativen zu einem hauptsächlich experimentellen Denken stattgefunden hat. Die Forschung hat sich vor allem der Beobachtung der Natur gewidmet und versucht, ihre Geheimnisse zu entdecken. Der Wunsch, die Natur kennenzulernen, hat sich dann in den Willen, sie zu reproduzieren, verwandelt. Dieser Wandel ging jedoch nicht schmerzlos vonstatten: Die Entwicklung der Begriffe hat die Beziehung zwischen dem Glauben und der Vernunft beeinträchtigt mit der Folge, daß der eine wie die andere unterschiedliche Wege gingen. Die wissenschaftliche und technologische Entwicklung, mit der sich der Glaube immer mehr auseinandersetzen muß, hat den althergebrachten Begriff der »ratio« verändert; sie hat in gewisser Weise die Vernunft, die die letzte Wahrheit der Dinge suchte, an den Rand gedrängt und will einer Vernunft Raum geben, die eingesetzt wird, um die unvorhersehbare Wahrheit der Naturgesetze zu entdecken. Die wissenschaftliche Forschung hat sicher ihren positiven Wert. Die Entdeckungen und das Wachstum der mathematischen, physischen und chemischen Wissenschaften und die der angewandten Wissenschaften sind Frucht der Vernunft und Ausdruck des Denkens, mit dem der Mensch in die Tiefen der Schöpfung vorzudringen vermag. Der Glaube seinerseits fürchtet den Fortschritt der Wissenschaft und die Entwicklungen nicht, zu denen seine Errungenschaften führen, wenn diese den Menschen, sein Wohl und den Fortschritt der ganzen Menschheit zum Ziel haben. Wie der unbekannte Autor des Briefes an Diognet schrieb: »Nicht der Baum der Erkenntnis tötet, sondern der Ungehorsam. Es gibt kein Leben ohne Erkenntnis, und es gibt keine sichere Erkenntnis ohne wahres Leben« (XII, 2,4).
183 Allerdings kommt es vor, daß die Wissenschaftler ihre Forschungen nicht immer auf diese Ziele ausrichten. Der leichte Verdienst oder, noch schlimmer, die Überheblichkeit, sich an die Stelle des Schöpfers zu setzen, spielen manchmal eine entscheidende Rolle. Es ist eine Form der »hybris« der Vernunft, die auf die Menschheit selbst gefährliche Auswirkungen haben kann. Anderseits ist die Wissenschaft nicht imstande, ethische Prinzipien zu entwickeln: sie kann diese nur in sich aufnehmen und sie als notwendig für die Bekämpfung ihrer eventuellen Pathologien erkennen. Die Philosophie und die Theologie werden in diesem Zusammenhang unerläßliche Hilfen, mit denen man sich auseinandersetzen muß, um zu vermeiden, daß die Wissenschaft allein einen schwierigen Weg einschlägt, der nicht vorherzusehen und nicht ohne Risiken ist. Das heißt aber nicht, die wissenschaftliche Forschung zu begrenzen oder die Technik daran zu hindern, Mittel für die Entwicklung zu schaffen; es heißt vielmehr, das Verantwortungsbewußtsein wach zu halten, das die Vernunft und der Glaube gegenüber der Wissenschaft haben, damit sie dem Menschen dient.
Die Lehre des hl. Augustinus ist auch in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam: »Wohin, wenn nicht zur Wahrheit gelangt derjenige«, fragte sich der heilige Bischof von Hyppo, »der seine Vernunft gut gebrauchen kann? Nicht die Wahrheit ist es, die durch die Überlegung zu sich selbst gelangt; aber die Wahrheit ist es, die jene suchen, die die Vernunft gebrauchen … Bekenne, daß du nicht das bist, was die Wahrheit ist, denn sie sucht nicht sich selbst; du bist hingegen zu ihr gelangt, nicht weil du von einem Ort zum andern gegangen bist, sondern indem du sie mit der Bereitschaft des Verstandes gesucht hast« (De vera religione, 39,72). Er will damit sagen: Von welcher Seite auch die Wahrheitssuche kommen mag, sie besteht als Faktum, das angeboten wird und schon in der Natur als vorhanden erkannt werden kann. Denn die Verständlichkeit der Schöpfung ist nicht Frucht der Anstrengung des Wissenschaftlers, sondern die ihm gebotene Bedingung, die ihm erlaubt, die in ihr enthaltene Wahrheit zu entdecken. »Das gedankliche Überlegen erschafft diese Wahrheiten nicht«, schreibt Augustinus weiter, »sondern es findet sie. Sie bestehen also von sich aus, noch bevor sie entdeckt werden, und nachdem sie entdeckt sind und uns erneuern« (ebd., 39,73). Also muß die Vernunft ihren Weg vollständig gehen, gestärkt durch ihre Unabhängigkeit und ihre reiche Tradition des Denkens.
Darüber hinaus fühlt und entdeckt die Vernunft, daß es über das von ihr Erreichte und Errungene hinaus eine Wahrheit gibt, die sie nie von sich aus finden, sondern nur als unentgeltliches Geschenk empfangen kann. Die Wahrheit der Offenbarung überschneidet sich nicht mit der von der Vernunft erlangten Wahrheit; sie reinigt vielmehr die Vernunft und erhöht sie, indem sie ihr so erlaubt, die eigenen Räume zu erweitern, um in einen undurchdringlichen Forschungsbereich, sozusagen in das Geheimnis selbst einzutreten. Die offenbarte Wahrheit hat »in der Fülle der Zeiten« (Ga 4,4) das Antlitz einer Person, Jesu von Nazaret, angenommen, der die letzte und endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn jedes Menschen gibt. Die Wahrheit Christi, insofern sie jede Person berührt, die auf der Suche nach Freude, nach Glück und nach Sinn ist, übersteigt bei weitem jede andere Wahrheit, die die Vernunft finden kann. Und deshalb finden Glaube und Vernunft im Geheimnis die wirkliche Möglichkeit eines gemeinsamen Weges.
In diesen Tagen findet die Bischofssynode statt über das Thema: »Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche«. Wie könnte man das providentielle Zusammentreffen dieses Augenblicks mit eurer Tagung verkennen. Die Leidenschaft für die Wahrheit drängt uns, in uns hineinzuhören, um im Innersten des Menschen den tiefen Sinn unseres Lebens zu entdecken. Eine wahre Philosophie wird jede Person an der Hand führen müssen und sie entdecken lassen, wie grundlegend es für ihre eigene Würde ist, die Wahrheit der Offenbarung zu erkennen. Angesichts dieses Sinnanspruchs, der nicht nachläßt, solange er nicht in Jesus Christus mündet, offenbart das Wort Gottes seine Eigenschaft als endgültige Antwort. Ein Wort der Offenbarung, das leben wird und das verlangt, als unversiegbare Quelle der Wahrheit angenommen zu werden.
Während ich jedem einzelnen wünsche, in sich immer diese Leidenschaft für die Wahrheit zu spüren und sein Möglichstes zu tun, um die Ansprüche zu erfüllen, möchte ich Ihnen versichern, daß ich Ihr Bemühen mit Hochschätzung und Sympathie verfolge und Ihre Suche auch mit meinem Gebet begleite. Zum Zeichen dieser Empfindungen erteile ich den hier Anwesenden und allen, die ihnen nahestehen, gern den Apostolischen Segen.
Sixtinische Kapelle
Eure Heiligkeit,
von ganzem Herzen möchte ich Ihnen für Ihre Worte danken. Der Applaus der Synodenväter war weit mehr als eine bloße Höflichkeitsbekundung. Er war Zeichen der tiefen geistlichen Freude darüber, daß wir diese lebendige Erfahrung unserer Gemeinschaft machen durften. In diesem Moment haben wir wirklich die »Synode « erlebt: Unter der Leitung Eurer Heiligkeit waren wir gemeinsam auf dem Weg im Land des göttlichen Wortes und durften dessen Schönheit genießen, erfüllt von der tiefen Freude, das Wort Gottes zu hören und uns mit dem Geschenk seines Wortes auseinandersetzen zu dürfen.
Ihre Worte waren zutiefst erfüllt vom Geist der Kirchenväter und von der heiligen Liturgie. Gerade deshalb waren sie auch fest verortet in unserer Zeit, mit jenem großen christlichen Realismus, der uns auch die Herausforderungen erkennen läßt. Dabei wurde uns folgendes deutlich: Wenn wir in die Herzmitte der Heiligen Schrift eindringen, in den Worten wirklich dem göttlichen Wort begegnen und uns ganz auf das Wort Gottes einlassen, dann werden sich unsere Augen auch öffnen für die Welt und für die heutige Wirklichkeit.
Auch dies war eine freudige Erfahrung - eine Erfahrung der vielleicht nicht vollkommenen, aber zumindest wahren und tiefen Einheit. Mir kam der Gedanke: Ihre Kirchenväter, die Sie so oft zitiert haben, sind auch unsere Väter, und die unsrigen sind auch die Ihrigen. Wenn wir also gemeinsame Väter haben, wie könnten wir dann nicht untereinander Brüder sein? Danke, Eure Heiligkeit! Ihre Worte werden uns bei den Arbeiten der kommenden Woche begleiten und erleuchten. Und auch in der kommenden Woche - und darüber hinaus - werden wir gemeinsam mit Ihnen auf dem Weg sein.
184 Danke, Eure Heiligkeit!
Päpstliches Heiligtum von Pompeji
Verehrte Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Ordensmänner und Ordensfrauen,
liebe Brüder und Schwestern!
Bevor ich das Heiligtum betreten habe, um gemeinsam mit euch den Rosenkranz zu beten, habe ich kurz vor dem Schrein des sel. Bartolo Longo verweilt, und im Gebet habe ich mich gefragt: »Woher bekam dieser große Apostel Marias die notwendige Kraft und Ausdauer, um ein so beeindruckendes Werk zu vollbringen, das nunmehr auf der ganzen Welt bekannt ist? Bekam er sie nicht gerade aus dem Rosenkranz, den er als wahres Geschenk aus dem Herzen der Muttergottes annahm?« Ja, so war es in der Tat! Das bezeugt die Erfahrung der Heiligen: Dieses volkstümliche Mariengebet ist ein kostbares geistliches Mittel, um in der Vertrautheit mit Jesus zu wachsen und in der Schule der allerseligsten Jungfrau zu lernen, stets den göttlichen Willen zu tun. Es ist eine Betrachtung der Geheimnisse Christi in geistlicher Vereinigung mit Maria, wie der Diener Gottes Paul VI. im Apostolischen Schreiben Marialis cultus hervorgehoben hat (vgl. Nr. 46) und mein Vorgänger Johannes Paul II. später im Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae ausführlich darlegte, das ich heute der Gemeinschaft von Pompeji und einem jeden von euch im Geiste noch einmal überreiche. Ihr, die ihr hier in Pompeji lebt und wirkt, besonders ihr, liebe Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die ihr in diesem einzigartigen Teil der Kirche wirkt, seid alle berufen, euch das Charisma des sel. Bartolo Longo zu eigen zu machen und in dem Maße und auf die Weise, wie Gott es euch gestattet, wahre Apostel des Rosenkranzes zu werden.
Aber um Apostel des Rosenkranzes zu sein, muß man die Schönheit und die Tiefe dieses einfachen und jedem Menschen zugänglichen Gebets persönlich erfahren. Vor allem muß man sich von der Jungfrau Maria an der Hand führen lassen, um das Antlitz Christi zu betrachten: ein freudenreiches, lichtreiches, schmerzhaftes und glorreiches Antlitz. Wer wie Maria und gemeinsam mit ihr die Geheimnisse Jesu bewahrt und sie unermüdlich betrachtet, der macht sich seine Empfindungen immer mehr zu eigen und wird ihm ähnlich. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen schönen Gedanken des sel. Bartolo Longo zitieren. Er schreibt: »Wie zwei Freunde, die sich öfters besuchen, sich in ihren Gewohnheiten anzugleichen pflegen, so können auch wir, die wir in familiärer Vertrautheit mit Jesus und der Jungfrau in der Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse sprechen und gemeinsam ein und dasselbe Leben in der Kommunion vollziehen, ihnen gleich werden, soweit dies unsere Begrenztheit erlaubt: Von diesen höchsten Beispielen können wir das demütige, arme, verborgene, geduldige und vollkommene Leben erlernen« (I Quindici Sabati del Santissimo Rosario, 27. Aufl., Pompeji 1916, S. 27; zitiert in Rosarium Virginis Mariae RVM 15).
Der Rosenkranz ist Schule der Betrachtung und der Stille. Auf den ersten Blick mag er wie ein Gebet erscheinen, bei dem Worte aneinandergereiht werden und das daher schwer vereinbar ist mit der Stille, die zu Recht für die Meditation und die Betrachtung empfohlen wird. In Wirklichkeit stört das gleichmäßige Wiederholen des »Ave Maria« die innere Stille nicht, sondern erfordert sie vielmehr und nährt sie. Ähnlich wie bei den Psalmen im Stundengebet kommt die Stille durch die Worte und Sätze hindurch zum Vorschein - nicht als eine Leere, sondern als eine Anwesenheit des letzten Sinnes aller Dinge, der die Worte übersteigt und gemeinsam mit ihnen zum Herzen spricht. So müssen wir beim wiederholten Beten des »Ave Maria« darauf achtgeben, daß unsere Stimmen die Stimme Gottes nicht »überlagern «, denn er spricht immer durch die Stille, wie »ein sanftes, leises Säuseln« (1R 19,12). Wie wichtig ist es also, sowohl im persönlichen als auch im gemeinschaftlichen Gebet diese Stille zu pflegen, die erfüllt ist von Gott! Auch wenn er so wie heute von einer großen Gemeinde gebetet wird, wie ihr es jeden Tag in diesem Heiligtum tut, muß der Rosenkranz als kontemplatives Gebet wahrgenommen werden, und das kann nicht geschehen, wenn eine Atmosphäre innerer Stille fehlt.
Ich möchte noch einen weiteren Gedanken hinzufügen, der das Wort Gottes im Rosenkranz betrifft. Er ist besonders angebracht in diesem Augenblick, in dem im Vatikan die Bischofssynode stattfindet, die unter dem Thema steht: »Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche«. Wenn die christliche Betrachtung nicht vom Wort Gottes absehen kann, dann muß auch der Rosenkranz, um ein kontemplatives Gebet zu sein, stets aus der Stille des Herzens als Antwort auf das Wort Gottes hervorkommen, nach dem Vorbild des Betens Marias. Bei genauerem Hinsehen ist der Rosenkranz ganz mit Elementen aus der Heiligen Schrift durchwirkt. Zunächst wird das Geheimnis formuliert, was möglichst, so wie heute, mit Worten geschehen sollte, die der Bibel entnommen sind. Dann folgt das »Vaterunser«: Es verleiht dem Gebet seine »vertikale« Ausrichtung und macht so das Herz dessen, der den Rosenkranz betet, offen für die rechte Haltung der Kindschaft, gemäß der Einladung des Herrn: »Wenn ihr betet, so sprecht: Vater…« (Lc 11,2). Der erste Teil des »Ave Maria« - auch er stammt aus dem Evangelium - läßt uns jedesmal wieder die Worte, die Gott durch den Engel an die Jungfrau Maria richtete, zusammen mit den Segensworten ihrer Kusine Elisabeth vernehmen. Der zweite Teil des »Ave Maria« ist die Antwort der Kinder, die sich bittend an die Mutter wenden und damit nichts anderes tun als ihre Zustimmung zum Heilsplan zum Ausdruck zu bringen, den Gott offenbart hat. So bleiben die Gedanken derer, die beten, stets in der Heiligen Schrift und in den Geheimnissen verankert, die in ihr aufgezeigt werden.
Abschließend möchte ich im Gedenken an den Weltmissionssonntag, den wir heute feiern, die apostolische Dimension des Rosenkranzes in Erinnerung rufen, eine Dimension, die der sel. Bartolo Longo sehr intensiv gelebt hat. Dadurch wurde er dazu inspiriert, in diesem Landstrich viele Werke der Nächstenliebe und der menschlichen und gesellschaftlichen Förderung ins Leben zu rufen. Darüber hinaus wollte er, daß dieses Heiligtum der ganzen Welt offensteht, als Zentrum der Verbreitung des Rosenkranzgebets und als Ort der Fürbitte für den Frieden unter den Völkern. Liebe Freunde, diese beiden Aufgaben, das Apostolat der Nächstenliebe und das Gebet für den Frieden, möchte ich bestätigen und sie erneut eurem geistlichen und pastoralen Einsatz anvertrauen. Nach dem Vorbild und mit dem Beistand eures verehrten Gründers sollt ihr niemals müde werden, mit Leidenschaft in diesem Teil des Weinbergs des Herrn zu arbeiten, dem die Muttergottes ihre besondere Liebe erwiesen hat.
185 Liebe Brüder und Schwestern, die Stunde meines Abschieds von euch und von diesem schönen Heiligtum ist gekommen. Ich danke euch für die herzliche Aufnahme und vor allem für euer Gebet. Ich danke dem Erzbischof-Prälaten und Päpstlichen Delegaten sowie seinen Mitarbeitern und allen, die dazu beigetragen haben, meinen Besuch aufs Beste vorzubereiten. Ich muß euch verlassen, aber mein Herz bleibt diesem Landstrich und dieser Gemeinschaft nahe. Ich vertraue euch alle der allerseligsten Jungfrau vom Heiligen Rosenkranz an und erteile jedem von Herzen den Apostolischen Segen.
* * *
Vor seiner Abreise aus Pompeji richtete der Papst einen Gruß an die vor dem Heiligtum versammelten Gläubigen.
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Stunde meines Abschieds ist gekommen, aber wie gesagt bleibe ich mit dem Herzen euch und diesem wunderschönen Heiligtum, diesen Menschen voller Glauben, Begeisterung und Liebe stets nahe. Ich danke euch! Bleiben wir der Muttergottes treu, so bleiben wir der Liebe und dem Frieden treu. Ich segne euch alle im Namen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Auf Wiedersehen! Danke!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Es freut mich, Sie in dieser Sonderaudienz zu empfangen, die anläßlich des Nationalen Kongresses der Italienischen Gesellschaft für Chirurgie stattfindet. Ich begrüße alle und jeden einzelnen sehr herzlich, während ich Prof. Gennaro Nuzzo vielmals danke für die Worte, mit denen er die gemeinsamen Gefühle ausgedrückt und die Arbeiten des Kongresses erläutert hat, die einem Thema von grundlegender Bedeutung gewidmet sind. Denn im Mittelpunkt Ihres Nationalen Kongresses steht das vielversprechende und anspruchsvolle Leitwort: »Für eine Chirurgie unter Achtung des Kranken.« Zu Recht ist heute in einer Zeit des großen technologischen Fortschritts die Rede davon, daß es notwendig ist, die Medizin menschlicher zu gestalten, indem jene Züge des ärztlichen Handelns entfaltet werden, die der Würde der kranken Person, für die man Dienst leistet, besser entsprechen. Die besondere Sendung, durch die sich Ihr ärztlicher und chirurgischer Beruf auszeichnet, hat drei Zielsetzungen: die kranke Person zu heilen oder zumindest die Entwicklung der Krankheit wirksam zu beeinflussen versuchen; die mit ihr verbundenen Schmerzsymptome vor allem im fortgeschrittenen Stadium zu lindern; für die kranke Person in allen ihren menschlichen Erwartungen Sorge zu tragen.
Früher gab man sich oft damit zufrieden, das Leiden der kranken Person zu lindern, weil man das Fortschreiten der Krankheit nicht aufhalten und sie in keiner Weise heilen konnte. Im vergangenen Jahrhundert haben die Entwicklungen der Wissenschaft und der chirurgischen Technik es möglich gemacht, das Leben des Kranken mit zunehmendem Erfolg zu beeinflussen. So ist die Heilung, die zuvor in vielen Fällen nur eine Möglichkeit am Rand gewesen war, heute eine Perspektive, die für gewöhnlich Wirklichkeit werden kann, bis zu dem Punkt, daß sie die Aufmerksamkeit der aktuellen Medizin fast ausschließlich auf sich zieht. Aus diesem Ansatz ergibt sich jedoch eine neue Gefahr: die Gefahr, den Patienten sich selbst zu überlassen in dem Augenblick, wo es unmöglich erscheint, gute Ergebnisse zu erzielen. Hingegen steht fest, daß man, auch wenn keine Aussicht mehr auf Genesung besteht, noch viel für den Kranken tun kann: Man kann sein Leiden erleichtern, vor allem kann man ihn auf seinem Weg begleiten und so weit wie möglich seine Lebensqualität verbessern. Das ist nicht zu unterschätzen, denn jeder einzelne Patient, auch der unheilbar kranke, hat einen unabdingbaren Wert, eine Würde, die geehrt werden muß, die das unauslöschliche Fundament jedes ärztlichen Handelns ist. Denn die Achtung der Menschenwürde erfordert die bedingungslose Achtung jedes einzelnen Menschen, geboren oder ungeboren, gesund oder krank, in welcher Situation auch immer er sich befindet.
In dieser Hinsicht erhält die Beziehung des gegenseitigen Vertrauens zwischen Arzt und Patient vorrangige Bedeutung. Dank einer solchen vertrauensvollen Beziehung kann der Arzt, wenn er dem Patienten zuhört, dessen Krankheitsgeschichte zurückverfolgen und verstehen, wie dieser mit seiner Krankheit lebt. Im Kontext dieser Beziehung kann auf der Grundlage des gegenseitigen Vertrauens und des gemeinsamen Nachdenkens über die realisierbaren Ziele, die zu verfolgen sind, der therapeutische Plan festgelegt werden: ein Plan, der zu kühnen lebensrettenden Operationen führen kann oder zu der Entscheidung, sich mit den gewohnten Mitteln zufriedenzugeben, die die Medizin bietet. Was der Arzt dem Patienten direkt oder indirekt, wörtlich oder nicht wörtlich mitteilt, hat auf ihn einen bemerkenswerten Einfluß: Es kann ihn motivieren, stützen, seine physischen und geistigen Kräfte mobilisieren und sogar stärken oder, im Gegenteil, seine Anstrengungen schwächen und beeinträchtigen und so die Wirksamkeit der angewandten Behandlungen vermindern. Das, worauf man abzielen muß, ist ein echter therapeutischer Bund mit dem Patienten, wobei man jene besondere klinische Vernünftigkeit nutzt, die es dem Arzt erlaubt, jene Art der Kommunikation herauszufinden, die dem Patienten am meisten entspricht. Diese kommunikative Strategie wird vor allem darauf abzielen, immer unter Achtung der Wahrheit der Fakten, die Hoffnung, das wesentliche Element im therapeutischen Kontext, zu stützen. Es darf dabei nie vergessen werden, daß es gerade diese menschlichen Eigenschaften sind, die der Patient am Arzt neben seiner professionellen Kompetenz schätzt. Er will mit Güte gesehen und nicht nur untersucht werden; er will angehört und nicht nur komplizierten Diagnosen unterzogen werden; er will mit Sicherheit spüren, im Geist und im Herzen des ihn behandelnden Arztes präsent zu sein.
Auch die Beharrlichkeit, mit der man heute die individuelle Autonomie des Patienten hervorhebt, muß darauf ausgerichtet sein, eine Annäherung an den Kranken zu fördern, die ihn mit Recht nicht als unbeteiligtes Gegenüber, sondern als aktiven und verantwortlichen Mitarbeiter der therapeutischen Behandlung betrachtet. Man muß mit Mißtrauen jeden Versuch der Einmischung von außen in diese schwierige Beziehung Arzt-Patient sehen. Einerseits ist nicht zu leugnen, daß man die Autonomie des Patienten achten muß, ohne jedoch zu vergessen, daß ihre individualistische Verherrlichung am Ende zu einer unrealistischen und sicher verkürzten Sicht der menschlichen Wirklichkeit führt. Anderseits soll die professionelle Verantwortung des Arztes dahingehen, daß er eine Behandlung vorschlägt, die auf das wahre Wohl des Patienten abzielt in dem Bewußtsein, daß seine besondere Kompetenz ihn im allgemeinen befähigt, die Situation besser einschätzen zu können als der Patient.
186 Die Krankheit tritt anderseits im Rahmen einer bestimmten menschlichen Geschichte zutage und beeinflußt die Zukunft des Patienten und seiner familiären Umgebung. In den hochtechnologischen Strukturen der heutigen Gesellschaft läuft der Patient Gefahr, in gewissem Maße zur »Sache« zu werden. Denn er wird von Regeln und Praktiken beherrscht, die oft seiner Lebensweise vollständig fremd sind. Im Namen der Anforderungen der Wissenschaft, der Technik und der Organisation der medizinischen Versorgung erscheint sein gewohnter Lebensstil völlig umgestürzt. Da ist es sehr wichtig, die Lebensumstände des Patienten, insbesondere seine Familie, nicht von der therapeutischen Beziehung auszuschließen. Deshalb ist es notwendig, das Verantwortungsbewußtsein der Verwandten gegenüber ihrem Angehörigen zu fördern: Es ist ein wichtiges Element, um eine weitere Entfremdung zu vermeiden, die dieser sozusagen unweigerlich erfährt, wenn er einer Medizin anvertraut wird, die hoch technologisiert, aber ohne wirksames menschliches Mitgefühl ist.
Auf Ihnen, liebe Chirurgen, lastet also in entscheidendem Maß die Verantwortung, eine Chirurgie anzubieten, die die Person des Kranken wirklich respektiert. Es ist eine faszinierende, aber auch sehr anspruchsvolle Aufgabe. Der Papst ist Ihnen gerade durch sein Hirtenamt nahe und begleitet Sie mit seinem Gebet. Mit diesen Empfindungen und den besten Wünschen für eine erfolgreiche Arbeit erteile ich Ihnen und Ihren Lieben den Apostolischen Segen.
Frau Botschafterin!
Ich freue mich, Sie heute zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens zu empfangen, das Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der Republik der Philippinen beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Ich erwidere die herzlichen Grüße, die Sie mir von seiten Ihrer Exzellenz der Staatspräsidentin, Frau Gloria Macapagal-Arroyo, überbracht haben, und ich möchte Sie bitten, auch meinerseits ihr und all Ihren Mitbürgern meine besten Wünsche für ihr Wohlergehen zu übermitteln.
Das philippinische Volk ist bekannt für seinen warmherzigen Großmut und den großen Wert, den es der Freundschaft und dem Familienleben zuerkennt. Die katholischen Gläubigen in Ihrem Land zeigen - durch ihr Verlangen nach Gebet, ihre aufrichtige Frömmigkeit und ihren Eifer, anderen zu dienen - festes Vertrauen in Gottes liebende Vorsehung. Ich bin für den einzigartigen Beitrag dankbar, den sie zum Leben der lokalen und universalen Kirche geleistet haben und auch weiterhin leisten, und ich ermutige alle Männer und Frauen guten Willens in Ihrer Nation, sich dafür einzusetzen, innerhalb der Landesgrenzen und auf der ganzen Welt Bande des Friedens und der sozialen Eintracht zu knüpfen.
Seinerseits sucht der Heilige Stuhl, besonders durch seine diplomatische Tätigkeit, stets den Dialog mit der Welt, um die universalen Werte zu fördern, die der Würde des Menschen entspringen, und die Menschheit auf dem Weg zur Gemeinschaft mit Gott und miteinander voranzubringen. Die katholische Kirche möchte gern den Reichtum der sozialen Botschaft des Evangeliums mit anderen teilen, denn sie erfüllt die Herzen mit einer Hoffnung auf die Vollendung der Gerechtigkeit und der Liebe, die alle Männer und Frauen zu wahren Brüdern und Schwestern in Jesus Christus macht. Dieser Sendung kommt sie im vollen Bewußtsein der gegenseitigen Unabhängigkeit und der jeweiligen Kompetenzen von Kirche und Staat nach. Man könnte sogar sagen, daß die Unterscheidung zwischen Religion und Politik eine besondere Errungenschaft des Christentums und einer seiner grundlegenden historischen und kulturellen Beiträge ist. Ebenso ist die Kirche überzeugt, daß Staat und Religion aufgerufen sind, einander zu unterstützen, da sie gemeinsam dem persönlichen und gesellschaftlichen Wohl aller dienen (vgl. Gaudium et spes GS 76). Für eine derartige einträchtige Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat müssen die kirchlichen und zivilen Führungskräfte bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Pflichten stets auf das Gemeinwohl bedacht sein. Wenn sie einen Geist der Aufrichtigkeit und der Unparteilichkeit pflegen und die Gerechtigkeit stets als Ziel vor Augen haben, gewinnen die zivilen und kirchlichen Führungskräfte das Vertrauen des Volkes und stärken das Bewußtsein für die gemeinsame Verantwortung aller Bürger, eine Zivilisation der Liebe zu fördern. Alle sollten viel mehr von dem Wunsch zu dienen getragen sein als von dem Wunsch nach einem Verdienst, der ihnen persönlich oder einigen wenigen Privilegierten zugute kommt. Ein jeder hat an der Aufgabe Anteil, die öffentlichen Einrichtungen zu stabilisieren, um sie vor der Korruption der Parteilichkeit und des Elitedenkens zu schützen. In diesem Zusammenhang ist es ermutigend, die vielen Initiativen zu sehen, die die philippinische Gesellschaft auf vielen Ebenen unternimmt, um die Schwachen zu schützen, besonders die Ungeborenen, die Kranken und die älteren Menschen.
Exzellenz, ich weiß die Sorge um das Wohl philippinischer Migranten aus Arbeitsgründen zu schätzen, die Sie im Namen Ihrer Regierung zum Ausdruck gebracht haben.
Das »Globale Forum über Migration und Entwicklung«, das in Manila abgehalten wurde, ist ein deutliches Zeugnis für die Besorgtheit der Philippinen um alle, die ihre Heimat verlassen, um in einem fremden Land Arbeit zu suchen. Initiativen wie das »Globale Forum« sind fruchtbar, wenn sie die Immigration als eine Chance und nicht als Hindernis für die Entwicklung betrachten. Gleichzeitig stehen die Regierenden zahlreichen Herausforderungen gegenüber, wenn sie sicherstellen wollen, daß die Immigranten so in die Gesellschaft integriert werden, daß ihre Menschenwürde anerkannt wird und sie Gelegenheit haben, einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen, mit genügend Zeit zur Erholung und der entsprechenden Möglichkeit zum Gottesdienst. Die rechte Sorge um die Immigranten und der Aufbau einer Solidarität der Arbeit (vgl. Laborem exercens LE 8) erfordert die kluge, geduldige und entschlossene Zusammenarbeit von Regierungen, humanitären Einrichtungen, gläubigen Menschen und allen Bürgern. Eine Innen- und Außenpolitik, die auf die Regulierung der Immigration ausgerichtet ist, muß auf gerechten und ausgewogenen Kriterien basieren, und besonderer Sorge bedarf es, um Familienzusammenführungen zu erleichtern. Gleichzeitig müssen soweit wie möglich die Voraussetzungen geschaffen werden, den Menschen mehr Arbeitsmöglichkeiten in ihren Heimatländern zu geben (vgl. Gaudium et spes GS 66).
Diesbezüglich, Frau Botschafterin, haben die Führungskräfte Ihrer Nation Gesetze für eine umfassende Landreform mit dem Ziel erlassen, die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern. Sorgfältig geplante Agrarreformen können einer Gesellschaft nützen, indem sie ein Bewußtsein für die gemeinsame Verantwortung schaffen sowie die persönliche Initiative anregen und es einer Nation auf diese Weise ermöglichen, ihren eigenen Markt zu versorgen und ihre Beteiligung an internationalen Märkten zu erweitern, um die Wachstumschancen im Globalisierungsprozeß zu vergrößern. Ich hoffe, daß durch die Umsetzung von Maßnahmen, die eine gerechte Verteilung des Reichtums und die nachhaltige Entwicklung natürlicher Ressourcen unterstützen, den philippinischen Bauern größere Chancen gegeben werden, um die Produktion zu steigern und den Ertrag zu bekommen, den sie brauchen, um sich selbst und ihre Familien zu unterhalten. Exzellenz, es ist ermutigend zu sehen, daß Ihre Nation sich auch weiterhin aktiv an internationalen Foren zur Förderung des Friedens, der menschlichen Solidarität und des interreligiösen Dialogs beteiligen wird. Sie haben darauf hingewiesen, daß diese edlen Ziele in enger Beziehung zur menschlichen Entwicklung und zur Sozialreform stehen. Im Licht des Evangeliums war die katholische Kirche schon immer überzeugt, daß der Übergang von weniger humanen zu humaneren Lebensbedingungen nicht nur auf rein wirtschaftliche oder technologische Dimensionen beschränkt ist, sondern für jede Person den Erwerb von Kultur, die Achtung für das Leben und die Würde anderer sowie »die Anerkennung letzter Werte … und die Anerkennung Gottes, ihrer Quelle und ihres Zieles« (Populorum progressio PP 21) bedeutet. Ich bin zuversichtlich, daß die Republik der Philippinen in den Weltforen auch weiterhin diese ganzheitliche Sichtweise der menschlichen Person vertreten wird, und ich schließe mich dem Gebet aller Philippiner an, daß der Friede Gottes in den Herzen und Häusern aller Menschen herrschen möge.
Frau Botschafterin, Ihre heutige Anwesenheit an diesem Ort ist ein Unterpfand dafür, daß die Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit zwischen Ihrer Nation und dem Heiligen Stuhl sich auch in den kommenden Jahren immer mehr festigen werden. Ich versichere Sie, daß die verschiedenen Einrichtungen und Dikasterien der Römischen Kurie stets bereit sein werden, ihnen bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zur Seite zu stehen. Indem ich Ihnen meine besten Wünsche und meine Gebete für den Erfolg Ihrer Mission entbiete, rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes auf Sie, Exzellenz, auf Ihre Familie und auf das geliebte Volk der Philippinen herab.
ANSPRACHE 2008 Januar 2008 182