ANSPRACHE 2010 73

AN DIE TEILNEHMER DER WALLFAHRT, DIE DIE DIÖZESEN DER ITALIENISCHEN MARKEN-REGION ZUM 400. TODESTAG VON PATER MATTEO RICCI ORGANISIERT HABEN


Aula Paolo VI

Samstag, 29. Mai 2010

(Video)

Herr Kardinal,

verehrte Brüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
sehr geehrte Obrigkeiten,
74 liebe Brüder und Schwestern!

Es freut mich, euch zu begegnen, um des 400. Todestages von P. Matteo Ricci SJ zu gedenken. Brüderlich grüße ich den Bischof von Macerata-Tolentino-Recanati-Cingoli-Treia, Claudio Giuliodori, der diese große Pilgerreise anführt. Zusammen mit ihm grüße ich die Mitbrüder der Bischofskonferenz der Marken und ihre jeweiligen Diözesen, die zivilen, militärischen und akademischen Obrigkeiten, die Priester, Seminaristen und Studenten sowie die »Pueri cantores«. Macerata ist stolz auf einen so berühmten Bürger, Ordensmann und Priester. Ich begrüße die Mitglieder der Gesellschaft Jesu, zu der P. Ricci gehörte, besonders den Generaloberen P. Adolfo Nicolás, ihre Freunde und Mitarbeiter, und die mit ihnen verbundenen Bildungseinrichtungen. Mein Gruß geht auch an alle Chinesen: ???! [Seid gegrüßt]!

Am 11. Mai 1610 endete in Peking das Erdenleben dieses großen Missionars, eines wahren Vorkämpfers der Verkündigung des Evangeliums in China in der modernen Zeit nach der ersten Evangelisierung durch Erzbischof Giovanni da Montecorvino. Das außerordentliche Privileg einer Bestattung auf chinesischem Boden, das ihm zuteil wurde und für einen Ausländer undenkbar war, ist Zeichen der Hochachtung, die ihn in der chinesischen Hauptstadt und am kaiserlichen Hof umgab. Auch heute ist es möglich, sein Grab in Peking zu verehren, das von den örtlichen Obrigkeiten in angemessener Weise restauriert worden ist. Die vielfältigen, in Europa und China organisierten Initiativen zu Ehren von P. Ricci zeigen das lebendige Interesse, das sein Werk weiterhin in der Kirche und in unterschiedlichen kulturellen Bereichen erweckt. Die Geschichte der katholischen Missionen umfaßt Gestalten von besonderem Format in ihrem Eifer und Mut, Christus in neue und ferne Länder zu bringen, doch P. Ricci stellt den einzigartigen Fall einer glücklichen Verknüpfung zwischen der Verkündigung des Evangeliums und des Dialogs mit der Kultur des Volkes dar, zu dem es gebracht wird, ein Beispiel an Ausgeglichenheit zwischen Klarheit in der Lehre und klugem seelsorglichen Handeln. Es war nicht allein die tiefe Kenntnis der Sprache, sondern auch die Übernahme des Lebensstils und der Sitten der gebildeten chinesischen Stände als Ergebnis eines Studiums und einer geduldigen und weitblickenden Übung, die es ermöglichten, daß P. Ricci von den Chinesen mit Respekt und Hochachtung angenommen wurde, und zwar nicht als ein Fremder, sondern als der »Meister des großen Abendlandes«. Im »Millenium Monument Kunstmuseum« in Peking wird nur zweier Ausländer unter den Großen der Geschichte Chinas gedacht: Marco Polo und P. Matteo Ricci.

Das Werk dieses Missionars läßt zwei Seiten zutage treten, die nicht voneinander getrennt werden dürfen: die chinesische Inkulturation der Botschaft des Evangeliums und die Präsentation der abendländischen Kultur und Wissenschaft in China. Oft erweckten die wissenschaftlichen Aspekte größeres Interesse, doch darf die Perspektive nicht vergessen werden, innerhalb derer P. Ricci mit der chinesischen Welt und Kultur in Beziehung getreten ist: ein Humanismus, der die in ihren Kontext eingebundene Person in Betracht zieht, deren moralische und geistliche Werte pflegt, dabei all das erfaßt, was sich an Positivem in der chinesischen Tradition findet, und das Angebot macht, es durch den Beitrag der abendländischen Kultur, aber vor allem mit der Weisheit und Wahrheit Christi zu bereichern.

P. Ricci geht nicht nach China, um dorthin die Wissenschaft und die Kultur des Abendlandes zu bringen, sondern das Evangelium, um Gott den Menschen nahezubringen. Er schreibt: »Mehr als zwanzig Jahre habe ich jeden Morgen und jeden Abend in Tränen zum Himmel gebetet. Ich weiß, daß der Herr des Himmels sich der lebenden Geschöpfe erbarmt und ihnen vergibt (…)

Die Wahrheit über den Herrn des Himmels ist bereits in den Herzen der Menschen. Doch die Menschen begreifen sie nicht unmittelbar und neigen darüber hinaus nicht dazu, über eine derartige Frage nachzudenken« (Il vero significato del »Signore del Cielo« , Rom
Rm 2006, S. 69-70). Und gerade während er das Evangelium verkündet, findet P. Ricci in seinen Gesprächspartnern das Gesuch um eine weitergehende Auseinandersetzung, so daß die durch den Glauben motivierte Begegnung auch zu einem Dialog zwischen Kulturen wird; ein uneigennütziger Dialog, der frei von wirtschaftlichem und politischem Machtstreben ist und in der Freundschaft gelebt wird, die aus dem Werk P. Riccis und seiner Schüler einen der höchsten und glücklichsten Momente in der Beziehung zwischen China und dem Abendland macht. Vielsagend ist in diesem Zusammenhang der »Trattato dell’amicizia - Abhandlung über die Freundschaft« (1595), eines seiner ersten und bekanntesten Werke in chinesischer Sprache. Im Denken und in der Lehre P. Riccis finden Wissenschaft, Vernunft und Glaube eine natürliche Synthese: »Wer den Himmel und die Erde kennt« - so schreibt er im Vorwort zur dritten Ausgabe der »Großen Weltkarte« -, »kann die Erfahrung machen, daß der Leiter des Himmels und der Erde absolut gut, absolut groß und absolut eins ist. Die Unwissenden lehnen den Himmel ab, doch eine Wissenschaft, die nicht auf den Kaiser des Himmels als Erstursache zurückgeht, ist keine Wissenschaft.«

Wichtige Begegnungen im Leben des Jesuiten Die Bewunderung gegenüber P. Ricci darf jedoch nicht die Rolle und den Einfluß seiner chinesischen Gesprächspartner vergessen lassen. Die von ihm getroffenen Entscheidungen hingen nicht von einer abstrakten Strategie der Inkulturation des Glaubens ab, sondern insgesamt von den Geschehnissen, den Begegnungen und den Erfahrungen, die er machte, so daß es zu dem, was er verwirklichen konnte, auch dank der Begegnung mit den Chinesen kam; eine auf vielfache Weise gelebte Begegnung, die sich jedoch durch die Beziehung mit einigen Freunden und Schülern vertiefte, besonders mit den vier berühmten Konvertiten, den »Säulen der entstehenden Kirche von China«. Deren erster und berühmtester ist der aus Shanghai stammende Xu Guangqi, ein Literat und Wissenschaftler, Mathematiker, Astronom und Landwirtschaftswissenschaftler, der zu den höchsten Stufen der kaiserlichen Bürokratie vorgestoßen war, ein integrer Mann von großem Glauben und christlichem Leben, der dem Dienst an seinem Land ergeben war und einen überragenden Platz in der Geschichte der chinesischen Kultur einnimmt. Er ist es zum Beispiel, der P. Ricci überzeugt und ihm dabei hilft, die »Elemente« des Euklid, ein Grundwerk der Geometrie, ins Chinesische zu übersetzen oder es zu erwirken, daß der Kaiser die Jesuitenastronomen mit der Reform des chinesischen Kalenders betraut. Ein weiterer der zum Christentum konvertierten Gelehrten - Li Zhizaho - hilft dann P. Ricci bei der Verwirklichung der letzten und ausgereiftesten Ausgabe der »Großen Weltkarte«, die den Chinesen ein neues Bild von der Welt vermitteln sollte. Er beschreibt P. Ricci mit diesen Worten: »Ich habe ihn für einen einzigartigen Mann gehalten, da er im Zölibat lebt, nicht um der Ämter willen intrigiert, wenig spricht, ein gesetztes Verhalten an den Tag legt - und das alle Tage -, die Tugend im Verborgenen pflegt und ständig Gott dient.« Es ist somit richtig, P. Ricci auch mit seinen großen chinesischen Freunden in Verbindung zu setzen, die mit ihm die Erfahrung des Glaubens teilten.

Liebe Brüder und Schwestern, das Gedenken an diese dem Evangelium und der Kirche ergebenen Männer Gottes, ihr Beispiel an Treue zu Christus, die tiefe Liebe zum chinesischen Volk, der Einsatz an Intelligenz und Studium, ihr tugendhaftes Leben mögen eine Gelegenheit zum Gebet für die Kirche in China und für das ganze chinesische Volk sein, wie wir dies jedes Jahr am 24. Mai tun, indem wir uns an die allerseligste Jungfrau Maria wenden, die im berühmten Heiligtum von Sheshan in Shanghai verehrt wird; und sie sollen auch zu Anregung und Ermutigung gereichen, innig den christlichen Glauben zu leben, im Dialog mit den unterschiedlichen Kulturen, doch in der Gewißheit, daß sich in Christus der wahre Humanismus verwirklicht, der offen für Gott, reich an moralischen und geistlichen Werten und fähig ist, den tiefsten Wünschen der menschlichen Seele zu entsprechen. Auch ich bringe heute wie P. Matteo Ricci meine tiefste Hochachtung gegenüber dem edlen chinesischen Volk und seiner antiken Kultur in der Überzeugung zum Ausdruck, daß eine erneuerte Begegnung mit dem Christentum reiche Fürchte des Guten tragen wird, wie sie einst ein friedliches Zusammenleben unter den Völkern begünstigte. Danke.





ABSCHLUSS DES MARIENMONATS


Lourdes-Grotte in den Vatikanischen Gärten

Montag, 31. Mai 2010



Liebe Brüder und Schwestern!

75 Mit großer Freude schließe ich mich euch zum Abschluß dieser traditionellen Andacht an, mit der im Vatikan der Monat Mai beendet wird. Mit Bezug auf die heutige Liturgie wollen wir Maria im Geheimnis der Heimsuchung betrachten. In der Jungfrau Maria, die ihre Verwandte Elisabet besucht, erkennen wir das leuchtendste Beispiel und die tiefste Bedeutung unseres Glaubensweges und des Weges der Kirche. Die Kirche ist ihrer Natur nach missionarisch, sie ist gerufen, immer und überall das Evangelium zu verkünden, jedem Mann und jeder Frau in jeder Kultur den Glauben zu vermitteln.

»Nach einigen Tagen«, schreibt der Evangelist Lukas, »machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa« (
Lc 1,39). Marias Besuch ist eine echte Missionsreise. Es ist eine Reise, die sie weit von zu Hause weg, in die Welt führt, an Orte, die ihren täglichen Gewohnheiten fremd sind. Diese Reise läßt sie in gewissem Sinn bis an die von ihr erreichbaren Grenzen gelangen. Und hierin liegt auch für uns alle das Geheimnis unseres Lebens als Menschen und Christen. Unser Leben als einzelne und als Kirche ist ein Dasein, das aus uns herausführen muß. Wie es schon bei Abraham war, wird von uns gefordert, daß wir aus uns selbst herausgehen, aus den Orten unserer Sicherheiten, um auf die anderen zuzugehen, an Orte und in Lebensbereiche, die anders sind, als die unsrigen. Es ist der Herr, der uns dazu auffordert: »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein … bis an die Grenzen der Erde« (Ac 1,8). Und der Herr ist es auch, der uns auf diesem Weg Maria als Weggefährtin und fürsorgliche Mutter an die Seite stellt. Sie gibt uns Sicherheit, denn sie erinnert uns daran, daß ihr Sohn Jesus immer bei uns ist, so wie er es verheißen hat: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20).

Der Evangelist fügt hinzu, daß »Maria etwa drei Monate bei ihr (bei ihrer Verwandten Elisabet) blieb« (vgl. Lc 1,56). Diese einfachen Worte bringen den unmittelbaren Zweck der Reise Marias zum Ausdruck. Sie hatte vom Engel erfahren, daß Elisabet ein Kind erwartete und bereits im sechsten Monat war (vgl. Lc 1,36). Aber Elisabet war schon betagt, und die Nähe Marias, die noch sehr jung war, konnte ihr nützlich sein. Deshalb begibt sich Maria zu ihr und bleibt etwa drei Monate bei ihr, um ihr jene liebevolle Nähe zu schenken, um ihr konkrete Hilfe und all die alltäglichen Dienste zu leisten, derer sie bedurfte. Elisabet wird so zum Symbol für viele alte und kranke Menschen, ja für alle Menschen, die Hilfe und Liebe brauchen. Und wie viele dieser Menschen gibt es auch heute in unseren Familien, in unseren Gemeinschaften, in unseren Städten! Und Maria - die sich als »Magd des Herrn« (Lc 1,38) bezeichnet hat - macht sich zur Dienerin der Menschen. Genauer gesagt dient sie dem Herrn, dem sie in den Brüdern und Schwestern begegnet.

Die Liebe Marias jedoch beschränkt sich nicht auf die konkrete Hilfeleistung, sondern sie erreicht ihren Höhepunkt darin, daß sie Jesus selbst schenkt, daß sie die Menschen zu einer Begegnung mit ihm führt. Wieder ist es der hl. Lukas, der unterstreicht: »Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib« (Lc 1,41). Hier befinden wir uns im Herzen und auf dem Höhepunkt des Evangelisierungsauftrags. Das ist die wahre Bedeutung und das eigentliche Ziel jedes missionarischen Weges: den Menschen das lebendige und persönliche Evangelium zu schenken, das Jesus, der Herr, selbst ist. Diese Mitteilung und Gabe Jesu erfüllt das Herz mit Freude, wie Elisabet bestätigt: »In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib« (Lc 1,44). Jesus ist der wahre und einzige Schatz, den wir der Menschheit geben müssen. Nach ihm sehnen sich zutiefst die Männer und Frauen unserer Zeit, auch wenn sie ihn zu ignorieren oder abzuweisen scheinen. Ihn brauchen dringend die Gesellschaften, in denen wir leben, Europa und die ganze Welt.

Uns ist diese außerordentliche Verantwortung übertragen. Leben wir sie mit Freude und Einsatz, damit in unserer Zivilisation wirklich Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe herrschen, grundlegende und unersetzliche Pfeiler eines wahren, geordneten und friedlichen Zusammenlebens. Leben wir diese Verantwortung, indem wir am Hören auf das Wort Gottes, an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten festhalten (vgl. Ac 2,42). Das soll die Gnade sein, um die wir an diesem Abend die allerseligste Jungfrau Maria gemeinsam bitten wollen. Euch allen erteile ich meinen Segen.



Juni 2010


APOSTOLISCHE REISE NACH ZYPERN

(4.-6. JUNI 2010)

INTERVIEW VON BENEDIKT XVI. MIT DEN JOURNALISTEN AUF DEM FLUG NACH ZYPERN

Freitag, 4. Juni 2010

Pater Lombardi: Heiliger Vater, wir danken Ihnen, daß Sie wie bei jeder Reise unter uns sind und mit Ihren Worten unserer Aufmerksamkeit in diesen Tagen, die sehr intensiv sein werden, Orientierung geben. Selbstverständlich muß die erste Frage dem Ereignis gelten, das uns gestern schmerzhaft getroffen hat, nämlich die Ermordung von Bischof Luigi Padovese, die auch Sie mit tiefem Schmerz erfüllt hat. So möchte ich Sie im Namen aller Kollegen bitten, uns etwas darüber zu sagen, wie Sie diese Nachricht aufgenommen haben und wie Sie in dieser Atmosphäre den Beginn der Reise nach Zypern erleben?

Benedikt XVI.: Natürlich hat mich die Nachricht vom Tod des Bischofs Luigi Padovese, der auch viel zur Vorbereitung der Synode beigetragen hat, schmerzlich betrübt. Er hat seinen Beitrag geleistet, und er wäre bei dieser Synode ein wertvolles Element gewesen. Empfehlen wir seine Seele der Barmherzigkeit des Herrn. Dieser Schatten hat jedoch mit den Themen und der Wirklichkeit der Reise an sich nichts zu tun, weil wir nicht der Türkei oder den Türken diese Tatsache zuschreiben dürfen. Es ist etwas, über das wir wenige Informationen haben. Sicher ist, daß es sich nicht um einen politisch oder religiös motivierten Mord handelt; es geht um etwas Persönliches. Wir warten auf die Erklärungen, aber jetzt wollen wir diese tragische Situation nicht mit dem Dialog mit dem Islam und all den Problemen unserer Reise vermengen. Es handelt sich um einen separaten Fall, der uns traurig macht, der aber in keiner Weise den Dialog in jeder Richtung verdunkeln darf, der Thema und Absicht dieser Reise ist.

Pater Lombardi: Zypern ist ein geteiltes Land. Heiliger Vater, Sie werden den von der Türkei besetzten Nordteil nicht besuchen. Haben Sie eine Botschaft für die Bewohner dieses Teils der Insel? Und auf welche Weise denken Sie, kann Ihr Besuch dazu beitragen, die Distanz zwischen dem griechischen und dem türkischen Teil aufzuheben und zu einer Lösung des friedlichen Zusammenlebens zu kommen in der Achtung der Religionsfreiheit sowie des spirituellen und kulturellen Erbes der verschiedenen Gemeinschaften?

Benedikt XVI.: Diese Reise nach Zypern ist in vielerlei Hinsicht eine Fortsetzung der Reise ins Heilige Land vom letzten Jahr und auch der Reise nach Malta in diesem Jahr. Die Reise ins Heilige Land hatte drei Etappen: Jordanien, Israel und die Palästinensergebiete. In allen drei Fällen handelte es sich um eine pastorale, religiöse Reise; es war keine politische oder touristische Reise. Das Hauptthema war der Friede Christi, der universaler Friede in der Welt sein muß. Das Thema war also: einerseits die Verkündigung unseres Glaubens, das Zeugnis des Glaubens, die Pilgerfahrt zu den Orten, die Zeugnis geben vom Leben Christi und der ganzen Heilsgeschichte; auf der anderen Seite war es die gemeinsame Verantwortung aller, die an den einen Gott glauben, der Schöpfer des Himmels und der Erde ist, an den einen Gott, nach dessen Bild wir geschaffen sind. Malta und Zypern fügen noch sehr stark das Thema des hl. Paulus hinzu, eines großen Glaubenden, Verkünder des Evangeliums, und auch des hl. Barnabas, der aus Zypern stammt und die Tür geöffnet hat für die Mission des hl. Paulus. Das heißt: Zeugnis unseres Glaubens an den einen Gott, Dialog und Frieden sind die Themen. Frieden in einem sehr tiefen Sinn: Er ist keine politische Zugabe zu unserer religiösen Aktivität, sondern Friede ist ein Wort aus dem Herzen des Glaubens, es steht im Mittelpunkt der paulinischen Lehre; denken wir an den Epheserbrief, wo er sagt, daß Christus den Frieden gebracht und die Mauer der Feindschaft niedergerissen hat. Das bleibt ein beständiger Auftrag, so komme ich nicht mit einer politischen Botschaft, sondern mit einer religiösen Botschaft, die die Seelen besser vorbereiten sollte, die Öffnung für den Frieden zu finden. Das sind Dinge, die nicht von heute auf morgen geschehen, aber es ist sehr wichtig, nicht nur die notwendigen politischen Schritte zu tun, sondern vor allem auch die Seelen vorzubereiten, damit sie fähig sind, die notwendigen politischen Schritte zu unternehmen, jene innere Öffnung für den Frieden zu schaffen, die letztendlich vom Glauben an Gott her kommt und von der Überzeugung, daß wir alle Kinder Gottes und untereinander Brüder und Schwestern sind.

76 Pater Lombardi: Danke, Heiliger Vater. Die nächste Frage ist eine Fortsetzung der ersten, aber ich stelle sie dennoch, so daß Sie etwas hinzufügen können, wenn Sie möchten. Sie begeben sich in den Nahen Osten, nur wenige Tage nachdem der israelische Angriff auf die Hilfsflotte vor Gaza zum bereits sehr schwierigen Friedensprozeß weitere Spannungen hinzugefügt hat. Wie kann Ihrer Meinung nach der Heilige Stuhl, der Vatikan dazu beitragen, diesen für den Nahen Osten sehr schwierigen Moment zu überwinden?

Benedikt XVI.: Ich würde sagen, daß wir vor allem in religiöser Weise einen Beitrag leisten. Wir können auch mit politischen oder strategischen Ratschlägen Unterstützung geben, aber die wesentliche Arbeit des Vatikans ist immer religiös, sie berührt die Herzen. Angesichts all dieser Ereignisse, die wir erleben, besteht immer die Gefahr, daß man die Geduld verliert, daß man sagt: »Jetzt reicht es« und daß man den Frieden nicht mehr suchen will.

Und hier kommt mir in diesem Priester-Jahr eine schöne Geschichte des Pfarrers von Ars in den Sinn. Den Menschen, die zu ihm sagten: Es hat keinen Sinn, daß ich jetzt zur Beichte gehe und die Lossprechung erhalte, weil ich sicher bin, daß ich übermorgen wieder in die gleichen Sünden falle, antwortete der Pfarrer von Ars: Das macht nichts, der Herr vergißt absichtlich, daß du übermorgen die gleichen Sünden begehen wirst, er vergibt dir jetzt vollkommen, er wird langmütig sein, und er wird dir weiterhin helfen, wird auf dich zukommen. So müssen wir gleichsam Gott nachahmen, seine Geduld. Nach allen Fällen der Gewalt, nicht die Geduld zu verlieren, nicht den Mut zu verlieren, nicht den Langmut zu verlieren, wieder anzufangen; diese Bereitschaft des Herzens zu schaffen, immer wieder neu anzufangen, in der Sicherheit, daß wir Fortschritte machen können, daß wir den Frieden erreichen können, daß die Gewalt keine Lösung ist, sondern die Geduld im Guten. Diese Haltung zu schaffen scheint mir die Hauptarbeit zu sein, die der Vatikan, seine Einrichtungen und der Papst leisten können.

Pater Lombardi: Danke! Kommen wir zu einem anderen Thema, der Ökumene. Heiliger Vater, der Dialog mit den Orthodoxen hat in kultureller und spiritueller Hinsicht und in bezug auf das Zusammenleben viele Fortschritte gemacht. Beim Konzert, das Ihnen kürzlich vom Patriarchen von Moskau zum Geschenk gemacht wurde, hat man eine tiefe Übereinstimmung zwischen Orthodoxen und Katholiken gespürt hinsichtlich der Herausforderungen, die dem Christentum in Europa von der Säkularisierung gestellt werden. Wie bewerten Sie den Dialog, auch aus einer mehr theologischen Sicht?

Benedikt XVI.: Ich möchte vor allem die großen Fortschritte unterstreichen, die wir im gemeinsamen Zeugnis für die christlichen Werte in einer säkularisierten Welt gemacht haben. Das ist nicht nur ein, sagen wir moralisches, politisches Bündnis, sondern wirklich etwas zutiefst dem Glauben Entspringendes, denn die grundlegenden Werte, für die wir in dieser säkularisierten Welt leben, sind keine Moralismen, sondern sie sind die Grundgestalt des christlichen Glaubens. Wenn wir fähig sind, gemeinsam für diese Werte Zeugnis abzulegen, uns im Dialog einzusetzen, in der Diskussion dieser Welt, im Zeugnis, um diese Werte zu leben, dann haben wir schon ein grundlegendes Zeugnis gegeben von einer sehr tiefen Einheit des Glaubens. Natürlich gibt es sehr viele theologische Probleme, aber auch hier gibt es starke Elemente der Einheit.

Ich möchte auf drei Elemente hinweisen, die uns vereinen, einander annähern, die uns einander immer näher bringen. Erstens: Die Heilige Schrift, die Bibel ist kein Buch, das vom Himmel gefallen ist, das es jetzt gibt und jeder nimmt es, sondern sie ist ein Buch, das im Volk Gottes gewachsen ist und in diesem gemeinsamen Subjekt des Volkes Gottes lebt, und nur hier bleibt es immer gegenwärtig und wirklich, daß heißt die Bibel kann nicht isoliert werden, sondern die Bibel steht in der Beziehung zur Überlieferung und zur Kirche. Dieses Bewußtsein ist grundlegend, und es gehört zum Fundament der Orthodoxie und des Katholizismus und gibt uns einen gemeinsamen Weg. Als zweites Element sagen wir: Die Überlieferung, die uns die Heilige Schrift interpretiert, die uns die Tür zu ihr öffnet, hat auch eine institutionelle, heilige, sakramentale, vom Herrn gewollte Form, das heißt das Bischofs amt; sie hat eine personale Form, das heißt das Kollegium der Bischöfe ist gemeinsam Zeuge und Gegenwart dieser Überlieferung.

Dritter Punkt: Die sogenannte »regula fidei«, das heißt das Bekenntnis des Glaubens, wie es in den antiken Konzilien ausgearbeitet wurde, ist die Summe dessen, was in der Heiligen Schrift steht und öffnet die »Tür« zur Interpretation. Dann die anderen Elemente: Die Liturgie, die gemeinsame Liebe zur Muttergottes, verbinden uns tief miteinander, und immer mehr wird uns auch klar, daß sie das Fundament des christlichen Lebens sind. Wir müssen eine genauere Kenntnis haben und auch die Details vertiefen, aber mir scheint, daß wir - auch wenn die unterschiedlichen Kulturen, die unterschiedlichen Situationen Mißverständnisse und Schwierigkeiten geschaffen haben - im Bewußtsein des Wesentlichen und der wesentlichen Einheit wachsen. Ich möchte hinzufügen, daß es natürlich nicht die theologische Diskussion ist, die an sich die Einheit schafft; es ist eine wichtige Dimension, aber das gesamte christliche Leben, das gegenseitige Kennenlernen, die Erfahrung der Brüderlichkeit, diese gemeinsame Brüderlichkeit zu lernen trotz der Erfahrung der Vergangenheit, das sind Prozesse, die auch viel Geduld erfordern. Aber mir scheint, daß wir dabei sind, gerade die Geduld zu lernen, wie auch die Liebe, und mit allen Dimensionen des theologischen Dialogs gehen wir voran und überlassen es dem Herrn, wann er uns die vollkommene Einheit schenken wird.

Pater Lombardi: Kommen wir nun zur letzten Frage. Eines der Ziele dieser Reise ist die Übergabe des Arbeitspapiers der Bischofssynode für den Nahen Osten. Welche besonderen Hoffnungen und Erwartungen haben Sie im Hinblick auf diese Synode für die christlichen Gemeinschaften wie auch für die Gläubigen anderer Glaubensrichtungen in dieser Region?

Papst Benedikt XVI.: Der erste wichtige Aspekt ist die Tatsache, daß verschiedene Bischöfe und Kirchenoberhäupter hier zusammenkommen, denn es gibt viele Kirchen - verschiedene Riten sind über verschiedene Länder und Lebenssituationen verstreut -, die oft voneinander isoliert sind und wenig voneinander wissen; es geht darum, sich zu sehen und einander zu begegnen und auf diese Weise den anderen, seine Probleme, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten besser kennenzulernen, um sich so ein gemeinsames Urteil über die Situation und den einzuschlagenden Weg bilden zu können. Diese konkrete Gemeinschaft des Dialogs und des Lebens ist der erste Aspekt.

Der zweite Punkt ist die Sichtbarkeit dieser Kirchen, das heißt man soll in der Welt sehen, daß es eine große und alte christliche Gemeinschaft im Nahen Osten gibt, dir wir oft nicht direkt vor Augen haben. Und diese Sichtbarkeit hilft uns auch, ihnen nahe zu sein, mehr übereinander zu erfahren, voneinander zu lernen, uns gegenseitig zu helfen und so auch den Christen im Nahen Osten dabei zu helfen, nicht die Hoffnung aufzugeben und in ihrer Heimat zu bleiben, auch wenn die Situation dort mitunter schwierig ist.

Auf diese Weise - und dies ist der dritte Punkt - öffnen sie sich im Dialog untereinander auch für den Dialog mit den orthodoxen, armenischen und allen anderen Christen, und so wächst das gemeinsame Bewußtsein von der Verantwortung der Christen und die gemeinsame Dialogbereitschaft gegenüber den muslimischen Brüdern, die trotz aller Unterschiede unsere Brüder sind. Dies kann uns auch ermutigen, trotz aller Probleme den Dialog mit ihnen mit gemeinsamen Visionen fortzuführen. Alle Versuche, ein immer fruchtbringenderes und brüderlicheres Zusammen - leben zu ermöglichen, sind sehr wichtig. Es handelt sich also um eine interne Begegnung katholischer Christen verschiedener Riten aus dem Nahen Osten, aber es ist zugleich eine Begegnung der Offenheit, der erneuerten Fähigkeit zu Dialog, Mut und Hoffnung im Hinblick auf die Zukunft.

Pater Lombardi: Danke, Heiliger Vater, für diesen umfassenden Überblick und besonderen Dank für diese so positive und ermutigende Sicht, die Sie uns über die Ziele dieser Reise vermittelt haben. Wir wünschen Ihnen von Herzen, daß diese Reise von dieser Atmosphäre geprägt sei und zu diesen Ergebnissen führen möge, und wir versuchen unsererseits durch eine gute Informationsarbeit dazu beizutragen.

Danke, Heiliger Vater, und gute Reise!


APOSTOLISCHE REISE NACH ZYPERN

(4.-6. JUNI 2010)

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE


Internationaler Flughafen von Paphos

Freitag, 4. Juni 2010

77

Herr Präsident,
Eure Seligkeit Chrysostomos,
Eure Seligkeiten,
Exzellenzen,
geschätzte Vertreter des öffentlichen Lebens,
sehr geehrte Damen und Herren,

Seien Sie gegrüßt! Der Friede sei mit Ihnen! Es ist mir eine große Freude, hier bei Ihnen zu sein.

78 Herr Präsident, ich danke Ihnen für die freundliche Einladung, die Republik Zypern zu besuchen. Herzlich grüße ich Sie wie auch die Regierung und die Bevölkerung dieses Landes. Ich danke Ihnen für die aufmerksamen Worte des Willkommens. Dankbar möchte ich auch ihren Besuch vor kurzem im Vatikan in Erinnerung rufen, und ich freue mich auf unsere Begegnung morgen in Nikosia.

Zypern steht am Schnittpunkt von Kulturen und Religionen und besitzt eine stolze wie lange Geschichte, die immer noch eine starke und sichtbare Auswirkung auf das Leben in Ihrem Land hat. Die Republik Zypern, die vor kurzem der Europäischen Union beigetreten ist, beginnt den Vorzug engerer wirtschaftlicher und politischer Bindungen mit den anderen europäischen Staaten zu spüren. Die Mitgliedschaft hat Ihrem Land schon Zugang zu Märkten, Technologie und Know-how eröffnet. Es bleibt stark zu hoffen, daß diese Mitgliedschaft zu Wohlstand in Ihrem Land führen möge und daß andere Europäer ihrerseits durch das geistige und kulturelle Erbe bereichert werden, das die historische Rolle Zyperns zwischen Europa, Asien und Afrika widerspiegelt. Mögen die Liebe zu Ihrem Heimatland und zu Ihren Familien sowie der Wunsch, unter dem erbarmenden Schutz des Allmächtigen Gottes mit Ihren Nachbarn harmonisch zusammenzuleben, Sie anregen, die verbleibenden Aufgaben, die Sie um der Zukunft Ihrer Insel willen mit der internationalen Gemeinschaft teilen, geduldig zu lösen.

Auf den Spuren unserer gemeinsamen Väter im Glauben, der Heiligen Paulus und Barnabas, bin ich als ein Pilger zu Ihnen gekommen und zugleich als Diener der Diener Gottes. Seit die Apostel die Botschaft des Christentums an diese Küsten gebracht haben, ist Zypern durch ein starkes christliches Erbe gesegnet worden. Ich grüße als einen Bruder in diesem Glauben Seine Seligkeit Chrysostomos II., den Erzbischof von Nea Justiniana und ganz Zypern, und ich freue mich schon darauf, bald viele weitere Mitglieder der Orthodoxen Kirche Zyperns zu treffen.

Ebenso freue ich mich auf die Begegnung mit anderen zypriotischen Religionsführern. Ich hoffe, unsere gemeinsamen Bande zu stärken und wieder die Notwendigkeit zu betonen, gegenseitiges Vertrauen und bleibende Freundschaft zwischen allen, die den einen Gott anbeten, aufzubauen.

Als Nachfolger Petri komme ich in besonderer Weise, um die Katholiken Zyperns zu grüßen, sie im Glauben zu stärken (vgl.
Lc 22,32) und sie zu ermutigen, sowohl vorbildliche Christen wie auch beispielhafte Bürger zu sein und ihren Platz in der Gesellschaft zum Wohl der Kirche wie des Staates einzunehmen.

Im Rahmen meines Aufenthalts bei Ihnen werde ich auch das Instrumentum laboris übergeben, ein Arbeitsdokument im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten, die im weiteren Lauf dieses Jahres in Rom stattfinden wird. Diese Versammlung wird viele Aspekte der Präsenz der Kirche in der Region analysieren und die Herausforderungen untersuchen, denen Katholiken zuweilen unter schwierigen Umständen begegnen, wenn sie ihre Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche leben und ihren Beitrag im Dienst der Gesellschaft und der Welt leisten. Zypern ist daher ein passender Ort, um die Reflexion der Kirche über die jahrhundertealte katholische Gemeinde im Nahen Osten zu beginnen, unsere Solidarität mit allen Christen in der Region zu zeigen und unsere Überzeugung kundzutun, daß sie eine unersetzliche Rolle für den Frieden und die Versöhnung unter den hier lebenden Völkern zu spielen haben.

Herr Präsident, liebe Freunde, mit diesen Gedanken vertraue ich meine Pilgerreise Maria, der Mutter Gottes, an sowie der Fürsprache der Heiligen Paulus und Barnabas.

Gott segne die Menschen Zyperns. Die Allerseligste Jungfrau beschütze euch allezeit.


APOSTOLISCHE REISE NACH ZYPERN

(4.-6. JUNI 2010)

ÖKUMENISCHE FEIER


Kirche "Agia Kiriaki Chrysopolitissa" - Paphos

Freitag, 4. Juni 2010



79 Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Gnade sei mit euch und Friede in Fülle“ (
1P 1,2). Mit großer Freude grüße ich euch, die Vertreter der christlichen Gemeinden in Zypern.

Ich danke Seiner Seligkeit Chrysostomos II. für seinen herzlichen Willkommensgruß, Seiner Eminenz Georgios, dem Metropoliten von Paphos, unserem Gastgeber, und allen, die durch ihre Hilfe diese Begegnung ermöglicht haben. Gerne grüße ich auch die Christen anderer Konfessionen, die hier zugegen sind, unter ihnen die armenische, die evangelische und die anglikanische Gemeinschaft.

Es ist in der Tat eine außerordentliche Gnade, uns hier in der Kirche Agia Kiriaki Chrysopolitissa zum Gebet zu versammeln. Wir haben soeben eine Lesung aus der Apostelgeschichte gehört, die uns in Erinnerung ruft, daß Zypern die erste Station auf den Missionsreisen des Apostels Paulus war (vgl. Ac 13,1-4). Vom Heiligen Geist erwählt, kam Paulus in Begleitung von Barnabas, der aus Zypern stammte, und Markus, dem späteren Evangelisten, zunächst nach Salamis, wo sie begannen, das Wort Gottes in den Synagogen zu verkündigen. Sie durchzogen die Insel und gelangten nach Paphos, wo sie, ganz in der Nähe von hier, in Gegenwart des römischen Prokonsuls Sergius Paulus predigten. Das bedeutet: Von hier aus begann die Botschaft des Evangeliums sich über das ganze Römische Reich auszubreiten, und die Kirche, gegründet auf der Predigt der Apostel, konnte in der ganzen damals bekannten Welt Wurzel schlagen.

Die Kirche in Zypern kann mit Recht auf ihre direkte Verbindung mit der Verkündigung von Paulus, Barnabas und Markus stolz sein sowie auf ihre Gemeinschaft im apostolischen Glauben, eine Gemeinschaft, die sie mit all jenen Kirchen verbindet, die dieselbe Glaubensregel bewahren. Das ist die reale, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft, die uns schon heute eint und die uns anspornt, unsere Spaltungen zu überwinden und nach der Wiederherstellung der vollen sichtbaren Einheit zu streben, wie sie dem Willen des Herrn für alle, die ihm nachfolgen, entspricht. Denn so schreibt Paulus: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Ep 4,4-5).

Die Gemeinschaft der Kirche im apostolischen Glauben ist sowohl eine Gabe als auch ein Aufruf zur Mission. In der Stelle aus der Apostelgeschichte, die wir gehört haben, sehen wir ein Bild der im Gebet vereinten Kirche und ihre Offenheit für die Eingebungen des Geistes, der zur Mission ruft. Wie Paulus und Barnabas ist jeder Christ durch die Taufe auserwählt, ein prophetisches Zeugnis für den auferstandenen Herrn und für das Evangelium der Versöhnung, des Erbarmens und des Friedens abzulegen. In diesem Zusammenhang wird die Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten, die im kommenden Oktober in Rom zusammentreten wird, über die wichtige und notwendige Rolle der Christen dort nachdenken und sie in ihrem Zeugnis für das Evangelium ermutigen sowie einen intensiveren Austausch und eine vermehrte Zusammenarbeit zwischen den Christen in der ganzen Region fördern. Eine bedeutende Bereicherung für die Arbeit der Synode werden die anwesenden brüderlichen Delegierten aus anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften der Region darstellen als ein Zeichen für unseren gemeinsamen Einsatz für den Dienst am Wort Gottes und unserer Offenheit für die Kraft seiner versöhnungstiftenden Gnade.

Die Einheit aller Jünger Christi ist ein Geschenk, um das wir den Vater bitten müssen in der Hoffnung, daß so das Zeugnis für das Evangelium in der Welt von heute gestärkt wird. Der Herr hat für die Heiligkeit und die Einheit seiner Jünger genau aus dem Grund gebetet, daß die Welt glaubt (vgl. Jn 17,21). Bei der Missionskonferenz von Edinburgh vor hundert Jahren ging aus der akut wahrgenommenen Erkenntnis, daß die Spaltungen unter den Christen ein Hindernis für die Verbreitung des Evangeliums darstellen, die ökumenische Bewegung unserer Zeit hervor. Heute können wir dem Herrn dankbar dafür sein, daß wir vor allem in den vergangenen Jahrzehnten unter der Führung seines Geistes das reiche apostolische Erbe wiederentdeckt haben, das Ost und West miteinander teilen, und daß wir in einem geduldigen und aufrichtigen Dialog Wege finden konnten, um einander näher zu kommen, alte Streitfragen zu überwinden und in eine bessere Zukunft zu blicken.

Mit ihrer Brückenfunktion zwischen Ost und West hat die Kirche in Zypern viel zu diesem Versöhnungsprozeß beigetragen. Auf dem Weg zum Ziel der vollen Einheit wird es sicher nicht an Schwierigkeiten fehlen, doch die Katholische Kirche und die Orthodoxe Kirche Zyperns sind entschlossen, auf dem Weg des Dialogs und der brüderlichen Zusammenarbeit voranzuschreiten. Der Heilige Geist erleuchte unseren Verstand und stärke unseren Willen, damit wir gemeinsam die Botschaft des Heils den Menschen unserer Zeit bringen können, die nach der Wahrheit dürsten, die echte Freiheit und Heil schenkt (vgl. Jn 8,32), die Wahrheit, die den Namen Jesus Christus trägt!

Liebe Schwestern und Brüder, zum Abschluß möchte ich noch die Heiligen in Erinnerung rufen, die die Zierde der Kirche in Zypern sind, und unter ihnen besonders den heiligen Epiphanius, Bischof von Salamis. Die Heiligkeit ist ein Zeichen der Fülle des christlichen Lebens, eine tiefe innere Empfänglichkeit für den Heiligen Geist, der uns in unserem Streben, Christus, unserem Erlöser, immer ähnlicher zu werden, beständig zur Umkehr und Erneuerung ruft. Umkehr und Heiligkeit sind auch die bevorzugten Mittel, um unseren Verstand und unser Herz für das zu öffnen, was der Herr für die Einheit der Kirche will. Dankbar für diese Begegnung und die brüderliche Zuneigung, die uns verbindet, bitten wir die Heiligen Barnabas und Epiphanius sowie die Heiligen Petrus und Paulus und alle Heiligen Gottes, unsere Gemeinden zu segnen, uns im Glauben der Apostel zu bewahren und unsere Schritte auf dem Weg der Einheit, der Liebe und des Friedens zu führen.


ANSPRACHE 2010 73