BOTSCHAFT 2006-2010 47
47 Thema: »Die Berufungen im Dienst der Kirche in ihrer Sendung«
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Für den Weltgebetstag um geistliche Berufungen, der am 13. April 2008 abgehalten werden wird, habe ich folgendes Thema gewählt: Die Berufungen im Dienst der Kirche in ihrer Sendung. Den Aposteln vertraute der auferstandene Jesus den Auftrag an: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Und er versicherte ihnen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Die Kirche ist als ganze und in jedem ihrer Glieder missionarisch. Wenn kraft der Sakramente der Taufe und der Firmung jeder Christ berufen ist, das Evangelium zu bezeugen und zu verkünden, so ist die missionarische Dimension besonders und sehr eng mit der priesterlichen Berufung verbunden. Im Bund mit Israel vertraute Gott auserwählten Männern, die von ihm berufen und in seinem Namen zum Volk gesandt wurden, die Sendung an, Propheten und Priester zu sein. So tat er es zum Beispiel mit Mose. Jahwe sagte zu ihm: „Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk aus Ägypten heraus! … Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr Gott an diesem Berg verehren“ (Ex 3,10 Ex 3,12). Ebenso geschah es mit den Propheten.
2. Die Verheißungen, die den Vätern gemacht wurden, haben sich in Jesus Christus gänzlich erfüllt. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt in diesem Zusammenhang: „Es kam also der Sohn, gesandt vom Vater, der uns in ihm vor Grundlegung der Welt erwählt und zur Sohnschaft vorherbestimmt hat … Um den Willen des Vaters zu erfüllen, hat Christus das Himmelreich auf Erden begründet, uns sein Geheimnis offenbart und durch seinen Gehorsam die Erlösung gewirkt“ (Dogm. Konst. Lumen gentium LG 3). Und Jesus erwählte sich bereits in seinem öffentlichen Leben während der Verkündigung in Galiläa Jünger als enge Mitarbeiter im messianischen Dienst; zum Beispiel bei der Brotvermehrung, als er zu den Aposteln sagte: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16), und sie so anspornte, sich um die Not der vielen Menschen zu kümmern, denen er Speise geben wollte, um ihren Hunger zu stillen, aber auch um die Speise zu offenbaren, „die für das ewige Leben bleibt“ (Jn 6,27). Er hatte Mitleid mit den Menschen, denn als er durch die Städte und Dörfer zog, traf er viele, die müde und erschöpft waren „wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (vgl. Mt 9,36). Diesem Blick der Liebe entsprang seine Einladung an die Apostel: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38), und er sandte die Zwölf zuerst „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“, mit genauen Anweisungen. Wenn wir innehalten und diesen Abschnitt des Matthäusevangeliums betrachten, der gewöhnlich „Aussendungsrede“ genannt wird, dann bemerken wir all jene Aspekte, die die missionarische Tätigkeit einer christlichen Gemeinschaft, die dem Vorbild und der Lehre Jesu treu bleiben will, kennzeichnen. Wer dem Ruf Jesu entsprechen will, muß mit Klugheit und Arglosigkeit jeder Gefahr und sogar den Verfolgungen gegenübertreten, denn „ein Jünger steht nicht über seinem Meister und ein Sklave nicht über seinem Herrn“ (Mt 10,24). Eins geworden mit dem Meister, sind die Jünger nicht mehr allein bei der Verkündigung des Himmelreiches, sondern Jesus selbst wirkt in ihnen: „Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ (Mt 10,40). Darüber hinaus verkündigen sie als wahre Zeugen, „mit der Kraft aus der Höhe erfüllt“ (Lc 24,49), allen Völkern, „sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden“ (Lc 24,47).
3. Eben weil sie vom Herrn gesandt sind, erhalten die Zwölf den Namen „Apostel“. Sie sind dazu bestimmt, durch die Straßen der Welt zu ziehen und als Zeugen des Todes und der Auferstehung Christi das Evangelium zu verkünden. Der hl. Paulus schreibt an die Christen von Korinth: „Wir“ – also die Apostel – „verkündigen Christus als den Gekreuzigten“ (1Co 1,23). Die Apostelgeschichte weist in diesem Evangelisierungsprozeß auch anderen Jüngern eine sehr wichtige Rolle zu, deren missionarische Berufung Umständen entspringt, die von der Vorsehung bestimmt und manchmal schmerzhaft sind, wie die Vertreibung aus dem eigenen Land als Jünger Christi (vgl. 8,1-4). Der Heilige Geist macht es möglich, diese Prüfung in eine Gelegenheit der Gnade umzuwandeln und sie zum Anstoß werden zu lassen, damit der Name des Herrn anderen Völkern verkündigt werde und sich auf diese Weise der Kreis der christlichen Gemeinde erweitere. Es handelt sich um Männer und Frauen, die, wie Lukas in der Apostelgeschichte schreibt, „für den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, ihr Leben eingesetzt haben“ (15,26). Der erste von allen, der vom Herrn selbst berufen wurde und damit ein wahrer Apostel ist, ist zweifellos Paulus von Tarsus. Die Geschichte des Paulus, des größten Missionars aller Zeiten, macht unter vielen Gesichtspunkten die Verbindung zwischen Berufung und Sendung deutlich. Von seinen Gegnern angeklagt, nicht zum Aposteldienst ermächtigt zu sein, beruft er sich immer wieder genau auf die Berufung, die er unmittelbar vom Herrn empfangen hat (vgl. Rm 1,1 Ga 1,11-12 Ga 1,15-17).
4. Am Anfang, wie auch späterhin, ist es stets „die Liebe Christi“, die die Apostel „drängt“ (vgl. 2Co 5,14). Als treue Diener der Kirche, fügsam gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes, sind unzählige Missionare im Laufe der Jahrhunderte den Spuren der ersten Jünger gefolgt. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: „Obwohl jedem Jünger Christi die Pflicht obliegt, nach seinem Teil den Glauben auszusäen, beruft Christus der Herr aus der Schar der Jünger immer wieder solche, die er selbst will, damit sie bei ihm seien und er sie zur Verkündigung bei den Völkern aussende (vgl. Mc 3,13-15)“ (Dekr. Ad gentes AGD 23). Die Liebe Christi muß nämlich den Brüdern durch das Beispiel und mit Worten, mit dem ganzen Leben vermittelt werden. Mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. schrieb: „Die besondere Berufung der Missionare auf Lebenszeit behält ihre volle Gültigkeit: Sie verkörpert das Beispiel des missionarischen Einsatzes der Kirche, die immer auf die radikale und ganzheitliche Hingabe angewiesen ist, auf neue und kühne Impulse“ (Enzykl. Redemptoris missio RMi 66).
5. Unter den Personen, die sich ganz dem Dienst am Evangelium hingeben, sind insbesondere Priester, die berufen sind, das Wort Gottes weiterzugeben, die Sakramente zu spenden, besonders die Eucharistie und die Versöhnung, die sich dem Dienst an den Geringsten widmen, an den Kranken, den Leidenden, den Armen und an denen, die schwere Zeiten durchmachen in Regionen der Erde, wo es manchmal viele Menschen gibt, die noch heute keine wirkliche Begegnung mit Jesus Christus hatten. Zu ihnen tragen die Missionare die erste Verkündigung seiner erlösenden Liebe. Die Statistiken bezeugen, daß die Zahl der Getauften jedes Jahr zunimmt dank der Seelsorgetätigkeit dieser Priester, die ganz dem Heil der Brüder und Schwestern geweiht sind. In diesem Zusammenhang gebührt besondere Anerkennung den „Fidei-donum-Priestern, die im Dienst der Mission der Kirche mit Kompetenz und großherziger Hingabe die Gemeinde aufbauen, indem sie ihr das Wort Gottes verkünden und das Brot des Lebens brechen, ohne ihre Kräfte zu schonen. Man muß Gott danken für die vielen Priester, die Leiden bis zum Opfer des eigenen Lebens ertragen haben, um Christus zu dienen. … Es handelt sich um erschütternde Zeugnisse, die viele junge Menschen anregen können, ihrerseits Christus nachzufolgen, ihr Leben für die anderen hinzugeben und gerade so das wahre Leben zu finden“ (Apost. Schreiben Sacramentum caritatis, 26). Durch seine Priester macht Christus sich also unter den Menschen von heute gegenwärtig, bis in die entferntesten Winkel der Erde.
6. Seit jeher gibt es in der Kirche nicht wenige Männer und Frauen, die, vom Wirken des Heiligen Geistes bewegt, sich entschließen, das Evangelium radikal zu leben, indem sie die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams ablegen. Diese Schar von Ordensmännern und Ordensfrauen, die zahllosen Instituten des kontemplativen und aktiven Lebens angehören, hat „bisher den größten Anteil an der Evangelisierung der Welt“ (Dekr. Ad gentes AGD 40). Mit ihrem beständigen und gemeinschaftlichen Gebet halten die Ordensleute des kontemplativen Lebens unablässig Fürbitte für die ganze Menschheit; diejenigen des aktiven Lebens bringen durch ihr vielgestaltiges karitatives Handeln allen das lebendige Zeugnis der Liebe und der Barmherzigkeit Gottes. In bezug auf diese Apostel unserer Zeit sagte der Diener Gottes Paul VI.: „Durch ihre Ganzhingabe im Ordensstand sind sie im Höchstmaß frei und willens, alles zu verlassen und hinzugehen, um das Evangelium zu verkünden bis an die Grenzen der Erde. Sie sind voll Unternehmungsgeist, und ihr Apostolat ist oft von einer Originalität, von einer Genialität gekennzeichnet, die Bewunderung abnötigen. Sie geben sich ganz an ihre Sendung hin: Man findet sie oft an der vordersten Missionsfront, und sie nehmen größte Risiken für Gesundheit und Leben auf sich. Ja, wahrhaftig, die Kirche schuldet diesen Ordensleuten viel“ (Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi EN 69).
7. Damit die Kirche auch weiterhin die ihr von Christus anvertraute Sendung ausüben kann und es nicht fehlen möge an Verkündern des Evangeliums, derer die Welt bedarf, ist es außerdem notwendig, daß in den christlichen Gemeinden die ständige Erziehung der Kinder und Erwachsenen zum Glauben niemals nachläßt und in den Gläubigen ein aktiver Sinn für die missionarische Verantwortung und die solidarische Gemeinschaft mit den Völkern der Erde aufrechterhalten wird. Durch das Geschenk des Glaubens sind alle Christen berufen, an der Evangelisierung mitzuarbeiten. Dieses Bewußtsein muß genährt werden durch die Verkündigung und die Katechese, durch die Liturgie und eine ständige Hinführung zum Gebet; es muß verstärkt werden durch die Übung der Annahme, der Nächstenliebe, der geistlichen Begleitung, der Reflexion und der Entscheidungsfindung, ebenso wie durch eine pastorale Planung, deren fester Bestandteil die Aufmerksamkeit gegenüber den Berufungen sein muß.
8. Nur in einem geistlich gut bestellten Acker gedeihen die Berufungen zum Priesteramt und zum geweihten Leben. In der Tat werden die christlichen Gemeinden, die die missionarische Dimension des Geheimnisses der Kirche in der Tiefe leben, niemals die Tendenz haben, sich in sich selbst zurückzuziehen. Die Sendung als Zeugnis der göttlichen Liebe wird besonders wirkmächtig, wenn sie in Gemeinschaft geteilt wird, „damit die Welt glaubt“ (Jn 17,21). Das Geschenk der Berufungen ist das Geschenk, das die Kirche jeden Tag vom Heiligen Geist erbittet. Wie in ihren Anfängen versammelt sich die kirchliche Gemeinschaft um die Jungfrau Maria, Königin der Apostel, und lernt von ihr, den Herrn um eine Blüte neuer Apostel zu bitten, die es verstehen, selbst den Glauben und die Liebe zu leben, die für die Sendung notwendig sind.
9. Während ich diese Überlegungen allen kirchlichen Gemeinschaften anvertraue, auf daß diese sie sich zu eigen machen und sie vor allem als Ansporn zum Gebet nehmen, ermutige ich den Einsatz derjenigen, die mit Glauben und Großherzigkeit im Dienste an den Berufungen tätig sind. Von Herzen erteile ich den Ausbildern, den Katecheten und allen, insbesondere den jungen Menschen auf dem Berufungsweg, von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.
48 Aus dem Vatikan, am 3. Dezember 2007
Thema: »Das Vertrauen in die Initiative Gottes und die menschliche Antwort«
Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!
Anläßlich des kommenden Weltgebetstages um Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben, der am 3. Mai 2009, dem vierten Sonntag der Osterzeit, begangen wird, möchte ich das ganze Gottesvolk dazu einladen, über folgendes Thema nachzudenken: Das Vertrauen in die Initiative Gottes und die menschliche Antwort. In der Kirche ist stets die Mahnung Jesu an seine Jünger zu vernehmen: »Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (Mt 9,38). Bittet! Der eindringliche Aufruf des Herrn macht deutlich, daß das Gebet für die Berufungen unablässig und voll Vertrauen sein muß. Nur wenn sie vom Gebet beseelt ist, kann die christliche Gemeinschaft nämlich wirklich »mit mehr Glauben und Hoffnung auf die Initiative Gottes vertrauen« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis, 26).
Die Berufung zum Priestertum und zum geweihten Leben ist ein besonderes göttliches Geschenk, das sich in den großen Liebes- und Heilsplan einfügt, den Gott für jeden Menschen und für die gesamte Menschheit hat. Der Apostel Paulus, dessen wir ganz besonders jetzt im Paulusjahr anläßlich des 2000. Jahrestages seiner Geburt gedenken, sagt im Brief an die Epheser: »Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott« (Ep 1,3-4). Innerhalb der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit tritt die besondere Initiative Gottes hervor, durch die er einige dazu auserwählt, seinem Sohn Jesus Christus enger nachzufolgen und dessen bevorzugte Diener und Zeugen zu sein. Der göttliche Meister berief persönlich die Apostel, »die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben« (Mc 3,14-15); sie haben ihrerseits andere Jünger in ihren Kreis aufgenommen, treue Mitarbeiter im missionarischen Dienst. Und so haben im Laufe der Jahrhunderte unzählige Priester und Personen des geweihten Lebens in Antwort auf den Ruf des Herrn und in Bereitschaft gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes sich in der Kirche ganz in den Dienst des Evangeliums gestellt. Wir wollen dem Herrn danken, der auch heute weiter Arbeiter in seinen Weinberg beruft. Wenn es tatsächlich in einigen Regionen der Erde einen besorgniserregenden Priestermangel gibt und Schwierigkeiten und Hindernisse den Weg der Kirche begleiten, so trägt uns doch die unerschütterliche Gewißheit, daß der Herr sie auf den Pfaden der Geschichte sicher führt bis hin zur endgültigen Vollendung des Gottesreiches. Frei erwählt er Personen jeder Kultur und jeden Alters gemäß den unergründlichen Plänen seiner barmherzigen Liebe und lädt sie in seine Nachfolge ein.
Unsere erste Pflicht ist es daher, diesen Ruf der göttlichen Initiative in den Familien und in den Pfarreien, in den Bewegungen und in den apostolisch tätigen Verbänden, in den Ordensgemeinschaften und in allen Gliederungen des diözesanen Lebens durch das unablässige Gebet lebendig zu erhalten. Wir müssen beten, daß das ganze christliche Volk im Vertrauen auf Gott wachsen möge – in der Überzeugung, daß der »Herr der Ernte« nicht aufhört, manche zu rufen, ihr Leben aus freiem Willen dafür einzusetzen, enger mit ihm am Heilswerk mitzuarbeiten. Und von seiten der Berufenen ist aufmerksames Hören und kluges Unterscheiden gefordert, großherzige und bereitwillige Zustimmung zum göttlichen Plan, ernsthafte Vertiefung dessen, was zur Berufung zum Priestertum und zum Ordensleben gehört, um dem in verantwortlicher und überzeugter Weise zu entsprechen. Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert zu Recht daran, daß die freie Initiative Gottes die freie Antwort des Menschen verlangt: eine positive Antwort, die immer voraussetzt, daß der Plan, den Gott mit einem jeden Menschen hat, angenommen und geteilt wird; eine Antwort, die die Initiative der Liebe des Herrn aufgreift und die für den Berufenen zum verbindlichen moralischen Anspruch wird, zur dankbaren Ehrerbietung an Gott und zur völligen Mitwirkung am Plan, den er in der Geschichte verfolgt (vgl. Nr. 2062).
Wenn wir das Geheimnis der Eucharistie betrachten, das in höchstem Maße das freie Geschenk zum Ausdruck bringt, das der Vater in der Person des eingeborenen Sohnes für das Heil der Menschen gemacht hat, sowie die volle und fügsame Bereitschaft Christi, den »Kelch« des Willens Gottes ganz zu leeren (vgl. Mt 26,39), dann verstehen wir besser, wie »das Vertrauen in die Initiative Gottes« die »menschliche Antwort« formt und ihr Wert verleiht. In der Eucharistie, dem vollkommenen Geschenk, das den Liebesplan für die Erlösung der Welt umsetzt, gibt sich Jesus aus freiem Willen für das Heil der Menschheit hin. »Die Kirche« – schrieb mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. – »hat die Eucharistie von Christus, ihrem Herrn, nicht als eine kostbare Gabe unter vielen anderen erhalten, sondern als die Gabe schlechthin, da es die Gabe seiner selbst ist, seiner Person in seiner heiligen Menschheit wie auch seines Erlösungswerkes« (Enzyklika Ecclesia de Eucharistia EE 11).
Dieses Heilsgeheimnis durch alle Jahrhunderte hindurch bis zur glorreichen Wiederkunft des Herrn fortzusetzen ist die Bestimmung der Priester, die gerade im eucharistischen Christus das erhabene Vorbild eines »Dialogs der Berufung« zwischen der freien Initiative des Vaters und der vertrauensvollen Antwort Christi betrachten können. In der Feier der Eucharistie handelt Christus selbst in jenen, die er sich als seine Diener erwählt; er stützt sie, damit ihre Antwort sich in einer Dimension des Vertrauens und der Dankbarkeit entfalten kann, die jede Angst vertreibt, auch wenn die Erfahrung der eigenen Schwachheit stärker wird (vgl. Rm 8,26-30) oder wenn das Umfeld durch Unverständnis oder sogar Verfolgung rauher wird (vgl. Rm 8,35-39).
Das Bewußtsein, durch die Liebe Christi gerettet zu sein, das jede Heilige Messe in den Gläubigen und besonders in den Priestern nährt, muß in ihnen eine vertrauensvolle Hingabe an Christus hervorrufen, der für uns sein Leben hingegeben hat. An den Herrn zu glauben und sein Geschenk anzunehmen führt also dahin, sich ihm mit dankbarem Herzen anzuvertrauen und seinem Heilsplan zuzustimmen. Wenn das geschieht, dann verläßt der »Berufene« gerne alles und begibt sich in die Schule des göttlichen Meisters; dann beginnt ein fruchtbarer Dialog zwischen Gott und dem Menschen, eine geheimnisvolle Begegnung zwischen der Liebe des Herrn, der ruft, und der Freiheit des Menschen, der ihm in Liebe antwortet, während er in seinem Herzen die Worte Jesu vernimmt: »Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt« (Jn 15,16).
Dieses Flechtwerk der Liebe aus göttlicher Initiative und menschlicher Antwort ist auch und in wunderbarer Weise in der Berufung zum geweihten Leben vorhanden. Das Zweite Vatikanische Konzil ruft in Erinnerung: »Die evangelischen Räte der Gott geweihten Keuschheit, der Armut und des Gehorsams sind, in Wort und Beispiel des Herrn begründet und von den Aposteln und den Vätern wie auch den Lehrern und Hirten der Kirche empfohlen, eine göttliche Gabe, welche die Kirche von ihrem Herrn empfangen hat und in seiner Gnade immer bewahrt« (Konstitution Lumen gentium LG 43). Auch hier ist Jesus wiederum das Vorbild schlechthin für die vollkommene und vertrauensvolle Zustimmung zum Willen des Vaters, auf das jede geweihte Person blicken muß. Von ihm angezogen, haben von den ersten Jahrhunderten des Christentums an viele Männer und Frauen Familie, Besitz, materielle Reichtümer und all das verlassen, was aus menschlicher Sicht erstrebenswert ist, um Christus großherzig nachzufolgen und kompromißlos sein Evangelium zu leben, das für sie zur Schule radikaler Heiligkeit wurde. Auch heute beschreiten viele diesen anspruchsvollen Weg evangeliumsgemäßer Vollkommenheit und verwirklichen ihre Berufung durch das Gelübde der evangelischen Räte. Das Zeugnis dieser unserer Brüder und Schwestern in den Klöstern des kontemplativen Lebens sowie in den Instituten und in den Kongregationen des apostolischen Lebens erinnert das Gottesvolk an »jenes Geheimnis des Gottesreiches, das bereits in der Geschichte wirksam ist, seine Vollendung aber im Himmel erwartet« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata VC 1).
49 Wer kann sich für würdig halten, den priesterlichen Dienst auf sich zu nehmen? Wer kann das gottgeweihtes Leben ergreifen, wenn er sich dabei nur auf die menschlichen Fähigkeiten verläßt? Es ist gut, noch einmal zu betonen, daß die Antwort des Menschen auf den göttlichen Ruf – wenn man sich bewußt ist, daß Gott selbst die Initiative ergreift und daß er ebenso seinen Heilsplan zu Ende führt – niemals die Form ängstlicher Berechnung des faulen Dieners annimmt, der aus Angst das ihm anvertraute Talent in der Erde versteckte (vgl. Mt 25,14-30). Vielmehr kommt sie durch eine bereitwillige Annahme der Einladung des Herrn zum Ausdruck – wie bei Petrus, als er nicht zögerte, seinem Wort zu trauen und die Netze aufs neue auszuwerfen, obwohl er die ganze Nacht gearbeitet hatte, ohne etwas zu fangen (vgl. Lc 5,5). Ohne auch nur im geringsten auf die persönliche Verantwortung zu verzichten, wird die freie Antwort des Menschen gegenüber Gott so zur »Mitverantwortung«, zur Verantwortung in und mit Christus, kraft des Wirkens seines Heiligen Geistes; sie wird zur Gemeinschaft mit Christus, der uns fähig macht, reiche Frucht zu bringen (vgl. Jn 15,5).
Die beispielhafte menschliche Antwort, voll Vertrauen in die Initiative Gottes, ist das großherzige und vollkommene »Amen« der Jungfrau von Nazaret, das diese mit demütiger und entschiedener Zustimmung zu den Plänen des Höchsten gesprochen hat, die ihr vom himmlischen Boten mitgeteilt wurden (vgl. Lc 1,38). Durch ihr bereitwilliges »Ja« konnte sie die Mutter Gottes werden, die Mutter unseres Erlösers. Dieses erste »Fiat« mußte Maria später noch viele weitere Male wiederholen, bis hin zum Höhepunkt der Kreuzigung Jesu, als sie »bei dem Kreuz stand«, wie der Evangelist Johannes schreibt, und am schrecklichen Schmerz ihres unschuldigen Sohnes teilhatte. Und eben vom Kreuz herab hat der sterbende Jesus sie uns zur Mutter gegeben und hat uns ihr als Kinder anvertraut (vgl. Jn 19,26-27), als Mutter besonders der Priester und der geweihten Personen. Ihr möchte ich alle anvertrauen, die den Ruf Gottes verspüren, sich auf den Weg zu machen zum Priesteramt oder zum geweihten Leben.
Liebe Freunde, werdet nicht mutlos angesichts von Schwierigkeiten und Zweifeln; vertraut auf Gott und folgt Christus treu nach, und ihr werdet Zeugen der Freude sein, die der innigen Vereinigung mit ihm entspringt. In Nachahmung der Jungfrau Maria, die alle Geschlechter seligpreisen, weil sie geglaubt hat (vgl. Lc 1,48), bemüht euch mit aller geistlichen Kraft, den Heilsplan des himmlischen Vaters zu verwirklichen, indem ihr wie sie in eurem Herzen die Fähigkeit bewahrt zu staunen und den anzubeten, der die Macht hat, »Großes« zu tun, denn sein Name ist heilig (vgl. ebd.1,49).
Aus dem Vatikan, am 20. Januar 2009
Thema: Das Zeugnis weckt Berufungen.
Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!
Der 47. Weltgebetstag um geistliche Berufungen, der am 25. April 2010, dem 4. Sonntag der Osterzeit – dem Sonntag des „Guten Hirten“ – gefeiert wird, gibt mir Gelegenheit, ein Thema zum Nachdenken zu unterbreiten, das sich gut in das Priesterjahr einfügt: Das Zeugnis weckt Berufungen. Ob Bemühungen in der Berufungspastoral Früchte zeitigen, hängt in der Tat zuallererst von Gottes gnädigem Handeln ab. Die pastorale Erfahrung zeigt jedoch, daß auch die Qualität und der Reichtum des persönlichen und des gemeinschaftlichen Zeugnisses derer, die im Priesteramt und im geweihten Leben bereits auf den Ruf des Herrn geantwortet haben, zur Fruchtbarkeit beitragen; denn ihr Zeugnis kann in anderen den Wunsch wecken, ebenso großherzig dem Ruf Christi zu entsprechen. Es besteht also ein enger Zusammenhang mit dem Leben und der Sendung der Priester und gottgeweihten Männer und Frauen. Ich möchte daher alle einladen, die der Herr zur Arbeit in seinen Weinberg gerufen hat, gerade jetzt im Priesterjahr, das ich anläßlich des 150. Todestages des heiligen Johannes Maria Vianney ausgerufen habe, ihre Antwort in Treue zu erneuern. Der Pfarrer von Ars ist ein stets zeitgemäßes Vorbild für alle Priester und Pfarrer.
Schon im Alten Testament waren sich die Propheten bewußt, daß sie dazu berufen sind, mit ihrem Leben zu bezeugen, was sie verkündigen, und dafür auch Unverständnis, Ablehnung und Verfolgung zu ertragen. Die ihnen von Gott anvertraute Aufgabe nahm ihre ganze Existenz in Anspruch wie ein „brennendes Feuer“ im Herzen, das man nicht zu löschen vermag (vgl. Jer Jr 20,9). So waren sie bereit, dem Herrn nicht nur ihre Stimme zu schenken, sondern alles, was zu ihrem Leben gehörte.
In der Fülle der Zeit bezeugt Jesus, der Gesandte des Vaters (vgl. Jn 5,36), durch seine Sendung die Liebe Gottes zu allen Menschen, ohne Unterschied und mit besonderer Sorge um die Letzten, die Sünder, die Ausgegrenzten, die Armen. Er ist der erhabenste Zeuge für Gott und seinen Willen, alle Menschen zu retten. Beim Anbruch dieser neuen Zeit bezeugt Johannes der Täufer durch ein Leben, das ganz darauf ausgerichtet ist, Christus den Weg zu bereiten, daß sich im Sohn Marias von Nazaret Gottes Verheißung erfüllt. Als er ihn zum Jordan kommen sieht, wo er taufte, verweist er seine Jünger auf ihn als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Jn 1,29). Sein Zeugnis trägt reiche Frucht: Zwei seiner Jünger „hörten, was er sagte, und folgten Jesus“ (Jn 1,37).
Auch die Berufung des Petrus nimmt gemäß der Schilderung des Evangelisten Johannes ihren Weg über das Zeugnis seines Bruders Andreas. Nachdem dieser dem Meister begegnet und seiner Einladung, bei ihm zu bleiben, gefolgt ist, verspürt er das Bedürfnis, sofort seinem Bruder mitzuteilen, was er entdeckt hatte, als er beim Herrn „geblieben ist“: „Wir haben den Messias gefunden. Messias heißt übersetzt: der Gesalbte (Christus). Und er führte ihn zu Jesus“ (Jn 1,41-42). Ebenso verhielt es sich mit Natanaël – Bartholomäus – dank des Zeugnisses eines anderen Jüngers, Philippus, der ihm freudig seine große Entdeckung mitteilte: „Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den Sohn Josefs“ (Jn 1,45). Die völlig freie Initiative Gottes trifft auf die Verantwortung der Menschen und bewirkt, daß jene, die seine Einladung annehmen, durch ihr Zeugnis wiederum zu Werkzeugen des göttlichen Rufs werden. Das geschieht auch heute in der Kirche: Gott bedient sich des Zeugnisses der Priester, die ihrer Sendung treu sind, um neue Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben im Dienst des Gottesvolkes zu wecken. Aus diesem Grund möchte ich drei Aspekte des priesterlichen Lebens ins Gedächtnis rufen, die mir für ein wirksames Zeugnis des Priesters wesentlich erscheinen.
50 Das grundlegende und charakteristische Element jeder Berufung zum Priestertum und zum geweihten Leben ist die Freundschaft mit Christus. Jesus lebte in ständiger Einheit mit dem Vater. Das weckte auch in den Jüngern den Wunsch, dieselbe Erfahrung machen zu dürfen und von ihm zu lernen, in ständiger Gemeinschaft und in immerwährendem Dialog mit Gott zu leben. Wenn der Priester ein „Mann Gottes“ ist, der Gott gehört und der anderen hilft, Gott kennen und lieben zu lernen, muß er eine tiefe Verbindung mit Gott pflegen, in seiner Liebe verweilen und dem Hören auf sein Wort Raum geben. Das Gebet ist das wichtigste Zeugnis, das Berufungen weckt. Ebenso wie der Apostel Andreas, der seinem Bruder mitteilt, daß er den Meister kennengelernt hat, muß derjenige, der Jünger und Zeuge Christi sein will, ihn persönlich „gesehen“ und kennengelernt haben; er muß gelernt haben, ihn zu lieben und bei ihm zu sein.
Ein weiterer Aspekt des Weihepriestertums und des geweihten Lebens ist die vollständige Hingabe seiner selbst an Gott. Der Apostel Johannes schreibt: „Daran haben wir die Liebe erkannt, daß er sein Leben für uns hingegeben hat. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben“ (1Jn 3,16). Mit diesen Worten lädt er die Jünger ein, in die Logik Jesu einzutreten, der in seinem ganzen Leben den Willen des Vaters bis zur äußersten Selbsthingabe am Kreuz erfüllt hat. Hier offenbart sich die Barmherzigkeit Gottes in ihrer ganzen Fülle: barmherzige Liebe, die die Finsternis des Bösen, der Sünde und des Todes überwunden hat. Das Bild, wie Jesus beim Letzten Abendmahl vom Tisch aufsteht, sein Gewand ablegt, sich mit einem Leinentuch umgürtet und sich niederbeugt, um den Aposteln die Füße zu waschen, bringt den Dienst und die Hingabe zum Ausdruck, die er sein ganzes Leben hindurch im Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters gezeigt hat (vgl. Jn 13,3-15). In der Nachfolge Jesu muß jeder, der zu einem Leben besonderer Weihe berufen ist, sich bemühen, Zeuge für die völlige Selbsthingabe an Gott zu werden. Von da kommt die Fähigkeit, sich in voller, beständiger und treuer Hingabe für jene einzusetzen, die die Vorsehung ihrem Hirtendienst anvertraut hat, und mit Freude Wegbegleiter vieler Brüder und Schwestern zu werden, damit sie sich für die Begegnung mit Christus öffnen und sein Wort zum Licht auf ihrem Weg wird. Die Geschichte einer jeden Berufung ist fast immer mit dem Zeugnis eines Priesters verbunden, der mit Freude seine Selbsthingabe an die Brüder und Schwestern um des Himmelreiches willen lebt. Die Nähe und das Wort eines Priesters können nämlich Fragen aufkommen lassen und auch endgültige Entscheidungen herbeiführen (vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis PDV 39).
Ein dritter Aspekt, der Priester und gottgeweihte Männer und Frauen unbedingt auszeichnen sollte, ist schließlich das Leben in Gemeinschaft. Jesus hat die tiefe Gemeinschaft in der Liebe zum Merkmal derer erklärt, die seine Jünger sein wollen: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Jn 13,35). Insbesondere der Priester muß ein Gemeinschaftsmensch sein, der allen Menschen gegenüber offen ist und die ganze Herde, die ihm der Herr in seiner Güte anvertraut hat, auf dem Weg zusammenhalten kann. Er muß helfen, Spaltungen zu überwinden, Risse zu heilen, Unverständnis und Gegensätze auszugleichen, Kränkungen zu vergeben. Bei meiner Begegnung mit dem Klerus von Aosta im Juli 2005 habe ich gesagt, daß die Jugendlichen, wenn sie isolierte und traurige Priester sehen, bestimmt nicht dazu ermutigt werden, diesem Beispiel zu folgen. Sie werden unsicher, wenn sie den Eindruck bekommen, daß dies die Zukunft eines Priesters ist. Daher ist es wichtig, ein Leben in Gemeinschaft zu führen, das ihnen zeigt, wie schön es ist, Priester zu sein. Dann wird der Jugendliche sagen: „Das kann auch für mich eine Zukunft sein, so kann man leben“ (Ansprache in der Pfarrkirche von Introd/Aostatal, 25. Juli 2005). Das Zweite Vatikanische Konzil hebt in bezug auf das Zeugnis, das Berufungen weckt, das Beispiel der Liebe und der brüderlichen Gemeinschaft in der Arbeit hervor, das die Priester geben müssen (vgl. Dekret Optatam totius OT 2).
Ich möchte in Erinnerung rufen, was mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. schrieb: „Das Leben der Priester, ihre bedingungslose Hingabe an Gottes Herde, ihr Zeugnis des liebevollen Dienstes für den Herrn und seine Kirche – ein Zeugnis, das gekennzeichnet ist von der Annahme des in der Hoffnung und österlichen Freude getragenen Kreuzes –, ihre brüderliche Eintracht und ihr Eifer für die Evangelisierung der Welt sind der wichtigste und überzeugendste Faktor für die Fruchtbarkeit ihrer Berufung“ (Pastores dabo vobis PDV 41). Man könnte sagen, daß Berufungen zum Priestertum aus dem Kontakt mit Priestern geboren werden, gleichsam wie ein kostbares Erbe, das durch das Wort, durch das Beispiel und durch das ganze Leben weitergegeben wird.
Das gilt auch für das geweihte Leben. Die Existenz der gottgeweihten Männer und Frauen selbst spricht von der Liebe Christi, wenn sie ihm in völliger Treue zum Evangelium nachfolgen und sich seine Urteils- und Verhaltenskriterien in Freude zu eigen machen. Sie werden zum „Zeichen des Widerspruchs“ für die Welt, deren Logik oft vom Materialismus, vom Egoismus und vom Individualismus geprägt ist. Wenn sie sich von Gott ergreifen lassen und sich selbst zurücknehmen, wecken ihre Treue und die Kraft ihres Zeugnisses auch weiterhin im Herzen vieler Jugendlicher den Wunsch, ihrerseits Christus für immer und mit großherziger Ganzhingabe zu folgen. Den keuschen, armen und gehorsamen Christus nachzuahmen und sich mit ihm zu identifizieren – das ist das Ideal des geweihten Lebens, ein Zeugnis für den absoluten Primat Gottes im Leben und in der Geschichte der Menschen.
Jeder Priester und alle gottgeweihten Männer und Frauen, die ihrer Berufung treu sind, geben diese Freude, Christus zu dienen, an andere weiter und laden alle Christen ein, auf die allgemeine Berufung zur Heiligkeit zu antworten. Um die besonderen Berufungen zum Priesteramt und zum geweihten Leben zu fördern und die Berufungspastoral stärker und nachhaltiger zu machen, ist daher das Vorbild jener unverzichtbar, die bereits „ja“ gesagt haben zu Gott und zu dem Plan, den er für jeden Menschen hat. Das persönliche Zeugnis, das aus konkreten Lebensentscheidungen besteht, wird die Jugendlichen ermutigen, ihrerseits anspruchsvolle Entscheidungen über die eigene Zukunft zu treffen. Um ihnen zu helfen, ist jene Kunst der Begegnung und des Dialogs notwendig, die in der Lage ist, sie zu erleuchten und zu begleiten, vor allem durch das Beispiel der als Berufung gelebten Existenz. So hat es der Pfarrer von Ars gemacht: Stets in Kontakt mit den Angehörigen seiner Pfarrgemeinde lehrte er „vor allem mit dem Zeugnis seines Lebens. Durch sein Vorbild lernten die Gläubigen zu beten“ (Schreiben zum Beginn des Priesterjahres, 16. Juni 2009).
Möge dieser Weltgebetstag vielen Jugendlichen erneut eine wertvolle Gelegenheit bieten, über die eigene Berufung nachzudenken und sie mit Einfachheit, Treue und völliger Bereitschaft anzunehmen. Die Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, bewahre im Herzen aller, die der Herr in seine besondere Nachfolge ruft, jeden noch so kleinen Keim der Berufung und lasse ihn zu einem kräftigen Baum werden, reich an Früchten zum Wohl der Kirche und der gesamten Menschheit. Dafür bete ich und erteile allen den Apostolischen Segen.
Aus dem Vatikan, am 13. November 2009
BOTSCHAFT 2006-2010 47