Generalaudienz 2004 34


Mittwoch, 19. Mai 2004



Lesung: Psalm 32,1-2.5.10-11

1 Freude über die Vergebung
[Von David. Ein Weisheitslied.] Wohl dem, dessen Frevel vergeben und dessen Sünde bedeckt ist. 2 Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zur Last legt und dessen Herz keine Falschheit kennt.
5 Da bekannte ich dir meine Sünde und verbarg nicht länger meine Schuld vor dir. Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen. Und du hast mir die Schuld vergeben. [Sela]
10 Der Frevler leidet viele Schmerzen, doch wer dem Herrn vertraut, den wird er mit seiner Huld umgeben.
35 11 Freut euch am Herrn und jauchzt, ihr Gerechten, jubelt alle, ihr Menschen mit redlichem Herzen!

1.. »Wohl dem, dessen Frevel vergeben und dessen Sünde bedeckt ist.« Diese Seligpreisung, mit welcher der soeben verkündete Psalm 32 beginnt, läßt uns sogleich verstehen, warum er von der christlichen Tradition unter die sieben Bußpsalmen eingereiht wurde. Nach der anfänglichen zweifachen Seligpreisung (vgl. V. 1-2) finden wir aber keine allgemeine Reflexion über Sünde und Vergebung, sondern das persönliche Zeugnis eines Bekehrten.

Die Gliederung des Psalms ist ziemlich komplex: Dem persönlichen Zeugnis (vgl. V. 3-5) folgen zwei Verse, in denen von Gefahr, Gebet und Rettung die Rede ist (vgl. V. 6-7), dann eine göttliche Verheißung und ein Rat (vgl. V. 8) sowie eine Ermahnung (vgl. V. 9); den Abschluß bilden ein antithetischer Weisheitsspruch (vgl. V. 10) und eine Einladung, sich am Herrn zu freuen (vgl. V. 11).

2. Wir betrachten jetzt nur einige Teile dieses Werkes. Der Betende beschreibt den traurigen Zustand seines Gewissens, als er »es verschwieg« (V. 3): Nachdem er schwere Schuld auf sich geladen hatte, fand er nicht den Mut, Gott seine Sünden zu bekennen. Es war eine schreckliche innere Qual, die in eindrucksvollen Bildern beschrieben wird. Die Glieder waren matt und ausgetrocknet vom hohen Fieber, dessen Glut die Lebenskraft schwächte; ununterbrochen mußte er stöhnen. Der Sünder spürte die göttliche Hand auf sich lasten, denn er wußte, daß Gott dem von seinem Geschöpf verübten Bösen nicht gleichgültig gegenübersteht, denn er ist der Hüter der Gerechtigkeit und Wahrheit.

3. Weil er es nicht mehr ertragen konnte, entschloß sich der Sünder, seine Schuld in einer mutigen Erklärung zu bekennen, die die Worte des verlorenen Sohnes aus dem Gleichnis Jesu (vgl.
Lc 15,18) vorwegzunehmen scheint. In der Tat spricht er mit aufrichtigem Herzen: »Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen.« Es sind wenige Worte, aber sie kommen aus dem Innersten: Gott antwortet sogleich mit einer großmütigen Vergebung (vgl. Ps 32,5).

Der Prophet Jeremia verkündete folgenden Aufruf Gottes: »Kehr zurück, Israel, du Abtrünnige - Spruch des Herrn! Ich schaue dich nicht mehr zornig an; denn ich bin gütig - Spruch des Herrn -, ich trage nicht ewig nach. Doch erkenne deine Schuld: Dem Herrn, deinem Gott, hast du die Treue gebrochen« (3,12-13).

So öffnet sich vor »jedem Frommen«, der bereut hat und dem vergeben wurde, ein Horizont der Sicherheit, der Zuversicht und des Friedens, trotz der Prüfungen im Leben (vgl. Ps 32,6-7). Die Zeit der Angst mag wiederkommen, aber die heranrückende Flut der Angst wird nicht mehr die Oberhand gewinnen, weil der Herr seinen Frommen an einen sicheren Ort führen wird: »Du bist mein Schutz, bewahrst mich vor Not; du rettest mich und hüllst mich in Jubel« (V. 7).

4. An dieser Stelle ergreift der Herr das Wort und verspricht, daß er von jetzt an den bekehrten Sünder führen wird. Denn es genügt nicht, rein geworden zu sein. Man muß danach den rechten Weg gehen. Wie im Buch des Jesaja (vgl. Jes Is 30,21) verspricht der Herr: »Ich unterweise dich und zeige dir den Weg, den du gehen sollst« (Ps 32,8), und er lädt zum Gehorsam ein. Die Weisung ist fürsorglich, ein wenig vermischt mit Ironie durch den drastischen Vergleich mit dem Maultier und dem Pferd, die Symbole des Starrsinns sind (vgl. V. 9). Denn die wahre Weisheit leitet zur Umkehr an, so daß man dem Laster und seiner gefährlichen Anziehungskraft den Rücken kehrt. Aber sie führt vor allem zum Genuß des Friedens, der aus der Befreiung und Vergebung erwächst.

In seinem Brief an die Römer bezieht sich der Apostel Paulus ausdrücklich auf den Anfang unseres Psalms, um die befreiende Gnade Christi zu preisen (vgl. Rm 4,6-8). Wir könnten ihn auf das Sakrament der Versöhnung anwenden. In ihm spürt man im Licht des Psalms das Bewußtsein von der Sünde, das in unseren Tagen oft getrübt ist, und zugleich die Freude über die Vergebung. Das Wortpaar »Sünde und Strafe« wird durch das Wortpaar »Sünde und Vergebung« ersetzt, weil der Herr ein Gott ist, »der Tausenden Huld bewahrt, Schuld, Sünde und Frevel hinwegnimmt« (Ex 34,7).

5. Der hl. Cyrill von Jerusalem (4. Jh.) verwendet Psalm 32, um den Katechumenen die tiefgehende Erneuerung durch die Taufe, die radikale Reinigung von jeder Sünde, zu erklären (Procatechesi Nr. 15). Auch er lobt, mit den Worten des Psalmisten, das göttliche Erbarmen. Mit seinen Worten wollen wir unsere Katechese beenden: »Gott ist barmherzig und spart nicht mit seiner Vergebung … Alle deine angehäuften Sünden übersteigen nicht die Größe der Barmherzigkeit Gottes: Die Schwere deiner Wunden übersteigt nicht die Fähigkeit des höchsten Arztes, denn du überläßt dich ihm voll Vertrauen. Offenbare dem Arzt dein Böses, und sprich zu ihm mit den Worten Davids: ›Herr, meine Sünden stehen mir immer vor Augen.‹ Dann wirst du sehen, daß sich auch folgende Worte erfüllen: ›Du hast die Gottlosigkeit meines Herzens vergeben‹« (Le Catechesi, Roma 1993, S. 52-53).

Schuld und Sünde bedrücken den Menschen. Solange er sein Versagen verschweigt, quält ihn eine innere Unruhe. Nicht nur sein Gewissen leidet, auch sein ganzes Handeln und Tun werden in Mitleidenschaft gezogen. Erst ein aufrichtiges und mutiges Bekenntnis vor Gott schenkt Befreiung. All dies enthält die Seligpreisung zu Beginn von Psalm 32: „Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zur Last legt und dessen Herz keine Falschheit kennt" (V. 2).

36 Im Sakrament der Buße und der Versöhnung erfahren wir Gottes Barmherzigkeit. Die Freude über die Vergebung der Sünden durch den Herrn gibt uns neue Zuversicht in den Prüfungen des Lebens. Reue und Umkehr allein genügen aber nicht. Wir müssen den Weisungen Gottes folgen und auf seinen Wegen gehen. So führt uns Gott zu Frieden und Heil.

Von Herzen heiße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen. Besonders grüße ich die Delegation der Stadt Schleswig und die Pfarrei St. Ansgar. Vertraut stets auf Gottes Barmherzigkeit! Der Herr begleite euch mit seiner verzeihenden Gnade!

Sehr herzlich grüße ich die vielen Pilger, die sich in einer großen „Wallfahrt der Völker" in Mariazell zum Gebet für Europa vereinen: Pilger aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Österreich, Polen, aus der Slowakei, aus Slowenien, Tschechien, Ungarn und aus anderen Ländern. Euch allen bin ich geistlich ganz nahe. Einen besonderen Gruß entbiete ich auch den Staatsoberhäuptern, Kardinälen, Bischöfen und Priestern, die an der festlichen Liturgie in Mariazell teilnehmen. Mit Euch und für Euch bete ich um eine gesegnete Zeit, in der alle Menschen in Frieden und Wohlergehen zusammenleben können. Die Werte, die unser heiliger christlicher Glaube vorgibt, sind dafür die beste Basis.
***


Liebe Pilger! Als meinen persönlichen Legaten sende ich Euch meinen engsten Mitarbeiter, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano. Am hohen Gnadenort der Magna Mater Austriae, Magna Domina Hungarorum, Alma Mater Gentium Slavorum möge er Euer Beten und Singen leiten. Es geht um kein geringes Anliegen: Die Zukunft des Menschen auf diesem Kontinent! Ich danke Euch allen für Euer Engagement, besonders für Euer Gebet und Opfer. Gottes Heil sei Euer Lohn. Sein Segen begleite Euch!



Mittwoch, 26. Mai 2004

Lesung: Offb 11,16-18; 12,10-12

37 Ap 11,16-18 Ap 12,10-12

Die siebte Posaune: 11,15-19
16 Und die vierundzwanzig Ältesten, die vor Gott auf ihren Thronen sitzen, warfen sich nieder, beteten Gott an
17 und sprachen: Wir danken dir, Herr, Gott und Herrscher über die ganze Schöpfung, der du bist und der du warst; denn du hast deine große Macht in Anspruch genommen und die Herrschaft angetreten.
18 Die Völker gerieten in Zorn. Da kam dein Zorn und die Zeit, die Toten zu richten: die Zeit, deine Knechte zu belohnen, die Propheten und die Heiligen und alle, die deinen Namen fürchten, die Kleinen und die Großen, die Zeit, alle zu verderben, die die Erde verderben.

Der Sturz des Drachen: 12,7-12
10 Da hörte ich eine laute Stimme im Himmel rufen: Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten; denn gestürzt wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte.
11 Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und Zeugnis; sie hielten ihr Leben nicht fest, bis hinein in den Tod.
12 Darum jubelt, ihr Himmel und alle, die darin wohnen. Weh aber euch, Land und Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen; seine Wut ist groß, weil er weiß, daß ihm nur noch eine kurze Frist bleibt.

1. Das Canticum, das wir soeben zum »Herrn, Gott und Herrscher« erhoben haben und das uns in der Liturgie der Vesper vorgestellt wird, ist entstanden durch die Auswahl einiger Verse aus den Kapiteln 11 und 12 der Offenbarung des Johannes. Es ist nunmehr die letzte der sieben Posaunen ertönt, von denen wir in diesem Buch des Kampfes und der Hoffnung hören. Daraufhin stimmen die vierundzwanzig Ältesten des himmlischen Hofstaates, die stellvertretend für alle Gerechten des Alten und des Neuen Bundes stehen (vgl. Ap 4,4 Ap 11,16), einen Hymnus an, der bereits bei den liturgischen Versammlungen der Urkirche verwendet wurde. Sie beten zu Gott, dem Herrscher über die Welt und Geschichte, der bereit ist, sein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und der Wahrheit zu errichten.

In diesem Gebet spüren wir das Herz der Gerechten schlagen, die hoffnungsvoll das Kommen des Herrn erwarten: Er bringt Licht in die Wechselfälle der Menschheit, die so oft in der Finsternis der Sünde, Ungerechtigkeit, Lüge und Gewalt versinkt.

2. Der von den vierundzwanzig Ältesten angestimmte Gesang entfaltet sich vor dem Hintergrund zweier Psalmen: Psalm 2, der ein messianisches Lied ist (vgl. 2,1-5), und Psalm 99, der die Königswürde Gottes feiert (vgl. 99,1). Auf diese Weise wird das gerechte und entscheidende Urteil gepriesen, das der Herr über die gesamte menschliche Geschichte fällen wird.

Es gibt zwei Aspekte dieses heilbringenden Eingreifens, ebenso wie zwei Merkmale, die das Antlitz Gottes beschreiben. Ja, er ist Richter, aber auch Erlöser; er verurteilt das Böse, aber belohnt die Treue; er ist Gerechtigkeit, aber vor allem Liebe.

Bezeichnend ist die Identität der Gerechten, die nun im Reich Gottes Rettung finden. Sie werden in drei Gruppen von »Dienern« des Herrn unterteilt, nämlich die Propheten, die Heiligen und all jene, die seinen Namen fürchten (vgl. Ap 11,18). Es handelt sich hierbei um eine Art geistliches Porträt des Volkes Gottes, entsprechend den Gaben, die es bei der Taufe empfängt und in einem Leben des Glaubens und der Liebe erblühen läßt. Ein Profil, das sich in den Kleinen und den Großen abzeichnet (vgl. 19,5).

3. Unser Hymnus wurde, wie bereits erwähnt, auch unter Verwendung einiger Verse aus Kapitel 12 verfaßt, die sich auf eine großartige und ruhmreiche Szene aus der Offenbarung beziehen. In ihr stoßen die Frau, die den Messias geboren hat, und der Drache der Bosheit und Gewalt aufeinander. In diesem Zweikampf zwischen dem Guten und dem Bösen, der Kirche und dem Satan, erklingt plötzlich eine Stimme vom Himmel, die die Niederlage des »Anklägers« verkündet (vgl. 12,10). Dieser Name ist die Übersetzung des hebräischen Namens Satán, der einer Person gegeben wird, die gemäß dem Buch Ijob Mitglied des himmlischen Hofstaates Gottes ist, wo er zur »Staatsanwaltschaft« gehörte (vgl. Jb 1,9-11 Jb 2,4-5 Za 3,1).

Er »[verklagte] unsere Brüder bei Tag und Nacht vor unserem Gott« und zog somit die Aufrichtigkeit des Glaubens der Gerechten in Zweifel. Nun wurde der satanische Drachen zum Schweigen gebracht und seine Niederlage gründet im »Blut des Lammes« (Ap 12,11), im Leiden und Tod Christi, des Erlösers.

38 Sein Sieg wird mit dem Blutzeugnis der christlichen Märtyrer in Zusammenhang gebracht. Die Gläubigen, die nicht zögerten, »… ihr Leben nicht fest[zuhalten], bis hinein in den Tod« (ebd.), haben tiefen Anteil am Erlösungswerk des Lammes. Wir denken dabei an die Worte Christi: »Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt geringachtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben« (Jn 12,25).

4. Der himmlische Solist, der dieses Canticum angestimmt hat, beschließt es, indem er den ganzen Chor der Engel einlädt, in diesen Hymnus der Freude über das empfangene Heil einzustimmen (vgl. Ap 12,12). Auch wir schließen uns dieser Stimme an durch unseren festlichen und hoffnungsvollen Dank, auch angesichts der Prüfungen, denen wir auf unserem Weg zur Herrlichkeit begegnen.

Wir tun dies, indem wir die Worte hören, die der heilige Märtyrer Polykarp an den »Herrn, Gott und Herrscher« richtete, als er in Fesseln zum Scheiterhaufen geführt wurde: »Herr, Gott, Herrscher des Alls, Vater deines geliebten und gepriesenen Knechtes Jesus Christus …, ich preise dich, daß du mich dieses Tages und dieser Stunde wert gehalten hast, daß ich unter der Schar der Märtyrer am Kelch deines Christus teilhaben darf zur Auferstehung des ewigen Lebens von Seele und Leib in Unverweslichkeit durch den Heiligen Geist. Mit einem reichen, von dir angenommenen Opfer möchte ich heute unter sie eingereiht werden, mit einem Opfer, wie du es mir im voraus bestimmt und verkündet hast und wie du es nun erfüllst, du wahrhaftiger Gott, der die Lüge nicht kennt. Dafür und für alles lobe ich dich. Ich preise und verherrliche dich mit dem ewigen Hohenpriester Jesus Christus im Himmel, deinem geliebten Sohn und Knecht. Durch ihn ist dir mit ihm und dem Heiligen Geist die Ehre jetzt und in Zukunft und in Ewigkeit. Amen.« (Atti e passioni dei martiri, Milano 1987, S. 23.)

Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, zeigt in einer endzeitlichen Vision Gott als Richter und Retter. Auf ewig vernichtet der Herr das Böse; überreich belohnt er die Treue seiner Kinder. Seine Gerechtigkeit gründet in unerschöpflicher Liebe.

Erfüllt von Licht tritt der Erlöser am Ende der Tage erneut in die Geschichte ein. Vor seinem Angesicht werden die Taten eines jeden Menschen offenbar. Das Leben der Gerechten erscheint als Bild der Güte des Schöpfers. Sie nehmen teil an der Hingabe des Gotteslamms und gehen mit Christus ein in die himmlischen Freuden. In den Chor der Engel stimmt der Lobgesang der Erlösten ein: „Darum jubelt, ihr Himmel und alle, die darin wohnen!" (Ap 12,12).
***


Mit Freude begrüße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Gottes Güte ist grenzenlos. Sie inspiriert uns täglich neu zu froher Danksagung. Preist Gott, den Herrn, mit euren guten Werken! Sein Heiliger Geist gieße die Liebe in eure Herzen ein (vgl. Rm 5,5). Sein Friede begleite euch allezeit.



                                                                                   Juni 2004


Mittwoch, 2. Juni 2004



Lesung: Psalm 41,2.5-6.10.13-14

2 Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt; zur Zeit des Unheils wird der Herr ihn retten.
39 5 Ich sagte: Herr, sei mir gnädig, heile mich; denn ich habe gegen dich gesündigt.
6 Meine Feinde reden böse über mich: »Wann stirbt er endlich, und wann vergeht sein Name?«
10 Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, hat gegen mich geprahlt.
13 Weil ich aufrichtig bin, hältst du mich fest und stellst mich vor dein Antlitz für immer.
14 Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen, ja amen.

1. Ein guter Grund dafür, daß wir den soeben gehörten Psalm 41 verstehen und lieben, ist die Tatsache, daß Jesus selbst ihn zitiert hat: »Ich sage das nicht von euch allen. Ich weiß wohl, welche ich erwählt habe, aber das Schriftwort muß sich erfüllen: Einer, der mein Brot aß, hat mich hintergangen« (
Jn 13,18).

Es ist der letzte Abend seines Lebens auf Erden, und Jesus reicht Judas, dem Verräter, im Abendmahlssaal den Bissen Brot zur Speise. Er denkt an diesen Psalmvers, der in Wirklichkeit das Gebet eines von seinen Freunden verlassenen kranken Mannes ist. In diesem alten Gebet findet Jesus die Gefühle und Worte, die seine tiefe Traurigkeit zum Ausdruck bringen.

Wir werden jetzt versuchen, die Handlung dieses Psalms zu verfolgen und zu erhellen. Die Psalmworte wurden von einer Person gesprochen, die sicher unter ihrer Krankheit, aber vor allem unter der grausamen Ironie ihrer »Feinde« (vgl. Ps 41,6-9) und unter dem Verrat seitens eines »Freundes« (vgl. V. 10) leidet.

2. Psalm 41 beginnt mit einer Seligpreisung. Sie ist für den wahren Freund bestimmt, »der sich des Schwachen annimmt«: Am Tag seines Leidens, wenn er »auf dem Krankenbett« liegt, wird der Herr ihn stärken (vgl. V. 2-4).

Der Kern der Bitte findet sich jedoch im nachfolgenden Teil, in dem der Kranke das Wort ergreift (vgl. V. 5-10). Er beginnt seine Rede, indem er Gott um Verzeihung bittet gemäß der traditionellen alttestamentlichen Auffassung, daß jedem Schmerz eine Schuld entspricht: »Herr, sei mir gnädig, heile mich; denn ich habe gegen dich gesündigt « (V. 5; vgl. Ps 38). Für den Juden der Antike war die Krankheit eine Aufforderung des Gewissens, sich zu bekehren.

Obwohl es sich um eine durch Christus, den endgültigen Offenbarer (vgl. Jn 9,1-3), überholte Sichtweise handelt, kann das Leiden an sich einen verborgenen Wert haben und zum Weg der Reinigung, der inneren Befreiung und der seelischen Bereicherung werden. Es lädt uns ein, die Oberflächlichkeit, die Eitelkeit, den Egoismus und die Sünde zu überwinden und sich Gott und seinem Heilswillen noch intensiver anzuvertrauen.

40 3. Aber da treten die Böswilligen in Erscheinung. Sie besuchen den Kranken, aber nicht um ihn zu trösten, sondern um ihn anzuklagen (vgl. V. 6-9). Ihre Worte sind bitter und treffen das Herz des Beters, der eine erbarmungslose Bosheit erfährt. Dieselbe Erfahrung machen viele Arme und Gedemütigte, die zur Einsamkeit verurteilt sind und sich als Belastung ihrer Angehörigen fühlen. Wenn sie manchmal ein Wort des Trostes hören, spüren sie sofort dessen falschen und scheinheiligen Unterton.

Ja, wie gesagt, der Betende erfährt die Gleichgültigkeit und Härte sogar von seiten seiner Freunde (vgl. V. 10), die sich in feindselige und gehässige Gestalten verwandeln. Der Psalmist verwendet für sie das Wort »hintergehen«, die unheilvolle Tat dessen, der einen Unterlegenen mit Füßen treten will, oder der Impuls des Reiters, der sein Pferd mit der Ferse antreibt, damit es den Feind zertrampelt.

Die Bitterkeit sitzt tief, wenn uns »der Freund« enttäuscht, dem man vertraut hat und der in Hebräisch wörtlich »Mann des Friedens« heißt. Wir erinnern uns an Ijobs Freunde, die sich von Lebensgefährten in gleichgültige und feindselige Personen verwandeln (vgl.
Jb 19,1-6). Der Betende vernimmt die Stimmen der Menschen, die in ihrer Krankheit und Schwachheit vergessen und gedemütigt wurden, auch von seiten derer, die ihnen hätten helfen sollen.

4. Das Gebet in Psalm 41 endet aber nicht vor diesem dunklen Hintergrund. Der Beter ist sicher, daß Gott sich am Horizont zeigen und noch einmal seine Liebe offenbaren wird (vgl. V. 11-14). Er wird seine Unterstützung anbieten und den Kranken in die Arme nehmen, der wieder vor das »Antlitz« seines Herrn gestellt werden wird (vgl. V. 13), das heißt im Sprachgebrauch der Bibel, daß er die Erfahrung der Liturgie im Tempel wiedererleben wird.

Der vom Schmerz gezeichnete Psalm endet also in einem hoffnungsvollen Lichtblick. In dieser Sicht wird es verständlich, daß der hl. Ambrosius in seinem Kommentar die anfängliche Seligpreisung (vgl. V. 2) prophetisch als Einladung sieht, das heilbringende Leiden Christi zu betrachten, das zur Auferstehung führt. Der Kirchenvater empfiehlt, die Lektüre des Psalms so zu beginnen: »Selig, wer an das Elend und an die Armut Christi denkt, der reich war und für uns arm geworden ist. Er war reich in seinem Königtum, arm im Fleisch, weil er dieses Fleisch der Armen angenommen hat … Er hat also nicht in seinem Reichtum, sondern in unserer Armut gelitten. Darum hat nicht die Fülle der Gottheit gelitten, sondern das Fleisch … Suche deshalb den Sinn der Armut Christi zu ergründen, wenn du reich werden willst! Suche den Sinn seiner Schwachheit zu ergründen, wenn du die Gesundheit erlangen willst! Suche in den Sinn seines Kreuzes einzudringen, wenn du dich dessen nicht schämen willst; in den Sinn seiner Wunden, wenn du deine Wunden heilen willst; in den Sinn seines Todes, wenn du das ewige Leben erlangen willst; in den Sinn seines Grabes, wenn du die Auferstehung finden willst« (Commento a dodici salmi: SAEMO, VIII, Milano-Roma 1980, S. 39-41).

Krankheit und Not sind Zeiten der Prüfung. Im Leid fühlt sich der Mensch allein und verlassen. Seine Hilflosigkeit, die Bosheit der Feinde und die Gleichgültigkeit der Freunde trüben seinen Lebensmut. Doch der Aufblick zu Christus schenkt neue Zuversicht. Der Herr hat alles Leiden auf sich genommen und durch seine Auferstehung überwunden.

Gott ruft uns dazu auf, nicht in unseren eigenen Sorgen zu verharren, sondern umzukehren und die Leiden der Bedürftigen mitzutragen: „Wohl dem, der sich der Schwachen annimmt, zur Zeit des Unheils wird der Herr ihn retten" (Ps 41,2). In der Not führt Gott uns auf einen Weg der Läuterung und inneren Befreiung. So lädt er uns ein, uns inniger seinem Heilswillen anzuvertrauen. Dann bricht sich ein Lichtstrahl der göttlichen Hoffnung in unserem Leben Bahn.
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Sehr herzlich heiße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen. Besonders grüße ich die Teilnehmer an der Ministrantenwallfahrt des Bistums Eichstätt und die Augsburger Domsingknaben. Nehmt euch der Schwachen an und richtet so euer Leben auf Christus aus. Seine Gegenwart erfülle euch mit Freude!




Mittwoch, 9. Juni 2004

Apostolische Reise in die Schweiz

41 1. In meinem Herzen bewahre ich die Bilder der einzelnen Momente des kurzen, aber intensiven Aufenthaltes, den ich als Geschenk der göttlichen Vorsehung am vergangenen Samstag und Sonntag in der Schweiz verbringen konnte.

Ich möchte den bischöflichen Mitbrüdern und den zivilen Autoritäten, insbesondere dem Präsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft meinen Dank aussprechen für die freundliche Aufnahme und für die gesamte Vorbereitung. Ich danke auch dem Bundesrat für die Entscheidung, den Rang der Diplomatischen Vertretung der Schweiz beim Heiligen Stuhl zu erhöhen.

Mein aufrichtiger Dank gilt auch den Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz, die mich in ihrem Haus, im Viktoriaheim, beherbergt haben. Weiter danke ich allen, die auf verschiedene Weise für meine Pastoralreise Sorge getragen haben.

2. Hauptgrund der Apostolischen Pilgerreise zu dieser geliebten Nation war die Begegnung mit den katholischen Jugendlichen der Schweiz, die am vergangenen Samstag ihr erstes nationales »Meeting« veranstaltet haben. Ich danke dem Herrn, der mir die Gelegenheit gegeben hat, mit ihnen einen Moment tiefer spiritueller Begeisterung zu erleben und den jungen Schweizer Generationen eine Botschaft anzubieten, die ich allen Jugendlichen in Europa und in der Welt übermittteln möchte.

Diese Botschaft, die mir sehr am Herzen liegt, läßt sich in drei Worten zusammenfassen: »Steh auf!«, »Hör zu!«, »Mach dich auf den Weg!« Der auferstandene und lebendige Christus selbst ist es, der zu jedem jungen Mann und zu jeder jungen Frau unserer Zeit diese Worte spricht. Er lädt die Jugend des dritten Jahrtausends ein, »aufzustehen «, das heißt, dem eigenen Dasein vollen Sinn zu geben. Ich wollte mich zum Echo dieses Aufrufs machen in der Überzeugung, daß nur Christus, der Erlöser des Menschen, den Jugendlichen helfen kann, von den negativen Erfahrungen und Mentalitäten »aufzustehen« und zu ihrer vollen menschlichen, geistlichen und moralischen Größe heranzuwachsen.

3. Am Vormittag des Dreifaltigkeitssonntags konnte ich mit den Bischöfen und den vielen Priestern, die aus der ganzen Schweiz gekommen waren, die Eucharistie konzelebrieren. Der feierliche Ritus hat auf der Allmendwiese stattgefunden, dem weiten Gelände vor dem Palast der »BEA Bern Expo«. So haben wir dem einen und dreifaltigen Gott einmütig Lob und Dank gesungen für die Schönheiten der Schöpfung, an denen die Schweiz so reich ist, und noch mehr für die Gemeinschaft in der Liebe, deren Quelle er ist.

Im Licht dieses grundlegenden Geheimnisses des christlichen Glaubens wollte ich den Aufruf zur Einheit aller Christen erneuern, indem ich vor allem die Katholiken eingeladen habe, die Einheit untereinander zu leben und die Kirche zum »Haus und zur Schule der Gemeinschaft« zu machen (Novo millennio ineunte
NM 43). Der Heilige Geist, der die Einheit schafft, drängt auch zur Mission, damit die in Christus geoffenbarte Wahrheit Gottes und des Menschen vor allen bezeugt und verkündet wird. Denn jeder Mensch trägt in sich die Spuren des einen und dreifaltigen Gottes und findet nur in ihm Frieden.

4. Bevor ich Bern verließ, wollte ich die Vereinigung der ehemaligen Schweizergardisten treffen. Es war eine günstige Gelegenheit, für den wertvollen Dienst zu danken, den das Korps der Schweizergarde seit fast 500 Jahren für den Apostolischen Stuhl leistet. Viele tausend junge Männer, die aus den Familien und Pfarreien der Schweiz stammten, haben ihren einzigartigen Beitrag für den Nachfolger Petri im Laufe dieser Jahrhunderte geleistet! Sie waren junge Menschen wie alle anderen, voller Leben und Ideale, und konnten auf diese Weise ihre treue Liebe zu Christus und zur Kirche bekunden. Mögen die Jugendlichen der Schweiz und der ganzen Welt die wunderbare Einheit zwischen Glauben und Leben entdecken und sich vorbereiten, mit Enthusiasmus die Mission zu erfüllen, zu der Gott sie beruft!

Maria, der ich von Herzen danke für die Verwirklichung dieser 103. Apostolischen Reise, erwirke allen dieses große und wertvolle Geschenk, das der Schlüssel zur wahren Freude ist.

Vor meinem geistigen Auge stehen die Eindrücke meines Apostolischen Besuchs in der Schweiz. Steh auf! Hör zu! Mach dich auf den Weg! Dieser dreifache Ruf begleitete uns bei allen Begegnungen in Bern. Das Jugendtreffen am Samstag stand ganz im Zeichen frohen Aufbruchs. Niedergeschlagenheit und Trägheit gilt es hinter sich zu lassen: Die Suche nach dem Sinn des Lebens muß sich mit dem Streben nach menschlicher und geistlicher Größe verbinden.

Am Sonntag haben wir das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit betrachtet. Die Einheit der göttlichen Personen ist uns Mahnung, die Gemeinschaft unter den Christen zu fördern und Gottes Liebe den Menschen zu bezeugen. Die Begegnung mit ehemaligen Schweizer Gardisten zeigte schließlich: Der Glaube bewährt sich in einer Mission, zu der Gott jeden von uns ganz persönlich ruft.
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42 Von Herzen grüße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Ich danke der Gottesmutter für das wunderbare Geschenk dieser Pastoralreise in die Schweiz. Das Vorbild und die Fürbitte Marias weise euch den Weg zur Einheit von Glaube und Leben, dem Geheimnis wahrer Freude.




Mittwoch, 16. Juni 2004



Lesung: Psalm 46,2-3.5-6.10-11

2 Gott ist uns Zuflucht und Stärke, ein bewährter Helfer in allen Nöten.
3 Darum fürchten wir uns nicht, wenn die Erde auch wankt, wenn Berge stürzen in die Tiefe des Meeres…
5 Die Wasser eines Stromes erquicken die Gottesstadt, des Höchsten heilige Wohnung.
6 Gott ist in ihrer Mitte, darum wird sie niemals wanken; Gott hilft ihr, wenn der Morgen anbricht. 10 Er setzt den Kriegen ein Ende bis an die Grenzen der Erde; er zerbricht die Bogen, zerschlägt die Lanzen, im Feuer verbrennt er die Schilde.
11 »Laßt ab und erkennt, daß ich Gott bin, erhaben über die Völker, erhaben auf Erden.«

1. Wir haben soeben den ersten der sechs Hymnen an Zion gehört, die im Psalter enthalten sind (vgl. Ps 48 Ps 76 Ps 84 Ps 87 Ps 122). Psalm 46 preist wie die anderen ähnlichen Texte die Heilige Stadt Jerusalem, »die Gottesstadt, des Höchsten heilige Wohnung« (V. 5), drückt aber vor allem ein unerschütterliches Vertrauen auf Gott aus, der »uns Zuflucht und Stärke, ein bewährter Helfer in allen Nöten« ist (V. 2; vgl. V. 8 und 12). Der Psalm ruft die schwersten Verwüstungen in Erinnerung, um mit besonderem Nachdruck Gottes siegreiches Eingreifen zu bekräftigen, das volle Sicherheit gibt. Aufgrund von Gottes Gegenwart in ihr wird Jerusalem »niemals wanken; Gott hilft ihr« (V. 6).

Wir denken an den Spruch des Propheten Zefanja, der mit folgenden Worten sich an Jerusalem wendet: »Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! […] Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag« (So 3,14 So 3, .

2. Psalm 46 wird in zwei Teile untergliedert durch eine Art Antiphon, die in den Versen 8 und 12 erklingt: »Der Herr der Heerscharen ist mit uns, der Gott Jakobs ist unsre Burg.« Der Titel »Herr der Heerscharen« ist typisch für den jüdischen Gottesdienst im Tempel von Zion und verweist trotz des kriegerischen Aspekts, der mit der Bundeslade verknüpft ist, auf Gottes Herrschaft über den ganzen Kosmos und über die Geschichte.

43 Dieser Titel ist deshalb Quelle der Zuversicht, weil die ganze Welt und alle ihre Geschehnisse der höchsten Leitung des Herrn unterstehen. Dieser Herr ist also »mit uns«, wie es in der Antiphon heißt unter einer impliziten Bezugnahme auf den Immanuel, den »Gott-mit-uns« (vgl. Is 7,14 Mt 1,23).

3. Der erste Teil des Hymnus (vgl. Ps 46,2-7) handelt vom Symbol des Wassers und nimmt eine doppelte, gegensätzliche Bedeutung an. Einerseits entfesseln sich die stürmischen Wasser, die in der biblischen Sprache das Symbol der Verwüstungen, des Chaos und des Bösen sind. Sie erschüttern die Grundfesten des Daseins und des Universums, die von den Bergen symbolisiert werden, die vor einer anbrechenden zerstörerischen Sintflut erbeben (vgl. V. 3-4). Da sind aber anderseits die heilsamen Wasser von Zion, einer Stadt in unwirtlichen Bergen, die aber »die Wasser eines Stromes erquicken« (V. 5). Der Psalmist, der auch auf die Wasser von Schiloach anspielt (vgl. Is 8,6-7), sieht in ihnen ein Zeichen für das Leben, das in der heiligen Stadt erblüht, für ihre geistige Fruchtbarkeit und für ihre erneuernde Kraft.

Trotz der geschichtlichen Umwälzungen, bei denen die Völker toben und Reiche wanken (vgl. Ps 46,7), findet der Gläubige auf Zion Frieden und Gelassenheit, die aus der Gemeinschaft mit Gott erwachsen.

4. Der zweite Teil des Psalms (vgl. V. 9-11) kann so eine verklärte Welt skizzieren. Von seinem Thron auf Zion aus greift der Herr selbst mit äußerster Entschiedenheit in die Kriege ein und stellt den Frieden her, den alle ersehnen. Wenn wir Vers 10 unseres Hymnus lesen: »Er setzt den Kriegen ein Ende bis an die Grenzen der Erde; er zerbricht die Bogen, zerschlägt die Lanzen, im Feuer verbrennt er die Schilde«, denken wir unwillkürlich an Jesaja.

Auch der Prophet hat das Ende der Aufrüstung und die Verwandlung der todbringenden Kriegswaffen in Werkzeuge für die Entwicklung der Völker besungen: »Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg« (Is 2,4).

5. Die christliche Tradition hat mit diesem Psalm Christus gepriesen, der »unser Friede« ist (vgl. Ep 2 Ep 14) und unser Befreier vom Bösen durch seinen Tod und seine Auferstehung. Beeindruckend ist der christologische Kommentar des hl. Ambrosius zum 6. Vers von Psalm 46, wo die Rede ist von der Hilfe des Herrn für die Stadt, »wenn der Morgen anbricht«. Der bekannte Kirchenvater sieht darin eine prophetische Anspielung auf die Auferstehung.

»Denn« - so sagt er - »die Auferstehung am Morgen verschafft uns den Beistand und die Hilfe des Himmels; sie hat die Nacht verdrängt, sie hat uns den Tag gebracht, wie es in der Heiligen Schrift heißt: ›Wach auf und erhebe dich, steh auf von den Toten! Und das Licht Christi wird dir leuchten.‹ Beachte den mystischen Sinn! Am Abend ist das Leiden Christi vollendet … Am Morgen die Auferstehung … Am Abend der Welt, wenn das Licht erlischt, wird er getötet, denn diese Welt war ganz in Finsternis gehüllt, und sie wäre in den Schrecken noch schwärzerer Finsternis eingetaucht worden, wenn nicht Christus, das Licht der Ewigkeit, vom Himmel zu uns herabgekommen wäre, um dem Menschengeschlecht die Zeit der Unschuld zurückzubringen. Der Herr Jesus hat also gelitten und unsere Sünden mit seinem Blut getilgt; erstrahlt ist das Licht eines klareren Bewußtseins, und der helle Tag einer geistlichen Gnade bricht an« (Commento a dodici Salmi: SAEMO, VIII, Milano/Roma 1980, S. 213).

Psalm 46 ist ein Hymnus auf die „Gottesstadt, des Höchsten heilige Wohnung. Gott ist in ihrer Mitte, darum wird sie niemals wanken" (V. 5-6). Der Beter lobt mit diesen Worten Gott als die Zuflucht und Stärke der Gläubigen. Die Gegenwart des Herrn schützt die heilige Stadt vor drohenden Gefahren.

Friede und Freude erwachsen uns aus einem Leben in Gemeinschaft mit Gott. „Der Herr der Heerscharen ist mit uns" (V. 4.8.12). Seine Herrschaft erstreckt sich über Raum und Zeit. Der Herr der Geschichte ist der Quell unseres Vertrauens und bringt den ersehnten Frieden. Mit der Kirche preisen wir daher in Psalm 46 Jesus Christus selbst. Er ist unser Friede und unser Befreier vom Bösen durch seinen Tod und seine Auferstehung.
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Frohen Herzens heiße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen. Gott schenkt uns seine Gegenwart. Jesus Christus ist der „Immanuel", der „Gott mit uns". Sein göttliches Herz ist der Ursprung des wahren Friedens. Vertraut euch stets der Barmherzigkeit Gottes an! Der Herr führe euch auf den Wegen seiner Gnade!




Generalaudienz 2004 34