Generalaudienzen 2005-2013 21037
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Liebe Brüder und Schwestern!
Wir denken in diesen Katechesen über die großen Gestalten der frühen Kirche nach. Heute sprechen wir über den hl. Justinus, den Philosophen und Märtyrer, der der bedeutendste Apologet unter den Kirchenvätern des zweiten Jahrhunderts ist. Als »Apologeten« bezeichnet man jene antiken christlichen Schriftsteller, die sich vornahmen, die neue Religion gegen die schwerwiegenden Beschuldigungen von Heiden und Juden zu verteidigen und die christliche Lehre in einer für die Kultur ihrer Zeit passenden Sprache zu verbreiten. So ist in den Apologeten eine zweifache Sorge gegenwärtig: die im eigentlichen Sinn apologetische Sorge, das entstehende Christentum zu verteidigen (das griechische Wort apología bedeutet »Verteidigung«), und jene konstruktive, »missionarische« Sorge, die Glaubensinhalte in einer Sprache und mit Denkkategorien darzulegen, die für die Zeitgenossen verständlich waren.
Justinus wurde um das Jahr 100 in der Nähe der alten Stadt Sichem in Samaria im Heiligen Land geboren. Auf seiner langen Suche nach der Wahrheit durchwanderte er die verschiedenen Schulen der griechischen philosophischen Tradition. Schließlich - so erzählt er selbst in den ersten Kapiteln seines Dialogs mit Tryphon - stürzte ihn eine geheimnisvolle Person, ein Greis, der ihm am Meeresstrand begegnete, zunächst in eine Krise, weil er ihm die Unfähigkeit des Menschen bewies, das Streben nach dem Göttlichen allein aus eigener Kraft zu befriedigen. Dann zeigte er ihm in den alten Propheten die Menschen, an die er sich wenden sollte, um den Weg Gottes und die »wahre Philosophie« zu finden. Als sich der Greis von ihm verabschiedete, ermahnte er ihn zum Gebet, auf daß für ihn die Tore des Lichts geöffnet würden. Die Erzählung versinnbildlicht das entscheidende Ereignis im Leben des Justinus: Am Ende eines langen philosophischen Weges der Suche nach der Wahrheit gelangte er zum christlichen Glauben. Er gründete in Rom eine Schule, wo er die Schüler unentgeltlich in die neue Religion einführte, die er als die wahre Philosophie ansah. In ihr hatte er in der Tat die Wahrheit und somit die Kunst des rechten Lebens gefunden. Er wurde aus diesem Grund angezeigt und um das Jahr 165 enthauptet - unter der Herrschaft des Philosophenkaisers Mark Aurel, an den Justinus selber eine seiner beiden Apologien gerichtet hatte.
Die zwei Apologien und der Dialog mit dem Juden Tryphon sind die einzigen Werke von ihm, die uns überliefert sind. In ihnen geht es Justinus vor allem darum, den göttlichen Schöpfungs- und Heilsplan zu veranschaulichen, der sich in Jesus Christus, dem Logos, das heißt dem ewigen Wort, der ewigen Vernunft, der schöpferischen Vernunft, erfüllt. Jeder Mensch hat als vernunftbegabtes Geschöpf Anteil am Logos, er trägt dessen »Samenkorn« in sich und kann den Schimmer der Wahrheit erfassen. So hat sich derselbe Logos, der sich gleichsam in prophetischer Gestalt den Juden im alten Gesetz offenbart hat, gleichsam in »Samenkörnern der Wahrheit« teilweise auch in der griechischen Philosophie gezeigt. Justinus zieht nun die folgende Schlußfolgerung: Da das Christentum die geschichtliche und personale Offenbarung des Logos in seiner Ganzheit ist, folgt daraus, daß »alles, was an Schönem von wem auch immer zum Ausdruck gebracht worden ist, uns Christen gehört« (2 Apol.13,4). Auf diese Weise richtet Justinus, auch wenn er der griechischen Philosophie ihre Widersprüchlichkeiten vorwirft, jede philosophische Wahrheit entschlossen auf den Logos aus und begründet von einem vernünftigen Standpunkt aus den einzigartigen »Anspruch« der christlichen Religion auf Wahrheit und Universalität. Wenn das Alte Testament nach Christus strebt, so wie das Sinnbild auf die [in ihm] angedeutete Wirklichkeit ausgerichtet ist, so zielt auch die griechische Philosophie auf Christus und das Evangelium ab, so wie der Teil danach strebt, sich mit dem Ganzen zu vereinigen. Und Justinus sagt, daß diese beiden Wirklichkeiten, das Alte Testament und die griechische Philosophie, gleichsam die beiden Wege sind, die zu Christus, dem Logos, führen. Das ist der Grund, warum sich die griechische Philosophie der Wahrheit des Evangeliums nicht widersetzen kann und die Christen vertrauensvoll aus ihr wie aus einem eigenen Gut schöpfen können. Deshalb bezeichnete mein verehrter Vorgänger, Papst Johannes Paul II., Justinus als »Pionier einer positiven Begegnung mit dem philosophischen Denken, wenn auch unter dem Vorzeichen vorsichtiger Unterscheidung«: denn »obwohl er sich seine große Wertschätzung für die griechische Philosophie auch nach seiner Bekehrung bewahrt hatte, beteuerte er klar und entschieden, im Christentum ›die einzige sichere und nutzbringende Philosophie‹ (Dial. 8,1) gefunden zu haben« (Fides et ratio FR 38).
Insgesamt markieren die Gestalt und das Werk des Justinus eher die entschiedene Option der frühen Kirche für die Philosophie, für die Vernunft, als für die Religion der Heiden. Denn jede Art von Kompromiß mit der heidnischen Religion lehnten die ersten Christen tapfer ab. Sie hielten sie für Götzenkult, auf die Gefahr hin, deshalb der »Gotteslästerung« und des »Atheismus« bezichtigt zu werden. Insbesondere Justinus übte, vor allem in seiner ersten Apologie, unerbittliche Kritik an der heidnischen Religion und ihren Mythen, die er als teuflische »Irreführungen« auf dem Weg zur Wahrheit betrachtete. Die Philosophie hingegen stellte, gerade im Hinblick auf die Kritik an der heidnischen Religion und ihren falschen Mythen, den bevorzugten Ort der Begegnung zwischen Heidentum, Judentum und Christentum dar. »Unsere Philosophie …«: So hat schließlich ein anderer Apologet und Zeitgenosse des Justinus, Bischof Meliton von Sardeis, die neue Religion ausdrücklich definiert (ap. Hist. Eccl. 4,26,7).
Die heidnische Religion schlug in der Tat nicht die Wege des Logos ein, sondern verharrte auf den Wegen des Mythos, auch wenn dieser von der griechischen Philosophie als nicht in der Wahrheit begründet erkannt worden war. Der Untergang der heidnischen Religion war daher unvermeidbar: Er ergab sich als logische Konsequenz der Trennung der Religion - einer Religion, die auf ein künstliches Gebilde aus Zeremonien, Konventionen und Gewohnheiten reduziert war - von der Wahrheit des Seins. Justinus und mit ihm die anderen Apologeten besiegelten die klare Stellungnahme des christlichen Glaubens für den Gott der Philosophen gegen die falschen Götter der heidnischen Religion. Es war die Entscheidung für die Wahrheit des Seins gegen den Mythos der Gewohnheit. Einige Jahrzehnte nach Justinus definierte Tertullian dieselbe Option der Christen mit einem lapidaren und immer gültigen Satz: »Dominus noster Christus veritatem se, non consuetudinem, cognominavit - Christus hat gesagt: Ich bin die Wahrheit, nicht: Ich bin die Gewohnheit« (De virgin. vel. 1,1). Man beachte in diesem Zusammenhang, daß das hier von Tertullian in Bezug auf die heidnische Religion verwendete Wort consuetudo in den modernen Sprachen mit den Ausdrücken »kulturelle Mode«, »Mode der Zeit« übersetzt werden kann.
In einer Zeit wie der unsrigen, die in der Diskussion über die Werte und die Religion - wie auch im interreligiösen Dialog - vom Relativismus gezeichnet ist, ist dies eine Lektion, die nicht vergessen werden darf. Zu diesem Zweck - und damit schließe ich - lege ich euch die letzten Worte des geheimnisvollen Greises, dem der Philosoph Justinus am Ufer des Meeres begegnet ist, noch einmal vor: »Bete vor allem darum, daß dir die Tore des Lichts aufgetan werden, denn niemand kann schauen und begreifen, außer wenn Gott und sein Christus es einem gewähren, dies zu verstehen« (Dial. 7,3).
Heute möchte ich über den Philosophen und Märtyrer Justinus sprechen. Er ist einer der bedeutendsten Apologeten der frühen Kirche, d.h. jener Kirchenschriftsteller des zweiten Jahrhunderts, die den christlichen Glauben in der Auseinandersetzung mit Heiden und Juden verteidigten und ihn zugleich in einer verständlichen Sprache gemäß den Denkkategorien der damaligen Zeit zu verbreiten suchten. Zwei der Werke Justins - die Apologie und der Dialog mit dem Juden Tryphon - sind uns überliefert. Darin beleuchtet er den göttlichen Schöpfungs- und Heilsplan, der in Jesus Christus, dem Logos, dem Wort Gottes, seine Erfüllung findet. Der Logos offenbarte sich den Juden in prophetischer Gestalt im Alten Testament; er zeigte sich auch den Griechen als „Samenkörner der Wahrheit“ in Philosophie und Dichtung. Das Christentum ist aber die geschichtliche und personale Offenbarung des Logos in seiner Ganzheit. Selbst die griechische Philosophie strebt nach Christus und dem Evangelium. In Justinus sehen wir die klare Option der frühen Kirche für eine Philosophie, die von den heidnischen Mythen und Götterkulten sowie von den kulturellen Gewohnheiten der Zeit gereinigt ist, um der Wahrheit des Seins den Vorrang zu geben. In dieser Optik stellt die Philosophie einen bevorzugten Platz der Begegnung zwischen Heidentum, Judentum und Christentum und auch der Hinführung zu Jesus Christus dar.
Ich heiße die italienischsprachigen Pilger herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß geht an die Gläubigen aus den Diözesen Sardiniens. Sie sind zusammen mit ihren Bischöfen, die in diesen Tagen ihren Besuch »ad limina Apostolorum« abstatten, hierhergekommen. Wir werden uns morgen und übermorgen sehen. Liebe Freunde, im jüngsten nachsynodalen Apostolischen Schreiben habe ich auf den Wert der Eucharistie für das Leben der Kirche und eines jeden Christen hingewiesen. Ich ermutige euch, aus dieser wunderbaren Quelle die geistliche Kraft zu schöpfen, die notwendig ist, damit ihr dem Evangelium treu bleibt und immer und überall Zeugnis ablegt für die Liebe Gottes. Und ihr, liebe Brüder im bischöflichen Dienst, seid »Vorbilder für die Herde« (1P 5,3) und werdet nicht müde, die eurer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen zu einer stets hochherzigen persönlichen und gemeinschaftlichen Hinwendung zu Christus zu führen.
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Von Herzen möchte ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher begrüßen insbesondere natürlich das Professorenkollegium der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, dem ich ja auch drei Jahre angehören durfte. Der heilige Justinus hat mit seiner ganzen Existenz leidenschaftlich nach der Wahrheit gesucht und sie im christlichen Glauben gefunden. Wie er bitten wir darum, daß Gott uns schenke, ihn immer tiefer zu erkennen und so im Glauben und in der Liebe zu wachsen. Dabei stärke und geleite uns alle der Heilige Geist. In diesem Sinn, gesegnete Tage in Rom.
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Liebe Brüder und Schwestern!
In den Katechesen über die großen Gestalten der Kirche der ersten Jahrhunderte kommen wir heute zu der herausragenden Persönlichkeit des hl. Irenäus von Lyon. Die biographischen Nachrichten über ihn stammen aus seinem eigenen Zeugnis, das uns von Eusebius im fünften Buch seiner Kirchengeschichte überliefert ist. Irenäus wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in Smyrna (dem heutigen Izmir in der Türkei) zwischen 135 und 140 geboren, wo er noch in jungen Jahren Schüler von Bischof Polykarp war, der seinerseits Schüler des Apostels Johannes gewesen war. Wir wissen nicht, wann er von Kleinasien nach Gallien gegangen ist, aber dieser Ortswechsel dürfte mit der ersten Entfaltung der christlichen Gemeinde von Lyon zusammenfallen: Hier finden wir im Jahr 177 Irenäus im Kollegium der Priester verzeichnet. In jenem Jahr wurde er nach Rom entsandt, um Papst Eleutherius ein Schreiben der Gemeinde von Lyon zu überbringen. Die römische Mission rettete Irenäus vor der Verfolgung unter Mark Aurel, bei der mindestens 48 Märtyrer zu Tode kamen, darunter auch der Bischof von Lyon, der neunzigjährige Pothinus, der an Mißhandlungen im Kerker starb. So wurde Irenäus nach seiner Rückkehr zum Bischof der Stadt gewählt. Der neue Hirt widmete sich voll und ganz dem bischöflichen Dienst, der um das Jahr 202/203 wahrscheinlich mit dem Martyrium sein Ende fand.
Irenäus ist vor allem ein Mann des Glaubens und ein Hirt. Vom Guten Hirten hat er den Sinn für das Maß, den Reichtum der Lehre, den missionarischen Eifer. Als Schriftsteller verfolgt er ein doppeltes Ziel: die Verteidigung der wahren Lehre gegen die Angriffe der Häretiker und die klare Darlegung der Glaubenswahrheiten. Diesen Zielsetzungen entsprechen genau die beiden Werke, die uns von ihm erhalten sind: die fünf Bücher Gegen die Irrlehren (Adversus haereses) und Die Darstellung der apostolischen Verkündigung (die man auch den ältesten »Katechismus der christlichen Lehre« nennen kann). Schließlich ist Irenäus der Meister im Kampf gegen die Irrlehren. Die Kirche des zweiten Jahrhunderts war von der sogenannten »Gnosis« bedroht, einer Lehre, die behauptete, der in der Kirche gelehrte Glaube wäre nur eine Symbolik für die einfachen Leute, die schwierige Dinge nicht zu verstehen vermögen; die Eingeweihten, die Intellektuellen hingegen - eben die »Gnostiker«, wie sie sich nannten - hätten verstanden, was hinter diesen Symbolen liege und hätten so ein elitäres, intellektualistisches Christentum geformt. Natürlich zersplitterte dieses intellektualistische Christentum zunehmend in verschiedene Strömungen mit oft seltsamen und verstiegenen Gedanken, die aber auf viele anziehend wirkten. Ein gemeinsames Element dieser verschiedenen Strömungen war der Dualismus, das heißt, man verneinte den Glauben an den einen Gott, Vater aller, Schöpfer und Retter des Menschen und der Welt. Um das Böse in der Welt zu erklären, behaupteten sie die Existenz eines negativen Prinzips neben dem guten Gott. Dieses negative Prinzip hätte die materiellen Dinge, die Materie hervorgebracht.
Indem sich Irenäus fest in der biblischen Schöpfungslehre verwurzelt, widerlegt er den Dualismus und den gnostischen Pessimismus, die die körperlichen Wirklichkeiten entwerteten. Er verteidigte entschieden die ursprüngliche Heiligkeit der Materie, des Leibes, des Fleisches nicht weniger als die des Geistes. Aber sein Werk geht weit über die Widerlegung der Häresie hinaus: Man kann tatsächlich sagen, daß er als der erste große Theologe der Kirche auftritt, der die systematische Theologie geschaffen hat; er spricht selbst vom System der Theologie, das heißt von der inneren Kohärenz des ganzen Glaubens. Im Mittelpunkt seiner Lehre steht die Frage nach der »Glaubensregel« und ihrer Weitergabe. Für Irenäus fällt die »Glaubensregel« praktisch mit dem Credo der Apostel zusammen und bietet uns den Schlüssel für die Auslegung des Evangeliums, für die Auslegung des Credos im Licht des Evangeliums. Das Apostolische Glaubensbekenntnis, das eine Art Synthese des Evangeliums ist, hilft uns zu verstehen, was das Evangelium sagen will, wie wir es lesen müssen.
In der Tat ist das von Irenäus verkündete Evangelium jenes, das er von Polykarp, dem Bischof von Smyrna, empfangen hat, und das Evangelium des Polykarp geht auf den Apostel Johannes zurück, dessen Schüler Polykarp war. Und damit ist die wahre Lehre nicht jene, die von den Intellektuellen jenseits des einfachen Glaubens der Kirche erfunden wird. Das wahre Evangelium ist jenes, das von den Bischöfen gelehrt wird, die es in einer ununterbrochenen Kette von den Aposteln empfangen haben. Diese haben nichts anderes gelehrt als gerade diesen einfachen Glauben, der auch die wahre Tiefe der Offenbarung Gottes ist. Es gibt also - sagt uns Irenäus - keine Geheimlehre hinter dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis (Credo) der Kirche. Es gibt kein höheres Christentum für Intellektuelle. Der von der Kirche öffentlich bekannte Glaube ist der gemeinsame Glaube aller. Nur dieser Glaube ist apostolisch, kommt von den Aposteln, das heißt von Jesus und von Gott. Wenn die Christen diesem öffentlich von den Aposteln ihren Nachfolgern übertragenen Glauben anhängen, müssen sie das befolgen, was die Bischöfe sagen, besonders müssen sie die Lehre der herausragenden und sehr alten Kirche von Rom beachten. Diese Kirche hat aufgrund ihres Alters die höchste Apostolizität, hat sie doch in der Tat ihren Ursprung in den Säulen des Apostelkollegiums, Petrus und Paulus. Mit der Kirche von Rom müssen sich alle Kirchen verständigen, indem sie in ihr das Maß der wahren apostolischen Überlieferung, des einen gemeinsamen Glaubens der Kirche anerkennen. Mit solchen, hier kurz zusammengefaßten Argumenten widerlegt Irenäus von Grund auf die Ansprüche dieser Gnostiker, dieser Intellektuellen: Vor allem besitzen sie keine Wahrheit, die höher wäre als die des gemeinsamen Glaubens, denn was sie sagen, ist nicht apostolischen Ursprungs, es ist von ihnen erfunden; zweitens sind die Wahrheit und das Heil kein Privileg und Monopol einiger weniger, sondern alle können sie durch die Verkündigung der Nachfolger der Apostel und vor allem des Bischofs von Rom erlangen. Im besonderen bemühte sich Irenäus - während er gegen den »geheimen« Charakter der gnostischen Tradition polemisierte und deren vielfältige und untereinander widersprüchliche Ergebnisse anprangerte - darum, den echten Begriff der »apostolischen Tradition« zu erläutern, den wir in drei Punkten zusammenfassen können.
a) Die »apostolische Tradition« ist »öffentlich«, nicht privat oder geheim. Für Irenäus besteht keinerlei Zweifel daran, daß der Inhalt des von der Kirche überlieferten Glaubens jener ist, der von den Aposteln und von Jesus, dem Sohn Gottes, empfangen worden ist. Es gibt keine andere Lehre als diese. Für den, der die wahre Lehre kennen will, genügt es daher, daß er »die Überlieferung, die von den Aposteln kommt, und den Glauben, der den Menschen verkündet wird«, kennt: Überlieferung und Glaube, die »durch die Sukzession der Bischöfe bis auf uns gekommen sind« (Adv. haer. 3,3,3-4). So fallen Sukzession der Bischöfe, das personale Prinzip, und apostolische Tradition, das lehrmäßige Prinzip, zusammen.
b) Die »apostolische Tradition« ist »eine«. Während nämlich der Gnostizismus in zahlreiche Sekten unterteilt ist, ist die Überlieferung der Kirche eine einzige in ihren grundsätzlichen Inhalten, die - wie wir gesehen haben - Irenäus eben »regula fidei« oder »regula veritatis« (Glaubensregel oder Wahrheitsregel) nennt: Und so stiftet sie, weil sie eine einzige ist, Einheit quer durch die Völker, durch die verschiedenen Kulturen, durch die verschiedenen Völker; sie ist wie die Wahrheit ein gemeinsamer Inhalt, trotz der Unterschiedlichkeit der Sprachen und der Kulturen. Im Buch Gegen die Irrlehren steht ein sehr wertvoller Satz des hl. Irenäus: »Die Kirche bewahrt, obwohl sie über die ganze Welt zerstreut ist, sorgfältig [den Glauben der Apostel], als ob sie in einem Haus allein wohnte; auf dieselbe Weise glaubt sie an diese Wahrheiten, als ob sie nur eine Seele und dasselbe Herz hätte; in voller Übereinstimmung verkündigt, lehrt und überliefert sie diese Wahrheiten, als ob sie nur einen Mund hätte. Es gibt verschiedene Sprachen auf der Welt, aber die Kraft der Überlieferung ist einzig und dieselbe: Die in Germanien gegründeten Kirchen glauben und überliefern nicht anders als die in Spanien oder bei den Kelten, die im Orient oder in Ägypten, die in Libyen oder in der Mitte der Welt« (1,10,1-2). Man sieht schon in diesem Augenblick - wir befinden uns im Jahr 200 - die Universalität der Kirche, ihre Katholizität und die einigende Kraft der Wahrheit, die diese so unterschiedlichen Wirklichkeiten - von Germanien bis nach Spanien, Italien, Ägypten und Libyen - in der gemeinsamen, uns von Christus offenbarten Wahrheit vereint.
c) Schließlich ist die »apostolische Tradition«, wie Irenäus in seinem auf griechisch geschriebenen Buch sagt, »pneumatisch«, das heißt geistlich, vom Heiligen Geist geleitet: Auf Griechisch heißt Geist »pneuma«. Es handelt sich in der Tat nicht um eine Überlieferung, die der Geschicklichkeit von mehr oder weniger gelehrten Menschen, sondern dem Geist Gottes anvertraut wurde, der die Treue der Weitergabe des Glaubens gewährleistet. Das ist das »Leben« der Kirche, das, was die Kirche immer frisch und jung macht, das heißt reich an vielfältigen Charismen. Kirche und Geist sind für Irenäus untrennbar: »Diesen Glauben« - so lesen wir weiter im dritten Buch von Gegen die Irrlehren - »haben wir von der Kirche empfangen und behüten ihn: Wie ein kostbarer Schatz, der in einem wertvollen Gefäß verschlossen ist, wird der Glaube durch das Wirken des Geistes Gottes immer verjüngt und verjüngt das Gefäß, das ihn enthält … Wo die Kirche ist, dort ist der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes ist, dort ist die Kirche und jegliche Gnade« (3,24,1).
Wie man sieht, beschränkt sich Irenäus nicht darauf, den Begriff Überlieferung zu definieren. Seine Überlieferung, die ununterbrochene Überlieferung, ist nicht Traditionalismus, weil diese Überlieferung immer innerlich vom Heiligen Geist belebt wird, der sie von neuem leben läßt, der sie in der Lebendigkeit der Kirche interpretiert und verstanden sein läßt. Seiner Lehre entsprechend muß der Glaube der Kirche so überliefert werden, daß er erscheint, wie er sein muß, nämlich »öffentlich«, »einzig«, »pneumatisch«, »geistlich«. Ausgehend von einem jeden dieser Wesensmerkmale kann man eine fruchtbare Unterscheidung hinsichtlich der wahren Überlieferung des Glaubens im Heute der Kirche durchführen. Allgemeiner gesagt: In der Lehre des Irenäus ist die Würde des Menschen, Leib und Seele, fest in der göttlichen Schöpfung, im Bild Christi und im ständigen Heiligungswirken des Geistes verankert. Diese Lehre ist wie ein »Königsweg«, um zusammen allen Menschen guten Willens den Gegenstand und die Grenzen des Dialogs über die Werte klarzumachen und dem missionarischen Wirken der Kirche, der Kraft der Wahrheit, die die Quelle aller wahren Werte der Welt ist, immer wieder neuen Schwung zu geben.
Der heilige Irenäus, auf den wir heute unser Augenmerk richten, stammt aus Kleinasien, wo er um 140 wahrscheinlich in Smyrna, dem heutigen Izmir in der Türkei, geboren wurde. Einige Jahrzehnte später finden wir ihn unter den Klerikern der jungen Gemeinde in Lyon wieder. Von dort wird Irenäus im Jahre 177 wegen einer Glaubensfrage zu Papst Eleutherus nach Rom geschickt. Er entgeht so einer harten Christenverfolgung in Gallien, der auch der betagte Bischof Pothinus zum Opfer fällt. Irenäus wird zu seinem Nachfolger gewählt und versieht dieses Amt mit großem Glaubenseifer, bis ihn wohl um das Jahr 202 selbst das Martyrium ereilt.
Als Schüler des heiligen Bischofs Polykarp, der seinerseits ein Jünger des Apostels Johannes gewesen ist, wird Irenäus durch die „apostolische Tradition“ tief geprägt. Als Hirte der Gemeinde in Lyon hat er mit einer Reihe von Irrlehren zu tun, die ihn zu einem wortreichen Verteidiger der Wahrheit des Glaubens werden lassen. Dabei arbeitet Irenäus eine „Glaubensregel“ aus: Die Lehre der Apostel ist die Quelle dieser Regel. Diesen „Kanon der Wahrheit“ vertrauen die Apostel ihren Nachfolgern, den Bischöfen, an. Die bischöfliche Nachfolge garantiert die getreue Überlieferung. Bei dieser Weitergabe kommt dem Bischof von Rom, der die beiden Säulen des Apostelkollegiums, Petrus und Paulus, repräsentiert, eine besondere Rolle zu. Schließlich ist die „apostolische Tradition“ vom Heiligen Geist erfüllt und damit göttlichen Ursprungs.
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Ganz herzlich grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache, heute besonders die Wallfahrer aus dem Bistum Hildesheim mit ihrem Bischof und den Weihbischöfen und Prälat Wyrwoll. Die vielfältigen Zeugnisse des Christentums hier in Rom mögen euer Bemühen um einen authentischen Glauben und um ein christliches Leben stärken. Der Geist Gottes führe euch durch diese Fastenzeit und begleite euch auf allen Wegen!
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Ich grüße die italienischsprachigen Pilger. Ein besonderer Gruß geht an die Bischöfe der Diözesen von Sizilien, die in diesen Tagen ihren »Ad-limina«-Besuch abstatten, sowie an die Gläubigen, die sie begleiten. Liebe Brüder im Bischofsamt, ich möchte für euch die Worte des Apostels Paulus wiederholen, die er Timotheus ans Herz legte: Verkündet unverkürzt das Wort Gottes, tretet bei jeder Gelegenheit dafür ein, ob man es hören will oder nicht, weiset zurecht, tadelt, ermahnt in großherziger Belehrung (vgl. 2Tm 4,2). Seid euren Priestern, den geweihten Personen und den gläubigen Laien in Sizilien ein Vorbild, damit sie mit erneuertem Schwung und Eifer weiterhin Zeugen sind für Christus und sein Evangelium. Nie möge Furcht die Herzen von euch allen überraschen und beunruhigen, liebe Brüder und Schwestern. Wer Christus nachfolgt, fürchtet die Schwierigkeiten nicht; wer sich ihm anvertraut, geht sicher voran. Seid Baumeister des Friedens in Aufrichtigkeit und Liebe, indem ihr Licht verbreitet bei den Menschen unserer Zeit, die trotz der Sorgen des täglichen Lebens den Ruf der ewigen Wirklichkeit verspüren.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Mit dieser Katechese möchten wir uns auf die Feier der Heilsgeheimnisse unseres Glaubens an den heiligen drei Tagen des Ostertriduums vorbereiten. Im Evangeliumsabschnitt, den wir zu Beginn der Audienz gehört haben, ist bereits vom Verrat durch Judas und von der Auslieferung Jesu die Rede. Die Macht des Bösen bricht mit ihrer ganzen Abscheulichkeit über den Menschensohn herein, doch Jesus, der Herr, weicht vor dem bitteren Kelch nicht zurück und wird am Ostermorgen als Sieger über Sünde und Tod vor uns stehen.
Die Liturgie lädt uns ein, die Geheimnisse unserer Erlösung in der Gemeinschaft der Kirche zu begehen. Die Priester erneuern ihre Bereitschaft zum Dienst am Heil der Menschen in der Chrisammesse mit ihrem Bischof. Beim Gedächtnis des Letzten Abendmahls am Gründdonnerstag vergegenwärtigen wir die drei großen Gaben, aus denen die Kirche lebt: die heilige Eucharistie, das Priestertum und das Gebot der Liebe. Sie alle gründen in der Hingabe Jesu am Kreuz. In der Feier der Osternacht weichen der Schmerz und die Trauer über den Tod Jesu dem Jubel der Kirche über die Auferstehung und das neue Leben, das der Herr uns schenkt.
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Einen herzlichen Gruß richte ich an die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Um aus den Kar- und Ostertagen geistlichen Nutzen für unser Leben zu ziehen, muß uns klar werden, daß wir nicht bloße Zuschauer, sondern zutiefst Betroffene sind. Der Herr gewähre euch in diesen Tagen die Gnade einer wahren inneren Anteilnahme am Leiden Christi und an der Freude seiner Auferstehung!
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Liebe Brüder und Schwestern!
Nach den feierlichen Ostergottesdiensten treffen wir uns heute wieder zur gewohnten Begegnung am Mittwoch, und es ist zuallererst mein Wunsch, einem jeden von euch noch einmal ganz herzlich gute Wünsche auszusprechen. Ich danke euch für eure so zahlreiche Anwesenheit und danke dem Herrn für den schönen Sonnenschein, den er uns heute schenkt. In der Osternacht erklang diese Botschaft: »Der Herr ist wahrhaft auferstanden, Halleluja!« Nun spricht er selbst zu uns: »Ich werde nicht sterben«, verkündet er, »ich werde am Leben bleiben«. Zu den Fischern sagt er: »Empfangt die Vergebung der Sünden. Denn ich bin eure Vergebung«. An alle wiederholt er schließlich: »Ich bin das Passah der Rettung, das für euch geopferte Lamm, ich bin euer Lösegeld, ich bin euer Leben, eure Auferstehung, euer Licht, euer Heil, euer König. Ich werde euch den Vater zeigen«. So drückt sich ein Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts, Meliton von Sardes, aus, als er ganz realistisch die Worte und das Denken des Auferstandenen auslegt (Über das Osterfest, 102-103).
In diesen Tagen erinnert die Liturgie an verschiedene Begegnungen, die Jesus nach seiner Auferstehung hatte: mit Maria Magdalena und den anderen Frauen, die am Tag nach dem Sabbat frühmorgens zum Grab gegangen waren; mit den Aposteln, die sich ungläubig im Abendmahlssaal versammelt hatten; mit Thomas und anderen Jüngern. Diese verschiedenen Erscheinungen des Herrn sind auch eine Aufforderung an uns, die fundamentale Botschaft von Ostern zu vertiefen. Sie spornen uns dazu an, wieder den geistlichen Weg all derer nachzugehen, die Christus in den ersten Tagen nach dem Ostergeschehen begegnet sind und ihn erkannt haben. Der Evangelist Johannes erzählt, daß Petrus und er selbst, nachdem sie von Maria Magdalena die Nachricht erhalten hatten, wie in einem Wettlauf zum Grab geeilt sind (vgl. Jn 20,3f.). Die Kirchenväter haben in diesem Wettlauf zum leeren Grab eine Aufforderung zu jenem einzigen legitimen Wettstreit der Gläubigen gesehen: dem Wetteifern in der Suche nach Christus. Und was läßt sich von Maria Magdalena sagen? Weinend steht sie am leeren Grab und hat nur den einen Wunsch: zu wissen, wohin sie ihren Meister gebracht haben. Sie findet ihn wieder und erkennt ihn, als sie von ihm bei ihrem Namen gerufen wird (vgl. Jn 20,11-18). Auch wir werden dem Herrn begegnen, wenn wir ihn mit schlichtem und aufrichtigem Herzen suchen, ja, er selbst wird uns entgegenkommen; er wird sich zu erkennen geben, wird uns beim Namen rufen, das heißt, er wird uns in die Vertrautheit seiner Liebe eintreten lassen.
Heute, am Mittwoch der Osterwoche, hält uns die Liturgie zum Nachdenken über eine andere einzigartige Begegnung des Auferstandenen an: die Begegnung mit den zwei Emmausjüngern (vgl. Lc 24,13-35). Während sie untröstlich über den Tod ihres Meisters nach Hause zurückgingen, gesellte sich der Herr als Weggefährte zu ihnen, ohne daß sie ihn erkannt hätten. Seine erläuternden Worte zur Schrift, die sich auf ihn bezogen, ließen die Herzen der beiden Jünger brennen, die ihn, als sie am Ziel angekommen waren, baten, bei ihnen zu bleiben. Als er schließlich »das Brot nahm, den Lobpreis sprach, das Brot brach und es ihnen gab« (vgl. V. 30), da gingen ihnen die Augen auf. Aber im selben Augenblick entzog sich Jesus ihrem Blick. Sie erkannten ihn also, als er verschwand. In seinem Kommentar zu dieser Episode aus dem Evangelium schreibt der hl. Augustinus: »Jesus bricht das Brot, sie erkennen ihn. Sagen wir also nicht mehr, daß wir Christus nicht kennen! Wenn wir glauben, kennen wir ihn! Ja, wenn wir glauben, haben wir ihn! Sie hatten Christus an ihrem Tisch, wir haben ihn in unserer Seele!« Und er schließt: »Christus in seinem Herzen zu haben, ist viel mehr als ihn in seiner Heimstatt zu haben: Denn unser Herz ist uns vertrauter als unser Haus« (vgl. Sermo 232, VII, 7; PL 38). Versuchen wir wirklich, Jesus im Herzen zu tragen.
Im Vorwort zur Apostelgeschichte sagt der hl. Lukas, daß der auferstandene Herr »nach seinem Leiden (den Aposteln) durch viele Beweise gezeigt hat, daß er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen« (Ac 1,3). Das muß richtig verstanden werden: Wenn der heilige Verfasser von ihm sagt, »er hat gezeigt, daß er lebt«, will er damit nicht sagen, daß Jesus in das frühere Leben zurückgekehrt ist wie Lazarus. Das Ostern, das wir feiern, bedeutet, wie der hl. Bernhard feststellt, »Übergang« und nicht »Rückkehr«, denn Jesus ist nicht in die vorige Situation zurückgekehrt, sondern »er hat die Grenze zu einem glorreicheren Zustand überschritten«, der neu und endgültig ist. Er fügt deshalb hinzu: »Nun ist Christus wahrhaftig in ein neues Leben übergegangen« (vgl. Predigt über Ostern; PL 183).
Zu Maria Magdalena hatte der Herr gesagt: »Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen« (Jn 20,17). Ein Wort, das uns überrascht, vor allem wenn wir es mit dem vergleichen, was mit dem ungläubigen Thomas geschieht. Dort im Abendmahlssaal zeigt der Auferstandene selbst dem Apostel die Hände und die Seite, damit er sie berührte und daraus die Gewißheit gewann, daß es tatsächlich Er war (vgl. Jn 20,27). In Wirklichkeit besteht zwischen den beiden Episoden kein Widerspruch; im Gegenteil, die eine hilft uns, die andere zu verstehen. Maria Magdalena möchte ihren Meister so wiederhaben wie vorher und hält das Kreuz für eine dramatische Erinnerung, die man vergessen kann. Doch für eine rein menschliche Beziehung mit dem Auferstandenen ist jetzt kein Platz mehr. Um ihm zu begegnen, muß man nicht zurückkehren, sondern auf neue Weise zu ihm in Beziehung treten: Man muß weitergehen! Das unterstreicht der hl. Bernhard: Jesus »lädt uns alle zu diesem neuen Leben, zu diesem Übergang ein … Wir werden Christus nicht sehen, wenn wir uns nach rückwärts wenden« (Predigt über Ostern; PL 183). Und genau das ist bei Thomas geschehen.
Jesus zeigt ihm seine Wundmale nicht, um das Kreuz zu vergessen, sondern um es auch in Zukunft unvergeßlich zu machen. Denn der Blick ist nunmehr in die Zukunft gerichtet. Aufgabe des Jüngers ist es, Zeugnis zu geben vom Tod und von der Auferstehung seines Meisters und von seinem neuen Leben. Darum fordert Jesus seinen ungläubigen Freund dazu auf, »ihn zu berühren«: Er will ihn zum direkten Zeugen seiner Auferstehung machen. Liebe Brüder und Schwestern, wie Maria Magdalena, Thomas und die anderen Apostel, sind auch wir gerufen, Zeugen des Todes und der Auferstehung Christi zu sein. Wir können die großartige Nachricht nicht für uns behalten. Wir müssen sie der ganzen Welt überbringen: »Wir haben den Herrn gesehen!« (Jn 20,25). Die Jungfrau Maria helfe uns, die österliche Freude voll auszukosten, auf daß wir, gestärkt durch die Kraft des Heiligen Geistes, dazu fähig werden, überall, wo wir leben und wirken, sie unsererseits zu verbreiten. Nochmals Frohe Ostern euch allen!
In diesen österlichen Tagen stellt uns die Liturgie verschiedene Begegnungen mit dem auferstandenen Herrn vor Augen. Im Johannesevangelium hören wir von dem Lauf - dem „Wettlauf“ - des Apostels Petrus und des Jüngers, den Jesus liebte, zum Grab. Die Kirchenväter sahen darin eine Aufforderung zum „Wetteifern“ der Gläubigen in der Suche nach Christus. Maria von Magdala findet und erkennt den Herrn, als er ihren Namen nennt. So finden auch wir den Herrn, wenn wir ihn aufrichtig suchen; ja, er selbst kommt uns vielmehr entgegen und läßt sich erkennen, indem er uns beim Namen ruft. Zwei Jünger wiederum begegnen dem Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus. Jesus gesellt sich als Weggefährte zu ihnen, erschließt ihnen den tieferen Sinn der Schrift und gibt sich beim Brotbrechen zu erkennen. Jesus Christus zeigt sich den Seinen als der, der lebt. Er ist jedoch nicht einfach vom Tod zurückgekehrt, sondern er ist hinübergegangen in ein neues Leben. Dies schafft auch eine neue Beziehung der Jünger zu Christus, wie wir in besonderer Weise bei Thomas sehen. Der Herr zeigt ihm die Wundmale, die bleibenden Zeichen seines Kreuzesleidens und seiner Liebe, und Thomas bekennt voll Glauben: „Mein Herr und mein Gott“ (Jn 20,28).
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In österlicher Freude heiße ich alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Bayern, Österreich, aus der Schweiz und aus den Niederlanden willkommen. Es sind so viele Gruppen, daß ich nicht anfangen kann, einzelne zu nennen, aber ihr werdet mir verzeihen, wenn ich drei Gruppen doch besonders nenne: nämlich das Chiemgau-Gymnasium in Traunstein, aus dem ich komme, das Münchner Priesterseminar, über dessen Anwesenheit ich mich besonders freue, und das Salzburger Priesterseminar, das ich immer als nachbarlich und heimatlich empfunden habe. Als Getaufte sind wir alle berufen, Zeugen des Todes und der Auferstehung Christi zu sein und die Botschaft von Ostern in die ganze Welt hinauszutragen. Von Herzen wünsche ich allen eine gnadenvolle Osterzeit. Der auferstandene Herr Jesus Christus erfülle euch mit seiner Freude und seinem Frieden.
Generalaudienzen 2005-2013 21037