Generalaudienzen 2005-2013 31085
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1 Die Mühe des Menschen und der Segen Gottes [Ein Wallfahrtslied Salomos.] Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut. Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, wacht der Wächter umsonst.
2 Es ist umsonst, daß ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; denn der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.
3 Kinder sind eine Gabe des Herrn, die Frucht des Leibes ist sein Geschenk.
4 Wie Pfeile in der Hand des Kriegers, so sind Söhne aus den Jahren der Jugend.
5 Wohl dem Mann, der mit ihnen den Köcher gefüllt hat! Beim Rechtsstreit mit ihren Feinden scheitern sie nicht.
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Der soeben verkündete Psalm 127 stellt uns ein abwechslungsreiches Schauspiel vor: ein Haus im Aufbau, die Stadt mit ihren Wächtern, das Leben der Familien, die Nachtwachen, die tägliche Arbeit, die kleinen und großen Geheimnisse des Daseins. Über allem aber erhebt sich eine entscheidende Gegenwart, die des Herrn, von der die Werke des Menschen durchdrungen sind, wie die einprägsame Einleitung des Psalms sagt: »Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut« (V. 1).
Sicherlich, eine gefestigte Gesellschaft erwächst aus dem Einsatz aller ihrer Mitglieder, aber sie bedarf des Segens und der Hilfe jenes Gottes, der leider oft ausgeschlossen oder nicht wahrgenommen wird. Das Buch der Sprichwörter betont ganz entschieden den Vorrang des göttlichen Handelns zum Wohl einer Gemeinschaft, indem es bekräftigt: »Der Segen des Herrn macht reich, eigene Mühe tut nichts hinzu« (Pr 10,22).
2. Diesem Weisheitspsalm, Frucht des Nachdenkens über die alltägliche Lebenswirklichkeit, liegt ein wesentlicher Gegensatz zugrunde: Ohne den Herrn müht man sich vergeblich, ein festgefügtes Haus zu bauen, eine sichere Stadt zu errichten und die eigene Mühe Frucht bringen zu lassen (vgl. Ps 127,1-2). Mit dem Herrn hingegen erlangt man Wohlstand und Fruchtbarkeit, eine kinderreiche glückliche Familie, eine gut bewaffnete und geschützte Stadt ohne Bedrohungen und Unsicherheiten (vgl. V. 3-5).
Der Text beginnt mit dem Hinweis auf den Herrn, der als Baumeister des Hauses und Wächter, der die Stadt behütet, dargestellt wird (vgl. Ps 121,1-8). Der Mann geht morgens aus dem Haus, um für den Familienunterhalt und im Dienste der gesellschaftlichen Entwicklung zu arbeiten. Diese Arbeit erfordert alle seine Kräfte, von früh bis spät (vgl. Ps 127,2), bis ihm der Schweiß auf der Stirn steht (vgl. Gn 3,19).
3. Und doch, obwohl der Psalmist die Bedeutung der Arbeit anerkennt, zögert er nicht zu bekräftigen, daß die ganze Arbeit nutzlos ist, wenn Gott nicht dem, der sich müht, zur Seite steht. Und er sagt, daß Gott seine Freunde sogar im Schlaf belohnt. Dadurch will der Psalmist den Primat der göttlichen Gnade betonen, die dem immer von Grenzen und Hinfälligkeit gezeichneten menschlichen Tun Wert und Bestand verleiht. Wenn wir unsere Freiheit gelassen und treu dem Herrn überantworten, werden auch unsere Werke beständig und können auf Dauer Frucht bringen. Unser »Schlaf« wird so zu einer von Gott gesegneten Ruhepause und besiegelt eine Tätigkeit, die Sinn und Bestand hat.
4. An dieser Stelle gehen wir zum nächsten Bild über, das von unserem Psalm gezeigt wird. Der Herr schenkt als Gabe die Kinder, die als ein Segen und eine Gnade, als Zeichen des Lebens, das sich fortsetzt, und als Zeichen der Heilsgeschichte angesehen werden, die auf neue Epochen ausgerichtet ist (vgl. V. 3). Der Psalmist erwähnt lobend die »Söhne aus den Jahren der Jugend«: Der Vater hat in seiner Jugend Söhne gezeugt, die er nicht nur in ihrer vollen Kraft sehen wird, sondern sie werden seine Stütze im Alter sein. So kann er zuversichtlich in die Zukunft blicken, weil er einem Krieger ähnelt, der mit spitzen und siegreichen »Pfeilen«, das heißt mit Söhnen, ausgestattet ist (vgl. V. 4-5).
Das Bild, das sich an die Kultur jener Zeit anlehnt, will die Sicherheit, die Festigkeit, die Kraft einer kinderreichen Familie hervorheben, wie es im nachfolgenden Psalm 128 wiederholt wird, in dem das Bild einer glücklichen Familie gezeichnet wird.
Das Schlußbild zeigt einen Vater inmitten seiner Kinder, der am Stadttor, dem Zentrum des öffentlichen Lebens, respektvoll behandelt wird. Kinder sind also eine Gabe, die der Gesellschaft Leben und Wohlstand bringt. Das wissen wir in unseren Tagen angesichts der Völker, denen es auf Grund der Bevölkerungsabnahme an Frische, Energie und Zukunft mangelt, die von den Kindern verkörpert werden. Über allem erhebt sich aber die segnende Gegenwart Gottes, der Quelle des Lebens und der Hoffnung.
5. Psalm 127 wurde oft von geistlichen Schriftstellern verwendet, um diese göttliche Gegenwart herauszustellen, die für das Fortschreiten auf dem Weg des Guten und des Reiches Gottes entscheidend ist. So lehrt der Mönch Jesaja (491 in Gaza gestorben) in seinem Asceticon (Logos 4,118), wenn er das Vorbild der frühen Patriarchen und Propheten in Erinnerung ruft: »Sie stellten sich unter Gottes Schutz und erbaten seinen Beistand, ohne daß sie auf die Mühe vertrauten, die sie sich gegeben hatten. Und Gottes Schutz war für sie eine befestigte Stadt, denn sie wußten, daß sie ohne Gottes Hilfe ohnmächtig waren und sprachen deshalb voll Demut mit dem Psalmisten: ›Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut. Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, wacht der Wächter umsonst‹« (Recueil ascétique, Abbaye de Bellefontaine 1976, SS. 74-75). Das gilt auch heute: Nur die Gemeinschaft mit dem Herrn kann unsere Häuser und Städte sichern.
Die Katechese der heutigen Audienz befaßt sich mit Psalm 127. Dieser Psalm ruft uns in Erinnerung, daß alles Mühen des Menschen nur durch den Segen Gottes dauernden Bestand erlangt. Unser Schaffen unterliegt den beschränkten menschlichen Kräften und der Dauer unseres Lebens, die wir nicht selbst bestimmen können. Dennoch empfindet der Mensch zu Recht eine tiefe Sehnsucht, diese Grenzen zu überschreiten.
Der Psalmist verweist uns auch auf das große Geschenk der Kinder. Kinder sind keine „Belästigung“ und kein „Produkt“, das persönliche Wünsche befriedigt; sie sind „eine Gabe des Herrn“ (Ps 127,3). Gottes Segen ruht auf jenen, die dieses große Geschenk mit offenem Herzen empfangen. Ebenso wissen wir aus dem Glauben: Unsere Werke können bleibende, ja sogar ewige Frucht bringen, wenn die Gnade Gottes in uns wirkt und wir mit ihr zusammenarbeiten. Denn mit den guten Taten, die wir im Stand der Gnade vollbringen, sammeln wir unvergängliche Schätze im Himmel.
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Einen glaubensfrohen Gruß richte ich an die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Gott wacht über unser Tun und begleitet es mit seinem Segen. Vertrauen wir auf seine Gnade und danken wir ihm für das Geschenk der Kinder und für die Gabe des ewigen Lebens. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt in Rom und einen guten Beginn des neuen Schuljahres sowie der Arbeit nach den Ferien!
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Col 1,3 Col 1,12-20
3 Wir danken Gott, dem Vater Jesu Christi, unseres Herrn, jedesmal, wenn wir für euch beten.
12 Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind.
13 Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes.
14 Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden.
15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.
17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.
18 Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang.
19 Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen,
20 um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Wir haben bereits vor einiger Zeit das großartige Bild Christi, des Herrn des Universums und der Geschichte, betrachtet, das den Hymnus beherrscht, der am Anfang des Briefes des hl. Paulus an die Kolosser steht. In der Tat wird dieses Canticum in allen vier Wochen wiederholt, in die die Vesperliturgie eingeteilt ist.
Den Kern des Hymnus bilden die Verse 15-20, in denen Christus unmittelbar und erhaben auftritt und als »Ebenbild des unsichtbaren Gottes« bezeichnet wird (V. 15). Der Apostel Paulus hat eine Vorliebe für das griechische Wort »eikon«, »Ikone«: Er verwendet es in seinen Briefen neunmal, wobei er es auf Christus, das vollkommene Ebenbild Gottes (vgl. 2Co 4,4), und auf den Menschen, Abbild und Abglanz Gottes (vgl. 1Co 11,7), anwendet. Der Mensch jedoch »vertauschte« aufgrund der Sünde »die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit Bildern, die einen vergänglichen Menschen … darstellen« (Rm 1,23), als er sich entschloß, die Götzen anzubeten, und ihnen ähnlich wurde.
Wir müssen deshalb unser Sein und Leben ständig entsprechend dem Bild des Gottessohnes gestalten (vgl. 2Co 3,18), denn wir wurden »der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes« (Col 1,13). Das ist ein erster Imperativ dieses Hymnus: unser Leben nach dem Bild des Gottessohnes gestalten, indem wir seine Gefühle, seinen Willen und sein Denken in uns aufnehmen.
2. Im weiteren Verlauf wird Christus als der »Erstgeborene [zuerst Gezeugte] der ganzen Schöpfung« verkündet (V. 15). Christus geht der ganzen Schöpfung voraus (vgl. V. 17), weil er von Ewigkeit her gezeugt ist, denn »alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen« (V. 16). Auch in der alten jüdischen Tradition wurde bekräftigt, daß »die ganze Welt auf den Messias hin erschaffen wurde« (Sanhedrin 98b).
Für den Apostel ist Christus das Prinzip des Zusammenhalts (»in ihm hat alles Bestand«), der Mittler (»durch ihn«) und die endgültige Bestimmung, der die ganze Schöpfung zustrebt. Er ist »der Erstgeborene von vielen Brüdern« (Rm 8,29), das heißt, er ist der Sohn vor allen anderen in der großen Familie der Kinder Gottes, in die uns die Taufe eingliedert.
3. An dieser Stelle geht der Blick von der Welt der Schöpfung hin zur Welt der Geschichte: Christus ist »das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche« (Col 1,18), und er ist es schon durch seine Menschwerdung. Denn Christus ist in die menschliche Gemeinschaft eingetreten, um sie zu leiten und in einem »Leib«, das heißt in einer harmonischen und fruchtbaren Einheit, zusammenzuführen. Der Bestand und das Wachstum der Menschheit haben ihre Wurzeln in Christus, dem lebenswichtigen Angelpunkt, »dem Anfang«.
Aufgrund dieses Primats kann Christus der Anfang der Auferstehung aller, der »Erstgeborene der Toten« sein, denn »in Christus werden alle lebendig gemacht werden … Erster ist Christus, dann folgen , wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören« (1Co 15,22-23).
4. Abschließend preist der Hymnus die »Fülle«, auf griechisch »pleroma«, die Christus als Liebesgabe des Vaters in sich trägt. Es ist die Fülle der Gottheit, die in das Universum und in die Menschheit ausstrahlt und Quelle des Friedens, der Einheit und der vollendeten Harmonie wird (Col 1,19-20).
Diese »Versöhnung« und »Wiederherstellung des Friedens« geschieht »am Kreuz durch sein Blut«, durch das wir gerecht gemacht und geheiligt werden. Indem er sein Blut vergossen und sich hingegeben hat, hat Christus den Frieden ausgegossen, der im Sprachgebrauch der Bibel die Zusammenfassung der messianischen Güter und der Fülle des Heils ist, die sich über die ganze geschaffene Wirklichkeit ausdehnt.
Der Hymnus endet deshalb mit dem lichten Ausblick auf Versöhnung, Einheit, Harmonie und Frieden, in dem feierlich die Gestalt ihres Urhebers - Christus, der »geliebte Sohn« des Vaters - erscheint.
5. Über diese bedeutungsreiche Perikope haben die Schriftsteller der alten christlichen Tradition nachgedacht. Der hl. Cyrill von Jerusalem zitiert in seinem Dialog das Canticum des Kolosserbriefes, um einem unbekannten Gesprächspartner zu antworten, der ihn gefragt hatte: »Heißt das also, daß das von Gott, dem Vater, gezeugte Wort in seinem Fleisch für uns gelitten hat?« Die Antwort ist entsprechend dem Canticum bejahend. »Denn« - so bekräftigt Cyrill - »das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung, durch den und in dem alles Bestand hat, wurde« - schreibt Paulus - »der Kirche als Haupt gegeben. Er ist auch der Erstgeborene der Toten«, das heißt der erste in der Reihe der Toten, die auferstehen. »Er« - so sagt Cyrill - »hat sich alles, was des Menschen Fleisch ist, zu eigen gemacht und ›das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten‹ (He 12,2). Wir sagen, daß nicht ein einfacher hochgeehrter Mensch wegen seiner Verbindung mit ihm, ich weiß nicht wie, für uns geopfert wurde, sondern daß der Herr der Herrlichkeit selbst gekreuzigt wurde« (Perché Cristo è uno: Collana di Testi patristici, XXXVII, Roma 1983, S. 101).
Vor diesem Herrn der Herrlichkeit, dem Zeichen der höchsten Liebe des Vaters, stimmen auch wir unseren Lobpreis an und knien nieder zur Anbetung und Danksagung.
Wie ein großes Panorama entfaltet der Hymnus aus dem Kolosserbrief das Bild Christi, unseres Herrn und Erlösers. Von Ewigkeit her ist Christus das „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (V. 15), die „Ikone“ des Vaters. Er ist der „Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (ebd.), ihr Ursprung und Ziel. An Ihm sollen wir unser Dasein ausrichten, da wir berufen sind, „Abbild und Abglanz Gottes“ zu sein.
Durch seine Menschwerdung tritt der Sohn Gottes in die Gemeinschaft der Menschen ein, um sie zu leiten und in eine harmonische und fruchtbare Einheit zusammenzuführen: Er ist das „Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche“ (V. 18). So haben Bestand und inneres Wachstum der Menschheit in Christus ihre Wurzeln. Als „Erstgeborener der Toten“ (ebd.) ist er zudem der Urgrund der Auferstehung aller. Denn durch sein Blut und seine Hingabe am Kreuz bringt Jesus Christus den Menschen die Erlösung; er ist der Urheber der Versöhnung und der Mittler des Heils. Der geliebte Sohn Gottes des Vaters führt die Schöpfung zur Vollendung.
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Herzlich heiße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Jesus Christus zeigt uns den Vater; er zeigt uns auch das Bild des wahren Menschen. Ihm wollen wir unsere Anliegen und Sorgen, unser ganzes Leben anvertrauen. Der Herr begleite euch mit seiner Liebe und mit seinem Segen!
14095 Ps 132,1-3 Ps 132,5 Ps 132,8-9
1 Die Erwählung Davids und des Zion [Ein Wallfahrtslied.] O Herr, denk an David, denk an all seine Mühen,
2 wie er dem Herrn geschworen, dem starken Gott Jakobs gelobt hat:
3 »Nicht will ich mein Zelt betreten noch mich zur Ruhe betten,
4 nicht Schlaf den Augen gönnen noch Schlummer den Lidern,
5 bis ich eine Stätte finde für den Herrn, eine Wohnung für den starken Gott Jakobs.«
6 Wir hörten von seiner Lade in Efrata, fanden sie im Gefilde von Jáar.
7 Laßt uns hingehen zu seiner Wohnung und niederfallen vor dem Schemel seiner Füße!
8 Erheb dich, Herr, komm an den Ort deiner Ruhe, du und deine machtvolle Lade!
9 Deine Priester sollen sich bekleiden mit Gerechtigkeit, und deine Frommen sollen jubeln.
10 Weil David dein Knecht ist, weise deinen Gesalbten nicht ab!
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Wir haben den ersten Teil von Psalm 132 gehört, einem Hymnus, der in der Liturgie der Vesper an zwei verschiedenen Stellen vorkommt. Nicht wenige Experten meinen, daß dieses Lied bei der feierlichen Übertragung der Bundeslade des Herrn erklungen ist, die Zeichen für die Gegenwart Gottes unter dem Volk Israel in Jerusalem, der von David gewählten Hauptstadt, war.
In der Erzählung dieses Ereignisses, wie es uns von der Bibel berichtet wird, ist zu lesen: König David »tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn her und trug dabei das leinene Efod.So brachten David und das ganze Haus Israel die Lade des Herrn unter Jubelgeschrei und unter dem Klang des Widderhorns hinauf« (2S 6,14-15).
Andere Gelehrte hingegen führen Psalm 132 auf eine Feier zum Gedächtnis an dieses frühere Ereignis zurück, nachdem David den Gottesdienst im Heiligtum von Zion eingerichtet hatte.
2. Der genannte Hymnus scheint eine liturgische Dimension vorauszusetzen. Wahrscheinlich wurde er bei Prozessionen gesungen, bei denen Priester und Gläubige anwesend waren unter Beteiligung eines Chores.
Der Liturgie der Vesper folgend, betrachten wir nun die ersten zehn Psalmverse, die uns soeben zu Gehör gebracht worden sind. Mittelpunkt dieses Abschnitts ist der von David feierlich geleistete Schwur. Denn es heißt, daß er - nachdem er den schweren Konflikt mit seinem Vorgänger König Saul hinter sich gebracht hatte - »dem Herrn geschworen, dem starken Gott Jakobs gelobt hat« (Ps 132,2). Der Inhalt dieser in den Versen 3-5 ausgesprochenen feierlichen Verpflichtung ist eindeutig: Der Herrscher wird den Königspalast von Jerusalem nicht betreten und sich nicht zur Ruhe begeben, bevor nicht eine Stätte für die Lade des Herrn gefunden ist.
Das ist sehr wichtig, weil es zeigt, daß es im Mittelpunkt des sozialen Lebens einer Stadt, einer Gemeinschaft, eines Volkes eine Gegenwart geben muß, die das Geheimnis des transzendenten Gottes in Erinnerung ruft, das heißt ein Raum für Gott, eine Wohnung für Gott. Der Mensch kommt ohne Gott nicht vorwärts, er muß in der Geschichte mit Gott gemeinsam auf dem Weg sein, und der Tempel, die Wohnung Gottes, hat die Aufgabe, diese Gemeinschaft, dieses Sich-von-Gott-führen-Lassen, sichtbar zu machen.
3. An dieser Stelle wird, nachdem die Worte Davids erklungen sind, vielleicht durch den Text eines liturgischen Chors, das Gedächtnis der Vergangenheit lebendig. Denn es wird an die Auffindung der Lade im Gefilde von Jáar in der Region Efrata erinnert (vgl. V. 6). Dort war die Lade lange geblieben, nachdem die Philister sie an Israel zurückgegeben hatten, das sie zuvor in einer Schlacht verloren hatte (vgl. 1S 7,1 2S 6,2 2S 6,11). Sie wird also aus dem Hinterland in die zukünftige Heilige Stadt überführt, und unser Hymnus endet mit einer fröhlichen Feier, die auf der einen Seite das betende Volk (vgl. Ps 132,7 Ps 132,9), das heißt die liturgische Versammlung, und auf der anderen Seite den Herrn zeigt, der im Zeichen der auf Zion aufgestellten Bundeslade und damit unter seinem Volk wieder gegenwärtig ist und wirkt (vgl. V. 8).
Das Wesentliche der Liturgie ist diese Beziehung zwischen Priestern und Gläubigen einerseits und dem Herrn in seiner Macht anderseits.
4. Zur Besiegelung des ersten Teils von Psalm 132 erklingt ein Bittgebet für die Könige, die David nachfolgen: »Weil David dein Knecht ist, weise deinen Gesalbten nicht ab« (V. 10). Man sieht also den kommenden Nachfolger Davids, »deinen Gesalbten«.
Es ist leicht, in diesem Gebet, das anfangs dazu bestimmt war, für den jüdischen Herrscher Hilfe in den Prüfungen des Lebens zu erflehen, eine messianische Dimension zu vermuten. Denn der Begriff »Gesalbter« ist die Übersetzung des jüdischen »Messias«. So geht der Blick des Beters über die Ereignisse im Reich Juda hinaus und richtet sich auf die große Erwartung des vollkommenen »Gesalbten«, des Messias, der bei Gott immer Gefallen finden und von ihm geliebt und gesegnet sein wird. Und er wird nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt der »Gesalbte«, der König sein. Er, Gott, ist mit uns, und man erwartet diesen »Gesalbten«, der dann in der Person Jesu Christi gekommen ist.
5. Diese messianische Interpretation im Hinblick auf den künftigen »Gesalbten« wird in der christlichen Schriftauslegung vorherrschen und sich auf den ganzen Psalm erstrecken.
Bedeutsam ist zum Beispiel, wie Esychios von Jerusalem, ein Priester der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, Vers 8 auf die Menschwerdung Christi bezieht. In seiner Zweiten Homilie über die Gottesmutter wendet er sich an die Jungfrau: »Dich und den von dir Geborenen besingt David unablässig mit der Zither: ›Erheb dich, Herr, komm an den Ort deiner Ruhe, du und deine machtvolle Lade!‹ (Ps 132,8).« Wer ist diese »machtvolle Lade«? Esychios antwortet: »Offensichtlich die Jungfrau, die Mutter Gottes. Denn wenn du die Perle bist, ist sie mit gutem Recht die Lade; wenn du die Sonne bist, wird die Jungfrau notwendigerweise Himmel genannt; und wenn du die unberührte Blume bist, wird die Jungfrau die unvergängliche Pflanze sein, das Paradies der Unsterblichkeit« (Testi mariani del primo millennio, I, Rom 1988, Ss. 532-533).
Mir scheint diese zweifache Auslegung sehr wichtig. Der »Gesalbte« ist Christus. Christus, der Sohn Gottes selbst, ist Mensch geworden. Und die Bundeslade, die wahre Wohnung Gottes in der Welt, nicht aus Holz, sondern aus Fleisch und Blut, ist die Gottesmutter, die sich dem Herrn als Bundeslade anbietet und lädt uns ein, ebenfalls lebendige Wohnung Gottes in der Welt zu sein.
Das alttestamentliche Volk Israel hegt eine starke Sehnsucht nach Gottes Nähe. Psalm 132, der uns soeben zu Gehör gebracht wurde, steht im Kontext der liturgischen Erinnerung Israels an den feierlichen Einzug der Bundeslade, die das Zeichen der göttlichen Gegenwart in Jerusalem ist. Die Beter machen sich den Schwur des Königs zu eigen: „Nicht will ich mein Zelt betreten ..., bis ich eine Stätte finde für den Herrn“ (V. 5). Im Herzen der Gemeinschaft muß es einen Ort geben, an dem die Menschen dem transzendenten Gott begegnen können.
Mit der Berufung auf die Erwählung König Davids verbindet sich die innige Bitte an Jahwe, immer bei seinem Volk zu bleiben. Die „machtvolle Lade“ ist ein Unterpfand für Gerechtigkeit und Frieden in einer Gemeinschaft, die in Gott ihren Ursprung und ihr Ziel hat. Die christliche Gebetstradition nimmt diese Anrufung auf. Sie erblickt in der Bundeslade die jungfräuliche Gottesmutter Maria, in der das Göttliche Wort Fleisch geworden, ist um unter uns zu wohnen.
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Von Herzen grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache. Besonders heiße ich heute Diakone aus dem Erzbistum Hamburg und aus der Diözese Limburg willkommen, sowie besonders auch die jungen Gäste der Päpstlichen Schweizergarde. Nehmt euch Christus zum Vorbild in allen Entscheidungen eures Lebens! Sein Geist mache euch bereit, stets das Gute zu vollbringen.
21095
Ps 132,11-18
11 Der Herr hat David geschworen, einen Eid, den er niemals brechen wird: »Einen Sproß aus deinem Geschlecht will ich setzen auf deinen Thron.
12 Wenn deine Söhne meinen Bund bewahren, mein Zeugnis, das ich sie lehre, dann sollen auch ihre Söhne auf deinem Thron sitzen für immer.«
13 Denn der Herr hat den Zion erwählt, ihn zu seinem Wohnsitz erkoren:
14 »Das ist für immer der Ort meiner Ruhe; hier will ich wohnen, ich hab’ ihn erkoren.
15 Zions Nahrung will ich reichlich segnen, mit Brot seine Armen sättigen.
16 Seine Priester will ich bekleiden mit Heil, seine Frommen sollen jauchzen und jubeln.
17 Dort lasse ich Davids Macht erstarken und stelle für meinen Gesalbten ein Licht auf.
18 Ich bedecke seine Feinde mit Schande; doch auf ihm erglänzt seine Krone.«
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Soeben ist der zweite Teil von Psalm 132 erklungen, ein Lied, das ein Schlüsselereignis aus der Geschichte Israels in Erinnerung ruft: die Überführung der Bundeslade des Herrn nach Jerusalem.
David war der Urheber dieser Übertragung, die im ersten Teil des Psalms bezeugt wird, den wir bereits betrachtet haben. In der Tat hatte der König geschworen, daß er den Königspalast nicht betreten werde, bis nicht eine Wohnung für die Bundeslade Gottes, das Zeichen der Gegenwart des Herrn unter seinem Volk, gefunden sei (vgl. V. 3-5).
Auf diesen Schwur des Königs antwortet jetzt Gott selbst mit einem Eid: »Der Herr hat David geschworen, einen Eid, den er niemals brechen wird« (V. 11). Diese feierliche Verheißung ist im wesentlichen die gleiche, die auch der Prophet Natan König David im Namen Gottes gegeben hatte; sie betrifft die künftige Nachkommenschaft Davids, deren Herrschaft ewigen Bestand haben soll (vgl. 2S 7,8-16).
2. Der göttliche Eid enthält aber auch eine Verpflichtung des Menschen, denn er ist an ein »Wenn«, an eine Bedingung gebunden: »Wenn deine Söhne meinen Bund bewahren« (Ps 132,12). Der Verheißung und dem Geschenk Gottes, das nichts Magisches an sich hat, muß die treue und tätige Zustimmung des Menschen in einem Dialog antworten, in dem die göttliche und die menschliche Freiheit miteinander verflochten sind.
An dieser Stelle wird der Psalm zu einem Gesang, der die wunderbaren Wirkungen des göttlichen Geschenkes und der Treue Israels preist. Denn man wird in der Tat die Gegenwart Gottes unter seinem Volk erfahren (vgl. V. 13-14): Er wird wie ein Mitbewohner unter den Bewohnern Jerusalems sein, wie ein Mitbürger, der mit den anderen Bürgern den Lauf der Geschichte erlebt, aber die Kraft seines Segens anbietet.
3. Gott wird die Ernte segnen und sich um die Sättigung der Armen kümmern (vgl. V. 15); er wird seinen schützenden Mantel über die Priester breiten und sie mit seinem Heil bekleiden; er wird dafür sorgen, daß alle Gläubigen in Freude und Zuversicht leben (vgl. V. 16).
Ein besonderer Segen ist wieder David und seinen Nachkommen vorbehalten: »Dort lasse ich Davids Macht erstarken und stelle für meinen Gesalbten ein Licht auf. Ich bedecke seine Feinde mit Schande; doch auf ihm erglänzt seine Krone« (V. 17-18).
Wie es schon im ersten Teil des Psalms geschehen ist (vgl. V. 10), tritt nun wieder der »Gesalbte«, auf hebräisch »Messias«, in Erscheinung, so daß er Davids Nachkommenschaft mit dem Kommen des Messias verbindet, das aus christlicher Perspektive in Christus Wirklichkeit wird. Die verwendeten Bilder sind lebendig: David wird als fruchtbringender Sproß dargestellt. Gott verleiht dem Nachkommen Davids strahlendes Licht, das Symbol der Lebenskraft und Herrlichkeit, und die glänzende Krone soll den Triumph über die Feinde und damit den Sieg über das Böse andeuten.
4. In Jerusalem verwirklicht sich im Tempel, der die Bundeslade birgt, und in der Dynastie Davids die zweifache Gegenwart des Herrn im Raum und in der Geschichte. Psalm 132 wird also eine Feier Gottes, des Immanuel, der bei seinen Geschöpfen ist, bei ihnen lebt und ihnen Wohltaten erweist, wenn sie mit ihm in der Wahrheit und in der Gerechtigkeit vereint sind. Der spirituelle Kern dieses Hymnus ist bereits eine Ankündigung der johanneischen Botschaft: »Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (Jn 1,14).
5. Abschließend erinnern wir daran, daß die Kirchenväter den Anfang dieses zweiten Teils von Psalm 132 gewöhnlich dazu verwendet haben, um die Menschwerdung des Wortes im Schoß der Jungfrau Maria zu beschreiben.
Schon der hl. Irenäus hat, anknüpfend an die Prophetie von Jesaja über die Jungfrau, die gebären sollte, erklärt: »Die Worte ›Hört her, ihr vom Haus David!‹ (Is 7,13) bedeuten, daß der ewige König, den Gott - wie er David verheißen hatte - aus dem ›Sproß seines Geschlechts‹ erwecken wollte (Ps 132,11), derjenige ist, der aus der Jungfrau geboren wurde und von David abstammt. Denn Gott hatte ihm einen König verheißen, der aus dem ›Sproß seines Geschlechts‹ geboren werden sollte, ein Ausdruck, mit dem eine schwangere Jungfrau bezeichnet wird. Die Schrift … betont und bekräftigt den Sproß des Geschlechts, um zu verkünden, daß der, welcher kommen soll, aus der Jungfrau geboren wird. Das bezeugte Elisabet, als sie, erfüllt vom Heiligen Geist, zu Maria sagte: ›Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes‹ (Lc 1,42). So weist der Heilige Geist diejenigen, die ihn hören wollen, darauf hin, daß sich in der Geburt aus der Jungfrau, also aus Maria, Gottes Verheißung an David erfüllt hat, das heißt, daß er aus dem Sproß seines Geschlechts einen König erwecken werde« (Contro le eresie, 3,21,5: Già e Non Ancora, CCCXX, Mailand 1997, S. 285).
So können wir anhand dieses großen Bogens, der sich vom frühen Psalm bis zur Menschwerdung des Herrn spannt, die Treue Gottes erkennen. Aus dem Psalm strahlt bereits das Geheimnis eines Gottes durch, der unter uns wohnt und der in der Menschwerdung eins mit uns wird. Diese Treue Gottes schenkt uns Zuversicht in den Wechselfällen der Geschichte, und sie ist Grund unserer Freude.
Der Einzug der Bundeslade in Jerusalem ist der thematische Rahmen von Psalm 132, dessen zweiten Teil wir heute betrachten. Darin ist die Rede von einem „Eid“ des Herrn, den er „niemals brechen wird“ (V. 11). Das Treueversprechen Gottes bezieht sein Volk mit ein, dessen tätige Antwort Teil jenes Bundes ist, in dem göttliche und menschliche Freiheit sich treffen.
Die wunderbare Frucht der Bundestreue ist das Wohnen Gottes unter seinem Volk. Der Herr ist gleichsam Mitbewohner Jerusalems; seine Gegenwart in Raum und Zeit ist Quelle des Segens für alle, die zu ihm gehören. In diesem alttestamentlichen Lobpreis auf den „Gott-mit-uns“ erklingt ein Präludium der im Johannesevangelium verkündeten Botschaft vom Heil: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (Jn 1,14).
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Mit diesen Gedanken heiße ich gerne alle deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen. Mein besonderer Gruß gilt heute dem Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften, den Schwestern von der Heiligen Elisabeth sowie den zahlreichen Jugendlichen hier auf dem Petersplatz. Denkt alle daran: Gott will in unserer Mitte wohnen. Sein Segen ist uns gewiß, wenn wir seine Gegenwart suchen. Denn seine Nähe macht uns heil. - Euch allen wünsche ich eine glückliche Zeit in Rom!
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1 Halleluja! Lobt den Namen des Herrn, lobt ihn, ihr Knechte des Herrn,
2 die ihr steht im Haus des Herrn, in den Vorhöfen am Haus unsres Gottes.
3 Lobt den Herrn, denn der Herr ist gütig. Singt und spielt seinem Namen, denn er ist freundlich.
4 Der Herr hat sich Jakob erwählt, Israel wurde sein Eigentum.
5 Ja, das weiß ich: Groß ist der Herr, unser Herr ist größer als alle Götter.
6 Alles, was dem Herrn gefällt, vollbringt er, im Himmel, auf der Erde, in den Meeren, in allen Tiefen.
7 Er führt Wolken herauf vom Ende der Erde, / er läßt es blitzen und regnen, aus seinen Kammern holt er den Sturmwind hervor.
8 Er erschlug Ägyptens Erstgeburt, bei Menschen und beim Vieh.
9 Gegen dich, Ägypten, sandte er Zeichen und Wunder, gegen den Pharao und all seine Knechte. 10 Er schlug viele Völker nieder und tötete mächtige Könige:
11 Sihon, den König der Amoriter, / Og, den König von Baschan, und alle Reiche Kanaans.
12 Ihr Land gab er Israel zum Erbe, zum Erbe Israel, seinem Volk.
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Wir haben nun den ersten Teil von Psalm 135 vor Augen, einen liturgischen Hymnus voller Anspielungen, Anklänge und Hinweise auf andere biblische Texte. In der Tat verfaßt die Liturgie ihre Texte oft so, daß sie aus dem reichen Erbe der Bibel ein großes Repertoire an Themen und Gebeten entnimmt, die den Weg der Gläubigen begleiten.
Wir folgen dem vom Gebet durchdrungenen Gedankengang dieses ersten Abschnitts (vgl. Ps 135,1-12), der mit einer umfassenden und nachdrücklichen Einladung, den Herrn zu loben (vgl. V. 1-3), beginnt. Der Aufruf richtet sich an die »Knechte des Herrn, die ihr steht im Haus des Herrn, in den Vorhöfen am Haus unseres Gottes« (V. 1-2).
Wir befinden uns also in der bewegenden Atmosphäre einer gottesdienstlichen Feier, die im Tempel stattfindet, am bevorzugten und gemeinsamen Ort des Gebets. Dort spürt man deutlich die Gegenwart »unseres Gottes«, eines »gütigen« und »freundlichen« Gottes, des Gottes der Erwählung und des Bundes (vgl. V. 3-4).
Nach der Einladung zum Lobpreis, verkündet eine Solostimme das Bekenntnis des Glaubens, das mit der Formel »Ja, das weiß ich« (V. 5) beginnt. Dieses Credo bildet den Kern des ganzen Hymnus, der sich als eine Kundgabe der Größe des Herrn erweist (ebd.), die in seinen wunderbaren Werken deutlich wird.
2. Die göttliche Allmacht offenbart sich ständig in der ganzen Welt »im Himmel, auf der Erde, in den Meeren, in allen Tiefen«. Gott ist es, der Wolken, Blitze, Regen und Stürme hervorbringt, die er gleichsam in seinen »Kammern« oder Speichern aufbewahrt (vgl. V. 6-7).
Aber in diesem Bekenntnis des Glaubens wird vor allem ein anderer Aspekt des göttlichen Wirkens gepriesen. Es handelt sich um das wunderbare Eingreifen in die Geschichte, wo der Schöpfer sein Antlitz als Erlöser seines Volkes und Herrscher der Welt zeigt. Dem Volk Israel, das sich im Gebet sammelt, werden die wichtigsten Ereignisse des Exodus vor Augen geführt.
Da ist vor allem die wesentliche Zusammenfassung und Erinnerung an die ägyptischen »Plagen«, die Geißeln, die vom Herrn hervorgerufen wurden, um den Unterdrücker zu beugen (vgl. V. 8-9). Es folgt dann das Gedenken an die Siege, die Israel nach der langen Wanderung durch die Wüste errungen hat. Sie werden dem machtvollen Eingreifen Gottes zugeschrieben, der »viele Völker niederschlug und mächtige Könige tötete« (V. 10). Und schließlich ist die Rede vom so tief ersehnten und erwarteten Ziel, dem verheißenen Land: »Ihr Land gab er Israel zum Erbe, zum Erbe Israel, seinem Volk« (V. 12).
Die göttliche Liebe wird in der Geschichte durch alle ihre schwierigen und ruhmvollen Ereignisse konkret und gleichsam greifbar. Die Liturgie hat die Aufgabe, die göttlichen Gaben immer gegenwärtig und wirksam zu machen, vor allem in der großen österlichen Feier, die die Wurzel aller übrigen Feierlichkeiten ist und das höchste Sinnbild der Freiheit und der Erlösung bildet.
3. Wir fassen den geistlichen Inhalt des Psalms und seines Lobpreises an Gott zusammen, indem wir ihn mit den Worten des hl. Klemens von Rom noch einmal vortragen, wie er im langen Schlußgebet seines Briefes an die Korinther erklingt. Klemens schreibt, wie in Psalm 135 das Antlitz Gottes, des Erlösers, erschienen sei, so komme jetzt sein Schutz, der schon den alten Vätern gewährt wurde, in Christus zu uns: »Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten für ein Wohlergehen in Frieden; schütze uns mit deiner mächtigen Hand und bewahre uns vor jeder Sünde mit deinem allerhöchsten Arm und rette uns vor denen, die uns zu Unrecht hassen. Schenke uns und allen Bewohnern der Erde Eintracht und Frieden, wie du sie unseren Vätern gewährt hast, als sie im Glauben und in der Wahrheit vertrauensvoll zu dir riefen … Dir, der du allein imstande bist, diese und noch größere Wohltaten für uns zu vollbringen, danken wir durch den Hohenpriester und Beschützer unserer Seelen, Jesus Christus, durch den dir jetzt Ruhm und Ehre zuteil werde von Generation zu Generation in alle Ewigkeit. Amen« (60,3-4; 61,3: Collana di Testi Patristici, V, Roma 1984, S. 90-91).
Ja, dieses Gebet eines Papstes aus dem 1. Jahrhundert können auch wir in diesen unseren Tagen beten und es als unser Gebet für die heutige Zeit ansehen: »Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten für ein Wohlergehen in Frieden. Schenke uns und allen Bewohnern der Erde in der gegenwärtigen Zeit Eintracht und Frieden, durch Jesus Christus, der herrscht von Generation zu Generation in alle Ewigkeit. Amen.«
Gegenstand unserer Betrachtung ist heute Psalm 135. Darin treten drei wesentliche Elemente der gottesdienstlichen Feier des Alten Bundes hervor: die Einladung zum gemeinschaftlichen Lobpreis, das Bekenntnis der Größe Gottes und die Erinnerung an die Wundertaten, die der Herr aus Liebe zu seinem Volk vollbracht hat. Für Israel sind dies vor allem die Befreiung aus Ägypten und das Geschenk des verheißenen Landes.
Lobpreis, Bekenntnis und Gedächtnis prägen auch die Liturgie des Neuen Bundes, der Kirche. Sie hat die Aufgabe, die göttlichen Gaben wirksam zu vergegenwärtigen, Gott zu danken und ihn zu verherrlichen. Unser Gottesdienst findet seinen Höhepunkt in der Eucharistie, in der wir das Opfer Christi begehen und unsere Erlösung feiern. So lesen wir im ersten Petrusbrief: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1P 2,9).
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Von Herzen grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Die Kirche lädt Euch ein, in der heiligen Liturgie den Herrn zu preisen und ihm für seine Wohltaten Dank zu sagen. Heute bitte ich auch um Euer Gebet für die Bischofssynode, die in wenigen Tagen hier im Vatikan beginnen wird. Euch allen wünsche ich einen angenehmen Aufenthalt in Rom. Der Herr segne Euch!
Generalaudienzen 2005-2013 31085