Generalaudienzen 2005-2013 8049
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Liebe Brüder und Schwestern!
Die Karwoche, die für uns Christen die wichtigste Woche des Jahres ist, bietet uns die Gelegenheit, uns in die zentralen Ereignisse der Erlösung zu vertiefen, das Ostergeheimnis, das große Mysterium des Glaubens, wieder lebendig werden zu lassen. Ab morgen nachmittag, beginnend mit der Messe »in Coena Domini«, werden uns die feierlichen liturgischen Riten helfen, das Leiden, den Tod und die Auferstehung des Herrn in den Tagen des österlichen Triduums, dem Mittelpunkt des ganzen Kirchenjahres, intensiver zu betrachten. Möge die göttliche Gnade unsere Herzen dem Verständnis des unschätzbaren Geschenks öffnen, welches das vom Opfer Christi für uns erworbene Heil darstellt. Dieses unermeßliche Geschenk finden wir wunderbar erzählt in einem berühmten Hymnus im Brief an die Philipper (vgl. 2,6-11), den wir in der Fastenzeit mehrmals betrachtet haben. Der Apostel läßt auf ebenso grundlegende wie wirksame Weise das ganze Geheimnis der Heilsgeschichte vorüberziehen, wobei er auf den Hochmut Adams hinweist, der nicht Gott war, aber wie Gott sein wollte. Und er stellt diesem Hochmut des ersten Menschen, den wir alle ein wenig in unserem Sein spüren, die Demut des wahren Gottessohnes entgegen, der Mensch wurde und nicht zögerte, alle Schwächen des Menschen, ausgenommen die Sünde, auf sich zu nehmen, und in die Tiefe des Todes hinabstieg. Auf diesen Abstieg in die letzte Tiefe des Leidens und Todes folgt dann seine Erhöhung, die wahre Herrlichkeit, die Herrlichkeit der Liebe, die bis zum Äußersten gegangen ist. Und deshalb ist es - wie der hl. Paulus sagt - richtig, daß »alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: ›Jesus Christus ist der Herr!‹« (2,10-11). Der hl. Paulus verweist mit diesen Worten auf eine Prophezeiung des Jesaja, wo Gott spricht: Ich bin der Herr, vor mir beuge sich jedes Knie im Himmel und auf der Erde (vgl. Is 45,23). Das, so Paulus, gilt für Jesus Christus. Er ist in seiner Demut, in der wahren Größe seiner Liebe wirklich der Herr der Welt, und vor ihm beugt sich wirklich jedes Knie.
Wie wunderbar und zugleich überraschend ist dieses Geheimnis! Wir können diese Wirklichkeit niemals genügend betrachten. Obwohl Jesus Gott war, wollte er seine göttlichen Vorrechte nicht zu einem Alleinbesitz machen; er wollte sein Gottsein, seine glorreiche Würde und seine Macht nicht als Werkzeug des Triumphs und Zeichen des Abstands von uns gebrauchen. Im Gegenteil, er »entäußerte sich«, indem er den armseligen und schwachen menschlichen Lebenszustand annahm - Paulus gebraucht diesbezüglich ein sehr prägnantes griechisches Wort, um auf die »kénosis«, diesen Herabstieg Jesu, hinzuweisen. Die göttliche Gestalt (»morphé«) verbarg sich in Christus in menschlicher Gestalt, das heißt in unserer Wirklichkeit, die vom Leiden, von der Armut, von unseren menschlichen Grenzen und vom Tod gezeichnet ist. Das radikale und wahre Teilen unserer Natur, ein Teilen in allem außer der Sünde, führte ihn bis an jene Grenze, die das Zeichen unserer Endlichkeit ist, nämlich den Tod. Aber das alles war nicht das Ergebnis eines dunklen Mechanismus oder eines blinden Schicksals: Es war vielmehr seine freie Wahl durch die großherzige Zustimmung zum Heilsplan des Vaters. Und der Tod, dem er entgegenging - fügt Paulus hinzu - war der Tod am Kreuz, der erniedrigendste und entwürdigendste, den man sich überhaupt vorstellen kann. All das hat der Herr des Universums aus Liebe zu uns vollbracht: Aus Liebe wollte er »sich entäußern« und unser Bruder werden; aus Liebe hat er unseren Seinszustand, den Seinszustand jedes Mannes und jeder Frau geteilt. Dazu schreibt ein großer Zeuge der orientalischen Tradition, Theodoret von Kyros: »Da er Gott und dem Wesen nach Gott ist und Gott gleich, hat er dies nicht für etwas Großes gehalten, wie es jene tun, die irgendeine Ehre empfangen haben, die ihre Verdienste übersteigt, sondern indem er seine Verdienste verbarg, hat er die tiefste Demut gewählt und die Gestalt eines Menschen angenommen« (Kommentar zum Brief an die Philipper, 2,6-7).
Der Auftakt zum österlichen Triduum, das, wie ich bereits sagte, morgen mit den eindrucksvollen Riten am Gründonnerstagnachmittag beginnt, ist die feierliche Chrisammesse, die der Bischof am Vormittag mit seinem Presbyterium feiert und bei der die bei der Weihe geleisteten priesterlichen Versprechen gemeinsam erneuert werden. Das ist eine Geste von großem Wert, eine mehr denn je geeignete Gelegenheit, bei der die Priester ihre Treue zu Christus bekräftigen, der sie zu seinen Dienern erwählt hat. Diese priesterliche Begegnung nimmt darüber hinaus eine besondere Bedeutung an, weil sie gleichsam eine Vorbereitung auf das Priesterjahr ist, das ich anläßlich des 150. Todestages des heiligen Pfarrers von Ars ausgerufen habe und das am kommenden 19. Juni beginnen wird. In der Chrisammesse werden dann auch die Öle für die Krankensalbung und für die Katechumenen gesegnet und der Chrisam geweiht. Das sind Riten, mit denen symbolisch die Fülle des Priestertums Christi und jene kirchliche Gemeinschaft ausgedrückt werden, die das christliche Volk beseelen muß, das zum eucharistischen Opfer versammelt ist und durch die Gabe des Heiligen Geistes in der Einheit belebt wird.
In der Abendmahlsmesse, »in Coena Domini« genannt, am Nachmittag gedenkt die Kirche der Einsetzung der Eucharistie, des Amtspriestertums und des neuen Gebotes der Liebe, das Jesus seinen Jüngern hinterlassen hat. Von dem, was im Abendmahlssaal am Vorabend des Leidens des Herrn geschah, bietet der hl. Paulus eines der ältesten Zeugnisse. Er schreibt zu Beginn der Fünfzigerjahre, wobei er sich auf einen Text stützt, den er aus der Umgebung des Herrn selbst erhalten hat: »Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!« (1Co 11,23-25). Das sind geheimnisvolle Worte, die klar und deutlich den Willen Christi offenbaren: In den Gestalten des Brotes und des Weines ist er mit seinem hingegebenen Leib und seinem vergossenen Blut gegenwärtig. Es ist das Opfer des neuen und endgültigen Bundes, der allen, ohne Unterscheidung von Rasse und Kultur, angeboten wird. Und zu Spendern dieses sakramentalen Ritus, den er der Kirche als höchsten Beweis seiner Liebe übergibt, bestimmt Jesus seine Jünger und alle, die deren Amt im Laufe der Jahrhunderte fortsetzen werden. Der Gründonnerstag stellt also eine erneute Einladung dar, Gott für das höchste Geschenk der Eucharistie zu danken, das voll Ehrfurcht anzunehmen und mit lebendigem Glauben anzubeten ist. Deshalb ermutigt die Kirche nach der Feier der heiligen Messe dazu, in Gegenwart des Allerheiligsten Sakraments zu wachen im Gedenken an die traurige Stunde, die Jesus in Einsamkeit und Gebet in Getsemani verbrachte, ehe er verhaftet und dann zum Tod verurteilt wurde.
Und so haben wir nun den Karfreitag erreicht, den Tag des Leidens und der Kreuzigung des Herrn. Jedes Jahr werden wir, während wir in Stille vor Jesus stehen, der am Holz des Kreuzes hängt, gewahr, wie liebevoll die Worte sind, die er am Vorabend während des Letzten Abendmahls gesprochen hat: »Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird« (vgl. Mc 14,24). Jesus wollte sein Leben als Opfer zum Nachlaß der Sünden der Menschheit hingeben. Wie vor der Eucharistie wird angesichts des Leidens und des Todes Jesu am Kreuz das Geheimnis für unsere Vernunft unergründlich. Wir stehen vor etwas, das aus menschlicher Sicht absurd erscheinen könnte: Ein Gott, der nicht nur Mensch wird mit allen Bedürfnissen des Menschen, der nicht nur leidet, um den Menschen zu retten, indem er die ganze Tragödie der Menschheit auf sich nimmt, sondern der für den Menschen stirbt.
Der Tod Christi erinnert uns an die Anhäufung von Schmerz und Übeln, die auf der Menschheit aller Zeiten lastet: das erdrückende Gewicht unseres Sterbens, den Haß und die Gewalt, die noch heute die Erde mit Blut beflecken. Das Leiden des Herrn setzt sich im Leiden der Menschen fort. Wie Blaise Pascal mit Recht schreibt: »Jesus wird bis zum Ende der Welt im Todeskampf liegen; während dieser Zeit darf man nicht schlafen« (Gedanken, 553). Wenn der Karfreitag ein Tag voller Traurigkeit ist, so ist er dennoch gleichzeitig ein Tag, der sehr dazu geeignet ist, unseren Glauben neu zu wecken, unsere Hoffnung zu stärken sowie den Mut, unser Kreuz zu tragen in Demut, mit Vertrauen und Hingabe an Gott, während wir seiner Hilfe und seines Sieges gewiß sind. Die Liturgie dieses Tages singt: »O Crux, ave, spes unica - O Kreuz, sei gegrüßt, einzige Hoffnung.«
Diese Hoffnung wird in der großen Stille des Karsamstags, in Erwartung der Auferstehung Jesu genährt. An diesem Tag sind die Kirchen schmucklos, und es sind keine besonderen liturgischen Riten vorgesehen. Die Kirche wacht im Gebet wie Maria und zusammen mit Maria, indem sie deren Gefühle des Schmerzes und des Vertrauens in Gott teilt. Richtigerweise wird empfohlen, während des ganzen Tages eine Atmosphäre des Gebets zu wahren, die für die Betrachtung und die Versöhnung förderlich ist; die Gläubigen werden dazu ermuntert, das Sakrament der Buße zu empfangen, um wirklich erneuert am Osterfest teilnehmen zu können.
Die Sammlung und die Stille des Karsamstags werden uns in die Nacht, in die Feier der Osternacht hineinführen, die »Mutter aller Nachtwachen«, wenn in allen Kirchen und Gemeinden die Freude über die Auferstehung Christi ausbrechen wird. Noch einmal wird der Sieg des Lichts über die Finsternis, des Lebens über den Tod verkündet werden, und die Kirche wird sich über die Begegnung mit ihrem Herrn freuen. Wir werden so in die Atmosphäre des Ostertages, des Hochfestes der Auferstehung, eintreten.
Liebe Brüder und Schwestern, bereiten wir uns darauf vor, das »Triduum Sacrum« intensiv zu leben, um immer tiefer am Geheimnis Christi teilzuhaben. Auf diesem Weg begleite uns die heilige Jungfrau, die ihrem Sohn Jesus in der Stille bis auf den Kalvarienberg gefolgt ist, mit großem Leid an seinem Opfer teilgenommen und so am Geheimnis der Erlösung mitgewirkt hat und Mutter aller Gläubigen geworden ist (vgl. Jn 19,25-27). Gemeinsam mit ihr werden wir den Abendmahlssaal betreten, zu Füßen des Kreuzes ausharren, im Geiste neben dem gestorbenen Christus wachen und voller Hoffnung den Morgen des strahlenden Tages der Auferstehung erwarten. Von diesen Gedanken erfüllt, spreche ich euch allen schon jetzt die herzlichsten Wünsche für ein frohes und gesegnetes Osterfest aus, zusammen mit euren Familien Pfarreien und Gemeinschaften.
Die Karwoche ist für uns Christen die wichtigste Woche des Jahres. Sie gibt uns die Gelegenheit, die zentralen Ereignisse unserer Erlösung vertieft zu betrachten. Zu Beginn dieser Audienz haben wir die Verse des bekannten Hymnus aus dem Philipperbrief gehört. Da heißt es, daß Christus sich aus Liebe zu uns erniedrigt, ja gleichsam entleert hat, um mit dem Kreuzestod unsere Schuld auf sich zu nehmen und uns so den Weg zum Himmel zu eröffnen. Diese Intensität der Liebe wird am Gründonnerstag beim Letzten Abendmahl sichtbar. Der heilige Paulus gibt die Worte Jesu wieder, die er offenbar in mündlicher Überlieferung gehört hat: „Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! ... Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1Co 11,24-25). Christus will mit seinem Leib und Blut bei den Jüngern gegenwärtig sein. In dieser Opfergabe stiftet er einen neuen Bund, mit dem er allen Menschen, gleich welcher Nation und Kultur, nahe sein will. Der grausame Tod Christi, der den Karfreitag überschattet, lenkt unseren Blick auch auf all den Schmerz, den Haß und die Gewalt, unter denen die Welt bis heute leidet. Gerade da wird Christus, der diese zutiefst menschliche Erfahrung bis zum Äußersten mit uns geteilt hat, für uns zur Stütze und zur Quelle der Hoffnung. In dieser stillen Zuversicht gehen wir am Karsamstag der Osternacht entgegen, in der wir den Sieg der Auferstehung Christi über die Finsternis der Sünde und des Todes feiern.
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Einen herzlichen Gruß richte ich an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Bereiten wir unser Herz, so gut wir können, in diesen Tagen, damit wir die Freude von Ostern von innen her miterleben können. Versuchen wir, uns selbst in diesen Tagen zu erneuern, besonders auch durch eine Osterbeichte, die uns sozusagen von innen her neu machen kann. Nehmen wir uns Zeit für die Betrachtung der Passionsgeschichte. Gehen wir den Weg mit Maria, die sich ganz vom Leiden ihres Sohnes und von der Freude über seine Auferstehung erfüllen ließ. In diesem Sinne wünsche ich euch allen gesegnete Ostern.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Die mittwochs stattfindende Generalaudienz ist heute von geistlicher Freude erfüllt, jener Freude, die kein Leiden und kein Schmerz auszulöschen vermag, weil es die Freude ist, die der Gewißheit entspringt, daß Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung endgültig über das Böse und den Tod triumphiert hat. »Christus ist auferstanden! Halleluja!«, singt die feiernde Kirche. Und diese festliche Atmosphäre, diese für Ostern bezeichnenden Gefühle halten nicht nur während dieser Woche - der Osterwoche - an, sondern breiten sich über die fünfzig Tage bis Pfingsten aus. Ja, wir können sagen: Das Ostergeheimnis umfängt den ganzen Bogen unseres Daseins.
In dieser Zeit des Kirchenjahres werden uns tatsächlich viele biblische Bezüge und Anregungen zur Meditation geboten, um die Bedeutung und den Wert von Ostern zu vertiefen. Die »Via Crucis«, der Kreuzweg, den wir in den drei österlichen Tagen mit Jesus bis zum Kalvarienberg gegangen sind und dabei sein schmerzvolles Leiden wiederaufleben ließen, ist in der feierlichen Osternacht zur trostreichen »Via Lucis«, zum Lichtweg, geworden. Von der Auferstehung her können wir sagen, daß dieser ganze Leidensweg ein Weg des Lichts und der geistlichen Wiedergeburt, des inneren Friedens und der unerschütterlichen Hoffnung ist. Nach den Tränen, nach dem Verlorensein vom Karfreitag, auf den die erwartungsvolle Stille des Karsamstags folgte, erklang am Morgen des »ersten Tages der Woche« kraftvoll die Verkündigung des Lebens, das über den Tod gesiegt hat: »Dux vitae mortuus/regnat vivus - des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend! « Die überwältigende Neuigkeit von der Auferstehung ist so bedeutungsvoll, daß die Kirche nicht aufhört, sie zu verkündigen, indem sie nach wie vor besonders jeden Sonntag an sie erinnert: Denn jeder Sonntag ist der »Tag des Herrn« und das wöchentliche Osterfest des Gottesvolkes. Um gleichsam dieses Heilsgeheimnis, das unser tägliches Leben betrifft, herauszustellen, nennen unsere östlichen Brüder in russischer Sprache den Sonntag »Tag der Auferstehung« (woskressenije).
Die Auferstehung des Jesus von Nazaret als wirkliches, historisches, von vielen glaubwürdigen Zeugen bestätigtes Ereignis zu verkünden ist daher grundlegend für unseren Glauben und für unser christliches Zeugnis. Dazu bekennen wir uns nachdrücklich, weil es auch in der heutigen Zeit nicht an Menschen fehlt, die versuchen, die Historizität zu leugnen, indem sie den Bericht des Evangeliums zu einem Mythos, zu einer »Vision« der Apostel verkürzen und alte, längst unhaltbar gewordene Theorien wieder aufgreifen und als neu und wissenschaftlich präsentieren. Gewiß war die Auferstehung für Jesus nicht eine einfache Rückkehr ins frühere Leben. Dann wäre sie nämlich eine Angelegenheit der Vergangenheit gewesen: Vor zweitausend Jahren ist einer auferstanden und in sein früheres Leben zurückgekehrt wie zum Beispiel Lazarus. Die Auferstehung Christi stellt sich in einer anderen Dimension dar: Sie ist der Übergang zu einer tiefgreifend neuen Dimension des Lebens, die auch uns betrifft, die die ganze Menschheitsfamilie, die Geschichte und das Universum miteinbezieht. Dieses Geschehen, das eine neue Dimension des Lebens, eine Öffnung dieser unserer Welt hin zum ewigen Leben eingeführt hat, hat das Leben der Augenzeugen verändert, wie die Berichte der Evangelien und die anderen neutestamentlichen Schriften beweisen; es ist eine Botschaft, die ganze Generationen von Männern und Frauen im Laufe der Jahrhunderte gläubig empfangen und nicht selten um den Preis ihres Blutes bezeugt haben, wußten sie doch, daß sie gerade so in diese neue Dimension des Lebens eintraten. Auch in diesem Jahr erschallt zu Ostern in jedem Winkel der Erde unverändert und immer wieder neu diese gute Nachricht: Der am Kreuz gestorbene Jesus ist auferstanden, lebt glorreich, weil er die Macht des Todes überwunden und den Menschen in eine neue Lebensgemeinschaft mit Gott und in Gott geführt hat. Das ist der Sieg von Ostern, unsere Rettung! Und daher können wir mit dem hl. Augustinus singen: »Die Auferstehung Christi ist unsere Hoffnung«, weil sie uns in eine neue Zukunft einführt.
Es ist wahr: Die Auferstehung Christi begründet unseren festen Glauben und erleuchtet unsere ganze irdische Pilgerschaft, einschließlich des menschlichen Rätsels von Leid und Tod. Der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Christus ist das Herzstück der ganzen Botschaft des Evangeliums, der zentrale Kern unseres Glaubensbekenntnisses. Eine wesentliche Aussage dieses Glaubensbekenntnisses können wir in einem bekannten Abschnitt bei Paulus im Ersten Brief an die Korinther (15,3-8) finden: Dort übermittelt der Apostel als Antwort an einige Mitglieder der Gemeinde von Korinth, die zwar die Auferstehung Jesu verkündeten, aber paradoxerweise die Auferstehung der Toten - unsere Hoffnung - leugneten, getreu das, was er - Paulus - von der ersten apostolischen Gemeinde über den Tod und die Auferstehung des Herrn empfangen hatte.
Er beginnt mit einer gleichsam endgültigen Aussage: »Ich erinnere euch, Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe. Oder habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen?« (V. 1-2). Er fügt sogleich hinzu, er habe an sie das weitergegeben, was er selbst empfangen hatte. Darauf folgt die Perikope, die wir zu Beginn unserer Begegnung gehört haben. Der hl. Paulus weist uns vor allem auf den Tod Jesu hin und fügt in diesem so knappen Text zu der Nachricht, daß »Christus gestorben ist«, zwei ergänzende Bemerkungen hinzu. Die erste Hinzufügung lautet: Er ist gestorben »für unsere Sünden«; die zweite: »gemäß der Schrift« (V. 3). Dieser Ausdruck »gemäß der Schrift« setzt das Ereignis des Todes des Herrn in Beziehung zur Geschichte des alttestamentlichen Bundes Gottes mit seinem Volk und läßt uns verstehen, daß der Tod des Gottessohnes in das Gefüge der Heilsgeschichte hineingehört, ja macht uns begreiflich, daß diese Geschichte vom Tod Christi her ihre Logik und wahre Bedeutung erhält. Bis zu jenem Augenblick war der Tod Christi ein Rätsel geblieben, dessen Ausgang noch ungewiß war. Im Ostergeheimnis erfüllen sich die Worte der Schrift. Dies heißt: Dieser Tod, der »gemäß der Schrift« geschehen ist, ist ein Ereignis, das einen »logos«, eine Logik in sich trägt: Der Tod Christi bezeugt, daß das Wort Gottes bis ins Innerste »Fleisch«, menschliche »Geschichte«, geworden ist. Wie und warum das geschehen ist, erfaßt man aus dem zweiten Zusatz des hl. Paulus: Christus ist »für unsere Sünden« gestorben. Mit diesen Worten scheint der Paulustext die im Vierten Lied vom Gottesknecht enthaltene Prophezeiung des Jesaja wieder aufzunehmen (vgl. Is 53,12). Der Gottesknecht - so heißt es in dem Lied - »hat sich selbst bis zum Tod entäußert«, hat »die Sünden von vielen« getragen und dadurch, daß er für die »Schuldigen« eintrat, konnte er das Geschenk der Versöhnung der Menschen untereinander und der Menschen mit Gott erwirken: Sein Tod ist also ein Tod, der dem Tod ein Ende macht; der Weg des Kreuzes führt zur Auferstehung.
In den folgenden Versen verweilt Paulus dann bei der Auferstehung des Herrn. Er sagt, Christus »ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift«. Also wieder »gemäß der Schrift«! Viele Exegeten erkennen in der Formulierung: Christus »ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift« einen gewichtigen Hinweis auf das, was wir im Psalm 16 lesen, wo der Psalmist ausruft: »Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis; du läßt deinen Frommen das Grab nicht schauen« (V. 10). Das ist einer der Texte, die im Urchristentum häufig zitiert wurden, um den messianischen Charakter Jesu zu beweisen. Da nach jüdischer Auslegung die Verwesung nach dem dritten Tag einsetzte, erfüllte sich das Wort der Schrift in Jesus, der am dritten Tag aufersteht, also bevor die Verwesung einsetzt. Der hl. Paulus, der die Lehre der Apostel getreu überliefert, hebt hervor, daß der Sieg Christi über den Tod durch die schöpferische Macht des Wortes Gottes geschieht. Diese göttliche Macht weckt Hoffnung und Freude: Das ist letztendlich der befreiende Inhalt der österlichen Offenbarung. An Ostern offenbart Gott sich selbst und die Macht der dreifaltigen Liebe, die die zerstörerischen Kräfte des Bösen und des Todes vernichtet.
Liebe Brüder und Schwestern, lassen wir uns von der strahlenden Herrlichkeit des auferstandenen Herrn erleuchten! Empfangen wir ihn voll Glauben, und folgen wir hochherzig seinem Evangelium, wie es die privilegierten Zeugen seiner Auferstehung getan haben; wie es einige Jahre später der hl. Paulus getan hat, der auf dem Weg nach Damaskus dem göttlichen Meister auf außergewöhnliche Weise begegnet ist. Wir dürfen die Botschaft dieser Wahrheit, die das Leben aller verwandelt, nicht für uns allein behalten. Und so beten wir mit demütigem Vertrauen: »Jesus, durch deine Auferstehung von den Toten hast du unsere Auferstehung vorweggenommen, wir glauben an dich!« Ich möchte mit einem Ausruf schließen, den Silvanus vom Berge Athos gern wiederholte: »Freue dich, meine Seele. Es ist immer Ostern, weil der auferstandene Christus unsere Auferstehung ist!« Die Jungfrau Maria helfe uns, in uns und in unserer Umgebung diese Atmosphäre österlicher Freude zu pflegen, um in jeder Situation unseres Daseins Zeugen der göttlichen Liebe zu sein. Noch einmal Frohe Ostern euch allen!
Die Generalaudienz in der Osterwoche gibt mir Gelegenheit, mit euch über die Bedeutung der Auferstehung Christi nachzudenken. Ostern, das Fest der Auferstehung, ist das höchste Ereignis im Kirchenjahr. Fünfzig Tage lang feiert die Kirche die Osterzeit, und das ganze Jahr hindurch ist jeder Sonntag ein „kleines Osterfest“. Der heilige Paulus faßt den Kern unseres Glaubensbekenntnisses in drei Momenten zusammen: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tage auferweckt worden, gemäß der Schrift“ (1 Kor 15,3f). Die Auferstehung ist ein reales Ereignis, das von glaubwürdigen Zeugen überliefert wurde. Zugleich erfolgen diese Fakten „gemäß der Schrift“. Hier erfüllen sich also die Verheißungen, die dem Volk Israel über den Messias gegeben wurden. Das Heilsgeschehen trägt in sich ein Wort, eine Logik. Das Wort Gottes ist „Fleisch“, ist Geschichte eines Menschen geworden. Dieser Mensch macht durch seinen Tod dem Tod ein Ende. Seine Auferstehung ist nicht einfache Rückkehr ins frühere Leben, sie eröffnet vielmehr eine neue umfassende Dimension des Lebens, welche die ganze Menschheit mit ihrer Geschichte einbezieht. Der Sieg Christi über den Tod geschieht kraft der schöpferischen Macht des Wortes Gottes. An Ostern offenbart Gott die Macht seiner Liebe, die die zerstörerischen Kräfte des Bösen und des Todes vernichtet. Wenn wir in dieser Welt stets auch mit dem Leid konfrontiert sind, wird uns in der Gemeinschaft mit Christus schon jetzt der Weg zur Fülle des Lebens eröffnet.
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Ganz herzlich heiße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Ich grüße heute besonders die Ständigen Diakone aus Münster und die Gruppe der Polizeiseelsorge Deutschland. Lassen wir uns von der österlichen Freude anstecken! Der auferstandene Christus versöhnte die Welt mit Gott, dem Schöpfer des Lebens. So wünschen wir uns alle, daß der Herr uns eine gesegnete Osterzeit schenken möge.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Die Kirche lebt in den Menschen, und wer die Kirche kennenlernen, ihr Geheimnis verstehen will, muß die Menschen betrachten, die ihre Botschaft, ihr Geheimnis gelebt haben und leben. Deshalb spreche ich seit längerer Zeit in den Mittwochskatechesen von Personen, von denen wir lernen können, was die Kirche ist. Wir haben mit den Aposteln und den Kirchenvätern begonnen und sind nun im 8. Jahrhundert, der Zeit Karls des Großen, angekommen. Heute möchte ich über Ambrosius Autpertus sprechen, einen ziemlich unbekannten Autor: Seine Werke waren nämlich großenteils anderen bekannteren Persönlichkeiten, vom hl. Ambrosius von Mailand bis hin zum hl. Ildefonsus, zugeschrieben worden, ohne von jenen Werken zu sprechen, die die Mönche von Montecassino der Feder ihres gleichnamigen Abtes zuschreiben zu müssen glaubten, der fast ein Jahrhundert später lebte. Abgesehen von einigen knappen autobiographischen Hinweisen in seinem großen Kommentar zur Offenbarung des Johannes besitzen wir wenige sichere Nachrichten über sein Leben. Das aufmerksame Lesen der Werke, deren Urheberschaft die Kritik ihm nach und nach zuerkennt, erlaubt uns jedoch, in seiner Lehre einen kostbaren theologischen und spirituellen Schatz auch für unsere Zeit zu entdecken.
Geboren in einer angesehenen Familie in der Provence, kam Ambrosius Autperus - gemäß seinem späteren Biographen Johannes - an den Hof des Frankenkönigs Pippin des Jüngeren, wo er neben seiner Beamtentätigkeit in gewisser Weise auch als Lehrer des späteren Kaisers Karl des Großen wirkte. Wahrscheinlich im Gefolge von Papst Stefan II., der sich in den Jahren 753/54 an den fränkischen Hof begeben hatte, kam Autpertus nach Italien und konnte die berühmte Benediktinerabtei »San Vincenzo« an den Quellen des Flusses Volturno im Herzogtum Benevent besuchen. Die am Beginn jenes Jahrhunderts von den drei aus Benevent stammenden Brüdern Paldus, Tatus und Tasus gegründete Abtei war als Oase klassischer und christlicher Kultur bekannt. Kurz nach seinem Besuch dort beschloß Ambrosius Autpertus, sich dem Orden anzuschließen, und trat in jenes Kloster ein, wo er sich vor allem in Theologie und Spiritualität in der Tradition der Kirchenväter angemessen bilden konnte. Um das Jahr 761 wurde er zum Priester geweiht und am 4. Oktober 777 mit Unterstützung der fränkischen Mönche zum Abt gewählt, während die langobardischen Mönche gegen ihn und für den Langobarden Potho waren. Die nationalistische Spannung beruhigte sich in den folgenden Monaten jedoch nicht, so daß Autpertus im Jahr darauf, 778, daran dachte, sein Amt niederzulegen und mit einigen fränkischen Mönchen nach Spoleto zu gehen, wo er auf den Schutz Karls des Großen zählen konnte. Dadurch ist jedoch der Zwist im Kloster »San Vincenzo« nicht zur Ruhe gekommen, und als einige Jahre später, 782, nach dem Tod des Abtes, der Autpertus nachgefolgt war, ausgerechnet Potho gewählt wurde, flammte der Gegensatz neuerlich auf und führte zur Anzeige des neuen Abtes bei Karl dem Großen. Dieser verwies die Rivalen an den Gerichtshof des Papstes, der sie nach Rom vorlud. Er rief als Zeugen auch Autpertus nach Rom, der jedoch während der Reise am 30. Januar 784 plötzlich verstarb - wahrscheinlich wurde er ermordet.
Ambrosius Autpertus war Mönch und Abt in einer Zeit, die von heftigen politischen Spannungen gezeichnet war, welche sich auch auf das Leben in den Klöstern auswirkten. Das findet in seinen Schriften häufigen und besorgten Widerhall. So beklagt er zum Beispiel den Widerspruch zwischen dem prächtigen äußeren Erscheinungsbild der Klöster und der Lauheit der Mönche: Sicher zielte er mit dieser Kritik auch auf seine eigene Abtei ab. Für sie verfaßte er die »Vita« der drei Gründer in der klaren Absicht, der neuen Mönchsgeneration einen Bezugspunkt zu bieten, mit dem sie sich auseinandersetzen sollten. Ein ähnliches Ziel verfolgte er auch mit dem kleinen asketischen Traktat »Conflictus vitiorum et virtutum« (Der Konflikt zwischen den Lastern und den Tugenden), der im Mittelalter großen Erfolg hatte und 1473 in Utrecht unter dem Namen Gregors des Großen und ein Jahr später in Straßburg unter dem des hl. Augustinus veröffentlicht wurde. Darin beabsichtigt Ambrosius Autpertus, die Mönche ganz konkret zu unterweisen, wie sie sich dem geistlichen Kampf Tag für Tag zu stellen haben. Bedeutungsvoll wendet er die Aussage von 2Tm 3,12: »So werden alle, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus ein frommes Leben führen wollen, verfolgt werden«, nicht mehr auf die äußere Verfolgung an, sondern auf den Angriff von seiten der Mächte des Bösen, dem sich der Christ in seinem Inneren stellen muß. In einer Art Disput werden 24 Paare von Kämpfenden vorgestellt: Jedes Laster versucht, die Seele mit subtilen Argumenten zu verführen, während die jeweilige Tugend solche Unterstellungen widerlegt, wobei sie sich vorwiegend der Worte der Heiligen Schrift bedient.
In diesem Traktat über den Konflikt zwischen den Lastern und den Tugenden stellt Autpertus der »cupiditas« (der Habgier) den »contemptus mundi« (die Verachtung der Welt) entgegen, die zu einem wichtigen Element in der Spiritualität der Mönche wird. Diese Verachtung der Welt ist keine Geringschätzung des Geschaffenen, der Schönheit und der Güte der Schöpfung und des Schöpfers, sondern die Verachtung einer falschen Sicht der Welt, die gerade von der Habgier nahegelegt und erweckt wird. Sie will uns glauben machen, daß das »Haben« der höchste Wert unseres Daseins, unseres Lebens in der Welt wäre, um bedeutend zu erscheinen. Und so verfälscht sie die Schöpfung der Welt und zerstört die Welt. Autpertus bemerkt dann, daß die Gewinnsucht der Reichen und Mächtigen in der Gesellschaft seiner Zeit auch in den Seelen der Mönche bestehe, und er schreibt daher einen Traktat mit dem Titel »De cupiditate«, in dem er mit dem Apostel Paulus von Anfang an die Habgier als die Wurzel aller Übel anprangert. Er schreibt: »Aus dem Erdboden sprießen aus verschiedenen Wurzeln verschiedene spitze Dornen hervor; im Herzen des Menschen hingegen gehen die Stacheln alle aus einer einzigen Wurzel hervor, der Habgier« (De cupiditate 1: CCCM 27B, S. 963). Eine Feststellung, die im Licht der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise ihre ganze Aktualität deutlich macht. Wir sehen ja, daß diese Krise aus eben dieser Wurzel der Habgier entstanden ist. Ambrosius stellt sich den Einwand vor, den die Reichen und Mächtigen erheben könnten, indem sie sagen: Aber wir sind ja keine Mönche, für uns gelten gewisse asketische Anforderungen nicht. Und er antwortet darauf: »Es stimmt, was ihr sagt, aber auch für euch gilt in der Art und Weise eures Standes und nach Maßgabe eurer Kräfte der steile und enge Weg, da der Herr nur zwei Türen und zwei Wege vorgeschlagen hat (nämlich die enge und die breite Tür, den steilen und den bequemen Weg); er hat keine dritte Tür und keinen dritten Weg angegeben« (a.a.O., S. 978). Er sieht klar, daß die Lebensweisen sehr verschieden sind. Aber auch für den Menschen in dieser Welt, auch für den Reichen gilt die Pflicht, gegen die Habgier zu kämpfen, gegen die Sucht, zu besitzen, aufzufallen, gegen den falschen Freiheitsbegriff als Berechtigung, nach eigenem Belieben über alles zu verfügen. Auch der Reiche muß den echten Weg der Wahrheit, der Liebe und somit des rechten Lebens finden. Autpertus versteht es dann als kluger Seelenhirt, am Ende seiner Bußpredigt ein Wort des Trostes zu sprechen: »Ich habe nicht gegen die Gierigen gesprochen, sondern gegen die Gier, nicht gegen die Natur, sondern gegen das Laster« (a.a.O., S. 981).
Das wichtigste Werk des Ambrosius Autpertus ist sicher sein Kommentar in zehn Büchern zur Offenbarung des Johannes: Nach Jahrhunderten der erste umfassende Kommentar in der lateinischen Welt zum letzten Buch der Heiligen Schrift. Dieses Werk war das Ergebnis einer mehrjährigen Arbeit, die in zwei Etappen zwischen 758 und 767 entstanden ist, also vor seiner Wahl zum Abt. Im Vorwort gibt er sehr präzise seine Quellen an, was im Mittelalter absolut nicht üblich war. Durch seine vielleicht bedeutendste Quelle, den Kommentar des Bischofs Primasius Hadrumetum, der um die Mitte des 6. Jahrhunderts verfaßt wurde, kommt Autpertus mit der Auslegung der Offenbarung des Johannes in Kontakt, die der Afrikaner Tychonius hinterlassen hatte, der eine Generation vor dem hl. Augustinus lebte. Er war nicht katholisch; er gehörte der schismatischen Kirche der Donatisten an, war aber dennoch ein großer Theologe. In diesem seinem Kommentar sieht er in der Offenbarung des Johannes vor allem das Sich- Widerspiegeln des Geheimnisses der Kirche. Tychonius war zu der Überzeugung gelangt, daß die Kirche ein zweigeteilter Leib wäre: Ein Teil, so sagt er, gehöre Christus, aber es gebe noch einen anderen Teil der Kirche, der dem Teufel gehöre. Augustinus las diesen Kommentar und zog Nutzen daraus, hob jedoch nachdrücklich hervor, daß die Kirche in den Händen Christi sei, daß sie sein Leib bleibe, indem sie mit ihm ein einziges Subjekt bilde, das an der Mittlerschaft der Gnade teilhabe. Er unterstreicht daher, daß die Kirche niemals von Jesus Christus getrennt werden kann. In seiner Deutung der Offenbarung des Johannes, die jener des Tychonius ähnlich ist, interessiert sich Autpertus nicht so sehr für das zweite Kommen Christi am Ende der Zeiten als vielmehr für die Folgen, die sich für die Kirche der Gegenwart aus seinem ersten Kommen, aus der Fleischwerdung im Schoße Mariens, ergeben. Und da sagt er uns ein sehr wichtiges Wort: In Wirklichkeit »muß Christus in uns, die wir sein Leib sind, täglich geboren werden, sterben und auferstehen« (In Apoc.III: CCCM 27, S. 205). Im Rahmen der mystischen Dimension, die jeden Christen einschließt, blickt er auf Maria als Urbild der Kirche, Vorbild für uns alle, da auch in uns und unter uns Christus geboren werden muß. Den Kirchenvätern folgend, die in der »mit der Sonne bekleideten Frau« (Ap 12,1) das Bild der Kirche sahen, erklärt Autpertus: »Die selige und fromme Jungfrau … gebiert täglich neue Völker, aus denen sich der allgemeine Leib des Mittlers bildet. Es ist daher nicht überraschend, wenn sie, in deren seligem Schoß die Kirche selbst verdient hat, mit ihrem Haupt vereint zu werden, das Ideal der Kirche darstellt.« In diesem Sinn sieht Autpertus eine entscheidende Rolle der Jungfrau Maria im Erlösungswerk (vgl. auch seine Predigten »In purificatione s. Mariae« und »In adsumptione s. Mariae«). Seine große Verehrung und tiefe Liebe zur Muttergottes veranlassen ihn mitunter zu Formulierungen, die in gewisser Weise jene des hl. Bernhard und der franziskanischen Mystik vorwegnehmen, ohne jedoch in fragwürdige Formen eines Sentimentalismus abzugleiten, da er niemals Maria vom Geheimnis der Kirche trennt. Mit gutem Recht wird Ambrosius Autpertus daher als der erste große Mariologe des Abendlandes betrachtet. Mit der Frömmigkeit, die nach ihm die Seele von der Anhänglichkeit an die irdischen und vergänglichen Freuden befreien muß, solle sich, so glaubt er, das tiefe Studium der heiligen Wissenschaften verbinden, vor allem die Betrachtung der Heiligen Schrift, die er als »tiefen Himmel, unergründlichen Abgrund« bezeichnet (In Apoc. IX). In dem schönen Gebet, mit dem er seinen Kommentar zu Offenbarung des Johannes abschließt, wendet er sich mit diesen Worten an Gott: »Wenn du von uns mit dem Verstand erforscht wirst, wirst du nicht so entdeckt, wie du wirklich bist; wenn du geliebt wirst, wirst du erreicht.«
Heute können wir in Ambrosius Autpertus eine Persönlichkeit sehen, die in einer Zeit starker politischer Instrumentalisierung der Kirche gelebt hat, in einer Zeit, in der Nationalismus und Tribalismus das Antlitz der Kirche entstellt hatten. Aber er verstand es, inmitten all dieser Schwierigkeiten, die auch wir kennen, das wahre Antlitz der Kirche in Maria, in den Heiligen zu entdecken. Und so vermochte er zu begreifen, was es heißt, katholisch zu sein, Christ zu sein, aus dem Wort Gottes zu leben, in diesen Abgrund einzutreten und so das Geheimnis der Muttergottes zu leben: dem Wort Gottes neues Leben zu schenken, in der heutigen Zeit dem Wort Gottes das eigene Fleisch anzubieten. Und mit seinem ganzen theologischen Wissen, mit der Tiefe seiner Wissenschaft vermochte Autpertus zu begreifen, daß mit der einfachen theologischen Forschung Gott nicht erkannt werden kann, wie er wirklich ist. Nur die Liebe erreicht ihn. Hören wir diese Botschaft und beten wir zum Herrn, daß er uns helfe, das Geheimnis der Kirche heute, in dieser unserer Zeit zu leben.
In der heutigen Katechese möchte ich über den heiligen Ambrosius Autpertus sprechen, einen Autor des achten Jahrhunderts, dessen Schriften auch für unsere Zeit einen wertvollen theologischen und spirituellen Schatz darstellen. Ambrosius Autpertus stammte aus der Provence und war am Hof des Frankenkönigs Pippin des Jüngeren tätig. Er kam auch nach Italien, wo er später in die Abtei St. Vinzenz bei Benevent eintrat. Im Jahre 777 wurde er zum Abt dieses Klosters gewählt. Wegen Spannungen innerhalb der Mönchsgemeinschaft legte er ein Jahr später sein Amt nieder und begab sich nach Spoleto. Unversehens verstarb er am 30. Januar 784 auf dem Weg nach Rom. Zu den Werken, die Ambrosius Autpertus hinterlassen hat, zählen eine asketische Abhandlung über die Laster und die Tugenden sowie eine Schrift über die Habsucht. Sein Hauptwerk ist aber der Kommentar zur Offenbarung des Johannes, nach Jahrhunderten der erste ausführliche lateinische Kommentar zum letzten Buch der Bibel. Früheren Auslegungen folgend, deutet er die Kirche als das eigentliche Thema der Offenbarung des Johannes. Für Ambrosius Autpertus kann aber die Kirche nie von Christus getrennt gesehen werden, die als Leib Christi an dessen Mittlerschaft teilnimmt. Eine besondere Stellung kommt dabei Maria als Urbild der Kirche und Mutter der Glaubenden zu. Mit manchen Formulierungen nimmt Ambrosius Autpertus schon die Marienfrömmigkeit des heiligen Bernhard vorweg und gilt als der erste große Mariologe des Westens.
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Von Herzen grüße ich alle Besucher deutscher Sprache; insbesondere die Firmlinge aus Meilen in Begleitung von Bischof Huonder sowie die Mitarbeiter der Nationaldirektion für fremdsprachige Seelsorge in Österreich zusammen mit Weihbischof Scharl und ebenso die Seminaristen des Bistums Roermond gemeinsam mit Bischof Wiertz. Der auferstandene Christus, der uns in seiner Kirche geeint hat, mache uns zu Mitarbeitern seines Heils. Der Herr segne euch alle.
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