Generalaudienzen 2005-2013 23057

Mittwoch, 23. Mai 2007

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Liebe Brüder und Schwestern!

Bei dieser Generalaudienz möchte ich auf die Apostolischen Reise zurückblicken, die ich vom 9. bis 14. dieses Monats nach Brasilien unternommen habe. Nach zwei Jahren Pontifikat konnte ich mich zu meiner Freude endlich nach Lateinamerika begeben, das ich sehr liebe und wo ja ein Großteil der Katholiken der Welt lebt. Das Ziel war Brasilien, aber es war meine Absicht, den ganzen großen lateinamerikanischen Subkontinent zu umfangen, auch weil das kirchliche Ereignis, das mich dorthin gerufen hat, die V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik war. Ich möchte noch einmal den lieben bischöflichen Brüdern, besonders jenen von São Paulo und Aparecida, meine tiefe Dankbarkeit für die freundliche Aufnahme zum Ausdruck bringen. Ich danke dem Präsidenten Brasiliens und den anderen zivilen Autoritäten für ihre herzliche und großzügige Zusammenarbeit; mit großer Zuneigung danke ich dem brasilianischen Volk für die Warmherzigkeit, mit der es mich empfangen hat - es war wirklich großartig und ergreifend - und für die Aufmerksamkeit, die es meinen Worten geschenkt hat.

Meine Reise sollte vor allem ein Lobpreis an Gott sein für die »Wunder«, die er in den Völkern Lateinamerikas gewirkt hat, für den Glauben, der ihr Leben und ihre Kultur während mehr als fünfhundert Jahren beseelt hat. In diesem Sinn war es eine Pilgerreise, die im Heiligtum der Muttergottes von Aparecida, der wichtigsten Patronin Brasiliens, ihren Höhepunkt fand. Das Thema der Beziehung zwischen Glaube und Kultur lag meinen verehrten Vorgängern Paul VI. und Johannes Paul II. stets sehr am Herzen. Ich wollte es wieder aufnehmen und die Kirche in Lateinamerika und in der Karibik auf dem Weg eines Glaubens bestärken, der gelebte Geschichte wurde und wird, Volksfrömmigkeit und Kunst, im Dialog mit den reichen präkolumbischen Traditionen und dann mit den vielfältigen Einflüssen Europas und anderer Kontinente. Gewiß, die Erinnerung an eine glorreiche Vergangenheit darf die Schatten, die das Werk der Evangelisierung des lateinamerikanischen Kontinents begleiteten, nicht ignorieren: Es ist in der Tat nicht möglich, das Leid und die Ungerechtigkeiten zu vergessen, die von den Kolonisatoren den oft in ihren grundlegenden Menschenrechten mit Füßen getretenen indigenen Völkern zugefügt worden sind. Aber die gebührende Erwähnung derartiger nicht zu rechtfertigender Verbrechen - Verbrechen, die allerdings schon damals von Missionaren wie Bartolomeo de Las Casas und von Theologen wie Francisco da Vitoria von der Universität Salamanca verurteilt wurden - darf nicht daran hindern, voll Dankbarkeit das wunderbare Werk wahrzunehmen, das im Lauf dieser Jahrhunderte von der göttlichen Gnade unter diesen Völkern vollbracht wurde. So ist das Evangelium auf dem Kontinent zum tragenden Element einer dynamischen Synthese geworden, die je nach den verschiedenen Nationen mit unterschiedlichen Facetten die Identität der lateinamerikanischen Völker zum Ausdruck bringt. Heute, im Zeitalter der Globalisierung, präsentiert sich diese katholische Identität noch einmal als die angemessenste Antwort, vorausgesetzt, daß sie von einer ernsthaften geistlichen Ausbildung und von den Prinzipien der Soziallehre der Kirche beseelt ist.

Brasilien ist ein großes Land, das tief verwurzelte christliche Werte bewahrt, aber auch mit enormen sozialen und wirtschaftlichen Problemen lebt. Um zu deren Lösung beizutragen, muß die Kirche alle spirituellen und moralischen Kräfte ihrer Gemeinden mobilisieren und dabei geeignete Übereinstimmungen mit den anderen gesunden Kräften des Landes suchen. Unter den positiven Elementen sind sicher die Kreativität und Fruchtbarkeit jener Kirche zu nennen, in der ständig neue Bewegungen und neue Institute des geweihten Lebens entstehen. Nicht weniger lobenswert ist die hochherzige Hingabe vieler gläubiger Laien, die sich in den verschiedenen von der Kirche geförderten Initiativen sehr aktiv zeigen.

Brasilien ist auch ein Land, das der Welt das Zeugnis eines neuen Entwicklungsmodells bieten kann: Die christliche Kultur kann in der Tat eine »Versöhnung« zwischen den Menschen und der Schöpfung anregen, angefangen bei der Wiedererlangung der Würde der Person in der Beziehung zu Gottvater. In diesem Sinn ist die »Fazenda da Esperança« ein beredtes Beispiel: ein Netzwerk von Gemeinschaften zur Rehabilitierung von Jugendlichen, die aus dem finsteren Tunnel der Droge herauskommen wollen. In der Gemeinschaft, die ich besucht habe, von der ich einen tiefen Eindruck gewann und eine lebendige Erinnerung im Herzen trage, ist die Gegenwart eines Klarissenklosters bedeutsam. Das erschien mir wie ein Sinnbild für die heutige Welt, die mit Sicherheit eine psychologische und soziale, aber noch mehr eine geistliche »Rehabilitierung « nötig hat. Und sinnbildhaft war auch die mit Freude gefeierte Heiligsprechung des ersten im Land geborenen Heiligen: Frei Antônio de Sant’Ana Galvão. Dieser Franziskanerpater aus dem 18. Jahrhundert, ein großer Verehrer der Jungfrau Maria, Apostel der Eucharistie und der Beichte, wurde schon zu Lebzeiten »Mann des Friedens und der Nächstenliebe« genannt. Sein Zeugnis ist eine weitere Bestätigung dafür, daß die Heiligkeit eine wahre Revolution ist, die die echte Reform der Kirche und der Gesellschaft zu fördern vermag.

In der Kathedrale von São Paulo bin ich mit den Bischöfen Brasiliens, der zahlenmäßig größten Bischofskonferenz der Welt, zusammengetroffen. Ihnen die Unterstützung des Nachfolgers Petri zu bezeugen, war eines der Hauptziele meiner Mission, da ich um die großen Herausforderungen weiß, denen sich die Verkündigung des Evangeliums in jenem Land stellen muß. Ich habe meine Mitbrüder ermutigt, den Einsatz für die Neuevangelisierung voranzubringen und zu verstärken, und ich habe sie zu einer intensiven und systematischen Förderung der Verbreitung des Wortes Gottes aufgefordert, damit sich die der Bevölkerung innewohnende und in ihr verbreitete Religiosität vertiefen und zu einem reifen Glauben, zur persönlichen und gemeinschaftlichen Treue zum Gott Jesu Christi werden kann. Ich habe sie dazu ermuntert, überall den Stil der christlichen Urgemeinde wiederzuerlangen, wie er in der Apostelgeschichte beschrieben wird: voller Eifer in der Katechese, im sakramentalen Leben und in der tätigen Nächstenliebe. Ich kenne die Hingabe dieser treuen Diener des Evangeliums, das sie ohne Abstriche und Konfusion vorlegen wollen, indem sie mit der Gabe der Unterscheidung über das Glaubensgut wachen; ihre ständige Sorge gilt auch der Förderung der gesellschaftlichen Entwicklung, hauptsächlich durch die Heranbildung der Laien, die im politischen und wirtschaftlichen Bereich Verantwortung übernehmen müssen. Ich danke Gott dafür, daß ich die Gemeinschaft mit den brasilianischen Bischöfen vertiefen durfte, und trage sie weiterhin immer in meinem Gebet.

Ein weiterer bedeutsamer Augenblick der Reise war zweifellos die Begegnung mit den Jugendlichen, Hoffnung nicht nur für die Zukunft, sondern Lebenskraft auch für die Gegenwart der Kirche und der Gesellschaft. Deshalb war die von ihnen gestaltete Vigil in São Paulo ein Fest der Hoffnung, das erhellt wurde von den Worten Christi an den »reichen Jüngling«, der ihn gefragt hatte: »Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?« (
Mt 19,16). Jesus verwies ihn zuallererst auf »die Gebote« als Weg des Lebens und forderte ihn dann auf, alles zu verlassen, um ihm zu folgen. Auch heute tut die Kirche dasselbe: Vor allem schlägt sie die Gebote vor - als wahren Weg der Erziehung zur Freiheit zum persönlichen und sozialen Wohl; und vor allem legt sie das »erste Gebot« vor, das Gebot der Liebe, da ohne Liebe auch die Gebote dem Leben keinen vollen Sinn geben und nicht das wahre Glück bereiten können. Nur wer in Jesus der Liebe Gottes begegnet und sich auf diesen Weg begibt, um ihn unter den Menschen zu gehen, wird sein Jünger und Missionar. Ich habe die Jugendlichen aufgefordert, Apostel für ihre Altersgenossen zu sein, und deshalb immer die menschliche und geistliche Ausbildung zu pflegen; große Achtung vor der Ehe zu haben und vor dem Weg, der in Keuschheit und Verantwortlichkeit zu ihr führt; offen zu sein auch für die Berufung zum geweihten Leben um des Reiches Gottes willen. Kurz gesagt, ich habe sie dazu ermutigt, den großen »Reichtum« ihrer Jugend fruchtbar werden zu lassen, um das junge Gesicht der Kirche zu sein.

Höhepunkt der Reise war die Eröffnung der V. Generalkonferenz des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Aparecida. Das Thema dieser großen und wichtigen Versammlung, die am Ende des Monats ihren Abschluß finden wird, ist »Jünger und Missionare Jesu Christi, damit unsere Völker in ihm das Leben haben - Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben«. Das Wortpaar »Jünger und Missionare« entspricht dem, was das Markusevangelium über die Berufung der Apostel sagt: »Und [Jesus] setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten« (Mc 3,14-15). Das Wort »Jünger« bezieht sich also auf die Dimension der Ausbildung und der Nachfolge, der Gemeinschaft und der Freundschaft mit Jesus; der Begriff »Missionare« bringt die Frucht der Jüngerschaft zum Ausdruck, das heißt das Zeugnis und die Mitteilung der erlebten Erfahrung, der Wahrheit und der Liebe, die erkannt und aufgenommen wurden. Jünger und Missionar zu sein schließt eine enge Verbundenheit mit dem Wort Gottes, mit der Eucharistie und den anderen Sakramenten das Leben in der Kirche im gehorsamen Hören auf seine Lehren ein. Freudig den Willen zu erneuern, Jünger Jesu zu sein, »mit ihm zu sein«, ist die Grundvoraussetzung dafür, »ausgehend von Christus« Missionare zu sein, entsprechend dem Auftrag von Papst Johannes Paul II. an die ganze Kirche nach dem Großen Jubiläum des Jahres 2000. Mein verehrter Vorgänger hat immer auf einer Evangelisierung bestanden, die »neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden, in ihrer Ausdrucksform« ist, wie er gerade in seiner Ansprache an die Versammlung des CELAM am 9. März 1983 in Haiti sagte (vgl. Insegnamenti VI/I [1983], 698). Mit meiner Apostolischen Reise habe ich dazu auffordern wollen, auf diesem Weg weiterzugehen, wobei ich als einigende Perspektive jene der Enzyklika Deus caritas est anbot, eine untrennbar theologische und soziale Perspektive, die sich in dem Ausdruck: Es ist die Liebe, die das Leben schenkt, zusammenfassen läßt. »Die Gegenwart Gottes, die Freundschaft mit dem menschgewordenen Sohn Gottes, das Licht seines Wortes sind immer Grundvoraussetzungen für das Vorhandensein und die Wirksamkeit der Gerechtigkeit und der Liebe in unseren Gesellschaften« (Ansprache zur Eröffnung der V. Generalversammlung des Episkopats Lateinamerikas und der Karibik, 4; in O.R. , dt Dt 18 , dt Dt 5 , dt Dt 2007, Dt 5).

Der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria, die unter dem Titel Unsere Liebe Frau von Guadalupe als Patronin ganz Lateinamerikas verehrt wird, und der Fürsprache des neuen brasilianischen Heiligen Frei Antônio de Sant’Ana Galvão vertraue ich die Früchte dieser unvergeßlichen Apostolischen Reise an.

Heute möchte ich im Rückblick auf meine Apostolische Reise nach Brasilien über die tiefen Eindrücke sprechen, die ich bei diesem Besuch des lateinamerikanischen Kontinents empfangen durfte. Ich danke allen, die zum Gelingen dieser Reise beigetragen haben, und mein besonderer Dank gilt hier den Bischöfen und dem brasilianischen Volk sowie allen Gläubigen aus den Ländern Lateinamerikas für den herzlichen Empfang.

Die vielen Begegnungen in São Paulo und Aparecida waren ein einziges Fest der Freude und der Hoffnung: das Treffen mit den Jugendlichen, die Heiligsprechung von Frei Antônio de Sant’Ana Galvão, der Besuch der Fazenda da Esperança und schließlich die Eröffnung der V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik. Meine Reise war vor allem eine Pilgerfahrt des Lobes und Dankes an Gott für sein Wirken unter den Völkern Lateinamerikas. Wenn wir auch nicht vergessen, daß die Kolonisatoren der einheimischen Bevölkerung zuweilen Leid und Unrecht zugefügt haben, so sind gerade auf diesem Kontinent das Evangelium und der katholische Glaube zum Fundament einer dynamischen Einheit geworden, die die Identität der lateinamerikanischen Völker zum Ausdruck bringt. Daher wollte ich die Kirche in Brasilien und auf dem ganzen Kontinent auf dem Weg des Glaubens bestärken. Die Kirche ist dazu berufen, mit all ihren Kräften an der Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme mitzuarbeiten. Denn die Gegenwart Gottes und sein Wort sind die Grundvoraussetzung für das Vorhandensein und die Wirksamkeit von Gerechtigkeit und Liebe in der Gesellschaft.
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Mit Freude grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Als Jünger Christi wollen wir alle Missionare der Liebe und der Hoffnung für unsere Mitmenschen und für die ganze Welt sein. Bitten wir den Herrn um seinen Geist, damit wir kraftvoll Zeugnis für seine Botschaft ablegen, die das wahre Leben schenkt. Gott geleite euch auf allen Wegen.



Mittwoch, 30. Mai 2007: Tertullian

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Liebe Brüder und Schwestern!

Mit der heutigen Katechese nehmen wir den Faden der Katechesen wieder auf, der wegen der Brasilienreise unterbrochen worden war, und fahren fort, über die großen Persönlichkeiten der alten Kirche zu sprechen: Sie sind auch für uns heute Glaubenslehrer und Zeugen der immerwährenden Aktualität des christlichen Glaubens. Heute sprechen wir über einen Afrikaner, Tertullian, der zwischen dem Ende des zweiten und dem Beginn des dritten Jahrhunderts die christliche Literatur in lateinischer Sprache begründet. Mit ihm nimmt eine Theologie in dieser Sprache ihren Anfang. Sein Werk hat entscheidende Früchte hervorgebracht, die zu unterschätzen unverzeihlich wäre. Sein Einfluß entfaltete sich auf verschiedenen Ebenen: von der Sprache und der Wiederaufnahme der klassischen Kultur bis hin zur Identifizierung einer gemeinsamen »christlichen Seele« in der Welt und der Formulierung neuer Vorschläge für das menschliche Zusammenleben. Sein genaues Geburts- und Todesdatum kennen wir nicht. Hingegen wissen wir, daß er gegen Ende des zweiten Jahrhunderts in Karthago von heidnischen Eltern und Lehrern eine solide Ausbildung in Rhetorik, Philosophie, Rechtswissenschaft und Geschichte erhalten hat. Dann bekehrte er sich zum Christentum, weil er - wie es scheint - vom Beispiel der christlichen Märtyrer angezogen wurde. Im Jahr 197 begann er seine berühmtesten Schriften zu veröffentlichen. Aber eine allzu individuelle Suche nach der Wahrheit, einhergehend mit der Unmäßigkeit seines Charakters - er war ein strenger Mann -, führten ihn Schritt für Schritt dazu, die Gemeinschaft der Kirche zu verlassen und der Sekte des Montanismus beizutreten. Dennoch sichern ihm die Originalität des Denkens, verbunden mit der eindringlichen Kraft der Sprache, eine hervorragende Stellung in der alten christlichen Literatur.

Berühmt sind vor allem seine Schriften apologetischen Charakters. Sie lassen zwei Hauptabsichten erkennen: Widerlegung der schwerwiegenden Beschuldigungen, die von den Heiden gegen die neue Religion vorgebracht wurden, und die - konstruktivere und missionarische - Absicht, die Botschaft des Evangeliums im Dialog mit der Kultur der Zeit zu vermitteln. Sein bekanntestes Werk, das Apologeticum, klagt das ungerechte Verhalten der politischen Autoritäten gegenüber der Kirche an; es erklärt und verteidigt die Lehren und Sitten der Christen; es stellt die Unterschiede zwischen der neuen Religion und den philosophischen Hauptströmungen der Zeit fest; es offenbart den Triumph des Geistes, der der Gewalt der Verfolger das Blut, das Leiden und die Geduld der Märtyrer entgegensetzt: »Und doch« - schreibt der Afrikaner - »nützt die ausgesuchteste Grausamkeit von eurer Seite nichts: Sie ist für unsere Gemeinschaft eher eine Einladung. Wir werden jedes Mal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden: Ein Same ist das Blut der Christen!« (»semen est sanguis christianorum«) (Apologeticum 50,13). Das Martyrium, das Leiden um der Wahrheit willen, ist am Ende siegreich und wirksamer als die Grausamkeit und die Gewalt der totalitären Regime.

Aber wie jeder gute Apologet spürt Tertullian zugleich das Bedürfnis, das Wesen des Christentums positiv zu vermitteln. Dazu wendet er die spekulative Methode an, um die vernünftigen Grundlagen des christlichen Dogmas zu veranschaulichen. Er vertieft sie auf systematische Weise, angefangen bei der Beschreibung des »Gottes der Christen«: »Gegenstand unserer Verehrung« - bezeugt der Apologet - »ist der eine Gott«. Und er fährt fort, indem er die für seine Sprache charakteristischen Antithesen und Paradoxe verwendet: »Er ist unsichtbar, obwohl man ihn sieht; ungreifbar, obwohl er durch die Gnade gegenwärtig ist; unfaßbar, obwohl die menschlichen Sinne ihn fassen können - deshalb ist er wahr und groß!« (ebd., 17,1-2).

Darüber hinaus vollzieht Tertullian einen enormen Schritt in der Entwicklung des Dogmas der Dreifaltigkeit; er hat uns auf Lateinisch die angemessene Sprache gegeben, um dieses große Geheimnis in Worte fassen zu können, indem er die Begriffe »eine Substanz« und »drei Personen« einführte. Auf ähnliche Weise hat er auch viel zur Entwicklung der korrekten Sprache beigetragen, um das Geheimnis Christi, Sohn Gottes und wahrer Mensch, zum Ausdruck zu bringen.

Der Afrikaner beschäftigt sich auch mit dem Heiligen Geist und zeigt dessen personalen und göttlichen Charakter auf: »Wir glauben, daß gemäß seiner Verheißung Jesus Christus durch den Vater den Heiligen Geist sandte, den Paraclitus, den Heiliger des Glaubens derer, die an den Vater, den Sohn und den Geist glauben« (ebd., 2,1). Außerdem kann man in den Werken des Afrikaners zahlreiche Texte über die Kirche lesen, die Tertullian immer als »Mutter« anerkennt. Auch nach seinem Beitritt zum Montanismus hat er nicht vergessen, daß die Kirche die Mutter unseres Glaubens und unseres christlichen Lebens ist. Er geht auch auf das sittliche Verhalten der Christen und auf das künftige Leben ein. Seine Schriften sind wichtig, auch um in den christlichen Gemeinden lebendige Tendenzen in bezug auf die allerseligste Jungfrau Maria, auf die Sakramente der Eucharistie, der Ehe und der Versöhnung, auf den petrinischen Primat, auf das Gebet usw. zu erfassen. In jenen Zeiten der Verfolgung, in denen die Christen als eine verlorene Minderheit erschienen, ermahnt sie der Apologet in besonderer Weise zur Hoffnung, die - wenn wir uns an seine Schriften halten - nicht einfach eine für sich selbständige Tugend ist, sondern eine Seinsweise, die jeden Aspekt der christlichen Existenz betrifft. Wir haben die Hoffnung, daß die Zukunft uns gehört, weil die Zukunft Gott gehört. So wird die Auferstehung des Herrn als Fundament unserer künftigen Auferstehung vorgestellt und verkörpert den Hauptgegenstand des Vertrauens der Christen: »Das Fleisch wird auferstehen « - sagt der Afrikaner kategorisch - »jedes Fleisch, gerade das Fleisch und das ganze Fleisch. Wo auch immer es sich befindet, es ist bei Gott sicher aufbewahrt durch den treuesten Mittler zwischen Gott und den Menschen, Jesus Christus, der den Menschen Gott und Gott die Menschen wiedergeben wird« (Über die Auferstehung des Fleisches 63,1).

Vom menschlichen Gesichtspunkt aus kann man ohne weiteres von einem Drama Tertullians sprechen. Im Laufe der Jahre wurde er den Christen gegenüber immer anspruchsvoller. Er verlangte von ihnen in jeder Situation und vor allem in den Verfolgungen ein heroisches Verhalten. Er war starr in seinen Positionen, sparte nicht mit harter Kritik und fand sich schließlich unvermeidlich isoliert vor. Im übrigen bleiben auch heute viele Fragen offen, nicht nur was das theologische und philosophische Denken Tertullians betrifft, sondern auch seine Haltung gegenüber den politischen Institutionen und der heidnischen Gesellschaft. Diese große moralische und intellektuelle Persönlichkeit, dieser Mann, der einen so großen Beitrag für das christliche Denken geleistet hat, läßt mich viel nachdenken. Man sieht am Ende, daß ihm die Einfachheit, die Demut fehlt, sich in die Kirche einzugliedern, ihre Schwächen zu akzeptieren, mit den anderen und mit sich selbst tolerant zu sein. Wenn man nur das eigene Denken in seiner Größe sieht, geht am Ende gerade diese Größe verloren. Das wesentliche Merkmal eines großen Theologen ist die Demut, mit der Kirche zusammenzubleiben, ihre und die eigenen Schwächen zu akzeptieren, weil allein Gott wirklich ganz heilig ist. Wir hingegen bedürfen immer der Vergebung.

Wie dem auch sei, der Afrikaner bleibt ein interessanter Zeuge der ersten Zeiten der Kirche, als sich die Christen in der Situation befanden, echte Subjekte einer »neuen Kultur« im angenäherten Vergleich zwischen klassischem Erbe und Botschaft des Evangeliums zu sein. Von ihm stammt die berühmte Aussage, nach der unsere Seele »von Natur her christlich ist« (»anima naturaliter christiana«: Apologeticum 17,6), wo Tertullian die ewige Kontinuität zwischen den echten menschlichen und den christlichen Werten wachruft; und auch jene andere Überlegung, die direkt dem Evangelium entlehnt ist, nach der »der Christ nicht einmal die eigenen Feinde hassen kann« (vgl. ebd., 37), wo die unausweichliche sittliche Kehrseite der Glaubensentscheidung die »Gewaltlosigkeit« als Lebensregel vorschlägt: Und es gibt niemanden, der nicht die dramatische Aktualität dieser Lehre auch im Licht der hitzigen Debatte über die Religionen sieht.

In den Schriften des Afrikaners sind also zahlreiche Themen anzutreffen, die anzugehen wir noch heute gerufen sind. Sie ziehen uns in eine fruchtbare innere Suche hinein, zu der ich alle Gläubigen auffordere, damit sie auf immer überzeugendere Weise die »Regel des Glaubens« zum Ausdruck zu bringen wissen, jene Regel - um noch einmal auf Tertullian zurückzukommen -, »nach welcher wir glauben, es gebe nur einen einzigen Gott und keinen anderen neben dem Weltschöpfer: Er hat alles aus dem Nichts hervorgebracht durch sein Wort, das vor allen Dingen gezeugt worden ist« (Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker 13,1).

In der heutigen Katechese wenden wir uns dem nordafrikanischen Schriftsteller Tertullian zu, mit dem gegen Ende des zweiten Jahrhunderts die christliche Literatur in lateinischer Sprache ihren Anfang nahm. Die Person und das Leben dieses wichtigen christlichen Lehrers haben auch ihre Schattenseiten: Seine zu sehr auf sich selbst gestellte Suche nach der Wahrheit und seine teilweise sehr harten Urteile über seine Mitchristen führten ihn in eine fortschreitende Isolierung; er verließ schließlich die Gemeinschaft der Kirche und gründete eine Sekte. Viele seiner Aussagen sind aber weiter von Bedeutung für das Glaubensverständnis der Kirche. So stammt von ihm das bekannte Wort über das Zeugnis der Märtyrer: Semen est sanguis christianorum; das Blut der Christen, die in Zeiten der Verfolgung aus Liebe zu Gott den Tod erleiden, ist eine Saat, die aufgeht und reiche Frucht bringt. In diesem Bild kommt auch die Hoffnung auf die Auferstehung zum Ausdruck. Von großem Interesse für unsere Zeit ist schließlich die Überzeugung Tertullians, daß die Seele des Menschen „von Natur her christlich“ (naturaliter christiana) ist. Der christliche Glaube und die Gnade Gottes stehen nicht nur nicht im Widerspruch zu den menschlichen Werten, sondern führen diese zur Reifung und verleihen ihnen Festigkeit.
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Mit großer Freude begrüße ich die zahlreichen Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum. Unter ihnen heiße ich besonders die Sänger und Musiker aus dem Bamberger Dom willkommen, die uns ein Lied geschenkt haben. Desgleichen die Musiker aus Traunstein und alle anderen, die uns hier musikalisch begrüßt haben; und die zahlreichen Jugendlichen und Ministranten, dabei besonders die Ministrantengruppe der Regensburger Domspatzen. Der Heilige Geist mache uns alle zu lebendigen Gliedern der Kirche und zu mutigen Zeugen des Evangeliums. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt in Rom.



Mittwoch, 6. Juni 2007: Hl. Cyprian

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Liebe Brüder und Schwestern!

In der Reihe unserer Katechesen über große Persönlichkeiten der alten Kirche kommen wir heute zu einem herausragenden afrikanischen Bischof des 3. Jahrhunderts, dem hl. Cyprian, dem »ersten Bischof, der in Afrika die Krönung durch das Martyrium erhielt«. Im selben Maß hängt sein Ruhm - wie der Diakon Pontius bezeugt, der als erster sein Leben beschrieb, - an dem literarischen Schaffen und pastoralen Wirken während der dreizehn Jahre, die zwischen seiner Bekehrung und dem Martyrium liegen (vgl. Vita 19,1; 1,1). Cyprian wurde in einer reichen heidnischen Familie in Karthago geboren und bekehrt sich nach einer in Zerstreuung verbrachten Jugend im Alter von 35 Jahren zum Christentum. Er erzählt selbst seinen geistlichen Weg: »Als ich selbst noch wie in einer dunklen Nacht schmachtete«, schreibt er einige Monate nach der Taufe, »hielt ich es für höchst schwierig und mühsam, das zu vollbringen, was mir Gottes Barmherzigkeit verhieß… Ich war durch viele Irrtümer in meinem früheren Leben wie gefesselt und glaubte nicht, mich daraus befreien zu können. So sehr war ich den mir anhaftenden Lastern verfallen und begünstigte meine schlechten Begierden… Dann aber wurde mit Hilfe des Leben spendenden Wassers die Armseligkeit meines früheren Lebens abgewaschen; ein Licht von oben breitete sich in meinem Herzen aus; eine zweite Geburt wandelte mich in ein völlig neues Wesen um. Auf wunderbare Weise begann nun jeder Zweifel zu vergehen… So verstand ich klar, daß irdisch war, was vorher in mir lebte, in der Knechtschaft der Laster des Fleisches, und daß hingegen göttlich und himmlisch war, was der Heilige Geist in mir nun gezeugt hatte« (An Donatus, 3-4).

Gleich nach seiner Bekehrung wird Cyprian - nicht ohne Neid und Widerstände - zum Priesteramt und zur Bischofswürde erwählt. In der kurzen Zeit seines Bischofsamtes tritt er den ersten beiden Verfolgungen entgegen, die durch ein kaiserliches Edikt verfügt worden waren: der Verfolgung unter Decius (250) und jener unter Valerian (257-258). Nach der besonders grausamen Verfolgung unter Decius mußte sich der Bischof tapfer für die Wiederherstellung der Disziplin in der christlichen Gemeinde einsetzen. Viele Gläubige hatten nämlich abgeschworen oder jedenfalls angesichts der Prüfung kein korrektes Verhalten eingenommen. Das waren die sogenannten lapsi - das heißt die (vom Glauben) »Abgefallenen« -, die sich brennend danach sehnten, wieder in die Gemeinde zurückzukehren. Die Debatte um ihre Wiederaufnahme spaltete schließlich die Christen von Karthago in Nachlässige und Rigoristen. Zu diesen Schwierigkeiten muß man noch eine schwere Pest hinzuzählen, die Afrika erschütterte und angsterfüllte theologische Fragen sowohl innerhalb der Gemeinde wie gegenüber den Heiden aufwarf. Schließlich ist an die Kontroverse zwischen Cyprian und dem Bischof von Rom, Stephanus, über die Gültigkeit der Taufe zu erinnern, die den Heiden von häretischen Christen gespendet wurde.

Unter diesen wirklich schwierigen Umständen legte Cyprian auserlesene Führungsgaben an den Tag: Er war streng, aber nicht unbeugsam mit den lapsi und gewährte ihnen die Möglichkeit der Vergebung nach einer beispielhaften Buße; gegenüber Rom hielt er an der Verteidigung der gesunden Traditionen der afrikanischen Kirche fest; er war sehr menschlich und vom echtesten Geist des Evangeliums durchdrungen, wenn er die Christen während der Pest zur brüderlichen Hilfe für die Heiden ermahnte; er verstand es, das rechte Maß zu halten, wenn er die Gläubigen - die zu sehr befürchteten, das Leben und die irdischen Güter zu verlieren - daran erinnerte, daß für sie das wahre Leben und die wahren Güter nicht diejenigen von dieser Welt sind; er war unerschütterlich beim Bekämpfen der verdorbenen Sitten und der Sünden, die das sittliche Leben zerstörten, vor allem der Habgier. »So verbrachte er seine Tage«, erzählt dazu der Diakon Pontius, »als da auf Befehl des Prokonsuls unvermittelt der Befehlshaber der Polizei bei seiner Villa eintraf« (Vita Caecilii Cypriani, 15,1). An jenem Tag wurde der heilige Bischof verhaftet, und nach einem kurzen Verhör ging er mutig inmitten seines Volkes dem Martyrium entgegen.

Cyprian verfaßte zahlreiche Abhandlungen und Briefe, die immer mit seinem pastoralen Dienst verbunden waren. Er neigte wenig zur theologischen Spekulation und schrieb vor allem für den Aufbau der Gemeinde und für das gute Verhalten der Gläubigen. In der Tat ist die Kirche das Thema, das ihm am meisten am Herzen liegt. Er unterscheidet zwischen hierarchischer »sichtbarer Kirche« und mystischer »unsichtbarer Kirche«, beteuert aber kraftvoll, daß die Kirche eine einzige und auf Petrus gegründet ist. Er wird es nicht müde zu wiederholen, daß »wer den Stuhl Petri verläßt, auf dem die Kirche gegründet ist, sich täuscht (wenn er annimmt) noch in der Kirche zu stehen« (Über die Einheit der katholischen Kirche, 4). Cyprian weiß gut und hat es mit starken Worten formuliert, daß es »außerhalb der Kirche kein Heil gibt« (Brief 4,4 und 73,21) und daß »nicht Gott zum Vater haben kann, wer nicht die Kirche zur Mutter hat« (Über die Einheit der katholischen Kirche, 4). Unverzichtbares Merkmal der Kirche ist die Einheit, symbolisiert durch das nahtlose Gewand Christi (ebd., 7): Einheit, von der er sagt, daß sie ihr Fundament in Petrus (ebd., 4) und ihre vollkommene Verwirklichung in der Eucharistie findet (Brief 63,13). »Es gibt nur einen Gott und nur einen Christus«, mahnt Cyprian, »nur eine Kirche, nur einen Glauben, nur ein christliches Volk, das durch den Kitt der Eintracht in fester Einheit zusammengehalten wird: Und man kann nicht spalten, was seinem Wesen nach eins ist« (Über die Einheit der katholischen Kirche, 23).

Wir haben von seinem Denken über die Kirche gesprochen, aber man darf schließlich Cyprians Lehre über das Gebet nicht vernachlässigen. Ich liebe besonders sein Buch über das »Vaterunser«, das mir sehr geholfen hat, das »Gebet des Herrn« besser zu verstehen und es besser zu beten: Cyprian lehrt, daß gerade im »Vaterunser« dem Christen die rechte Art des Betens geschenkt ist; und er hebt hervor, daß dieses Gebet im Plural steht, »damit derjenige, der betet, nicht nur für sich allein betet. Unser Gebet«, schreibt er, »ist öffentlich und gemeinschaftlich, und wenn wir beten, beten wir nicht nur für einen, sondern für das ganze Volk, weil wir mit dem ganzen Volk eins sind« (Über das Gebet des Herrn, 8). So erscheinen persönliches und liturgisches Gebet fest miteinander verbunden. Ihre Einheit rührt aus der Tatsache her, daß sie auf dasselbe Wort Gottes antworten. Der Christ sagt nicht »mein Vater«, sondern »Vater unser«, und zwar bis hinein in die Abgeschiedenheit des verschlossenen Zimmers, da er weiß, daß er an jedem Ort, in jeder Lebenslage Glied ein und desselben Leibes ist.

»Laßt uns also beten, geliebteste Brüder«, schreibt der Bischof von Karthago, »wie Gott, der Meister, uns gelehrt hat! Es ist ein vertrauliches und inniges Gebet, wenn wir zu Gott mit dem beten, was sein ist, wenn wir das Gebet Christi zu seinen Ohren emporsteigen lassen. Möge der Vater die Worte seines Sohnes wiedererkennen, wenn wir ein Gebet sprechen: Er, der in unserer Seele wohnt, soll auch in unserer Stimme gegenwärtig sein… Wenn man betet, soll man zudem in einer Weise sprechen und bitten, die mit Zucht Ruhe und Ehrerbietung bewahrt. Bedenken wir, daß wir vor dem Blick Gottes stehen. Es gilt, sowohl in der Haltung des Körpers als auch durch den Ton der Stimme den Augen Gottes zu gefallen… Und wenn wir mit den Brüdern zusammenkommen und die göttlichen Opfer mit dem Priester Gottes feiern, müssen wir uns der Ehrfurcht und Zucht erinnern und dürfen weder unsere Bitten da und dort mit nachlässigen Worten in den Wind sprechen noch mit geräuschvoller Geschwätzigkeit ein Anliegen heraussprudeln, das mit Bescheidenheit an Gott herangetragen werden muß, weil Gott nicht Hörer der Stimme, sondern des Herzens ist (non vocis sed cordis auditor )« (ebd., 3-4). Das sind Worte, die auch heute gültig bleiben und uns helfen, die Heilige Liturgie gut zu feiern.

Schließlich steht Cyprian an den Ursprüngen jener fruchtbaren theologisch-spirituellen Tradition, die im »Herzen« den bevorzugten Ort des Gebets sieht. Für die Bibel und die Väter ist nämlich das Herz das Innerste des Menschen, der Ort, wo Gott wohnt. In ihm erfüllt sich jene Begegnung, in der Gott zum Menschen spricht und der Mensch Gott hört; der Mensch spricht zu Gott, und Gott hört den Menschen: alles durch das einzige göttliche Wort. Genau in diesem Sinn bezeugt Smaragdus, Abt von Saint-Mihiel an der Maas, in den ersten Jahren des neunten Jahrhunderts - indem er Cyprian anklingen läßt -, daß das Gebet »Werk des Herzens ist, nicht der Lippen, da Gott nicht auf die Worte schaut, sondern auf das Herz des Betenden« (Diadema monachorum, 1).

Meine Lieben, machen wir uns dieses »hörende Herz« zu eigen, von dem die Bibel (vgl.
1R 3,9) und die Väter zu uns sprechen: Wir haben es sehr nötig! Nur so werden wir in Fülle erfahren können, daß Gott unser Vater und daß die Kirche, die heilige Braut Christi, wirklich unsere Mutter ist.

Der heilige Märtyrerbischof Cyprian, dem die heutige Katechese gewidmet ist, stammte aus einer wohlhabenden heidnischen Familie in Karthago. Nach einer ausschweifenden Jugend bekehrte er sich mit 35 Jahren und wurde schon kurz nach seiner Taufe zum Bischof geweiht. In seine Amtszeit fielen zwei schwere Christenverfolgungen. Damals gaben viele Christen dem Druck nach und opferten den heidnischen Göttern. Wegen der Wiederaufnahme dieser lapsi - der vom Glauben Abgefallenen - spaltete sich die Christengemeinde in Karthago. Bischof Cyprian erwies sich hier als ein gerechter Hirte, der die Apostaten nicht verdammte, sondern zur Umkehr und Buße aufrief. Als dann eine Pest ausbrach, ermahnte er die Christen zu brüderlicher Hilfe.

Die Briefe und Schriften des heiligen Cyprian befassen sich vor allem mit der Kirche und mit dem Gebet. Die sichtbare Kirche hat viele Ämter, und doch bildet sie eine Einheit, die auf Petrus gründet und ihre vollkommene Verwirklichung in der einen Eucharistie findet. Zudem lebt die Kirche durch das Gebet, das - auch wenn es privat verrichtet wird - immer einen Gemeinschaftsbezug hat. Auch als einzelne beten wir: „Vater unser“, und nicht etwa „mein Vater“, weil wir wissen, daß wir immer und überall Glieder des einen Leibes der Kirche sind. Christus selbst hat uns dieses Gebet gelehrt: Es ist ein Zeichen inniger Vertrautheit, Gott mit den von ihm selbst geoffenbarten Worten anzusprechen.
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Ganz herzlich heiße ich die Audienzbesucher deutscher Sprache willkommen, besonders die Pilgergruppe des internationalen Hilfswerks „Kirche in Not“ wie auch den „Fränkischen Kreis“ katholischer Unternehmer. Bitten wir Gott, daß er uns ein hörendes Herz gebe (vgl. 1R 3,9), daß wir seinen Willen erkennen und verstehen lernen, daß Gott unser Vater und die Kirche, die Braut Christi, wirklich unsere Mutter ist. Euch alle schütze und führe der gütige Herr in diesen Tagen mit seiner Gnade und seinem Segen!




Generalaudienzen 2005-2013 23057