Generalaudienzen 2005-2013 12038
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Liebe Brüder und Schwestern!
Heute möchte ich über zwei Kirchenschriftsteller sprechen, Boethius und Cassiodor, die in Jahren lebten, die zu den leidvollsten des christlichen Westens und insbesondere der italienischen Halbinsel gehören. Odoaker, König der Heruler, eines germanischen Stammes, hatte sich erhoben und dem Weströmischen Reich das Ende bereitet (i. J. 476); aber schon bald danach war er den Ostgoten Theoderichs unterlegen, die sich für einige Jahrzehnte die Kontrolle über die italienische Halbinsel sicherten. Boethius, geboren in Rom um das Jahr 480 aus dem Adelsgeschlecht der Anicier, trat schon als junger Mann in das öffentliche Leben ein und erlangte bereits mit 25 Jahren das Amt eines Senators. Getreu seiner Familientradition engagierte er sich in der Politik in der Überzeugung, daß die tragenden Grundzüge der römischen Gesellschaft mit den Werten der neuen Völker zusammengebracht werden könnten. Und in dieser neuen Zeit der Begegnung der Kulturen betrachtete er es als seine Sendung, diese beiden Kulturen, die klassisch- römische und die im Entstehen begriffene Kultur des ostgotischen Volkes, miteinander zu versöhnen und zu verbinden. So war er in der Politik auch unter Theoderich tätig, der ihn zu Beginn sehr schätzte. Trotz dieser öffentlichen Tätigkeit vernachlässigte Boethius die Studien nicht und widmete sich insbesondere der Vertiefung philosophisch-religiöser Themen. Er schrieb aber auch Handbücher zu Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie: alles in der Absicht, die große griechisch-römische Kultur an die neuen Generationen, an die neuen Zeiten weiterzugeben. In diesem Bereich, das heißt in dem Bemühen um die Förderung der Begegnung der Kulturen, verwendete er die Kategorien der griechischen Philosophie, um den christlichen Glauben darzulegen, auch hier auf der Suche nach einer Synthese zwischen dem hellenistisch-römischen Erbe und der Botschaft des Evangeliums. Gerade deshalb wurde Boethius als der letzte Vertreter der antiken römischen Kultur und als der erste Vertreter der mittelalterlichen Intellektuellen bezeichnet.
Sein sicher bekanntestes Werk ist die Schrift De consolatione philosophiae (»Über den Trost der Philosophie«), die er im Gefängnis verfaßte, um seiner ungerechten Haft einen Sinn zu geben. Er war nämlich der Verschwörung gegen König Theoderich beschuldigt worden, weil er die Verteidigung eines Freundes, des Senators Albinus, vor Gericht übernommen hatte. Dies war aber ein Vorwand: In Wirklichkeit hatte Theoderich, der ein Arianer und Barbar war, den Verdacht, daß Boethius mit dem byzantinischen Kaiser Justinian sympathisierte. Nachdem ihm der Prozeß gemacht und er zum Tod verurteilt worden war, wurde er tatsächlich am 23. Oktober 524 im Alter von nur 44 Jahren hingerichtet. Gerade aufgrund dieses seines dramatischen Endes kann er aus seiner inneren Erfahrung auch zum heutigen Menschen und vor allem zu den vielen Personen sprechen, die aufgrund der Ungerechtigkeit, die in einem Großteil der »menschlichen Gerechtigkeit« vorhanden ist, dasselbe Schicksal wie er erleiden. Im Gefängnis sucht er in diesem Werk den Trost, er sucht das Licht, er sucht die Weisheit. Und er sagt, daß er gerade in dieser Situation verstanden habe, zwischen den scheinbaren Gütern - im Gefängnis verschwinden sie - und den wahren Gütern wie der echten Freundschaft zu unterscheiden, die auch im Gefängnis nicht verschwinden. Das höchste Gut ist Gott: Boethius lernte - und er lehrt es uns -, nicht in den Fatalismus zu verfallen, der die Hoffnung auslöscht. Er lehrt uns, daß nicht das Schicksal herrscht; es herrscht die Vorsehung, und sie hat ein Antlitz. Mit der Vorsehung kann man sprechen, da die Vorsehung Gott ist. So bleibt ihm auch im Gefängnis die Möglichkeit des Gebets, des Gesprächs mit dem, der uns rettet. Gleichzeitig bewahrt er auch in dieser Situation den Sinn für die Schönheit der Kultur und ruft die Lehre der großen antiken griechischen und römischen Philosophen in Erinnerung wie Platon, Aristoteles - er hatte begonnen, diese Griechen ins Lateinische zu übersetzen -, Cicero, Seneca und auch Dichter wie Tibull und Vergil.
Die Philosophie im Sinne der Suche nach der wahren Weisheit ist laut Boethius die wahre Arznei der Seele (Buch I). Andererseits kann der Mensch das wahre Glück einzig und allein in der eigenen Innerlichkeit erfahren (Buch II). Daher gelingt es Boethius, einen Sinn zu finden, indem er seine persönliche Tragödie im Licht eines Weisheitstextes des Alten Testaments (Weish 7,30-8,1) sieht, den er zitiert: »Über die Weisheit siegt keine Schlechtigkeit. Machtvoll entfaltet sie ihre Kraft von einem Ende zum andern und durchwaltet voll Güte das All« (Buch III, 12: PL 63, Col 780). Das sogenannte Gedeihen der Schlechten offenbart sich daher als Lüge (Buch IV), und es zeigt sich das von der Vorsehung bestimmte Wesen der »adversa fortuna« (des Unglücks). Die Schwierigkeiten des Lebens offenbaren nicht nur, wie sehr letzteres vorübergehend und von kurzer Dauer ist, sondern sie erweisen sich sogar als nützlich, um die echten Beziehungen zwischen den Menschen festzustellen und zu erhalten. Die »adversa fortuna« erlaubt es nämlich, die falschen Freunde von den wahren zu unterscheiden, und läßt uns verstehen, daß für den Menschen nichts wertvoller ist als eine wahre Freundschaft. In fatalistischer Weise eine Leidenssituation zu akzeptieren, ist absolut gefährlich, fügt der gläubige Boethius hinzu, da »es die Möglichkeit des Gebets und der theologalen Hoffnung, die der Beziehung des Menschen zu Gott zugrunde liegen, an der Wurzel beseitigt« (Buch V, 3: PL 63, Col 842).
Das Schlußplädoyer von De consolatione philosophiae kann als eine Synthese der gesamten Lehre angesehen werden, die Boethius an sich selbst und an alle jene richtet, die sich in derselben Lage wie er befinden sollten. So schreibt er im Gefängnis: »Kämpft also gegen die Laster an, widmet euch einem tugendhaften Leben, ausgerichtet an der Hoffnung, die das Herz sich erheben läßt, bis es mit den demütigen Gebeten den Himmel erreicht. Jedesmal, wenn ihr euch weigert zu lügen, kann sich die Heimsuchung, die ihr erlitten habt, in den enormen Vorteil verwandeln, immer den höchsten Richter vor Augen zu haben, der alles sieht und der weiß, wie die Dinge liegen« (Buch V, 6: PL 63, Col 862). Jeder Häftling, aus welchem Grund auch immer er im Gefängnis gelandet ist, ahnt, wie schwer diese Situation des Menschen ist, vor allem dann, wenn sie, wie es Boethius widerfuhr, durch die Folter besonders brutalisiert wird. Besonders absurd ist dann die Lage dessen, der wiederum wie Boethius, den die Stadt Pavia in der Liturgie als Märtyrer des Glaubens anerkennt und feiert, aus keinem anderen Grund als dem seiner Ideale und seiner politischen und religiösen Überzeugungen zu Tode gefoltert wird. Boethius, Symbol einer immensen Zahl von Menschen, die zu allen Zeiten und auf allen Breitengraden ungerechterweise gefangen gehalten werden, ist in der Tat eine objektive Eingangspforte zur Betrachtung des geheimnisvollen Gekreuzigten auf Golgota.
Ein Zeitgenosse des Boethius war Marcus Aurelius Cassiodorus, ein um das Jahr 485 in Skylaceum (heute Squillace) geborener Kalabrier, der in hohem Alter in Vivarium um das Jahr 580 starb. Auch er, ein Mann von hohem gesellschaftlichem Stand, widmete sich dem politischen Leben und dem kulturellen Engagement wie nur wenige andere im römischen Westen seiner Zeit. Vielleicht die einzigen, die in diesem zweifachen Interesse mit ihm auf eine Stufe gestellt werden konnten, waren der bereits erwähnte Boethius und der künftige Papst von Rom, Gregor der Große (590-604). Da er sich der Notwendigkeit bewußt war, nicht das gesamte menschliche und humanistische Erbe, das sich in den goldenen Jahrhunderten des Römischen Reiches angesammelt hatte, in der Vergessenheit versinken zu lassen, arbeitete Cassiodor großherzig und auf der höchsten Ebene politischer Verantwortlichkeit mit den neuen Völkern zusammen, die die Grenzen des Reiches überschritten und sich in Italien niedergelassen hatten. Auch er war ein Vorbild der kulturellen Begegnung, des Dialogs, der Versöhnung. Die geschichtlichen Umstände gestatteten ihm nicht, seine politischen und kulturellen Träume zu verwirklichen, die zum Ziel hatten, eine Synthese zwischen der römisch-christlichen Tradition Italiens und der neuen gotischen Kultur herzustellen. Jene Umstände überzeugten ihn jedoch vom Vorsehungscharakter der monastischen Bewegung, die sich in den christlichen Gebieten behauptete. Er beschloß, sie zu unterstützen, und setzte alle seine materiellen Reichtümer und seine geistlichen Kräfte für sie ein.
Er entwickelte die Idee, gerade den Mönchen die Aufgabe anzuvertrauen, das immense kulturelle Erbe der Antike wiederzugewinnen, zu bewahren und den Nachkommen zu überliefern, damit es nicht verloren gehe. Dazu gründete er »Vivarium«, ein Kloster, in dem alles so organisiert war, daß die intellektuelle Arbeit der Mönche als sehr wertvoll und unverzichtbar geschätzt wurde. Er verfügte, daß auch jene Mönche, die keine intellektuelle Ausbildung hatten, sich nicht nur um die materielle Arbeit und um den Ackerbau kümmern sollten, sondern auch um die Transkription der Handschriften, um so dazu beizutragen, die große Kultur den künftigen Generationen zu überliefern. Und dies ohne jeden Nachteil für den geistlichen Einsatz als Mönch und Christ und für die karitative Tätigkeit gegenüber den Armen. In seiner Lehre, die sich auf verschiedene Werke verteilt, sich aber vor allem in dem Traktat De anima und in den Institutiones divinarum litterarum findet, nimmt das Gebet (vgl. PL 69, Col 1108), das aus der Heiligen Schrift und insbesondere aus der eifrigen Lektüre der Psalmen (vgl. PL 69, Col 1149) gespeist wird, stets eine zentrale Stellung als die für alle notwendige Nahrung ein. Hier als Beispiel, wie dieser hochgelehrte Kalabrier seine Expositio in Psalterium einleitet: »Nachdem ich in Ravenna die Beanspruchungen durch die politische Laufbahn zurückgewiesen und aufgegeben hatte, die vom widerlichen Geschmack der weltlichen Sorgen gezeichnet war, nachdem ich den Psalter genossen hatte, ein vom Himmel als wahrer Honig für die Seele gekommenes Buch, stürzte ich mich begierig wie ein Dürstender darauf, es ohne Unterlaß zu erforschen, um mich ganz von jener heilsamen Süße durchdringen zu lassen, nachdem ich der zahllosen Bitterkeiten des aktiven Lebens überdrüssig war« (PL 70, Col 10).
Die Suche nach Gott, die nach der Kontemplation Gottes strebt - vermerkt Cassiodor -, bleibt der ständige Zweck des monastischen Lebens (vgl. PL 69, Col 1107). Er fügt jedoch hinzu, daß mit Hilfe der göttlichen Gnade (vgl. PL 69, Col 1131 Col 1142) ein besserer Genuß des offenbarten Wortes durch den Gebrauch der wissenschaftlichen Errungenschaften und der kulturellen »profanen« Mittel erlangt werden kann, die schon die Griechen und Römer besaßen (vgl. PL 69, Col 1140). Persönlich widmete sich Cassiodor philosophischen, theologischen und exegetischen Studien, zwar ohne besondere Kreativität, aber unter Achtung auf die Intuitionen, die er bei den anderen als gültig anerkannte. Er las mit Achtung und Verehrung vor allem Hieronymus und Augustinus. Von diesem letzteren sagte er: »In Augustinus gibt es derart großen Reichtum, daß es mir unmöglich erscheint, etwas zu finden, das nicht schon ausgiebig von ihm behandelt worden ist« (vgl. PL 70, Col 10). Hieronymus zitierend ermahnte er hingegen die Mönche von Vivarium: »Die Siegespalme erringen nicht nur jene, die bis zum Vergießen des Blutes kämpfen oder die in der Jungfräulichkeit leben, sondern auch all jene, die mit der Hilfe Gottes die Laster des Leibes bezwingen und den rechten Glauben bewahren. Damit ihr aber, immer mit der Hilfe Gottes, leichter die Herausforderungen der Welt und ihre Verlockungen besiegen könnt und dabei in ihr als Pilger ständig unterwegs bleibt, versucht vor allem, euch der heilbringenden Hilfe zu versichern, wie sie vom ersten Psalm nahegelegt wird, der empfiehlt, Tag und Nacht das Gesetz des Herrn zu betrachten. Der Feind wird nämlich keine ungeschützte Stelle finden, um euch anzugreifen, wenn eure ganze Aufmerksamkeit von Christus eingenommen ist« (De Institutione Divinarum Scripturarum, 32: PL 70, Col 1147). Das ist eine Mahnung, die wir auch als für uns gültig annehmen können. Auch wir leben nämlich in einer Zeit der Begegnung der Kulturen, der Gefahr der Gewalt, die die Kulturen zerstört, und des notwendigen Einsatzes, um die großen Werte weiterzugeben und die neuen Generationen den Weg der Versöhnung und des Friedens zu lehren. Diesen Weg finden wir, wenn wir uns auf den Gott mit dem menschlichen Antlitz ausrichten, den Gott, der sich uns in Christus offenbart hat.
Heute möchte ich zwei Gestalten der Kirche vorstellen, die sich in den Jahren nach dem Untergang des Weströmischen Reiches um die Bewahrung und Weitergabe des antiken Kulturerbes bemühten: Boethius und Cassiodor. Boethius, der um 480 in Rom geboren wurde und aus dem vornehmen Geschlecht der Anicier stammte, schlug früh die politische Laufbahn ein. Durch seine religiösen und philosophischen Studien, in denen er eine Harmonie zwischen dem hellenistisch-römischen Erbe und der Botschaft des Evangeliums herzustellen suchte, wurde er zu einem bedeutenden Vermittler zwischen Antike und Mittelalter. Tragisch ist sein früher Tod: Von König Theoderich des Hochverrats verdächtigt, wurde Boethius 524 unschuldig hingerichtet. Während der Haft verfaßte er sein berühmtes Werk De consolatione philosophiae, eine philosophische Trostschrift. Das wahre Glück besteht für Boethius in der Bekämpfung der Laster, der Pflege der Tugenden und im Streben nach Gott, dem höchsten Gut des Menschen.
Cassiodor wurde um 485 in Kalabrien geboren; auch er war zunächst politisch aktiv. Nach seiner Abkehr von der Politik gründete er das Kloster „Vivarium“, dessen Hauptaufgabe in der Pflege des Bildungs- und Kulturguts der Antike bestand. So widmeten sich die Mönche vornehmlich dem Studium, dem Kopieren und der Erhaltung alter Schriften. In Cassiodors eigenen Werken nimmt das Gebet, das sich aus der Heiligen Schrift und insbesondere aus den Psalmen nährt, eine zentrale Stellung ein.
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Mit Freude heiße ich alle deutschsprachigen Besucher dieser Generalaudienz willkommen. Unter ihnen grüße ich besonders die Teilnehmer an der Tagung der Internationalen Stiftung Humanum.Im Schauen auf Jesus Christus, der in seinem Kreuzestod alles Leid der Welt auf sich genommen hat, finden wir Halt und Trost. Er führt uns zum wahren Heil, und Ihm wollen wir unser Leben anvertrauen. Der Herr schenke euch allen seine Gnade und einen gesegneten Weg zum Osterfest.
Audienzenhalle19038
Liebe Brüder und Schwestern!
Wir stehen am Vorabend des österlichen Triduums. Die nächsten drei Tage werden allgemein »heilige« Tage genannt, da sie uns das zentrale Ereignis unserer Erlösung nacherleben lassen; sie führen uns in der Tat zurück zum wesentlichen Kern des christlichen Glaubens: dem Leiden, dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi. Es sind Tage, die wir als einen einzigen Tag betrachten könnten: Sie bilden das Herz und die Mitte des gesamten liturgischen Jahres wie auch des Lebens der Kirche. Am Ende des Weges der Fastenzeit machen auch wir uns bereit, in die Atmosphäre einzutreten, die Jesus damals in Jerusalem erlebte. Wir wollen in uns das lebendige Gedächtnis der Leiden wachrufen, die der Herr für uns ertragen hat, und uns darauf vorbereiten, mit Freude am nächsten Sonntag »das wahre Ostern« zu feiern, »das das Blut Christi mit Herrlichkeit bedeckt hat, das Ostern, an dem die Kirche das Fest feiert, das der Ursprung aller Feste ist«, wie die Präfation zum Ostertag im ambrosianischen Ritus sagt.
Morgen, am Gründonnerstag, gedenkt die Kirche des Letzten Abendmahles, während dessen der Herr am Vorabend seines Leidens und Sterbens das Sakrament der Eucharistie und das Sakrament des Priesteramtes eingesetzt hat. In jener Nacht hat uns Jesus das neue Gebot - »mandatum novum« - hinterlassen, das Gebot der brüderlichen Liebe. Bevor wir in das »Triduum sacrum« eintreten, aber schon in enger Verbindung mit ihm, wird in jeder Diözesangemeinde morgen vormittag die Chrisammesse gefeiert werden, während derer der Bischof und die Priester des Presbyteriums der Diözese ihre Weiheversprechen erneuern. Es werden auch die Öle geweiht, die für die Feier der Sakramente bestimmt sind: das Öl der Katechumenen, das Krankenöl und das heilige Chrisam. Es ist ein sehr wichtiger Augenblick für das Leben der Diözesangemeinschaft, die sich um ihren Hirten versammelt und so ihre Einheit und ihre Treue zu Christus, dem einzigen und ewigen Hohenpriester, festigt. Am Abend wird in der Messe »in Coena Domini« des Letzten Abendmahles gedacht, als Christus sich uns allen als Speise des Heils, als Arznei der Unsterblichkeit hingegeben hat: Es ist das Geheimnis der Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens. In diesem Sakrament des Heils hat der Herr für alle, die an ihn glauben, die engstmögliche Einheit zwischen unserem und seinem Leben angeboten und verwirklicht. Mit der demütigen und äußerst ausdrucksstarken Geste der Fußwaschung werden wir aufgefordert, uns dessen zu erinnern, was der Herr seinen Aposteln getan hat: Indem er ihre Füße wusch, verkündete er auf konkrete Weise den Primat der Liebe, einer Liebe, die zum Dienst wird bis zur Hingabe seiner selbst und so auch das höchste Opfer seines Lebens vorwegnimmt, das am Tag danach auf dem Golgota vollbracht werden wird. Einer schönen Tradition entsprechend beschließen die Gläubigen den Gründonnerstag mit einer Gebetswache und der eucharistischen Anbetung, um die Agonie Jesu in Getsemani inniger nachzuerleben.
Der Karfreitag ist der Tag, der an das Leiden, die Kreuzigung und den Tod Jesu erinnert. An diesem Tag sieht die Liturgie der Kirche keine Feier der heiligen Messe vor, sondern die christliche Gemeinschaft versammelt sich, um das große Geheimnis des Bösen und der Sünde zu betrachten, die die Menschheit bedrücken, um im Licht des Wortes Gottes und mit Hilfe bewegender liturgischer Gesten durch die Leiden des Herrn zu gehen, die dieses Böse sühnen. Nachdem die Gemeinde den Bericht über die Passion Christi gehört hat, betet sie für alle Bedürfnisse der Kirche und der Welt, verehrt das Kreuz und empfängt die Eucharistie, indem sie die Hostien zu sich nimmt, die von der Messe »in Coena Domini« vom Vortag aufbewahrt worden sind. Als weitere Einladung zur Meditation über das Leiden und Sterben des Erlösers und als Ausdruck der Liebe und der Teilnahme der Gläubigen an den Leiden Christi hat die christliche Tradition verschiedene zeichenhafte Gesten der Volksfrömmigkeit ins Leben gerufen, Prozessionen und Darstellungen der Passion, die darauf abzielen, Gefühle wahrer Anteilnahme am Erlösungsopfer Christi immer tiefer in das Herz der Gläubigen einzuprägen. Unter diesen ragt die »Via Crucis«, der Kreuzweg, hervor, eine fromme Übung, die im Lauf der Jahre um vielfältige geistliche und künstlerische Ausdrucksformen entsprechend dem Empfinden der verschiedenen Kulturen bereichert worden ist. So sind in vielen Ländern Heiligtümer mit dem Namen »Kalvaria« entstanden, zu denen man über einen steilen Anstieg gelangt, der an den schmerzhaften Weg der Passion erinnert und dadurch den Gläubigen gestattet, am Aufstieg des Herrn zum Berg des Kreuzes, dem Berg der bis zur Vollendung gelangten Liebe, teilzuhaben.
Der Karsamstag ist von tiefem Schweigen gekennzeichnet. Die Kirchen sind schmucklos und es sind keine besonderen Liturgien vorgesehen. Während die Gläubigen das große Ereignis der Auferstehung erwarten, verharren sie mit Maria in Gebet und Betrachtung. Es bedarf in der Tat eines Tages des Schweigens, um über die Wirklichkeit des menschlichen Lebens nachzudenken, über die Kräfte des Bösen und über die große Kraft des Guten, das aus dem Leiden und der Auferstehung des Herrn hervorgeht. Große Bedeutung kommt an diesem Tag dem Empfang des Sakrament der Versöhnung zu, dem unverzichtbaren Weg, um das Herz zu reinigen und sich vorzubereiten, das Osterfest innerlich erneuert zu feiern. Wenigstens einmal im Jahr bedürfen wir dieser inneren Reinigung, dieser Erneuerung unserer selbst. Dieser Samstag des Schweigens, der Betrachtung, der Vergebung und der Versöhnung mündet ein in die Osternacht, die uns in den wichtigsten Sonntag der Geschichte eintreten läßt, den Sonntag des Pascha Christi. Die Kirche wacht neben dem gesegneten neuen Feuer und betrachtet die große, im Alten und im Neuen Testament enthaltene Verheißung der endgültigen Befreiung von der alten Knechtschaft der Sünde und des Todes. Im Dunkel der Nacht wird am neuen Feuer die Osterkerze entzündet, Symbol für Christus, der glorreich aufersteht. Christus, Licht der Menschheit, vertreibt die Finsternis des Herzens und des Geistes und erleuchtet jeden Menschen, der auf die Welt kommt. Neben der Osterkerze erklingt in der Kirche die große österliche Verkündigung: Christus ist wahrhaft auferstanden, der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Durch seinen Tod hat er das Böse für immer besiegt und allen Menschen das Leben Gottes geschenkt. Während der Osternacht empfangen nach einer alten Tradition die Katechumenen die Taufe, um die Teilhabe der Christen am Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi hervorzuheben. Von der strahlenden Osternacht breiten sich die Freude, das Licht und der Friede Christi im Leben der Gläubigen jeder christlichen Gemeinde aus und erreichen jeden Punkt des Raumes und der Zeit.
Liebe Brüder und Schwestern, in diesen einzigartigen Tagen richten wir entschlossen das Leben auf eine großherzige und überzeugte Treue zum Plan des himmlischen Vaters aus; wir erneuern unser »Ja« zum göttlichen Willen, wie es Jesus mit dem Kreuzesopfer getan hat. Die eindrucksvollen Riten des Gründonnerstags, des Karfreitags, das an Gebet reiche Schweigen des Karsamstags und die feierliche Osternacht bieten uns die Gelegenheit, den Sinn und den Wert unserer christlichen Berufung, die dem Ostergeheimnis entspringt, zu vertiefen und sie in der treuen Nachfolge Christi in jeder Situation zu konkretisieren, wie er es getan hat, bis hin zur großzügigen Hingabe unseres Daseins.
Der Geheimnisse Christi zu gedenken bedeutet auch, in tiefer und solidarischer Bindung an das Heute der Geschichte zu leben, in der Überzeugung, daß das, was wir feiern, lebendige und aktuelle Wirklichkeit ist. Tragen wir also in unser Gebet die Dramatik der Geschehnisse und Situationen hinein, die in diesen Tagen so viele unserer Brüder und Schwestern in allen Teilen der Welt quälen. Wir wissen, daß der Haß, die Spaltungen, die Gewalt in den Ereignissen der Geschichte nie das letzte Wort haben. Diese Tage beleben in uns wieder die große Hoffnung: Der gekreuzigte Christus ist auferstanden und hat die Welt besiegt. Die Liebe ist stärker als der Haß, sie hat gesiegt, und wir müssen uns diesem Sieg der Liebe anschließen. Wir müssen also wieder anfangen bei Christus und in Gemeinschaft mit ihm für eine Welt arbeiten, die auf den Frieden, die Gerechtigkeit und die Liebe gegründet ist. Lassen wir uns bei diesem Einsatz, der uns alle betrifft, von Maria führen, die den göttlichen Sohn auf dem Weg des Leidens und des Kreuzes begleitet und mit der Kraft des Glaubens an der Verwirklichung seines Heilsplanes teilgenommen hat. Mit diesen Empfindungen spreche ich schon jetzt euch allen, euren Lieben und euren Gemeinden meine herzlichsten Glückwünsche zu einem frohen und heiligen Osterfest aus.
Ab morgen feiert die Kirche wieder die drei österlichen Tage: den Gründonnerstag, den Karfreitag und den Karsamstag, der dann in die Osternacht übergeht. In vielen Sprachen werden diese Tage als „heilig" bezeichnet, weil sie das Heil, das zentrale Ereignis unserer Erlösung, nämlich das Leiden, das Sterben und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, gegenwärtig machen. Am Gründonnerstag gedenkt die Kirche des letzten Abendmahls, bei dem Christus den Aposteln ein neues Gebot gegeben hat: einander zu lieben, wie er sie geliebt hat (vgl. Jn 13,34). In diesem Geiste wird schon vormittags die Chrisammesse gefeiert, bei der sich die Priester jeder Diözese um ihren Bischof versammeln und ihr Weiheversprechen erneuern. Dabei werden auch die heiligen Öle gesegnet, die der Spendung verschiedener Sakramente dienen. In der Messe in Cena Domini am Abend verehren wir Christus, der sich allen als Speise des Heils und als Arznei des Lebens schenkt. In der Fußwaschung zeigt er die Größe seiner Liebe, die völlig dienstbereit bis zur Selbsthingabe am Kreuz ist. Der Karfreitag stellt uns das Leiden und Sterben unseres Herrn im Passionsbericht vor Augen. In den großen Fürbitten weitet sich der Blick hin zu den Anliegen und Sorgen der ganzen Menschheit. In der Kreuzverehrung verneigen wir uns nochmals vor dem Kreuzesopfer unseres Erlösers Jesus Christus. Der Karsamstag ist ein Tag tiefen Schweigens. Die Gläubigen verharren am Grab Jesu im Gebet und in der Betrachtung. Hier bietet sich auch noch einmal die Gelegenheit zum Empfang des Bußsakraments, um unser Herz zu reinigen und innerlich erneuert Ostern zu feiern. Die darauffolgende Osternacht ist durch das Licht der Osterkerze erhellt, ein Symbol für den auferstandenen Christus. Dieser lädt uns ein, die österliche Freude und den Frieden zu allen Menschen zu bringen.
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Ganz herzlich grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Zunge. Die drei heiligen Tage geben uns Gelegenheit, uns neu auszurichten auf Christus, auf Gott hin. Wir wollen "Ja" sagen zu Gott, weil wir so Ja sagen - auch wenn es manchmal schwerfällt - zum Guten, zum Licht, zur Überwindung des Bösen in der Welt. Euch allen wünsche ich eine gesegnete Osterzeit!
FRIEDENSAPPELL FÜR TIBET
Mit großer Sorge verfolge ich die Nachrichten dieser Tage aus Tibet. Mein väterliches Herz empfindet Trauer und Schmerz angesichts des Leidens so vieler Menschen. Das Geheimnis des Leidens und Sterbens Jesu, das wir in dieser Karwoche nacherleben, hilft uns, besonders sensibel für ihre Situation zu sein.
Mit Gewalt werden die Probleme nicht gelöst, sondern nur verschärft. Ich lade euch dazu ein, euch meinem Gebet anzuschließen. Bitten wir den allmächtigen Gott, Quelle des Lichts, daß er den Geist aller erleuchte und jedem den Mut gebe, den Weg des Dialogs und der Toleranz zu wählen.
26038
Liebe Brüder und Schwestern!
»Et resurrexit tertia die secundum Scripturas - Er ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift.« Jeden Sonntag erneuern wir mit dem Credo das Bekenntnis unseres Glaubens an die Auferstehung Christi, jenes erstaunliche Ereignis, das den Schlußstein des Christentums bildet. In der Kirche begreift man alles von diesem großen Geheimnis her, das den Lauf der Geschichte verändert hat und bei jeder Eucharistiefeier gegenwärtig wird. Es gibt jedoch eine Zeit des Kirchenjahres, in der diese zentrale Wirklichkeit des christlichen Glaubens in ihrem lehrmäßigen Reichtum und ihrer unerschöpflichen Lebenskraft den Gläubigen noch eindringlicher dargeboten wird, damit sie sie immer intensiver wiederentdecken und getreuer leben: Das ist die Osterzeit. Jedes Jahr an den heiligen drei Tagen, dem »Heiligen Triduum des gekreuzigten, gestorbenen und auferstandenen Christus«, wie der hl. Augustinus sie nennt, durchläuft die Kirche in einer Atmosphäre des Gebets und der Buße von neuem die letzten Stationen des Erdenlebens Jesu: seine Verurteilung zum Tod, den Aufstieg zum Kalvarienberg, wobei er das Kreuz trägt, seinen Opfertod für unser Heil, seine Grablegung. Am »dritten Tag« läßt die Kirche dann seine Auferstehung wieder lebendig werden: Es ist Ostern, der Übergang Jesu vom Tod zum Leben, in dem sich die alten Prophezeiungen voll erfüllen. Die ganze Liturgie der Osterzeit besingt die Gewißheit und Freude über die Auferstehung Christi.
Liebe Brüder und Schwestern, wir müssen unsere Bindung an den für uns gestorbenen und auferstandenen Christus beständig erneuern: Sein Ostern ist auch unser Ostern, da uns im auferstandenen Christus die Gewißheit unserer Auferstehung geschenkt wird. Die Nachricht von seiner Auferstehung von den Toten veraltet nicht, und Jesus ist immer lebendig; und lebendig ist sein Evangelium. »Der Glaube der Christen«, sagt der hl. Augustinus, »ist die Auferstehung Christi«. Die Apostelgeschichte erklärt das mit aller Deutlichkeit: »Gott hat vor allen Menschen Jesus dadurch ausgewiesen, daß er ihn von den Toten auferweckt hat« (17,31). Um zu beweisen, daß Jesus wahrhaftig der Sohn Gottes, der erwartete Messias ist, reichte in der Tat der Tod nicht aus. Wie viele Menschen haben im Laufe der Geschichte für eine für gerecht gehaltene Sache ihr Leben aufgeopfert und sind gestorben! Und tot sind sie geblieben. Der Tod des Herrn beweist die unermeßliche Liebe, mit der er uns geliebt hat, bis hin zum Opfer für uns; aber erst seine Auferstehung ist der »sichere Beweis«, ist die Gewißheit, daß alles, was er sagt, die Wahrheit ist, die auch für uns, für alle Zeiten gilt. Dadurch daß ihn der Vater auferweckte, hat er ihn verherrlicht. So schreibt der hl. Paulus im Brief an die Römer: »Wenn du mit deinem Mund bekennst: ›Jesus ist der Herr‹ und in deinem Herzen glaubst: ›Gott hat ihn von den Toten auferweckt‹, so wirst du gerettet werden« (10,9).
Es ist wichtig, diese grundlegende Wahrheit unseres Glaubens zu bekräftigen, deren historische Wahrheit ausführlich belegt ist, auch wenn es heute wie in der Vergangenheit nicht an jenen fehlt, die sie auf verschiedene Weise in Frage stellen oder gar leugnen. Das Schwinden des Glaubens an die Auferstehung Jesu schwächt daher das Zeugnis der Gläubigen. Denn wenn in der Kirche der Glaube an die Auferstehung abnimmt, kommt alles zum Stillstand, fällt alles auseinander. Umgekehrt verwandelt die Zustimmung des Herzens und des Geistes zu dem gestorbenen und auferweckten Christus das Leben und erleuchtet das ganze Dasein der Menschen und Völker. Verleiht etwa nicht die Gewißheit, daß Christus auferstanden ist, den Märtyrern jeder Epoche Mut, prophetische Unerschrockenheit und Ausdauer? Vermag etwa nicht die Begegnung mit dem lebendigen Jesus so viele Männer und Frauen zu bekehren und zu faszinieren, die seit den Anfängen des Christentums alles verlassen, um ihm zu folgen und ihr Leben in den Dienst des Evangeliums zu stellen? »Ist aber Christus nicht auferweckt worden« - sagte der Apostel Paulus -, »dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos« (1Co 15,14). Aber er ist auferweckt worden!
Genau das ist die Botschaft, die wir in diesen Tagen immer wieder hören: Jesus ist auferstanden, er ist der Lebendige, und wir können ihm begegnen. So wie ihm die Frauen begegnet sind, die sich am Morgen des dritten Tages, dem Tag nach dem Sabbat, zum Grab begeben hatten; so wie ihm die Jünger begegnet sind, die überrascht und verstört über das waren, was ihnen die Frauen berichtet hatten; so wie ihm viele andere Zeugen in den Tagen nach seiner Auferstehung begegnet sind. Und auch nach seiner Himmelfahrt ist Jesus weiterhin unter seinen Freunden gegenwärtig geblieben, wie er es im übrigen verheißen hatte: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20). Der Herr ist bei uns, bei seiner Kirche bis ans Ende der Zeiten. Die Glieder der Urkirche haben, nachdem sie vom Heiligen Geist erleuchtet worden waren, begonnen, offen und ohne Furcht die österliche Botschaft zu verkündigen. Und diese Botschaft, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde, ist bis zu uns gelangt und erschallt jedes Jahr zu Ostern mit immer neuer Macht.
Besonders in dieser Osteroktav lädt uns die Liturgie dazu ein, dem Auferstandenen persönlich zu begegnen und in den Ereignissen der Geschichte und unseres täglichen Lebens sein belebendes Wirken zu erkennen. So wird uns zum Beispiel heute, am Mittwoch, wieder die ergreifende Episode von den zwei Emmausjüngern berichtet (vgl. Lc 24,13-35). Versunken in Traurigkeit und Enttäuschung nach der Kreuzigung Jesu machten sie sich tief betrübt auf den Heimweg. Unterwegs sprachen sie miteinander über das, was in jenen Tagen in Jerusalem geschehen war. Da trat Jesus zu ihnen, begann mit ihnen zu reden und sie zu belehren: »Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?« (Lc 24,25-26). Und ausgehend von Mose und allen Propheten legte er ihnen dann dar, was sich in der gesamten Schrift auf ihn bezog. Die Unterweisung Christi - die Erklärung der Prophezeiungen - war für die Emmausjünger gleichsam eine unerwartete, leuchtende und trostreiche Offenbarung. Jesus gab ihnen einen neuen Schlüssel für die Lektüre der Bibel, und alles erschien jetzt klar, genau auf diesen Augenblick hin ausgerichtet. Ergriffen von den Worten des unbekannten Wanderers baten sie ihn, zum Abendessen bei ihnen zu bleiben. Und er nahm die Einladung an und setzte sich mit ihnen zu Tisch. Der Evangelist Lukas berichtet: »Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen« (Lc 24,30). Und in diesem Augenblick gingen den zwei Jüngern die Augen auf und sie erkannten ihn, aber »dann sahen sie ihn nicht mehr« (Lc 24,31). Und voller Staunen und Freude sagten sie zueinander: »Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß?« (Lc 24,32).
Der Herr ist im ganzen Kirchenjahr, besonders aber in der Karwoche und in der Osterwoche mit uns unterwegs und erklärt uns die Schrift, läßt uns dieses Geheimnis begreifen: Alles spricht von ihm. Und das sollte auch unsere Herzen brennen lassen, so daß auch uns die Augen aufgehen können. Der Herr ist bei uns, er zeigt uns den wahren Weg. Wie die beiden Jünger Jesus am Brotbrechen erkannten, so erkennen auch wir beim Brechen des Brotes seine Gegenwart. Die Emmausjünger erkannten ihn wieder und erinnerten sich an Momente, wo Jesus das Brot gebrochen hatte. Und dieses Brotbrechen läßt uns an die erste Eucharistie denken, die im Rahmen des Letzten Abendmahls gefeiert wurde, wo Jesus das Brot brach und so seinen Tod und seine Auferstehung vorwegnahm, indem er sich selbst den Jüngern hingab. Jesus bricht das Brot auch mit uns und für uns, er wird in der Heiligen Eucharistie bei uns gegenwärtig, er gibt sich uns hin und öffnet unsere Herzen. In der Heiligen Eucharistie, in der Begegnung mit seinem Wort, können an diesem doppelten Tisch des Wortes und des konsekrierten Brotes und Weines auch wir Jesus begegnen und erkennen. Jeden Sonntag erlebt die Gemeinde so wieder das Ostern des Herrn und nimmt vom Heiland sein Testament der Liebe und des brüderlichen Dienstes entgegen. Liebe Brüder und Schwestern, möge die Freude dieser Tage unsere treue Bindung an den gekreuzigten und auferstandenen Christus noch stärker festigen. Lassen wir uns vor allem vom Zauber seiner Auferstehung einnehmen. Es helfe uns Maria, für viele unserer Brüder Boten des Lichts und der Freude von Ostern zu sein. Nochmals an euch alle herzliche Wünsche zu einem frohen Osterfest!
In diesen österlichen Tagen verkündet und besingt die Liturgie der Kirche die freudige Gewißheit der Auferstehung Christi. Durch die Auferweckung seines Sohnes bekundet uns Gott, daß die Frohbotschaft Jesu über den Tod hinaus Bestand hat und auch uns ewiges Heil schenken kann. Diese grundlegende Wahrheit gilt es gläubig anzunehmen, wie der hl. Paulus sagt: »Denn wenn du mit deinem Mund bekennst: „Jesus ist der Herr“ und in deinem Herzen glaubst: „Gott hat ihn von den Toten auferweckt“, so wirst du gerettet werden« (Rm 10,9). Die Begegnung mit dem auferstandenen Christus hat die Kraft, die Menschen nachhaltig zu verändern. Dies haben die Apostel und die Jünger in den Tagen nach Ostern erfahren, aber auch den Christen aller Jahrhunderte und jedem Gläubigen gilt die Zusage des Auferstandenen: „Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ (Mt 28,20). Auch heute können wir Christus persönlich begegnen, der auf besondere Weise in jeder Eucharistiefeier zu uns spricht und uns wie den Emmausjüngern den Sinn der Schrift und der Geschichte erklärt. Jesus bricht auch uns das Brot und gibt sich uns hin, damit wir in ihm das wahre Leben haben.
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In österlicher Freude begrüße ich die zahlreichen Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Besonders heiße ich heute die Priesterseminaristen der Diözesen Graz-Seckau und Gurk-Klagenfurt in Begleitung ihrer Diözesanbischöfe willkommen. Der auferstandene Herr schenke euch seinen Frieden und mache euch zu mutigen Zeugen der Auferstehung für eure Brüder und Schwestern. Euch allen wünsche ich eine frohe und gesegnete Osterwoche.
Generalaudienzen 2005-2013 12038