Generalaudienzen 2005-2013 28040
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Liebe Brüder und Schwestern!
Wir nähern uns dem Abschluß des Priester-Jahres, und an diesem letzten Mittwoch im April möchte ich über zwei heilige Priester sprechen, die vorbildlich waren in ihrer Hingabe an Gott und im Zeugnis der Nächstenliebe gegenüber den notleidenden Brüdern, das sie in der Kirche und für die Kirche lebten: über den hl. Leonardo Murialdo und den hl. Giuseppe Benedetto Cottolengo. Wir begehen den 110. Todestag und den 40. Jahrestag der Heiligsprechung Murialdos; für Cottolengo haben die Feiern anläßlich des 200. Jahrestages seiner Priesterweihe begonnen.
Leonardo Murialdo wurde am 26. Oktober 1828 in Turin geboren. Es ist das Turin des hl. Johannes Bosco und auch das des hl. Giuseppe Cottolengo: ein Ort, der durch viele Priester und gläubige Laien, Vorbilder der Heiligkeit, fruchtbar gemacht wurde. Leonardo ist das achte Kind einer einfachen Familie. Als Junge wurde er zusammen mit seinem Bruder in das Internat der Piaristen in Savona aufgenommen, wo er die Grundschule und die weiterführenden Schulen besuchte; er fand dort gut ausgebildete Erzieher, in einer Atmosphäre der Religiosität, die auf einer soliden Katechese gründete, mit regelmäßigen Frömmigkeitsübungen. Als Jugendlicher erlebte er jedoch eine tiefe existentielle und geistliche Krise, die ihn vorzeitig zu seiner Familie zurückkehren und seine Studien in Turin beenden ließ, wo er sich für das zweijährige Studium der Philosophie einschrieb. Die »Rückkehr zum Licht« geschah - wie er berichtet - nach einigen Monaten, durch die Gnade einer Generalbeichte, in der er die unendliche Barmherzigkeit Gottes wiederentdeckte. Damals, mit 17 Jahren, traf er die Entscheidung, Priester zu werden, als Liebesantwort an Gott, der ihn mit seiner Liebe ergriffen hatte. Er wurde am 20. September 1851 geweiht. Zur selben Zeit, als Katechet des Oratoriums »Angelo Custode«, lernte ihn Don Bosco kennen und schätzen, der ihn überzeugte, die Leitung des neuen Oratoriums »San Luigi« in Porta Nuova zu übernehmen. Diese hatte er bis 1865 inne. Dort kam er auch mit den schwerwiegenden Problemen der ärmsten Bevölkerungsschichten in Berührung, die er in ihren Wohnungen besuchte. So reifte in ihm ein tiefes soziales, erzieherisches und apostolisches Bewußtsein heran, das ihn dann veranlaßte, sich eigenständig verschiedenen Initiativen zum Wohl der Jugend zu widmen. Katechese, Schule und Freizeitaktivitäten bildeten die Grundlagen seiner Erziehungsmethode im Oratorium. Don Bosco nahm ihn auch mit in die Audienz, die ihm der sel. Pius IX. im Jahre 1858 gewährte.
1873 gründete er die Kongregation vom hl. Joseph, deren apostolisches Ziel von Anfang an die Erziehung und Bildung der Jugendlichen war, besonders der armen und verwahrlosten. Turin erfuhr damals eine starke Blütezeit karitativer Werke und Tätigkeiten, die Leonardo Murialdo bis zu seinem Tod am 30. März 1900 förderte.
Ich möchte hervorheben, das das Herzstück der Spiritualität Leonardo Murialdos die Überzeugung von der barmherzigen Liebe Gottes ist: eines immer guten, geduldigen und großherzigen Vaters, der die Größe und die Unendlichkeit seines Erbarmens in der Vergebung offenbart. Diese Wirklichkeit erfuhr der hl. Leonardo nicht auf intellektueller, sondern auf existentieller Ebene, durch die lebendige Begegnung mit dem Herrn. Er sah sich stets als Mann an, der vom barmherzigen Gott Gnade erlangt hat: Daher lebte er mit froher Dankbarkeit gegenüber dem Herrn, im ruhigen Bewußtsein der eigenen Grenzen, mit dem brennenden Verlangen nach Buße und im ständigen und großherzigen Bemühen um Bekehrung. Sein ganzes Leben schien ihm nicht nur durch diese Liebe erleuchtet, geleitet und gestützt zu sein, sondern es schien ihm unablässig hineingenommen zu sein in die unendliche Barmherzigkeit Gottes. In seinem Geistlichen Testament schrieb er: »Deine Barmherzigkeit umfängt mich, o Herr … So wie Gott immer und überall ist, so ist immer und überall Liebe, ist immer und überall Barmherzigkeit.« Im Rückblick auf die Zeit der Krise, die er in seiner Jugend erlebte, bemerkte er: »So wollte der gute Gott seine Güte und Großherzigkeit noch einmal in ganz einzigartiger Weise erglänzen lassen. Er gewährte mir nicht nur erneut seine Freundschaft, sondern berief mich zu einer Erwählung besonderer Liebe: Er berief mich zum Priestertum, und das nur wenige Monate nach meiner Rückkehr zu ihm.« Der hl. Leonardo lebte die priesterliche Berufung daher als ungeschuldetes Geschenk der Barmherzigkeit Gottes mit Dankbarkeit, Freude und Liebe. Weiter schrieb er: »Gott hat mich auserwählt! Er hat mich berufen, ja sogar gezwungen zu der Ehre, der Herrlichkeit, dem unsagbaren Glück, sein Diener zu sein, ein ›anderer Christus‹ zu sein … Und wo war ich, als du mich gesucht hast, mein Gott? Im tiefsten Abgrund! Dort war ich, und dort hat Gott mich gesucht; dort ließ er mich seine Stimme hören …«
Indem er die Größe der Sendung des Priesters hervorhob, der »das Werk der Erlösung, das große Werk Jesu Christi, das Werk des Retters der Welt fortsetzen« muß, also das Werk, »die Seelen zu retten«, hielt der hl. Leonardo sich selbst und seinen Mitbrüder stets die Verantwortung vor Augen, ein Leben zu führen, das dem empfangenen Sakrament entspricht. Liebe Gottes und Liebe zu Gott: Das war die Kraft seines Weges der Heiligkeit, das Gesetz seines Priestertums, die tiefere Bedeutung seines Apostolats unter den armen Jugendlichen und die Quelle seines Gebets. Der hl. Leonardo Murialdo hat sich vertrauensvoll der Vorsehung überlassen und großherzig den göttlichen Willen erfüllt, in der Beziehung zu Gott und in der Hingabe an die armen Jugendlichen. Auf diese Weise hat er die kontemplative Stille mit dem unermüdlichen Eifer des Handelns vereint, die Treue zu den täglichen Pflichten mit dem Einfallsreichtum der Initiativen, die Kraft in den Schwierigkeiten mit der inneren Ruhe des Geistes. Das ist sein Weg der Heiligkeit, um das Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu leben.
In demselben Geist der Liebe lebte 40 Jahre vor Leonardo Murialdo der hl. Giuseppe Benedetto Cottolengo, Gründer des Werkes, dem er selbst den Namen »Piccola Casa della Divina Provvidenza« - Kleines Haus der göttlichen Vorsehung - gab und das heute auch »Cottolengo« genannt wird. Am kommenden Sonntag, im Rahmen meines Pastoralbesuchs in Turin, werde ich Gelegenheit haben, die sterblichen Überreste dieses Heiligen zu verehren und den Gästen der »Piccola Casa« zu begegnen.
Giuseppe Benedetto Cottolengo wurde am 3. Mai 1786 in Bra, einem Ort in der Provinz Cuneo, geboren. Als Erstgeborener von zwölf Kindern, von denen sechs bereits in zartem Alter gestorben sind, zeigte er schon als kleiner Junge große Einfühlsamkeit gegenüber den Armen. Er schlug den Weg des Priestertums ein, auf dem auch zwei seiner Brüder ihm folgten. Seine Jugendjahre waren die des Napoleonischen Abenteuers und der daraus folgenden Mißstände im religiösen und sozialen Bereich. Giuseppe Cottolengo wurde ein guter Priester, der von vielen reumütigen Sündern aufgesucht wurde; er hielt im damaligen Turin geistliche Exerzitien und Vorträge für die Universitätsstudenten, wobei er stets einen beachtlichen Erfolg zu verzeichnen hatte. Im Alter von 32 Jahren wurde er zum Kanoniker der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ernannt, einer Priesterkongregation, die die Aufgabe hatte, in der Kirche »Corpus Domini« den priesterlichen Dienst zu versehen und den religiösen Feiern der Stadt Würde zu verleihen. In diesem Amt fand er jedoch keine innere Ruhe. Gott bereitete ihn auf eine besondere Sendung vor und gab ihm durch eine unerwartete und entscheidende Begegnung zu verstehen, was seine zukünftige Bestimmung bei der Ausübung des Dienstes sein sollte.
Der Herr setzt immer Zeichen auf unseren Weg, um uns nach seinem Willen zu unserem wahren Wohl zu führen. Für Giuseppe Cottolengo geschah dies auf dramatische Weise am Morgen des 2. September 1827, einem Sonntag. Die Postkutsche aus Mailand kam in Turin an, so überfüllt wie nie zuvor. Mitten im Gedränge befand sich eine ganze französische Familie; die hochschwangere Ehefrau mit fünf Kindern hatte hohes Fieber. Nach einem Irrweg von einem Hospital zum anderen fand die Familie Unterkunft in einem öffentlichen Nachtasyl, aber der Zustand der Frau verschlechterte sich, und einige machten sich auf die Suche nach einem Priester. Ein geheimnisvoller Plan ließ sie mit Giuseppe Cottolengo zusammentreffen, und er begleitete schweren und betrübten Herzens diese junge Mutter zum Tod, unter dem tiefen Schmerz der ganzen Familie. Nachdem er diese schmerzliche Aufgabe vollbracht hatte, begab er sich mit großem Leid im Herzen zum Allerheiligsten Sakrament und betete: »Mein Gott, warum? Warum wolltest du, daß ich Zeuge wurde? Was willst du von mir? Man muß etwas tun!« Dann erhob er sich, ließ alle Glocken läuten und Kerzen entzünden, und sagte, während er die neugierigen Menschen in die Kirche einließ: »Gnade ist geschehen! Gnade ist geschehen!« Von jenem Augenblick an war Giuseppe Cottolengo verwandelt: All seine Fähigkeiten, besonders sein wirtschaftliches und organisatorisches Talent, wurden genutzt, um Initiativen zur Unterstützung der Notleidenden ins Leben zu rufen.
Es gelang ihm, Dutzende von Mitarbeitern und freiwilligen Helfern in sein Unternehmen einzubinden. Er begab sich in die Außengebiete von Turin, um sein Werk auszuweiten, und schuf eine Art Siedlung, in der er jedem Gebäude, das er erbauen konnte, einen bedeutsamen Namen gab: »Haus des Glaubens«, »Haus der Hoffnung«, »Haus der Liebe«. Er rief den Stil der »Familien« ins Leben und gründete wirkliche Gemeinschaften von Personen - freiwillige Helfer und Helferinnen, Männer und Frauen, Ordensleute und Laien -, die vereint waren, um die Schwierigkeiten, denen sie gegenüberstanden, gemeinsam in Angriff zu nehmen und zu überwinden. Jeder in dieser »Piccola Casa della Divina Provvidenza« hatte eine bestimmte Aufgabe: einige arbeiteten, einige beteten, einige dienten, einige lehrten, einige verwalteten. Gesunde und Kranke trugen gemeinsam die Last des Alltags. Auch das Ordensleben bildete sich mit der Zeit heraus, den besonderen Nöten und Erfordernissen entsprechend. Er dachte auch an ein eigenes Seminar, um den Priestern des Werkes eine besondere Ausbildung zu geben. Stets war er bereit, der göttlichen Vorsehung zu folgen und zu dienen, ohne sie jemals in Frage zu stellen. Er sagte: »Ich bin ein Nichtsnutz und weiß noch nicht einmal, was ich tue. Die göttliche Vorsehung jedoch weiß sicher, was sie will. Ich muß ihr nur gehorchen. Vorwärts ›in Domino‹«. Für seine Armen und Notleidenden bezeichnet er sich stets als den »Handlanger der göttlichen Vorsehung«.
Neben den kleinen Siedlungen gründete er auch fünf Klöster kontemplativer Schwestern und ein Eremitenkloster, und für ihn gehörten sie zu den wichtigsten Dingen, die er verwirklichte: eine Art »Herz«, das für das ganze Werk schlagen sollte. Er starb am 30. April 1842 mit folgenden Worten auf den Lippen: »Misericordia, Domine; Misericordia, Domine. Gute und heilige Vorsehung … Allerseligste Jungfrau, jetzt ist es an Euch.« Sein ganzes Leben war, wie eine Zeitung damals schrieb, »ein erfüllter Tag der Liebe«.
Liebe Freunde, diese beiden Priester, von denen ich einige Charakterzüge aufgezeigt habe, haben ihren Dienst in der Ganzhingabe des Lebens an die Armen, die Notleidenden, die Geringen gelebt. Dabei haben sie die tiefe Wurzel, die nie versiegende Quelle ihres Handelns stets in der Beziehung zu Gott gefunden, aus seiner Liebe geschöpft, in der tiefen Überzeugung, daß es nicht möglich ist, Nächstenliebe zu üben, ohne in Christus und in der Kirche zu leben. Ihre Fürsprache und ihr Vorbild mögen auch weiterhin den Dienst vieler Priester erleuchten, die sich mit Großherzigkeit Gott und der ihnen anvertrauten Herde hingeben, und sie mögen einem jeden helfen, sich mit Freude und Großherzigkeit Gott und dem Nächsten hinzuschenken.
In der heutigen Audienz möchte ich zwei Priestergestalten vorstellen, die im Turin des 19. Jahrhunderts ihr Leben ganz in den Dienst der Armen gestellt haben. Der heilige Leonardo Murialdo stammte aus einer kinderreichen Familie und wurde in katholischen Ordensschulen erzogen, doch als Jugendlicher durchlebte er eine tiefe Glaubenskrise. Seine Rückkehr zu Gott und seine Berufung zum Priester sah er deshalb immer als ein unverdientes Geschenk der göttlichen Vaterliebe. Nach über zwanzig Jahren der geistlichen, leiblichen und schulischen Fürsorge für bedürftige Jugendliche gründete er die Kongregation des heiligen Josefs, in der er viele andere zu einem eifrigen und konsequenten Priesterleben führte. Der heilige Giuseppe Benedetto Cottolengo, an dessen Grab ich am kommenden Sonntag in Turin beten werde, wirkte zu Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst als vielgesuchter Beichtvater und geschätzter Prediger. Doch eines Nachts stellte ihn die göttliche Vorsehung an die Seite einer Mutter, die bei der Geburt ihres sechsten Kindes im Kreis ihrer mittellosen Familie verstarb. Aus dieser erschütternden Erfahrung erwuchs im Gebet gleichsam eine neue Berufung, die zur Gründung des „Kleinen Hauses der göttlichen Vorsehung führte“, das zunächst außerhalb von Turin und heute an vielen Orten der Welt armen und kranken Menschen ein Zuhause bietet.
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Ein herzliches Grüß Gott sage ich allen Pilgern und Besuchern aus den Ländern deutscher Sprache. Ich heiße hier besonders die Mitglieder des Bundes katholischer Unternehmer sowie die Priester aus der Diözese Feldkirch mit ihrem Bischof Dr. Elmar Fischer willkommen. Das leuchtende Beispiel der heiligen Leonardo Murialdo und Giuseppe Benedetto Cottolengo zeigt uns, daß wir nur dann wirklich Werkzeuge der barmherzigen Liebe Gottes sein können, wenn wir in Christus und in der Kirche leben. Der Heilige Geist erfülle eure Herzen mit seiner Gnade!
Petersplatz50510
Liebe Brüder und Schwestern!
Am vergangenen Sonntag hatte ich bei meinem Pastoralbesuch in Turin die Freude, im Gebet vor dem heiligen Grabtuch zu verweilen. Ich habe mich so den über zwei Millionen Pilgern angeschlossen, die es während der feierlichen Ausstellung in diesen Tagen betrachten konnten. Dieses heilige Tuch kann den Glauben stärken und nähren und der christlichen Frömmigkeit neue Kraft geben, weil es dazu anspornt, sich dem Antlitz Christi zuzuwenden, dem Leib des gekreuzigten und auferstandenen Christus, das Ostergeheimnis zu betrachten, den Mittelpunkt der christlichen Botschaft. Wir, liebe Brüder und Schwestern, sind lebendige Glieder des Leibes Christi, der auferstanden ist, lebt und in der Geschichte wirkt (vgl. Rm 12,5) - jeder wie es der eigenen Funktion entspricht, das heißt der Aufgabe, die der Herr uns anvertraut hat. In dieser heutigen Katechese möchte ich auf die besonderen Aufgaben der Priester zurückkommen. Der Überlieferung gemäß sind es im wesentlichen drei: lehren, heiligen und leiten. In einer der vorangegangenen Katechesen habe ich über die erste dieser drei Sendungen gesprochen: die Lehre, die Verkündigung der Wahrheit, die Verkündigung Gottes, der sich in Christus offenbart hat, oder - mit anderen Worten - die prophetische Aufgabe, den Menschen mit der Wahrheit in Berührung zu bringen, ihm zu helfen, das Wesentliche seines Lebens und der Wirklichkeit an sich zu erkennen.
Heute möchte ich mit euch kurz bei der zweiten Aufgabe verweilen, die der Priester hat: die Aufgabe, die Menschen zu heiligen, vor allem durch die Sakramente und den Gottesdienst der Kirche. Hier müssen wir uns zunächst fragen: Was bedeutet das Wort »heilig«? Die Antwort lautet: »Heilig« ist die besondere Eigenschaft des Seins Gottes, also absolute Wahrheit, Güte, Liebe, Schönheit - reines Licht. Eine Person zu heiligen bedeutet also, sie in Berührung zu bringen mit Gott, mit seinem Sein, das Licht, Wahrheit, reine Liebe ist. Natürlich verwandelt diese Berührung die Person. Im Altertum war man der festen Überzeugung: Niemand kann Gott sehen, ohne sofort zu sterben. Zu groß ist die Kraft der Wahrheit und des Lichts! Wenn der Mensch diesen absoluten Strom berührt, überlebt er nicht. Andererseits war man auch davon überzeugt, daß der Mensch ohne eine wenigstens geringe Berührung mit Gott nicht leben kann. Wahrheit, Güte, Liebe sind Grundbedingungen seines Seins. Die Frage ist: Wie kann der Mensch jene grundlegende Berührung mit Gott finden, ohne zu sterben, überwältigt von der Größe des göttlichen Seins? Der Glaube der Kirche sagt uns, daß Gott selbst diese Berührung herstellt, die uns nach und nach in wahre Abbilder Gottes verwandelt.
So sind wir wieder angekommen bei der Aufgabe des Priesters zu »heiligen«. Kein Mensch kann von sich aus, aus eigener Kraft heraus den anderen mit Gott in Berührung bringen. Ein wesentlicher Teil der Gnade des Priestertum ist die Gabe, die Aufgabe, diese Berührung herzustellen. Dies geschieht in der Verkündigung des Wortes Gottes, in dem uns sein Licht entgegenkommt. Auf besonders verdichtete Weise geschieht es in den Sakramenten. Das Eintauchen in das Ostergeheimnis des Todes und der Auferstehung Christi findet in der Taufe statt; es wird gestärkt in der Firmung und in der Versöhnung und genährt durch die Eucharistie, das Sakrament, das die Kirche aufbaut als Volk Gottes, Leib Christi, Tempel des Heiligen Geistes (vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores gregis ). Christus selbst ist es also, der heilig macht, uns in die Sphäre Gottes hineinzieht. Aber als Akt seiner unendlichen Barmherzigkeit beruft er einige, »bei ihm zu sein« (vgl. Mc 3,14) und trotz der menschlichen Armut durch das Weihesakrament an seinem eigenen Priestertum teilzuhaben, als Diener dieser Heiligung, Verwalter seiner Geheimnisse, »Brücken« der Begegnung mit ihm, seiner Mittlerschaft zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Menschen und Gott (vgl. Presbyterorum ordinis PO 5).
In den letzten Jahrzehnten gab es Tendenzen, die darauf ausgerichtet waren, in bezug auf die Identität und die Sendung des Priesters der Dimension der Verkündigung den Vorrang zu geben und sie von der Dimension der Heiligung loszulösen; oft hieß es, daß es notwendig sei, eine rein sakramentale Pastoral zu überwinden. Kann man jedoch den priesterlichen Dienst authentisch ausüben, wenn man die Sakramentenpastoral »überwindet«? Was bedeutet es für die Priester eigentlich zu evangelisieren, worin besteht der sogenannte Primat der Verkündigung? Den Evangelien zufolge sagt Jesus, daß die Verkündigung des Reiches Gottes das Ziel seiner Sendung ist; diese Verkündigung ist jedoch nicht nur »Reden«, sondern sie schließt gleichzeitig auch sein Handeln mit ein; die Zeichen, die Wunder, die Jesus vollbringt, weisen darauf hin, daß das Reich Gottes als gegenwärtige Wirklichkeit kommt und daß es am Ende übereinstimmt mit seiner Person, mit der Selbsthingabe, wie wir in der heutigen Lesung aus dem Evangelium gehört haben. Und dasselbe gilt für den geweihten Amtsträger: Er, der Priester, vertritt Christus, den Gesandten des Vaters, er setzt seine Sendung fort, durch das »Wort« und das »Sakrament«, in der Ganzheit von Seele und Leib, Zeichen und Wort. In einem Brief an Bischof Honoratus von Thiabe sagt der hl. Augustinus über die Priester: »Die Diener Christi, die Diener seines Wortes und Sakraments sollen also das tun, was er geboten oder gestattet hat« (Brief 228,2). Es ist notwendig, darüber nachzudenken, ob die Unterbewertung der treuen Ausübung des »munus sanctificandi« nicht vielleicht eine Schwächung des Glaubens an die Heilswirksamkeit der Sakramente und letztlich an das gegenwärtige Wirken Christi und seines Geistes durch die Kirche in der Welt dargestellt hat.
Wer rettet also die Welt und den Menschen? Wir können nur eine einzige Antwort darauf geben: Jesus von Nazaret, der Herr und Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene. Und wo wird das heilbringende Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi verwirklicht? Im Wirken Christi durch die Kirche, insbesondere im Sakrament der Eucharistie, das die erlösende Opfergabe des Sohnes Gottes gegenwärtig macht, im Sakrament der Versöhnung, in dem man aus dem durch die Sünde verursachten Tod zu neuem Leben zurückkehrt, und in jedem anderen sakramentalen Akt der Heiligung (vgl. Presbyterorum ordinis PO 5). Es ist daher wichtig, eine angemessene Katechese zu fördern, um den Gläubigen zu helfen, den Wert der Sakramente zu verstehen. Ebenso notwendig ist es jedoch, nach dem Vorbild des heiligen Pfarrers von Ars den Brüdern bereitwillig, großherzig und aufmerksam die Gnadenschätze zu geben, die Gott in unsere Hände gelegt hat: Wir sind nicht ihre »Herren«, sondern ihre Hüter und Verwalter. Besonders in unserer Zeit, in der einerseits der Glaube schwächer zu werden scheint und andererseits ein tiefes Bedürfnis und eine diffuse Suche nach Spiritualität zutage treten, muß jeder Priester sich daran erinnern, daß in seiner Sendung die missionarische Verkündigung und der Gottesdienst und die Sakramente niemals voneinander getrennt sind. Auch muß er eine gesunde Sakramentenpastoral fördern, um das Volk Gottes zu unterweisen und ihm zu helfen, die Liturgie, den Gottesdienst der Kirche, die Sakramente in Fülle zu leben, als unentgeltliche Gaben Gottes, als freie und wirkkräftige Akte seines Heilswirkens.
In der diesjährigen Chrisam-Messe habe ich in Erinnerung gerufen: »Das Zentrum des Gottesdienstes der Kirche ist das Sakrament. Sakrament bedeutet, daß zuallererst nicht wir Menschen etwas tun, sondern daß Gott uns im voraus mit seinem Handeln entgegengeht, uns ansieht und zu sich hinführt. […] Gott rührt uns an durch materielle Wirklichkeiten, … die er in seinen Dienst nimmt, zu Instrumenten der Begegnung zwischen uns und sich selber macht« (Predigt in der Chrisam-Messe, 1. April 2010; in O.R. dt., Nr. 15 vom 16.4.2010, S. 9). Die Wahrheit, der zufolge im Sakrament »nicht wir Menschen etwas tun«, berührt auch das priesterliche Bewußtsein und muß es berühren: Jeder Priester weiß, daß er ein für das Heilswirken Gottes notwendiges Werkzeug, aber dennoch stets ein Werkzeug ist. Dieses Bewußtsein muß ihn in der Spendung der Sakramente demütig und großherzig machen, unter Wahrung der kanonischen Normen, aber auch in der tiefen Überzeugung, daß die eigene Sendung darin besteht, dafür zu sorgen, daß alle Menschen, mit Christus vereint, sich Gott als lebendiges und heiliges Opfer darbringen können, als Opfer, das Gott gefällt (vgl. Rm 12,1). Auch im Zusammenhang mit dem Primat des »munus sanctificandi« und der richtigen Auslegung der Sakramentenpastoral ist der hl. Johannes Maria Vianney ein Vorbild. Der Pfarrer antwortete einmal einem Mann, der sagte, daß er keinen Glauben habe, und mit ihm diskutieren wollte: »O! mein Freund, da sind Sie ganz an unrechtem Orte; ich weiß nicht vernünftig zu sprechen … bedürfen Sie aber eines Trostes, so lassen Sie sich hier nieder (indem er wieder auf den unerbittlichen Schemel [des Beichtstuhls] zeigte), und glauben Sie nur, es haben sich schon viele andere vor Ihnen hier niedergelassen und es nicht bereut« (A. Monnin, Geist des Pfarrers von Ars: J. M. Vianney in seiner Katechese, in seinen Predigten, und in seinem Wandel, Regensburg 1865, S. 263-264).
Liebe Priester, lebt die Liturgie und den Gottesdienst mit Freude und mit Liebe! Es ist ein Handeln, das der Auferstandene in der Kraft des Heiligen Geistes in uns, mit uns und für uns ausführt. Ich möchte noch einmal die kürzlich ausgesprochene Einladung erneuern, »in den Beichtstuhl zurückzukehren als den Ort, an dem man das Sakrament der Versöhnung feiert, aber auch als den Ort, an dem man öfter ›wohnt‹, damit der Gläubige Barmherzigkeit, Rat und Trost finden, sich von Gott geliebt und verstanden fühlen und die Gegenwart der göttlichen Barmherzigkeit erfahren kann, neben der Realpräsenz in der Eucharistie« (Ansprache an die Teilnehmer eines von der Apostolischen Pönitentiarie veranstalteten Kurses über das »Forum Internum«, 11. März 2010; in O.R. dt., Nr. 12, 26.3.2010, S. 9). Und ich möchte auch jeden Priester einladen, die Eucharistie intensiv zu feiern und zu leben. Sie steht im Mittelpunkt der Aufgabe des Heiligens; sie ist Jesus, der bei uns sein, in uns leben, sich uns hinschenken, uns die unendliche Barmherzigkeit und Liebe Gottes zeigen will; sie ist das einzigartige Liebesopfer Christi, der gegenwärtig wird, sich unter uns verwirklicht und bis zum Thron der Gnade gelangt, zur Gegenwart Gottes, die Menschheit umfaßt und uns mit ihm vereint (vgl. »Lectio divina« bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Rom 18.2010 in O.R. dt., Nr. 9 vom 5/3/2010, 7). Und der Priester ist berufen, Diener dieses großen Geheimnisses zu sein, im Sakrament und im Leben. »Die lange kirchliche Tradition hat die Wirkkraft des Sakraments zu Recht von der konkreten Lebenssituation des einzelnen Priesters losgelöst; dadurch werden die rechtmäßigen Erwartungen der Gläubigen adäquat geschützt«. Das mindert jedoch nicht »das notwendige, ja unverzichtbare Streben nach moralischer Vollkommenheit, das in jedem wirklich priesterlichen Herzen wohnen muß«: Das Volk Gottes erwartet von seinen Hirten zu Recht auch ein Vorbild des Glaubens und ein Zeugnis der Heiligkeit (vgl. Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus, 16. März 2009; in O.R. dt., Nr. 15/16, 10.4.2009, S. 15 ). Und in der Feier der heiligen Geheimnisse findet der Priester die Wurzel seiner Heiligung (vgl. Presbyterorum ordinis, PO 12-13).
Liebe Freunde, seid euch bewußt, welch großes Geschenk die Priester für die Kirche und für die Welt sind; durch ihren Dienst rettet der Herr auch weiterhin die Menschen, wird er gegenwärtig, heiligt er. Dankt Gott und seid vor allem euren Priestern nahe durch das Gebet und durch die Unterstützung, besonders in Schwierigkeiten, damit sie immer mehr Hirten nach dem Herzen Gottes seien. Danke.
Heute möchte ich mich erneut mit den spezifischen Aufgaben des Priesters befassen, die im wesentlichen drei Tätigkeiten betreffen: lehren, heiligen und leiten. In einer früheren Katechese habe ich bereits über den ersten dieser Dienste gesprochen: Das priesterliche Lehren ist eine prophetische Aufgabe, die den Menschen die lebendige Wahrheit Gottes zu Gehör bringt und ihm hilft, das wahre Leben und die wahre Wirklichkeit zu erkennen. Heute wollen wir uns nun dem Heiligungsdienst des Priesters zuwenden. Da muß zunächst klar sein: Was heißt eigentlich heilig? Die Heiligkeit ist eine besondere Eigenschaft Gottes, der absolute Wahrheit und Güte, Liebe und Schönheit ist. Eine Person heiligen heißt dann, sie in Kontakt mit Gott zu bringen, mit seinem Licht, mit der Wahrheit und der reinen Liebe. Und dieser Kontakt wird den Menschen verwandeln. Wir glauben fest: Es ist Christus selbst, der heilig macht. Die Mission seiner Jünger begann damit, daß er sie in seine heiligende Nähe rief (vgl. Mc 3,14). Dieser Ruf setzt sich in der Geschichte durch das Weihesakrament fort, mit dem der Herr die Priester zu Trägern und Vermittlern seines Heilswirkens an die Menschen macht. Die Priester sind berufen, bei diesem Werk mitzuwirken und danach zu streben, in ihrem eigenen Leben mit der Person des Erlösers immer mehr eins zu werden. Die Eucharistie steht dabei im Mittelpunkt des Heiligungsdienstes des Priesters. Hier will Jesus bei uns bleiben, in uns leben, sich uns schenken. Er will als der erbarmende und nahe Gott in der Wirklichkeit der Menschen zugegen sein. Dies geschieht nicht nur durch das Wort, das der Priester verkündet, sondern auch durch den Vollzug des zeichenhaften Tuns in der Liturgie, in der Gott mit seiner Gnade den Menschen heute konkret begegnet.
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Von Herzen heiße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen und heute besonders auch die Familien und Freunde der neuen Rekruten der Schweizergarde. Mit Freude grüße ich ebenfalls die Wallfahrer aus dem Bistum Roermond mit Bischof Wiertz und Weihbischof De Jong, die aus Anlaß des 450jährigen Bestehens ihrer Diözese zu den Gräbern der Apostelfürsten gepilgert sind. Euch alle ermutige ich, auf dem Weg der Heiligung durch den häufigen Empfang des Sakraments der Versöhnung und der Eucharistie voranzuschreiten. Der Heilige Geist mache euch alle zu Boten der Liebe Christi.
Petersplatz19050
Liebe Brüder und Schwestern!
Heute möchte ich zusammen mit euch Rückblick halten auf die verschiedenen Stationen der Apostolischen Reise, die ich in den vergangenen Tagen nach Portugal unternommen habe. Dabei bin ich besonders bewegt von einem Gefühl der Dankbarkeit gegenüber der Jungfrau Maria, die in Fatima ihren Sehern und den Pilgern eine tiefe Liebe zum Nachfolger Petri vermittelt hat. Ich danke Gott, der mir die Möglichkeit gegeben hat, diesem Volk, seiner langen und glorreichen Geschichte des Glaubens und des christlichen Zeugnisses die Ehre zu erweisen. Ebenso wie ich euch gebeten hatte, meine Pastoralreise mit dem Gebet zu begleiten, bitte ich euch daher jetzt, gemeinsam mit mir für ihren guten Ablauf und Abschluß dem Herrn zu danken. Ihm vertraue ich die Früchte an, die sie der kirchlichen Gemeinschaft in Portugal und der ganzen Bevölkerung gebracht hat und bringen wird. Erneut spreche ich dem Präsidenten der Republik, Herrn Aníbal Cavaco Silva, und den staatlichen Obrigkeiten, die mich so freundlich empfangen und dafür gesorgt haben, daß alles in bestmöglicher Weise ablaufen konnte, meinen aufrichtigen Dank aus. Mit tiefer Zuneigung denke ich an meine Mitbrüder zurück, die Bischöfe der portugiesischen Diözesen. Ich hatte die Freude, sie in ihrem Land zu umarmen, und danke ihnen brüderlich für all das, was sie zur geistlichen und organisatorischen Vorbereitung meines Besuchs getan haben sowie für ihre beachtlichen Bemühungen bei seiner Durchführung. Mein besonderer Dank gilt dem Patriarchen von Lissabon, Kardinal José da Cruz Policarpo, den Bischöfen von Leiria-Fatima, Antonio Augusto dos Santos Marto, und von Porto, Manuel Macario do Nascimento Clemente, und ihren jeweiligen Mitarbeitern, ebenso wie den verschiedenen Einrichtungen der Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Erzbischof Jorge Ortiga.
Auf der ganzen Reise, die anläßlich des zehnten Jahrestages der Seligsprechung der Hirtenkinder Jacinta und Francisco stattfand, habe ich die geistliche Unterstützung meines geliebten Vorgängers gespürt, des ehrwürdigen Dieners Gottes Johannes Paul II., der dreimal nach Fatima gereist ist, um jener »unsichtbaren Hand« zu danken, die ihn beim Attentat am 13. Mai hier auf dem Petersplatz vor dem Tod bewahrt hat. Am Abend meiner Ankunft habe ich in Lissabon die heilige Messe gefeiert, vor der wunderbaren Kulisse des »Terreiro do Paço«, der am Fluß Tejo gelegen ist. Es war eine festliche liturgische Versammlung, voll Hoffnung und beseelt von der freudigen Teilnahme zahlloser Gläubiger. In der Hauptstadt, von der aus im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Missionare aufgebrochen sind, um das Evangelium in viele Kontinente zu tragen, habe ich die verschiedenen Bestandteile der Ortskirche zu einer kraftvollen Evangelisierungstätigkeit in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft ermutigt, um Hoffnung zu säen in einer Welt, die oft vom Mißtrauen geprägt ist. Insbesondere habe ich die Gläubigen ermahnt, Verkündiger des Todes und der Auferstehung Jesu zu sein - Herzstück des Christentums, Höhepunkt und Stütze unseres Glaubens und Grund unserer Freude. Diese Empfindungen konnte ich auch im Verlauf der Begegnung mit den Vertretern aus der Welt der Kultur zum Ausdruck bringen, die im Kulturzentrum »Belém« stattfand. Bei dieser Gelegenheit habe ich das Erbe an Werten hervorgehoben, mit dem das Christentum die Kultur, die Kunst und die Tradition des portugiesischen Volkes bereichert hat. In diesem edlen Land, wie in jedem anderen Land, das tief vom Christentum geprägt ist, kann eine Zukunft des brüderlichen Einvernehmens und der Zusammenarbeit mit den anderen kulturellen Gegebenheiten aufgebaut werden, indem man sich gegenseitig auf einen aufrichtigen und achtungsvollen Dialog hin öffnet.
Dann habe ich mich nach Fatima begeben, eine kleine Stadt, die von einer Atmosphäre echter Mystik geprägt ist und in der die Gegenwart der Muttergottes beinahe greifbar zu spüren ist. Ich bin zum Pilger unter Pilgern geworden in diesem wunderbaren Heiligtum, dem geistlichen Herzen Portugals und Ziel unzähliger Menschen, die aus den verschiedensten Orten der Erde kommen. In der Erscheinungskapelle in der »Cova da Iria« bin ich tiefbewegt im Gebet und in innerer Sammlung verweilt und habe dem Herzen der allerseligsten Jungfrau die Freuden und die Erwartungen sowie die Probleme und das Leiden der ganzen Welt dargebracht. Dann hatte ich die Freude, in der Kirche der Allerheiligsten Dreifaltigkeit der Feier der Marienvesper vorzustehen. In diesem großen und modernen Gotteshaus habe ich den Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen, Diakonen und Seminaristen, die aus ganz Portugal gekommen waren, meine aufrichtige Anerkennung zum Ausdruck gebracht und ihnen gedankt für ihr oft stilles und nicht immer einfaches Zeugnis sowie für ihre Treue zum Evangelium und zur Kirche. Im gegenwärtigen Priester-Jahr, das sich nunmehr dem Ende zuneigt, habe ich die Priester ermutigt, dem ehrfürchtigen Hören auf das Wort Gottes, der Vertrautheit mit Christus, der tiefempfundenen Feier der Eucharistie den Vorrang zu geben und dabei auf das leuchtende Vorbild des heiligen Pfarrers von Ars zu schauen. Ich habe es nicht versäumt, die Priester und die ganze Welt dem Unbefleckten Herzen Marias, der wahrhaft vorbildlichen Jüngerin des Herrn, anzuvertrauen und zu weihen.
Am Abend habe ich mit Tausenden von Menschen, die sich auf der großen Ebene vor dem Heiligtum versammelt hatten, am eindrucksvollen Fackelzug teilgenommen. Es war eine wunderbare Bekundung des Glaubens an Gott und der Verehrung seiner und unserer Mutter, die durch das Rosenkranzgebet zum Ausdruck gebracht werden. Dieses Gebet, das dem christlichen Volk so sehr am Herzen liegt, hat in Fatima einen Mittelpunkt gefunden, der Antrieb ist für die ganze Kirche und die Welt. Die »weiße Dame« sagte in der Erscheinung am 13. Juni zu den drei Hirtenkindern: »Ich will, daß ihr jeden Tag den Rosenkranz betet«. Man könnte sagen, daß Fatima und der Rosenkranz gleichsam Synonyme sind.
Mein Besuch an jenem so besonderen Ort hatte seinen Höhepunkt in der Eucharistiefeier am 13. Mai, dem Jahrestag der ersten Erscheinung der Muttergottes vor Francisco, Jacinta und Lucia. Mit den Worten des Propheten Jesaja habe ich die immense Gemeinde, die sich mit großer Liebe und Verehrung zu Füßen der Jungfrau Maria versammelt hatte, eingeladen, sich von Herzen zu freuen über den Herrn (vgl. Is 61,10), denn seine barmherzige Liebe, die unsere Pilgerreise auf dieser Erde begleitet, ist die Quelle unserer großen Hoffnung. Und von dieser Hoffnung ist die anspruchsvolle und gleichzeitig trostreiche Botschaft erfüllt, die die Muttergottes in Fatima hinterlassen hat. Diese Botschaft, die ihren Mittelpunkt im Gebet, in der Buße und in der Umkehr hat, geht über die Bedrohungen, die Gefahren und die Schrecken der Geschichte hinaus, um den Menschen einzuladen, auf das Wirken Gottes zu vertrauen, die große Hoffnung zu bewahren, die Gnade des Herrn zu erfahren, um sich in ihn, die Quelle der Liebe und des Friedens, zu verlieben.
Bedeutsam war unter diesem Aspekt die beeindruckende Begegnung mit den Organisationen der Sozialpastoral, die ich auf den Stil des barmherzigen Samariters verwiesen habe, um den Bedürfnissen der notleidenden Brüder entgegenzugehen und Christus zu dienen durch die Förderung des Gemeinwohls. Viele Jugendliche lernen die Bedeutung der Unentgeltlichkeit gerade in Fatima kennen, das eine Schule des Glaubens und der Hoffnung ist, weil es auch Schule der Nächstenliebe und des Dienstes an den Brüdern ist. In diesem Kontext des Glaubens und des Gebets fand die wichtige und brüderliche Begegnung mit den portugiesischen Bischöfen statt, die meinen Besuch in Fatima abschloß: Es war ein Augenblick tiefer geistlicher Gemeinschaft, in dem wir zusammen dem Herrn für die Treue der Kirche in Portugal gedankt und der Jungfrau Maria die gemeinsamen pastoralen Erwartungen und Sorgen anvertraut haben. Diese pastoralen Hoffnungen und Perspektiven habe ich auch in der heiligen Messe erwähnt, die ich in der historischen und symbolischen Stadt Porto gefeiert habe, der »Stadt der Jungfrau«, der letzten Station meiner Pilgerreise auf lusitanischem Boden. Der großen Menge der Gläubigen, die in der »Avenida dos Aliados« versammelt war, habe ich die Pflicht in Erinnerung gerufen, in jedem Lebensbereich das Evangelium zu bezeugen und der Welt den auferstandenen Christus zu zeigen, damit jede Situation, die von Schwierigkeiten, Leiden und Angst geprägt ist, durch den Heiligen Geist in Gelegenheiten zu Wachstum und Leben verwandelt wird.
Liebe Brüder und Schwestern, die Pilgerreise nach Portugal war für mich eine bewegende Erfahrung, die reich war an vielen geistlichen Gaben. Die Bilder dieser unvergeßlichen Reise, die herzliche und direkte Gastfreundschaft, die Begeisterung der Menschen haben sich mir tief in den Geist und in das Herz eingeprägt. Ich lobe den Herrn, daß Maria den drei Hirtenkindern erschienen ist und so in der Welt einen privilegierten Ort geöffnet hat, um der göttlichen Barmherzigkeit, die heilt und rettet, zu begegnen. In Fatima lädt die allerseligste Jungfrau alle ein, die Erde als Ort unserer Pilgerreise zum endgültigen Vaterland, dem Himmel, zu betrachten. In Wahrheit sind wir alle Pilger und brauchen die Mutter, die uns leitet. »Mit dir wandeln wir in Hoffnung. Weisheit und Mission« war das Motto meiner Apostolischen Reise nach Portugal, und in Fatima lädt uns die allerseligste Jungfrau Maria ein, in großer Hoffnung zu wandeln und uns leiten zu lassen von der »Weisheit von oben«, die in Jesus offenbar geworden ist, der Weisheit der Liebe, um der Welt das Licht und die Freude Christi zu bringen. Ich lade euch daher ein, euch meinem Gebet anzuschließen und den Herrn zu bitten, die Bemühungen aller zu segnen, die sich in jener geliebten Nation dem Dienst am Evangelium und der Suche nach dem wahren Wohl des Menschen, jedes Menschen, widmen. Wir beten auch, daß der Heilige Geist durch die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria diese Apostolische Reise fruchtbar machen und in der ganzen Welt die Sendung der Kirche beseelen möge, die von Christus gegründet wurde, um allen Völkern das Evangelium der Wahrheit, des Friedens und der Liebe zu verkündigen.
Heute möchte ich, wie üblich, eine kurze Rückschau auf meine Apostolische Reise nach Portugal vergangene Woche halten. Dieser Besuch war ein Fest der Freude, des Glaubens und der Hoffnung für die Kirche und die Menschen in diesem Land. Der begeisterte Empfang und die herzliche Aufnahme, die ich überall erfahren durfte, haben mich sehr gefreut, und allen möchte ich dafür ganz herzlich danken. Die Gottesdienste in Lissabon, Fatima und Porto wie auch die Begegnungen mit Vertretern der Welt der Kultur und aus dem Bereich der Sozialpastoral standen im Zeichen der Hoffnung, die Jesus Christus selbst ist und die wir als seine Jünger zu den Menschen bringen sollen. Gerade von Portugal aus sind im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Missionare aufgebrochen, um in der Welt das Evangelium zu verkünden. Ich habe die Gläubigen ermutigt, auch heute die Frohbotschaft Christi in allen Lebensbereichen zu verkünden und den Samen der Hoffnung auszustreuen. Unter der großen Schar von Gläubigen bin ich nach Fatima gepilgert, dem geistlichen Herzen Portugals. Dort hat Maria durch die Erscheinung vor den Hirtenkindern der Welt einen besonderen Ort der Gnade aufgetan, wo wir die heilende und rettende Barmherzigkeit Gottes erfahren können. Die Botschaft von Fatima ist eine Botschaft der Hoffnung, ein Aufruf zu Gebet, Buße und Umkehr, um im Vertrauen in Gottes Handeln, in der Hoffnung und in der Liebe zu wachsen. In Fatima habe ich schließlich in diesem Priesterjahr, das bald zu Ende geht, die Priester der Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens anvertraut und geweiht.
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Einen frohen Gruß richte ich an alle Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum und aus den Niederlanden. Maria ist Gottes Mutter und auch unsere Mutter. Mit Maria haben wir Hoffnung; mit ihr gehen wir unsere irdische Pilgerschaft, und sie führt uns sicher den Weg zu ihrem Sohn Jesus Christus. Im Vertrauen auf ihre Fürsprache bitten wir den Herrn um die Kraft des Heiligen Geistes, um den Menschen das Licht und die Freude Christi zu bringen. Von Herzen segne ich euch alle.
Petersplatz
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