Botschaft "urbi et orbi" 2005-2009 5

5 „Ein großes Licht ist heute auf Erden erschienen.“ Das Licht Christi bringt Frieden. Die Liturgie der Messe in der Heiligen Nacht wurde mit genau diesem Gesang eröffnet: „Heute ist der wahre Friede vom Himmel herabgestiegen“ (Eröffnungsvers). Mehr noch, nur das „große“ Licht, das in Christus erschienen ist, kann den Menschen den „wahren“ Frieden schenken: Das ist der Grund, warum jede Generation gerufen ist, es aufzunehmen, den Gott aufzunehmen, der in Bethlehem einer von uns wurde.

Das ist Weihnachten! Ein historisches Ereignis und ein Geheimnis der Liebe, das sich seit über zweitausend Jahren an die Männer und Frauen aller Zeiten und aller Orte richtet. Es ist der heilige Tag, an dem das „große Licht“ Christi, das Frieden bringt, erstrahlt! Sicher, um es zu erkennen, um es aufzunehmen, braucht es Glaube, braucht es Demut: die Demut Marias, die dem Wort des Herrn geglaubt hat und als erste, über die Krippe gebeugt, die Frucht ihres Leibes anbetete; die Demut Josefs, des gerechten Mannes, der Glaubensmut hatte und es vorzog, Gott mehr zu gehorchen als das eigene Ansehen zu wahren; die Demut der Hirten, der armen und namenslosen Hirten, die die Nachricht des himmlischen Boten aufnahmen und eilends zur Grotte gelangten, wo sie das neugeborene Kind fanden und es voll Staunen anbeteten und Gott priesen (vgl.
Lc 2,15-20). Die Kleinen, die Armen im Geiste: sie sind die Hauptfiguren von Weihnachten, gestern wie heute; sie sind immer die Hauptfiguren der Geschichte Gottes, die unermüdlichen Arbeiter seines Reiches der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens.

In der Stille der Nacht von Bethlehem wurde Jesus geboren und von fürsorglichen Händen aufgenommen. Und heute, an diesem unseren Weihnachten, an dem die frohe Nachricht seiner erlösenden Geburt weiter erklingt, wer ist bereit, ihm die Tür des Herzens zu öffnen? Männer und Frauen unserer Zeit, auch zu uns kommt Christus, um das Licht zu bringen, auch zu uns kommt er, um den Frieden zu schenken! Wer aber wacht in der Nacht des Zweifels und der Unsicherheit mit einem wachen und betenden Herzen? Wer erwartet die Morgenröte des neuen Tages mit der brennenden Flamme des Glaubens? Wer hat Zeit, um sein Wort zu hören und sich von der Anziehungskraft seiner Liebe umfangen zu lassen? Ja! Allen gilt seine Friedensbotschaft; zu allen kommt er, um sich selbst als sichere Hoffnung auf Heil anzubieten.

Möge das Licht Christi, das kommt, um jeden Menschen zu erleuchten, endlich erstrahlen, und möge es Trost sein besonders für alle, die sich in der Finsternis des Elends, der Ungerechtigkeit, des Krieges befinden; möge es Trost sein für diejenigen, die sich in ihrem berechtigten Streben nach einem sicheren Auskommen, nach Gesundheit, Bildung, nach einer festen Beschäftigung immer noch verneint sehen, in ihrem Streben nach einer volleren Teilnahme an der bürgerlichen und politischen Verantwortung – jenseits aller Unterdrückung und geschützt vor Bedingungen, die die menschliche Würde beleidigen. Opfer blutiger bewaffneter Konflikte, des Terrorismus und jeder Art von Gewalt, die ganzen Völkern unerhörte Leiden zufügen, sind insbesondere die schwächeren Personengruppen, die Kinder, die Frauen, die Betagten. Gleichzeitig verhärten ethnische, religiöse und politische Spannungen, Instabilität, Rivalitäten, Gegensätze, Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen, die das innere Gefüge vieler Länder zerreißen, die internationalen Beziehungen. Und in der Welt nimmt die Zahl der Migranten, der Flüchtlinge, der Vertriebenen auch wegen der häufigen Naturkatastrophen, die oft Auswirkung besorgniserregender Umweltschäden sind, ständig zu.

An diesem Tag des Friedens gehen die Gedanken vor allem dorthin, wo das Donnern der Waffen dröhnt: zu den gequälten Gebieten in Darfur, Somalia und im Norden der Demokratischen Republik Kongo, an die Grenzen von Eritrea und Äthiopien, in den ganzen Nahen Osten, insbesondere in den Irak, in den Iran, in den Libanon und in das Heilige Land, nach Afghanistan, Pakistan und Sri Lanka, in die Balkanregion und zu vielen anderen, leider oft vergessenen Krisensituationen. Möge das Jesuskind denen Erleichterungen bringen, die sich in der Prüfung befinden, und möge es den Regierungsverantwortlichen Weisheit und Mut einflößen, um menschliche, gerechte und dauerhafte Lösungen zu suchen und zu finden. Auf den Durst nach Sinn und Wert, den die Welt heute verspürt, auf die Suche nach Wohlergehen und Frieden, die das Leben der ganzen Menschheit kennzeichnet, auf die Erwartungen der Armen antwortet Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, mit seiner Geburt an Weihnachten. Die einzelnen und die Nationen sollen sich nicht fürchten, Ihn anzuerkennen und Ihn aufzunehmen: Mit Ihm erhellt „ein großes Licht“ den Horizont der Menschheit; mit Ihm beginnt „ein heiliger Tag“, der keinen Untergang kennt. Dieses Weihnachten möge wirklich für alle ein Tag der Freude, der Hoffnung und des Friedens sein!

„Kommt, ihr Völker, und betet an den Herrn, unseren Gott.“ Mit Maria, Josef und den Hirten, mit den Sterndeutern und der unzähligen Schar der demütigen Anbeter des neugeborenen Kindes, die im Laufe der Jahrhunderte das Geheimnis von Weihnachten aufgenommen haben, lassen auch wir, Brüder und Schwestern auf allen Kontinenten, es zu, daß das Licht dieses Tages sich überall verbreite: Es möge in unsere Herzen eintreten, unsere Häuser erhellen und erwärmen, Ruhe und Hoffnung in unsere Städte bringen, der Welt den Frieden geben. Dies ist mein Wunsch für euch, die ihr mich hört. Ein Wunsch, der zu einem demütigen und vertrauensvollen Gebet zum Jesuskind wird, damit sein Licht alle Finsternis aus eurem Leben vertreibe und euch mit Liebe und Frieden erfülle. Der Herr, der in Christus sein Antlitz der Barmherzigkeit hat aufleuchten lassen, erfülle euch mit seiner Glückseligkeit und mache euch zu Boten seiner Güte. Gesegnete Weihnachten!



OSTERN 2008



Resurrexi, et adhuc tecum sum. Alleluia! – Ich bin erstanden und bin immer bei dir. Halleluja! Liebe Brüder und Schwestern, der gekreuzigte und auferstandene Jesus ruft uns heute von neuem diese Nachricht der Freude zu: es ist die Osterbotschaft. Nehmen wir sie mit innerem Staunen und mit Dankbarkeit an.

Resurrexi et adhuc tecum sum. – „Ich bin erstanden und bin noch und immer bei dir.“ Diese Worte, die einer alten Version des Psalms 139 [138] (Vers 18b) entnommen sind, erklingen am Beginn der heutigen heiligen Messe. In diesen Worten erkennt die Kirche beim Aufgang der Ostersonne die Stimme Jesu selbst, der bei der Auferstehung vom Tod sich voller glückseliger Liebe an den Vater wendet und ausruft: Mein Vater, hier bin ich! Ich bin erstanden, ich bin noch bei dir und werde es für immer sein; dein Geist hat mich niemals verlassen. So können wir auch andere Aussagen des Psalms in neuer Weise verstehen: „Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen. … Auch die Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie Licht“ (Ps 139 [138], 8.12). Es ist wahr: In der feierlichen Osternacht wird die Finsternis Licht, die Nacht weicht dem Tag, der keinen Untergang kennt. Der Tod und die Auferstehung des menschgewordenen Wortes Gottes sind ein Ereignis unübertrefflicher Liebe, der Sieg der Liebe, die uns von der Knechtschaft der Sünde und des Todes befreit hat. Es hat den Lauf der Geschichte verändert, indem es dem Leben des Menschen einen unauslöschlichen und erneuerten Sinn und Wert eingegossen hat.

„Ich bin erstanden und bin noch und immer bei dir.“ Diese Worte laden uns ein, den auferstandenen Christus zu betrachten, indem wir seine Stimme in unserem Herz widerhallen lassen. Mit seinem Erlösungsopfer hat Jesus von Nazareth uns zu Kindern Gottes gemacht, so daß nun auch wir uns in den geheimnisvollen Dialog zwischen Ihm und dem Vater einbringen können. Es kommt uns wieder in den Sinn, was er eines Tages seinen Zuhörern sagte: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27). In dieser Sicht merken wir, daß die Aussage, die der auferstandene Jesus heute an den Vater richtet – „Ich bin noch und immer bei dir“ –, unwillkürlich auch uns betrifft, die wir „Kinder Gottes sind und Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden“ (vgl. Rm 8,17). Dank des Todes und der Auferstehung Christi erstehen auch wir heute zu neuem Leben; wir vereinen unsere Stimme mit der seinen und verkünden, immer bei Gott bleiben zu wollen, unserem Vater, der unendlich gut und barmherzig ist.

Treten wir so in das Innerste des Ostergeheimnisses ein. Das erstaunliche Ereignis der Auferstehung Jesu ist im wesentlichen ein Ereignis der Liebe: Liebe des Vaters, der den Sohn zum Heil der Welt hingibt; Liebe des Sohnes, der sich dem Willen des Vaters für uns alle überläßt; Liebe des Geistes, der Jesus in seinem verklärten Leib von den Toten erweckt. Und weiter: Liebe des Vaters, der den Sohn „wieder umarmt“, indem er ihn in seine Herrlichkeit hüllt; Liebe des Sohnes, der in der Kraft des Geistes mit unserer verklärten Menschengestalt zum Vater zurückkehrt. Vom heutigen Festtag, der uns die unbedingte und einzigartige Erfahrung der Auferstehung Jesu neu erleben läßt, ergeht also an uns ein Aufruf, daß wir uns zu der Liebe bekehren; eine Einladung, den Haß und den Egoismus von uns zu weisen und gelehrig der Spur des Lammes, das zu unserem Heil geopfert wurde, zu folgen, den „gütigen und von Herzen demütigen“ Erlöser nachzuahmen, der „Ruhe für unsere Seelen“ ist (vgl. Mt 11,29).

Christliche Brüder und Schwestern in allen Teilen der Welt, Männer und Frauen, die wirklich offen sind für die Wahrheit! Niemand möge das Herz vor der Allmacht dieser Liebe verschließen, die erlöst! Jesus Christus ist für alle gestorben und auferstanden: Er ist unsere Hoffnung! Wahre Hoffnung für jeden Menschen. Heute sendet der auferstandene Jesus, wie er es vor seiner Rückkehr zum Vater mit seinen Jünger in Galiläa tat, auch uns als Zeugen seiner Hoffnung überall hin und versichert uns: Ich bin immer bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt (vgl. Mt 28,20). Wenn wir im Geiste auf die verherrlichten Wundmale seines verklärten Leibes schauen, können wir den Sinn und den Wert des Leidens verstehen und die vielen Wunden verbinden, die auch in unseren Tagen die Menschheit weiter mit Blut überziehen. In seinen verherrlichten Wundmalen erkennen wir die unauslöschlichen Zeichen der unendlichen Barmherzigkeit Gottes, von der der Prophet spricht: Er ist es, der alle heilt, deren Herzen zerbrochen sind, der die Schwachen verteidigt und den Gefangenen die Freiheit verkündet, der alle Trauernden tröstet und ihnen Freudenöl statt Trauergewand, Jubel statt der Verzweiflung bringt (vgl. Jes Is 61,1 Jes Is 61,2 Jes Is 61,3). Wenn wir uns Ihm mit demütigem Vertrauen nähern, begegnen wir in seinem Blick der Antwort auf das Verlangen tief in unserem Herzen: Gott zu erkennen und mit Ihm eine lebendige Beziehung in einer echten Gemeinschaft der Liebe zu schließen, die unser Dasein wie auch unsere zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungen mit seiner Liebe selbst erfüllt. Darum braucht die Menschheit Christus: in Ihm, unserer Hoffnung, „sind wir gerettet“ (vgl. Rm 8,24).

6 Wie oft aber sind die Beziehungen zwischen Mensch und Mensch, zwischen Gruppe und Gruppe, zwischen Volk und Volk nicht von Liebe, sondern von Egoismus gekennzeichnet, von Ungerechtigkeit, von Haß, von Gewalt! Es sind die Wunden der Menschheit, offen und schmerzend in jedem Winkel des Planeten, wenn auch oft unbeachtet oder zuweilen absichtlich verborgen; Wunden, die die Seelen und Leiber unzähliger unserer Brüder und Schwestern zerreißen. Sie warten darauf, durch die verherrlichten Wundmalen des auferstandenen Herrn verbunden und geheilt zu werden (vgl. 1P 2,24-25) und durch die Solidarität derer, die auf seinen Spuren und in seinem Namen Werke der Liebe vollbringen, sich tatkräftig für die Gerechtigkeit einsetzen und um sich herum leuchtende Zeichen der Hoffnung verbreiten an den von blutigen Konflikten heimgesuchten Orten und überall dort, wo die Würde der menschlichen Person weiterhin mißachtet und verletzt wird. Mein Wunsch ist, daß genau dort sich die Zeugnisse von Milde und Vergebung vervielfachen!

Liebe Brüder und Schwestern, lassen wir uns vom strahlenden Licht dieses Festtages erleuchten; öffnen wir uns in aufrichtigem Vertrauen dem auferstandenen Christus, damit die erneuernde Kraft des Ostergeheimnisses sich auch in einem jeden von uns, in unseren Familien, in unseren Städten und in unseren Nationen zeigt. In allen Teilen der Welt möge sie sichtbar werden. Wie sollte man in diesem Augenblick nicht insbesondere an einige Regionen Afrikas wie Darfur und Somalia, an den gepeinigten Nahen Osten – vor allem an das Heilige Land, an den Irak und den Libanon – und schließlich an Tibet denken; für diese Regionen unterstütze ich die Suche nach Lösungen, die das Wohl und den Frieden schützen! Erflehen wir auf die Fürsprache Mariens, die nach der Teilnahme an den Leiden der Passion und der Kreuzigung ihres unschuldigen Sohnes auch die unaussprechliche Freude seiner Auferstehung erfahren hat, die Fülle der österlichen Gaben. Maria, die in die Herrlichkeit Christi aufgenommen worden ist, möge uns beschützen und auf dem Weg der brüderlichen Solidarität und des Friedens geleiten. Dies sind meine Osterwünsche an euch, die ihr hier zugegen seid, und an die Männer und Frauen jeder Nation und auf jedem Kontinent, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. Gesegnete, frohe Ostern!



BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI. BEIM SEGEN "URBI ET ORBI"

Weihnachten, 25. Dezember 2008



„Apparuit gratia Dei Salvatoris nostri omnibus hominibus" (Tt 2,11)

Liebe Brüder und Schwestern! Mit den Worten des Apostels Paulus verkünde ich erneut die freudige Botschaft der Geburt Christi: Ja, heute „ist allen Menschen die Gnade Gottes, unseres Erlösers, erschienen"!

Sie ist erschienen! Dies ist es, was die Kirche heute feiert. Die Gnade Gottes, reich an Güte und Liebe, bleibt nicht verborgen, sie „ist erschienen", sie wurde im Fleisch sichtbar, sie hat ihr Antlitz gezeigt. Wo? In Bethlehem. Wann? Unter Kaiser Augustus, während der ersten Volkszählung, die auch der Evangelist Lukas erwähnt. Und wer bringt die Offenbarung? Ein neugeborenes Kind, der Sohn der Jungfrau Maria. In ihm ist die Gnade Gottes, unseres Erlösers, erschienen. Darum heißt dieses Kind Jehoshua, Jesus, das bedeutet „Gott rettet".

Die Gnade Gottes ist erschienen: Darum ist Weihnachten ein Fest des Lichts. Nicht ein strahlendes Licht wie jenes, das am hellichten Tag alle Dinge erfaßt, sondern ein Schein, der in der Nacht aufleuchtet und sich von einem bestimmten Ort des Universums her ausbreitet: von der Grotte in Bethlehem, wo das göttliche Kind „das Licht der Welt erblickt" hat. In Wirklichkeit ist er das Licht selbst, das sich ausbreitet, wie es so viele Weihnachtsbilder gut darstellen. Er ist das Licht, das mit seinem Erscheinen die Finsternis zerreißt, die Dunkelheit vertreibt und uns erlaubt, den Sinn und den Wert unserer Existenz und der Geschichte zu verstehen. Jede Krippe ist eine schlichte und beredte Einladung, das Herz und den Verstand für das Geheimnis des Lebens zu öffnen. Es ist eine Begegnung mit dem unsterblichen Leben, das sterblich geworden ist im geheimnisvollen Weihnachtsgeschehen; dieses Geschehen können wir auch hier auf dem Platz bewundern wie auch in unzähligen Kirchen und Kapellen auf der ganzen Welt und in jedem Haus, wo der Name Jesu angebetet wird.

Erschienen ist die Gnade Gottes allen Menschen. Ja, Jesus, das Antlitz des Gott-der-rettet, ist nicht nur für wenige sichtbar geworden, nicht nur für ein paar, sondern für alle. Es stimmt, in der bescheidenen, schmucklosen Bleibe in Bethlehem haben ihn nur wenige Menschen gefunden, aber er ist für alle gekommen: für Juden und Heiden, Reiche und Arme, Nahe und Ferne, Gläubige und Ungläubige... für alle. Die übernatürliche Gnade ist nach dem Willen Gottes für alle Geschöpfe bestimmt. Der Mensch muß sie jedoch annehmen, sein „Ja" dazu sagen, wie Maria, damit das Herz von einem Strahl dieses göttlichen Lichtes erleuchtet wird. In jener Nacht haben Maria und Josef, die es schon mit Liebe erwartet hatten, das fleischgewordene Wort aufgenommen ebenso wie die Hirten, die bei den Herden wachten (vgl. Lc 2,1-20). Eine kleine Gemeinschaft also, die herbeieilte, um das Jesuskind anzubeten; eine kleine Gemeinschaft, die die Kirche und alle Menschen guten Willens verkörpert. Den Gott, der aus Liebe unser Bruder geworden ist, finden auch heute jene, die ihn in ihrem Leben erwarten und ihn suchen; jene, die ihm ihr Herz zuwenden, verlangen danach, sein Antlitz zu schauen und zum Kommen seines Reiches beizutragen. Jesus wird es in seiner Verkündigung selbst sagen: es sind die Armen im Geiste, die Notleidenden, die Sanftmütigen, die nach Gerechtigkeit Hungernden, die Barmherzigen, die, die ein reines Herz haben, die Friedensstifter, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten (vgl. Mt 5,3-10). All diese werden in Jesus das Antlitz Gottes erkennen und wie die Hirten von Bethlehem mit einem von der Freude seiner Liebe erneuerten Herzen nach Hause aufbrechen.

Brüder und Schwestern, die ihr mir heute zuhört, die Verkündigung der Hoffnung, die den Kern der Weihnachtsbotschaft darstellt, ist für alle Menschen bestimmt. Jesus ist für alle Menschen geboren, und wie Maria ihn in Bethlehem den Hirten dargeboten hat, so zeigt ihn die Kirche heute der ganzen Menschheit, damit jeder Mensch in jeder Situation die Kraft der heilbringenden Gnade Gottes erfahren kann, die allein Böses in Gutes zu verwandeln vermag, die allein das Herz des Menschen verändern und zu einer „Oase" des Friedens machen kann.

Die Kraft der heilbringenden Gnade Gottes mögen jene zahlreichen Völker erfahren, die noch in der Finsternis und im Schatten des Todes wohnen (vgl. Lc 1,79). Das göttliche Licht von Bethlehem verbreite sich im Heiligen Land, wo sich der Horizont für die Israelis und die Palästinenser erneut zu verfinstern scheint; es verbreite sich im Libanon, im Irak und im ganzen Mittleren Osten. Es befruchte die Bemühungen all jener, die sich nicht von der niederträchtigen Logik der Konfrontation und der Gewalt treiben lassen und statt dessen dem Weg des Dialogs und der Verhandlungen den Vorzug geben, um die Spannungen innerhalb der einzelnen Länder zu überwinden und gerechte und dauerhafte Lösungen für die Konflikte zu finden, die jeweilige Region bedrücken. Dieses Licht, das verändert und erneuert, ersehnen auch die Bewohner von Zimbabwe in Afrika, die schon zu lange von einer politischen und sozialen Krise zermalmt werden, die sich leider weiter verschärft, und ebenso die Männer und Frauen in der Demokratischen Republik Kongo, besonders in der geplagten Region Kivu, im sudanesischen Dafur und in Somalia, deren nicht enden wollendes Leiden eine tragische Folge der mangelnden Stabilität und des fehlenden Friedens sind. Dieses Licht erwarten vor allem die Kinder dieser sowie aller Länder in Schwierigkeiten, damit ihnen die Hoffnung auf ihre Zukunft wiedergeschenkt wird.

Wo die Würde und die Rechte des Menschen mit Füßen getreten werden; wo der persönliche Egoismus oder die Interessen von Gruppen sich über das Gemeinwohl hinwegsetzen; wo man Gefahr läuft, sich an den brudermörderischen Haß und an die Ausbeutung des Menschen durch andere Menschen zu gewöhnen; wo interne Konflikte gesellschaftliche und ethnische Gruppen entzweien und das Zusammenleben verletzen; wo weiterhin der Terrorismus zuschlägt; wo man besorgt in eine Zukunft blickt, die immer unsicherer wird, auch in den wohlhabenden Ländern: überall dort leuchte das Licht der Weihnacht und ermutige alle, sich in einer wahrhaft solidarischen Gesinnung einzubringen. Wenn jeder nur an seine eigenen Interessen denkt, kann die Welt nur zugrunde gehen.

7 Liebe Brüder und Schwestern, heute „ist die Gnade Gottes, unseres Erlösers, erschienen" (vgl. Tt 2,11), in unserer Welt, mit ihren Möglichkeiten und ihren Schwächen, mit ihren Fortschritten und ihren Krisen, mit ihren Hoffnungen und ihren Ängsten. Heute erstrahlt das Licht Jesu Christi, des Sohnes des Höchsten und des Sohnes der Jungfrau Maria: „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen". Heute beten wir überall auf der Erde ihn an, der in Windeln gewickelt und in eine armselige Krippe gelegt ist. Wir beten ihn in Stille an, während er, der noch nicht sprechen kann, uns zu unserem Trost zu sagen scheint: Fürchtet euch nicht, „ich bin Gott und sonst niemand" (Is 45,22). Kommt zu mir, Männer und Frauen, Völker und Nationen, kommt zu mir, fürchtet euch nicht: Ich bin gekommen, um euch die Liebe des Vaters zu bringen, um euch den Weg des Friedens zu zeigen.

Brechen wir also auf, Brüder und Schwestern! Eilen wir herbei wie die Hirten in der Nacht zu Bethlehem. Gott ist uns entgegengekommen und hat uns sein Antlitz gezeigt, reich an Gnade und Erbarmen! Sein Kommen soll für uns nicht vergeblich sein! Suchen wir Jesus, lassen wir uns von seinem Licht anziehen, das die Traurigkeit und die Furcht aus dem Herzen des Menschen vertreibt; treten wir voll Vertrauen zu ihm hin, und fallen wir demütig vor ihm nieder, um ihn anzubeten. Frohe Weihnachten euch allen!



OSTERN 2009



Liebe Brüder und Schwestern aus Rom und der ganzen Welt!

Von Herzen bringe ich Euch allen meine österlichen Glückwünsche mit den Worten des heiligen Augustinus zum Ausdruck: „Resurrectio Domini, spes nostra – die Auferstehung des Herrn ist unsere Hoffnung“ (Augustinus, Sermo 261, 1). Mit dieser Aussage erklärte der große Bischof seinen Gläubigen, daß Jesus für uns auferstanden ist, damit wir, obwohl wir sterben müssen, nicht verzweifeln sollten in dem Gedanken, daß mit dem Tod das Leben völlig beendet sei; Christus ist auferstanden, um uns Hoffnung zu geben (vgl. ebd.).

Tatsächlich ist eine der Fragen, die das Leben des Menschen am meisten quälen, genau diese: Was ist nach dem Tod? Das heutige Hochfest erlaubt uns, auf dieses Rätsel zu antworten, daß der Tod nicht das letzte Wort hat, denn schließlich ist es das Leben, das siegt. Und diese unsere Gewißheit gründet sich nicht auf bloße menschliche Überlegungen, sondern auf eine geschichtliche Gegebenheit des Glaubens: Jesus Christus, der gekreuzigt und begraben wurde, ist mit seinem verherrlichten Leib auferstanden. Jesus ist auferstanden, damit auch wir, wenn wir an ihn glauben, das ewige Leben haben können. Diese Verkündigung ist das Herz der evangelischen Botschaft. Das erklärt der heilige Paulus mit Nachdruck: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos.“ Und er fügt hinzu: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (1Co 15,14 1Co 15,19). Seit dem Morgengrauen des Ostertags erfaßt ein neuer Frühling der Hoffnung die Welt; mit jenem Tag hat unsere Auferstehung schon begonnen, denn Ostern ist nicht bloß ein Moment der Geschichte, sondern der Beginn eines neuen Zustands: Jesus ist nicht etwa auferstanden, damit die Erinnerung an ihn im Herzen seiner Jünger lebendig bleibt, sondern damit er selbst in uns lebt und wir in ihm schon die Freude des ewigen Lebens erfahren können.

Die Auferstehung ist deshalb nicht eine Theorie, sondern eine von dem Menschen Jesus Christus durch sein „Pascha“, durch seinen „Übergang“ offenbarte geschichtliche Realität – ein Übergang, der einen „neuen Weg“ zwischen der Erde und dem Himmel eröffnet hat (vgl. He 10,20). Es ist weder ein Mythos noch ein Traum, es ist weder eine Vision noch eine Utopie, es ist kein Märchen, sondern ein einmaliges und unwiederholbares Ereignis: Jesus von Nazareth, der Sohn Marias, der am Freitag bei Sonnenuntergang vom Kreuz abgenommen und begraben worden ist, hat siegreich das Grab verlassen. Tatsächlich haben Petrus und Johannes bei Anbruch des ersten Tages nach dem Sabbat das Grab leer vorgefunden. Magdalena und die anderen Frauen sind dem auferstandenen Jesus begegnet; auch die beiden Jünger von Emmaus haben ihn erkannt, als er das Brot brach; am Abend ist der Auferstandene den Aposteln im Abendmahlssaal erschienen und danach vielen anderen Jüngern in Galiläa.

Die Verkündigung der Auferstehung des Herrn trägt Licht in die dunklen Zonen der Welt, in der wir leben. Ich beziehe mich insbesondere auf den Materialismus und den Nihilismus, auf jene Weltanschauung, die nicht über das experimentell Feststellbare hinauszublicken vermag und sich trostlos in ein Gefühl des Nichts zurückzieht, das der definitive Endpunkt der menschlichen Existenz wäre. In der Tat: Wenn Christus nicht auferstanden wäre, würde die „Leere“ unweigerlich die Oberhand gewinnen. Wenn wir Christus und die Auferstehung ausblenden, gibt es für den Menschen kein Entrinnen, und jede Hoffnung bleibt eine Illusion. Doch gerade heute bricht die Botschaft von der Auferstehung des Herrn mit Macht hervor und stellt die Antwort auf die immer wiederkehrende Frage der Skeptiker dar, die auch im Buch Kohelet wiedergegeben ist: „Gibt es etwa ein Ding, von dem man sagen könnte: Sieh dir das an, das ist etwas Neues?“ (vgl. Koh Qo 1,10). Ja, antworten wir: Am Ostermorgen ist alles neu geworden. „Tod und Leben, die kämpften unbegreiflichen Zweikampf; des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend“ (Ostersequenz). Das ist das Neue! Eine Neuheit, die das Leben dessen, der sie annimmt, verändert, wie es bei den Heiligen geschah. So erging es zum Beispiel dem heiligen Paulus.

Mehrmals haben wir im Zusammenhang des Paulusjahres die Gelegenheit gehabt, über die Erfahrung des großen Apostels zu meditieren. Saulus von Tarsus, der erbitterte Christenverfolger, begegnete auf dem Weg nach Damaskus dem auferstandenen Christus und wurde von ihm „ergriffen“. Alles weitere ist uns bekannt. In Paulus vollzog sich das, was er später an die Christen von Korinth schrieb: „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“ (2Co 5,17). Schauen wir auf diesen großen Missionar, der mit der kühnen Begeisterung seines apostolischen Wirkens das Evangelium zu vielen Völkern der damaligen Welt gebracht hat. Seine Lehre und sein Beispiel regen uns an, Jesus, den Herrn zu suchen. Sie ermutigen uns, ihm zu vertrauen, denn das Gefühl des Nichts, das dazu neigt, die Menschheit zu vergiften, ist überwältigt worden durch das Licht und die Hoffnung, welche von der Auferstehung ausgehen. Jetzt haben sich die Worte des Psalms bewahrheitet und sind ganz real geworden: „Auch die Finsternis ist für dich nicht finster, die Nacht leuchtet wie der Tag“ (vgl. 139 [138], 12). Nicht mehr das Nichts hüllt alles ein, sondern die liebende Gegenwart Gottes. Sogar das Reich des Todes selbst ist befreit, denn getragen vom Hauch des Geistes ist das WORT des Lebens auch in der „Unterwelt“ angekommen (vgl. V. 8).

So wahr es ist, daß der Tod keine Macht mehr über den Menschen und die Welt hat, bestehen doch noch viele, zu viele Zeichen seiner alten Herrschaft fort. Wenn Christus auch durch sein Pascha die Wurzel des Übels ausgerottet hat, so braucht er doch Männer und Frauen, die ihm zu jeder Zeit und an jedem Ort helfen, seinen Sieg mit seinen eigenen Waffen zu behaupten: mit den Waffen der Gerechtigkeit und der Wahrheit, mit den Waffen der Barmherzigkeit, der Vergebung und der Liebe. Das ist die Botschaft, die ich unlängst anläßlich meiner Apostolischen Reise nach Kamerun und Angola dem gesamten afrikanischen Kontinent überbringen wollte, der mich mit großer Begeisterung und hörbereitem Herzen empfangen hat. Tatsächlich leidet Afrika über alle Maßen aufgrund grausamer und endloser – oft vergessener – Konflikte, die verschiedene seiner Nationen zerreißen und mit Blut überströmen, und aufgrund der zunehmenden Anzahl seiner Söhne und Töchter, die dem Hunger, der Armut und der Krankheit zum Opfer fallen. Dieselbe Botschaft werde ich mit Nachdruck im Heiligen Land wiederholen, das ich zu meiner Freude in wenigen Wochen besuchen werde. Die schwierige, aber unerläßliche Versöhnung, welche die Vorbedingung für eine Zukunft in gemeinsamer Sicherheit und in friedlichem Zusammenleben ist, kann nur durch die erneuten, ausdauernden und aufrichtigen Bemühungen zur Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts Wirklichkeit werden. Vom Heiligen Land richtet sich dann der Blick weiter auf die angrenzenden Länder, auf den Mittleren Osten, auf die ganze Welt. In einer Zeit weltweiter Lebensmittel-Knappheit, finanzieller Verworrenheit, alter und neuer Formen der Armut, besorgniserregenden Klimawandels, in einer Zeit, in der Gewalt und Elend viele zwingen, auf der Suche nach weniger unsicheren Überlebens-Chancen die eigene Heimat zu verlassen, in einer Zeit ständig bedrohlichen Terrorismus’ und wachsender Ängste angesichts der Unsicherheit der Zukunft ist es dringend notwendig, erneut Perspektiven zu eröffnen, die in der Lage sind, wieder Hoffnung zu vermitteln. Niemand sollte sich aus diesem friedlichen Kampf, der mit dem Pascha Christi begonnen hat, zurückziehen. Er – ich wiederhole es – sucht Männer und Frauen, die ihm helfen, seinen Sieg mit seinen eigenen Waffen zu behaupten: mit den Waffen der Gerechtigkeit und der Wahrheit, mit den Waffen der Barmherzigkeit, der Vergebung und der Liebe.

Resurrectio Domini, spes nostra! Christi Auferstehung ist unsere Hoffnung! Das ruft die Kirche heute mit Freude aus: Sie verkündet die Hoffnung, die Gott gefestigt und unüberwindlich gemacht hat, indem er Jesus Christus von den Toten auferweckt hat; sie verbreitet die Hoffnung, die sie im Herzen trägt und mit allen teilen möchte, an jedem Ort, besonders dort, wo die Christen wegen ihres Glaubens und ihres Einsatzes für Gerechtigkeit und Frieden Verfolgung erleiden; sie beruft sich auf die Hoffnung, die den Mut zum Guten zu erwecken vermag, auch und gerade dann, wenn das Opfer verlangt. Heute besingt die Kirche den „Tag, den der Herr gemacht hat“, und lädt zur Freude ein. Heute ruft die Kirche bittend Maria, den Stern der Hoffnung an, damit sie die Menschheit zum sicheren Hafen des Heils geleite, zum Herzen Christi, des Pascha-Opfers, des Lammes, das „die Welt erlöst“ hat, des Unschuldigen, der „uns Sünder mit dem Vater versöhnt“ hat. Ihm, dem siegreichen König, ihm, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, rufen wir mit Freude unser Halleluja zu!





BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI. BEIM SEGEN "URBI ET ORBI"

Weihnachten, 25. Dezember 2009

Bilder von der Feier




8 Liebe Brüder und Schwestern in Rom und auf der ganzen Welt
und ihr alle vom Herrn geliebten Männer und Frauen!

„Lux fulgebit hodie super nos,
quia natus est nobis Dominus. –
Ein Licht strahlt heute über uns auf,
denn geboren ist uns der Herr.”
(Römisches Meßbuch, Weihnachten – Messe am Morgen, Eröffnungsvers).

Die Liturgie der Messe am Morgen hat uns daran erinnert: Die Nacht ist vorüber, der Tag ist angebrochen; das Licht, das von der Grotte in Bethlehem ausgeht, strahlt über uns auf.

Die Bibel und die Liturgie erzählen uns jedoch nicht vom natürlichen Licht, sondern von einem anderen, besonderen Licht, das in gewisser Weise ein „Wir“ beleuchtet und darauf hinstrahlt, ein „Wir“, für das das Kind von Bethlehem „geboren ist“. Dieses „Wir“ ist die Kirche, die große weltweite Familie der an Christus Glaubenden, die voll Hoffnung die neue Geburt des Heilands erwartet haben und heute im Geheimnis die immerwährende Aktualität dieses Ereignisses feiern.

Am Anfang, bei der Krippe von Bethlehem, war dieses „Wir“ für die Augen der Menschen fast unsichtbar. Wie uns das Lukasevangelium berichtet, umfaßte es außer Maria und Josef wenige einfache Hirten, die auf die Nachricht des Engels hin zur Grotte kamen. Das Licht der ersten Weihnacht war wie ein in der Nacht entfachtes Feuer. Alles ringsum war dunkel, während in der Grotte das wahre Licht aufstrahlte, „das jeden Menschen erleuchtet“ (
Jn 1,9). Und doch geschieht alles in Schlichtheit und im Verborgenen, so wie Gott in der gesamten Heilsgeschichte wirkt. Gott entzündet gern kleine Lichter, um es dann in weitem Umkreis hell werden zu lassen. Wo das Licht aufgenommen wird, dort werden die Wahrheit sowie die Liebe entfacht, die es in sich trägt, und es breitet sich dann – gleichsam durch Berührung – in konzentrischen Kreisen in den Herzen und Gedanken derer aus, die sich frei seinem Glanz öffnen und ihrerseits zu Quellen des Lichts werden. In der armen Grotte von Bethlehem nimmt der Weg der Kirche ihren Anfang und durch die Jahrhunderte wird sie zum Volk und zum Licht für die Menschheit. Auch heute entfacht Gott durch diejenigen, die dem Kind begegnen, Feuer in der Nacht der Welt, um die Menschen zu rufen, daß sie in Jesus das „Zeichen“ seiner heil- und freimachenden Gegenwart erkennen und das „Wir“ der Gläubigen auf die ganze Menschheit ausweiten.

Wo immer es ein „Wir“ gibt, das die Liebe Gottes aufnimmt, dort erstrahlt das Licht Christi auch in noch so schwierigen Situationen. Wie die Jungfrau Maria gibt die Kirche der Welt Jesus, den Maria selbst als Geschenk empfangen hat und der gekommen ist, den Menschen von der Knechtschaft der Sünde zu befreien. Wie Maria hat die Kirche keine Angst, denn dieses Kind ist ihre Stärke. Aber sie behält es nicht für sich: Sie gibt das Kind allen, die es mit aufrichtigem Herzen suchen, den einfachen Menschen der Erde und den Notleidenden, den Opfern von Gewalt und allen, die sich nach dem Gut des Friedens sehnen. Der Menschheitsfamilie, die tief von einer schweren wirtschaftlichen, aber noch mehr von einer moralischen Krise und den schmerzlichen Wunden von Kriegen und Konflikten gezeichnet ist, wiederholt die Kirche in Anteilnahme und Treue zum Menschen auch heute mit den Hirten: „Kommt, gehen wir nach Bethlehem“ (Lc 2,15), dort werden wir unsere Hoffnung finden.

9 Das „Wir“ der Kirche lebt da, wo Jesus geboren ist, im Heiligen Land, um seine Bewohner einzuladen, jegliche Logik der Gewalt und der Rache aufzugeben und sich mit erneuerter Kraft und mit Großmut für den Weg zu einem friedlichen Zusammenleben einzusetzen. Das „Wir“ der Kirche ist in den anderen Ländern des Nahen Ostens zugegen. Wie könnte man die bedrängte Situation im Irak und jener kleinen Herde von Christen in dieser Region vergessen? Sie ist zuweilen Gewalt und Ungerechtigkeiten ausgesetzt, und doch strebt sie immer danach, ihren Beitrag zum Aufbau eines zivilisierten Zusammenlebens gegen die Logik der Konfrontation und der Ablehnung des Nächsten zu leisten. Das „Wir“ der Kirche wirkt in Sri Lanka, auf der koreanischen Halbinsel und auf den Philippinen, wie auch in anderen asiatischen Ländern als ein Sauerteig der Versöhnung und des Friedens. Auf dem afrikanischen Kontinent hört die Kirche nicht auf, ihre Stimme zu Gott zu erheben, um ihn um das Ende aller gewaltsamen Übergriffe in der Demokratischen Republik Kongo zu bitten. Sie lädt die Bürger Guineas und des Niger zur Achtung der Rechte jedes Menschen und zum Dialog ein. Die Einwohner Madagaskars ruft sie auf, die inneren Spaltungen zu überwinden und sich gegenseitig anzunehmen. Sie erinnert alle daran, daß sie trotz der Tragödien, der Prüfungen und der Schwierigkeiten, die sie weiter plagen, zur Hoffnung berufen sind. In Europa und in Nordamerika spornt das „Wir“ der Kirche dazu an, eine egoistische und technokratische Mentalität zu überwinden, das Gemeinwohl zu fördern und die schwächsten Personen, beginnend mit den noch nicht Geborenen, zu achten. In Honduras hilft es mit, den Prozeß der Demokratisierung wieder aufzunehmen. In ganz Lateinamerika ist das „Wir“ der Kirche ein Identitätsfaktor, ein Vollmaß an Wahrheit und Liebe, das durch keine Ideologie ersetzt werden kann, ein Aufruf zur Achtung der unveräußerlichen Rechte jedes Menschen und zu seiner ganzheitlichen Entwicklung, eine Botschaft der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, eine Quelle der Einheit.

Dem Auftrag ihres Gründers verpflichtet, ist die Kirche mit denen solidarisch, die von den Naturkatastrophen und der Armut getroffen sind, auch in den Überflußgesellschaften. Angesichts des Exodus vieler, die aus ihrem Land wegziehen und durch Hunger, Intoleranz und Umweltschäden in die Ferne getrieben werden, ist die Kirche eine Gegenwart, die dazu aufruft, sich dieser Menschen anzunehmen. In einem Wort: Die Kirche verkündet die Frohbotschaft Christi trotz der Verfolgungen, der Diskriminierungen, der Angriffe und der zuweilen feindlichen Gleichgültigkeit. Gerade diese erlauben ihr, das Los ihres Herrn und Meisters zu teilen.

Liebe Brüder und Schwestern, was für ein großes Geschenk ist es, zu einer Gemeinschaft zu gehören, die für alle da ist! Es ist die Gemeinschaft der Heiligsten Dreifaltigkeit, aus deren Mitte der Emmanuel, Jesus, der Gott-mit-uns, auf die Erde herabgestiegen ist. Laßt uns wie die Hirten von Bethlehem voll Erstaunen und Dankbarkeit dieses Geheimnis der Liebe und des Lichtes betrachten! Frohe Weihnachten euch allen!






Botschaft "urbi et orbi" 2005-2009 5