ANSPRACHE 2006 67

67 3. Die Kirche besteht auch auf dem unveräußerlichen Recht der Menschen, den eigenen religiösen Glauben sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich ungehindert zu bekennen, sowie auf dem Recht der Eltern, ihren Kindern eine Erziehung zukommen zu lassen, die mit ihren eigenen Werten und Überzeugungen in Übereinstimmung steht, ohne deshalb offen oder versteckt diskriminiert oder ausgegrenzt zu werden.

In diesem Zusammenhang ist für mich die große Nachfrage nach katholischem Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen Spaniens ein Grund zur Freude, denn das bedeutet, daß die Bevölkerung die Bedeutung besagten Faches für die Entwicklung und die persönliche und kulturelle Bildung der jungen Menschen anerkennt. Diese große Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung des Schülers ist das Grundprinzip des Abkommens zwischen dem spanischen Staat und dem Heiligen Stuhl über den Unterricht und die kulturellen Angelegenheiten. In ihm wurde festgesetzt, daß der katholische Religionsunterricht »unter Bedingungen erteilt wird, die mit denen der anderen Hauptfächer vergleichbar sind« (vgl. Art. 2).

Im Rahmen ihres Evangelisierungsauftrags hat die Kirche auch die Aufgabe der karitativen Tätigkeit, der Zuwendung zu allen Notleidenden, die auf freundliche, brüderliche und uneigennützige Hände warten, die ihnen ihre Lage erleichtern. Im heutigen Spanien ebenso wie in seiner langen Geschichte erweist sich dieser Aspekt als besonders fruchtbar durch die zahlreichen Hilfswerke, die in allen Bereichen und mit großem Weitblick tätig sind.

Und da diese Arbeit nicht an politischen oder ideologischen Strategien ausgerichtet ist (vgl. Enzyklika Deus Caritas Est, b; ), begegnen diejenigen, die sie ausführen, auf ihrem Weg Menschen und Institutionen jeder Herkunft, die ebenfalls die Verpflichtung spüren, dem Hilflosen und Verlassenen, wer immer er sein mag, Beistand zu leisten.

Auf der Grundlage dieser »Pflicht der Menschlichkeit« hat die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fürsorge und der humanitären Hilfe große Erfolge erzielt, und es ist zu hoffen, daß sie immer stärker gefördert werde.

4. Herr Botschafter, zum Abschluß dieser Begegnung wiederhole ich Ihnen meine besten Wünsche zur Erfüllung der hohen Sendung, die Ihnen anvertraut ist, auf daß die Beziehungen zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhl gestärkt werden und fortschreiten und auf diese Weise die Achtung so vieler Spanier für den Papst und ihre herzliche Liebe zu ihm widerspiegeln mögen.

Auch hoffe ich, daß Ihr Aufenthalt in Rom reich sein möge an menschlichen, kulturellen und christlichen Erfahrungen, und Sie und Ihre verehrte Familie sich wie zu Hause fühlen, ohne freilich das schöne Land ganz im Westen Europas zu vergessen, aus dem Sie kommen und in dem das Evangelium sehr früh Wurzeln geschlagen hat; seine Verbreitung unter dem Schutz des Apostels Jakobus hat dann dazu beigetragen, die christlichen Wurzeln Europas wachsen zu lassen und am Leben zu erhalten.

Ich bitte Sie, Ihren Majestäten, dem König und der Königin von Spanien, sowie den Obrigkeiten Ihrer so edlen Nation meine Empfindungen zu übermitteln, und rufe gleichzeitig auf Sie, Ihre Angehörigen und die Mitarbeiter dieser diplomatischen Vertretung den reichen Segen des Allerhöchsten herab.



AN DIE BISCHÖFE DER KANADISCHEN ATLANTIKPROVINZEN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 20. Mai 2006

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Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

1. »Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn« (
1Tm 1,2). Mit brüderlicher Zuneigung heiße ich euch, die Bischöfe von Neubraunschweig, Neufundland, Neuschottland und der Prinz-Eduard- Insel, herzlich willkommen. Ich danke Bischof Lahey für die in eurem Namen zum Ausdruck gebrachten Empfindungen tiefer Verbundenheit. Von Herzen erwidere ich sie und versichere euch und all jene, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind, meines Gebetsgedenkens. Euer Besuch »ad limina Apostolorum« bietet Anlaß, Gott für das Wirken jener zu danken, die das Evangelium unermüdlich überall in eurem Land gepredigt haben. Ferner ist er eine Gelegenheit, im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe eure Bande der Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom zu festigen und eure Verpflichtung zu bekräftigen, das Antlitz Christi in der Kirche und in der Gesellschaft immer deutlicher sichtbar zu machen durch das ständige Zeugnis des Evangeliums, das Jesus Christus selbst ist. Auswirkungen der Säkularisierung überwinden

2. Kanada besitzt ein großartiges Erbe, das durchdrungen ist vom Reichtum sozialer Vielfalt. Im Mittelpunkt der kulturellen Seele der Nation steht das unermeßliche Glaubensgeschenk Christi, das von der Bevölkerung eures Landes im Laufe der Jahrhunderte mit tiefer Freude angenommen und gefeiert wurde. Doch wie so viele Länder leidet auch Kanada heute unter den Auswirkungen der Säkularisierung, die überall zutage treten. Der Versuch, eine Sichtweise der Menschheit zu verbreiten, die von Gottes transzendenter Ordnung abweicht und dem Ruf, der von Christus und seinem Licht ausgeht, gleichgültig gegenübersteht, nimmt den Männern und Frauen des Volkes die Möglichkeit, die Erfahrung wahrer Hoffnung zu machen. Die sinkende Geburtenrate ist eines der dramatischeren Anzeichen dieser Mentalität, die in eurer Region deutlich erkennbar ist. Dieses beunruhigende Zeugnis für Unsicherheit und Furcht steht, wenn man sich dessen auch nicht immer bewußt ist, in völligem Kontrast zur endgültigen Erfahrung wahrer Liebe, die ihrer Natur nach von Vertrauen gekennzeichnet ist, die das Gute für den Geliebten will und auf Ewigkeit zielt (vgl. Deus caritas est ).

Angesichts zahlreicher sozialer Übel und sittlicher Ambiguitäten, die die weltliche Ideologie nach sich zieht, erwarten die Kanadier von euch, daß ihr Vermittler der Hoffnung seid, die mit Hingabe den Glanz der Wahrheit Christi predigen und lehren. Christus vertreibt die Finsternis und erhellt den Weg zur Erneuerung des kirchlichen und staatlichen Lebens, er formt die Gewissen und lehrt die wahre Würde der Person und der menschlichen Gesellschaft. Vor allem in Gebieten, die auch unter den schmerzlichen Folgen wirtschaftlichen Abstiegs leiden, wie Arbeitslosigkeit und unfreiwillige Emigration, kann die Kirchenleitung fruchtbar wirken, wenn sie in ihrer Sorge um das Gemeinwohl hochherzig bemüht ist, die staatlichen Autoritäten zu unterstützen bei ihrer Aufgabe, eine Erneuerung innerhalb der Gemeinschaft zu fördern. In dieser Hinsicht bin ich sehr zufrieden über den Erfolg, den die Jubiläumsfeierlichkeiten des vergangenen Jahres in der Erzdiözese von Saint John’s verzeichnen konnten, die von einem Geist der Zusammenarbeit mit verschiedenen zivilen Autoritäten gekennzeichnet waren. Solche Initiativen zeigen, daß die Notwendigkeit geistlicher Kraft im Inneren der Gesellschaft erkannt wird. »Die Antwort auf die materiellen und sozialen Bedürfnisse der Menschen kann nämlich keineswegs von der Erfüllung der tiefen Sehnsucht ihrer Herzen getrennt werden« (Botschaft von Papst Benedikt XVI. zur Fastenzeit 2006; in O.R. dt., Nr. 6, 10.2.2006, S. 7).

3. Liebe Mitbrüder, aus euren Berichten geht deutlich hervor, daß ihr ernsthaft um die notwendige pastorale Erneuerung bemüht seid. Ich verstehe, daß die Herausforderungen auch in Anbetracht eines immer älter werdenden Klerus und zahlreicher isolierter Gemeinschaften groß sind. Doch wenn die Kirche den Durst der Männer und Frauen nach Wahrheit und echten Werten stillen will, auf denen sie ihr Leben aufbauen können, dann darf keine Mühe gescheut werden, um wirksame pastorale Initiativen zu finden, durch die Christus verkündet werden kann. Daher ist es von großer Bedeutung, daß die von euch durchgeführten katechetischen und religiösen Unterrichtsprogramme die Gläubigen auch weiterhin zu einem tieferen Verständnis des Herrn und seiner Kirche und zu einer tieferen Liebe zu ihnen führen und in ihnen den Eifer für das im Taufsakrament wurzelnde christliche Zeugnis neu erwecken. In dieser Hinsicht muß ganz besonders darauf geachtet werden, daß die innere Beziehung zwischen dem Lehramt der Kirche, dem Glauben des einzelnen und dem Zeugnis im öffentlichen Leben bewahrt und gefördert wird. Nur so können wir hoffen, den zersetzenden Bruch zwischen Evangelium und Kultur zu überwinden (vgl. Evangelii nuntiandi EN 20).

Von besonderer Bedeutung sind eure Katechisten. Mit großem Mut haben sie sich den brennenden Wunsch des hl. Paulus zu eigen gemacht: »zu überliefern, was auch ich empfangen habe« (vgl. 1Co 15,3). Die Unterweisung im Glauben kann sich nicht auf eine bloße Vermittlung von »Dingen« oder Worten beschränken und auch nicht auf ein Lehrgebäude aus abstrakten Wahrheiten. Die Tradition der Kirche ist lebendig! Sie ist die ständige Umsetzung der tätigen Gegenwart des Herrn Jesus in seinem Volk, die vom Heiligen Geist bewirkt und in jeder Generation in der Kirche zum Ausdruck gebracht wird. In diesem Sinne ist sie wie ein lebendiger Fluß, der uns mit den stets gegenwärtigen Ursprüngen verbindet und uns zum Hafen der Ewigkeit führt (vgl. Generalaudienz auf dem Petersplatz am 26 2006 in O.R. dt., Nr. 18,5, S. 2). Durch euch möchte ich den guten Dienst der Katechisten in euren Diözesen würdigen und sie in ihrer Pflicht und ihrem Privileg bestärken, anderen das wunderbare »Ja« Gottes zur Menschheit (vgl. 2Co 1,20) zu verkünden. Ferner rufe ich unmittelbar und in besonderer Weise die jungen Erwachsenen in euren Diözesen auf, die lohnende Aufgabe des katechetischen Dienstes anzunehmen und an der Freude teilzuhaben, den Glauben weiterzugeben. Die Vorbildfunktion, die sie als christliche Zeugen für diejenigen innehaben, die jünger sind als sie, wird ihren eigenen Glauben stärken und anderen jenes Glück vermitteln, das dem Bewußtsein entspringt, daß das Leben ein Ziel und einen Sinn hat, die vom Herrn offenbart werden.

4. In euren Plänen zur pastoralen Erneuerung steht ihr der schwierigen Aufgabe einer Neuorganisation der Pfarrgemeinden und auch der Diözesen gegenüber. Dies läßt sich mittels rein gesellschaftlicher Modelle der Umstrukturierung nie angemessen verwirklichen. Ohne Christus können wir nichts vollbringen (vgl. Jn 15,5). Das Gebet verbindet uns zutiefst mit der Wahrheit und erinnert uns unablässig an den Primat Christi und in der Verbundenheit mit Ihm an den Primat des inneren Lebens und der Heiligkeit. Die Pfarrgemeinde wird daher zu Recht vor allem als Haus und Schule der Gemeinschaft betrachtet. Folglich handelt es sich bei der Umstrukturierung der Pfarreien im wesentlichen um eine geistliche Erneuerung. Das erfordert eine pastorale Förderung der Heiligkeit, damit die Gläubigen ihre Aufmerksamkeit stets auf den Willen Gottes lenken, dessen Leben wir teilen, indem wir der göttlichen Natur teilhaftig werden (vgl. Dei Verbum DV 2). Diese Heiligkeit, oder diese tiefe Gemeinschaft durch Christus und im Heiligen Geist, wird unter anderem durch eine echte Pädagogik des Gebets gefestigt, durch eine Einführung in das Leben der Heiligen und in die vielfältigen Formen der Spiritualität, die das Leben der Kirche bereichern und ihm Anregungen geben, durch eine regelmäßige Teilnahme am Sakrament der Versöhnung und durch eine überzeugende Katechese über den Sonntag als »Tag des Glaubens«, als »unverzichtbarer Tag«, als »Tag der christlichen Hoffnung« (vgl. Dies Domini, 29-30; 38).

Ich bin sicher, daß eine Wiederentdeckung Jesu Christi, des fleischgewordenen Wortes, unseres Erlösers, zur Wiederentdeckung der persönlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Identität der Gläubigen führen wird. Ohne die Verschiedenheit und Komplementarität der Gaben und Aufgaben der geweihten Amtsträger und der Laien miteinander zu verwechseln, wird eine gefestigte katholische Identität jedoch die Begeisterung für die Evangelisierung neu beleben, die zur Berufung jedes Gläubigen und zur Natur der Kirche gehört (vgl. Instruktion Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde, 23-24). Auf den Ruf Gottes antworten

5. Die universale Berufung zur Heiligkeit (vgl. 1Th 4,3) enthält jenen besonderen Ruf Gottes, der an jeden Menschen ergeht. Im Hinblick darauf ermutige ich euch, stets wachsam zu sein bei eurer Aufgabe, eine Kultur der Berufung zu fördern. Eure Berichte zeugen von der hohen Anerkennung, die ihr euren Priestern entgegenbringt, die mit großer Hochherzigkeit für die Sendung der Kirche und das Wohl jener arbeiten, denen sie dienen. Ich hoffe, daß ihr täglicher Weg der Bekehrung und der Liebe, in der sie sich selbst hingeben, in jungen Männern den Wunsch wecken möge, auf den Ruf Gottes zum demütigen priesterlichen Dienst in seiner Kirche zu antworten.

Mit gutem Grund habt ihr ferner den wertvollen Beitrag der Ordensleute für die Sendung der Kirche hervorgehoben. Diese hohe Wertschätzung des geweihten Lebens ist zu Recht begleitet von eurer Sorge über den Rückgang der Ordensberufungen in eurem Land. Neue Klarheit ist notwendig, um den besonderen Beitrag der Ordensleute für das Leben der Kirche zum Ausdruck zu bringen: die Sendung, Präsenz der Liebe Christi inmitten der Menschheit zu sein (vgl. Instruktion Neubeginn in Christus: ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im dritten Jahrtausend, 5). Diese Klarheit wird einen neuen »kairos« hervorbringen, durch geweihte Menschen, die mit innerer Sicherheit ihre Berufung bekräftigen und vom Heiligen Geist geführt den Jugendlichen das Ideal der Weihe und der Sendung neu vor Augen halten. Ich versichere den Ordensleuten - Priestern, Laienbrüdern und Schwestern - noch einmal, daß sie ein lebenspendendes Zeugnis geben, indem sie sich ganz in die Hände Christi und der Kirche legen, als »starke und klare Verkündigung der Gegenwart Gottes in einer Sprache, die für unsere Zeitgenossen verständlich ist« (Eucharistiefeier im Petersdom am Fest der Darstellung des Herrn - Tag des geweihten Lebens; in O.R. dt., Nr. 6, 10.2.2006, S. 8).

6. Liebe Mitbrüder, mit Zuneigung und brüderlicher Dankbarkeit lege ich euch diese Überlegungen ans Herz und versichere euch meines Gebets, während ihr die euch anvertrauten Herden führt. Schreitet hoffnungsvoll voran, vereint in eurer Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi! Mit diesen Empfindungen vertraue ich euch dem Schutz Marias, Mutter der Kirche, an sowie der Fürsprache des hl. Josefs, ihres keuschen Bräutigams. Euch und den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien eurer Diözesen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.


AN DIE GENERALOBEREN UND GENERALOBERINNEN DER INSTITUTE GEWEIHTEN LEBENS UND DER GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN LEBENS

Audienzenhalle - Montag, 22. Mai 2006

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Herr Kardinal,

verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Es ist mir eine große Freude, mit euch, den Generaloberen und Generaloberinnen als Vertretern und Verantwortungsträgern des geweihten Lebens zusammenzutreffen. Ich richte an alle meinen herzlichen Gruß. Mit brüderlicher Zuneigung begrüße ich insbesondere Herrn Kardinal Franc Rodé und danke ihm, daß er zusammen mit anderen eurer Vertreter eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße den Sekretär und die Mitarbeiter der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens, und ich bin dankbar für den Dienst, den dieses Dikasterium in einem so wichtigen Bereich wie dem des geweihten Lebens der Kirche leistet. Ich denke in diesem Augenblick mit aufrichtiger Dankbarkeit an alle Ordensleute, an die geweihten Personen und die Mitglieder der Gesellschaften apostolischen Lebens, die in der Kirche und in der Welt den »bonus odor Christi« (vgl.
2Co 2,15) verbreiten. Euch, höhere Obere und Oberinnen, bitte ich, denjenigen ein Wort besonderer Fürsorge zu überbringen, die sich in Schwierigkeiten befinden, den Alten und Kranken, denjenigen, die Augenblicke der Krise und der Einsamkeit durchmachen, denen, die leiden und verzagt sind, und gleichzeitig den jungen Männern und Frauen, die auch heute an die Türen eurer Häuser klopfen mit der Bitte, sich selbst Jesus Christus in der Radikalität des Evangeliums schenken zu dürfen.

Ich wünsche mir, daß diese Begegnung, dieser Moment tiefer Gemeinschaft mit dem Papst, für jeden von euch eine Ermutigung und Stärkung bei der Erfüllung einer Aufgabe sein möge, die immer anspruchsvoll ist und manchmal auf Widerspruch stößt. »Der Dienst der Autorität« erfordert ständige Präsenz und die Fähigkeit, zu beseelen und Anregungen zu geben, die Daseinsberechtigung des geweihten Lebens in Erinnerung zu rufen, den euch anvertrauten Menschen dabei zu helfen, mit stets sich erneuernder Treue dem Ruf des Heiligen Geistes zu entsprechen. Diese Aufgabe ist oft vom Kreuz begleitet und manchmal auch von einer Einsamkeit, die tiefes Verantwortungsbewußtsein erfordert, einen Großmut, der keine Irrwege kennt, und ständige Hingabe seiner selbst. Ihr seid berufen, eure Brüder und eure Schwestern zu stützen und zu leiten, in einer Zeit, die nicht einfach ist, und die vielfache Gefahren kennt. Heute haben die geweihten Männer und Frauen die Aufgabe, Zeugen der verwandelnden Gegenwart Gottes zu sein in einer Welt, die immer orientierungsloser ist und in der immer mehr Verwirrung herrscht, in einer Welt, in der Schattierungen an die Stelle deutlich erkennbarer Farben getreten sind. In der Lage zu sein, unsere Zeit mit dem Auge des Glaubens zu betrachten, bedeutet, die Fähigkeit zu haben, den Menschen, die Welt und die Geschichte im Licht des gekreuzigten und auferstandenen Christus zu sehen, dem einzigen »Leitstern für den Menschen zwischen den Bedingtheiten der immanentistischen Denkweise und den Verengungen einer technokratischen Logik« (Fides et ratio FR 15).

Das geweihte Leben ist in den letzten Jahren wieder in einem Geist verstanden worden, der evangeliumsgemäßer, ekklesialer und apostolischer ist; aber wir dürfen nicht verkennen, daß manche konkreten Entscheidungen der Welt nicht das wahre und lebenspendende Antlitz Christi gezeigt haben. Denn die säkularisierte Kultur ist in den Verstand und das Herz nicht weniger geweihter Personen eingedrungen, die diese Kultur als eine Form des Zugangs zur Modernität verstehen und als eine Art, sich der gegenwärtigen Welt anzunähern. Die Folge ist, daß das geweihte Leben neben einem zweifellos vorhandenen großherzigen Aufschwung, der zum Zeugnis und zur Ganzhingabe fähig ist, heute auch die Gefahr der Mittelmäßigkeit, der Verbürgerlichung und des Konsumdenkens kennt. Jesus hat uns im Evangelium darauf hingewiesen, daß es zwei Wege gibt: den schmalen Weg, der zum Leben führt, und den anderen, den breiten Weg, der ins Verderben führt (vgl. Mt 7,13-14). Entweder nimmt man den lebendigen Gott durch den gehorsamen Dienst aus dem Glauben an oder man lehnt ihn ab: das ist und bleibt die wahre Alternative. Eine Vorbedingung für die Nachfolge Christi ist also der Verzicht, die Loslösung von allem, was er nicht ist. Der Herr will keine gebundenen, sondern freie Männer und Frauen, die imstande sind, alles zu verlassen, um ihm nachzufolgen und nur in ihm ihr ein und alles zu finden. Es ist nötig, mutige Entscheidungen auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene zu treffen, die dem Leben der geweihten Personen neue Disziplin verleihen und sie dazu bringen, die allumfassende Dimension der »sequela Christi« neu zu entdecken.

Dem Herrn gehören heißt, von seiner glühenden Liebe verbrannt zu werden, vom Glanz seiner Schönheit verwandelt zu werden: Unsere Kleinheit wird ihm als wohlriechendes Opfer dargebracht, damit es Zeugnis der Größe seiner Gegenwart für unsere Zeit wird, die es so nötig hat, vom Reichtum seiner Gnade erfüllt zu werden. Dem Herrn gehören: Das ist die Sendung der Männer und Frauen, die sich entschieden haben, dem keuschen, armen und gehorsamen Christus nachzufolgen, damit die Welt glaubt und gerettet wird: ganz Christus zu gehören und so zu einem beständigen Glaubensbekenntnis zu werden, zu einer unmißverständlichen Verkündigung der Wahrheit, die von der Verführung durch falsche Götzen befreit, von denen die Welt geblendet ist. Christus gehören bedeutet, im Herzen stets eine lebendige Flamme der Liebe brennen zu lassen, die fortwährend vom Reichtum des Glaubens genährt wird, und das nicht nur dann, wenn sie innere Freude mit sich bringt, sondern auch dann, wenn sie mit Schwierigkeiten, Trockenheit oder Leiden verbunden ist. Die Nahrung für das innere Leben ist das Gebet, das vertraute Gespräch der geweihten Seele mit dem göttlichen Bräutigam. Noch reichere Nahrung ist die tägliche Teilnahme am unaussprechlichen Geheimnis der göttlichen Eucharistie, in der der auferstandene Christus in der Wirklichkeit seines Fleisches ständig gegenwärtig wird.

Um ganz dem Herrn zu gehören, nehmen die geweihten Personen einen keuschen Lebensstil an. Die geweihte Jungfräulichkeit paßt nicht in den Rahmen der Logik dieser Welt; sie ist das »unvernünftigste« der christlichen Paradoxa, und nicht allen Menschen ist es gegeben, sie zu erfassen und zu leben (vgl. Mt 19,11-12). Ein keusches Leben führen bedeutet auch, auf das Geltungsbedürfnis zu verzichten und einen einfachen, bescheidenen Lebensstil anzunehmen. Die Ordensleute sind aufgerufen, ihn auch in der Wahl der Kleidung zu zeigen, einfacher Kleidung, die Zeichen der Armut sein soll, die in Vereinigung mit Christus gelebt wird, der reich war, aber arm wurde, um uns durch seine Armut reich zu machen (vgl. 2Co 8,9). So, und nur so, kann man dem gekreuzigten und armen Christus vorbehaltlos nachfolgen, indem man in sein Geheimnis eintaucht und sich seine selbstgewählte Demut, Armut und Sanftmut zu eigen macht.

Die letzte Vollversammlung der Kongregation für die Institute geweihten Leben und die Gesellschaften apostolischen Lebens stand unter dem Thema: »Der Dienst der Autorität«. Liebe Generalobere und Generaloberinnen, dies ist eine Gelegenheit, tiefer nachzudenken über das Ausüben von Autorität und Gehorsam, das immer mehr vom Evangelium inspiriert sein muß. Das Joch des Menschen, der berufen ist, die schwierige Aufgabe des Oberen oder der Oberin auf allen Ebenen auszuüben, wird um so leichter sein, je mehr die geweihten Personen den Wert des gelobten Gehorsams entdecken, dessen Vorbild der Gehorsam Abrahams, unseres Vaters im Glauben, und noch mehr der Gehorsam Christi ist. Es ist notwendig, Voluntarismus und Launen zu meiden, um die Logik des Kreuzes anzunehmen.

Abschließend läßt sich sagen, daß die geweihten Personen berufen sind, in der Welt ein glaubwürdiges und leuchtendes Zeichen des Evangeliums und seiner Paradoxa zu sein, ohne sich dem Denken dieser Welt anzugleichen, sondern in Wandlung begriffen und in der ständigen Erneuerung ihrer übernommenen Pflichten, um zu prüfen und zu erkennen, »was der Wille Gottes ist; was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist« (Rm 12,2). Und genau das ist mein Wunsch, liebe Brüder und Schwestern, ein Wunsch, auf den ich die mütterliche Fürsprache der Jungfrau Maria herabrufe, des unübertrefflichen Vorbildes allen geweihten Lebens. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch mit Zuneigung den Apostolischen Segen, in den ich gern alle Menschen einschließe, die zu euren verschiedenen geistlichen Familien gehören.

APOSTOLISCHE REISE NACH POLEN


BEI DER ANKUNFT AUF DEM WARSCHAUER FLUGPLATZ


Okecie, 25. Mai 2006





Herr Präsident,
70 sehr geehrte Damen und Herren,
meine Herren Kardinäle
und Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich freue mich, heute unter euch zu sein, auf dem Boden der Polnischen Republik. Ich habe mir diesen Besuch in dem Land und bei dem Volk, aus dem mein geliebter Vorgänger, der Diener Gottes Johannes Paul II., kam, sehr gewünscht. Ich bin gekommen, um den Spuren seines Lebensweges zu folgen, von seiner Kindheit bis zur Abreise zum denkwürdigen Konklave von 1978. Auf diesem Weg will ich den Generationen von Gläubigen begegnen und sie besser kennenlernen, die ihn dem Dienst an Gott und an der Kirche geschenkt haben, und ebenso jene, die geboren und herangewachsen sind für den Herrn unter seiner pastoralen Leitung als Priester, als Bischof und als Papst. Unser gemeinsamer Weg wird von dem Motto begleitet: »Steht fest im Glauben«. Daran erinnere ich von Anfang an, um hervorzuheben, daß es sich nicht einfach um eine sentimentale, auch unter diesem Aspekt dennoch wertvolle Reise handelt, sondern um eine Reise des Glaubens, die in die Sendung eingeschrieben ist, die mir vom Herrn in der Person des Apostels Petrus anvertraut worden ist, der dazu berufen wurde, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl.
Lc 22,32). Auch ich will aus der reichen Quelle eures Glaubens schöpfen, die seit mehr als einem Jahrtausend ununterbrochen hervorströmt.

Ich grüße den Herrn Präsidenten und danke ihm von Herzen für die Worte, die er im Namen der Verantwortlichen der Republik und im Namen der Nation an mich gerichtet hat. Ich grüße die Herren Kardinäle, die Erzbischöfe und Bischöfe. Einen Gruß richte ich auch an den Herrn Ministerpräsidenten und an die ganze Regierung, an die Vertreter des Parlaments und des Senats, an die Mitglieder des Diplomatischen Korps und seinen Doyen, den Apostolischen Nuntius in Polen. Ich freue mich über die Anwesenheit der lokalen Autoritäten, angeführt vom Bürgermeister von Warschau. Einen Gruß möchte ich auch an die Vertreter der Orthodoxen Kirche, der Evangelisch-Augsburgischen Kirche und der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften richten. Mein Gruß gilt auch der jüdischen Gemeinde und den Anhängern des Islam. Schließlich grüße ich von Herzen die ganze Kirche in Polen: die Priester, die Ordensleute und Personen des geweihten Lebens, die Alumnen der Priesterseminare, alle Gläubigen, vor allem die Kranken, die Jugendlichen und die Kinder. Ich bitte euch, mich in Gedanken und im Gebet zu begleiten, damit diese Reise für uns alle fruchtbar werde und uns zur Vertiefung und zur Stärkung unseres Glaubens führe.

Ich habe gesagt, daß der Verlauf meines Weges auf dieser Polenreise von den Spuren des Lebens und des pastoralen Dienstes Karol Wojtylas und von dem Weg gekennzeichnet ist, den der Papst als Pilger in seiner Heimat zurückgelegt hat. Ich habe daher beschlossen, mich hauptsächlich in zwei Städten aufzuhalten, die Johannes Paul II. sehr liebte: in Warschau, der Hauptstadt Polens, und in Krakau, seinem Sitz als Erzbischof. In Warschau werde ich mit den Priestern, mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und mit den staatlichen Autoritäten zusammentreffen. Ich hoffe, daß diese Begegnungen für unseren gemeinsamen Glauben an Christus und für die soziale und politische Wirklichkeit, in der die Männer und Frauen von heute leben, reiche Früchte tragen. Vorgesehen ist auch ein kurzer Aufenthalt in Tschenstochau und eine Begegnung mit Vertretern der Ordensmänner und Ordensfrauen, mit den Seminaristen und den Mitgliedern der kirchlichen Bewegungen. Der gütige Blick Mariens wird uns bei unserer gemeinsamen Suche nach einer tiefen und treuen Verbundenheit mit Christus, ihrem Sohn, begleiten. Und schließlich werde ich in Krakau haltmachen, um mich von dort nach Wadowice, nach Kalwaria, nach Lagiewniki und zur Kathedrale auf dem Wawel zu begeben. Ich weiß wohl, daß dies die Orte sind, die Johannes Paul II. am meisten geliebt hat, weil sie mit seinem Wachstum im Glauben und mit seinem pastoralen Dienst verbunden sind. Auch eine Begegnung mit den Kranken und Leidenden wird nicht fehlen, an dem Ort, der für eine Zusammenkunft mit ihnen vielleicht am geeignetsten ist - das Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit in Lagiewniki. Ebenso kann ich nicht fehlen, wenn sich die Jugendlichen zur Gebetsvigil versammeln. Ich werde gerne bei ihnen sein und hoffe, mich an ihrem Zeugnis eines jungen und starken Glaubens erfreuen zu können. Am Sonntag werden wir uns im Blonie-Park einfinden, um die feierliche Dankmesse zu feiern für das Pontifikat meines geliebten Vorgängers und für den Glauben, in dem er uns stets durch das Wort und das Beispiel seines Lebens gestärkt hat. Abschließend werde ich nach Auschwitz fahren. Dort hoffe ich, vor allem den Überlebenden des nationalsozialistischen Terrors aus verschiedenen Nationen zu begegnen, die die tragische Unterdrückung erlitten haben. Wir werden alle zusammen dafür beten, daß die Wunden des vergangenen Jahrhunderts durch die Behandlung heilen mögen, auf die der gute Gott uns hinweist, wenn er uns zur gegenseitigen Vergebung aufruft, und die er uns im Geheimnis seiner Barmherzigkeit anbietet.

»Steht fest im Glauben« - das ist das Leitwort dieser Apostolischen Reise. Ich wünsche sehr, daß diese Tage für uns alle - für die Gläubigen der Kirche in Polen und für mich selbst - eine Festigung im Glauben bewirken mögen. Für diejenigen, die nicht die Gnade des Glaubens besitzen, aber im Herzen den guten Willen hegen, möge mein Besuch eine Zeit der Brüderlichkeit, des Wohlwollens und der Hoffnung sein. Diese ewigen Werte der Menschheit bilden eine solide Grundlage, um eine bessere Welt zu schaffen, in der ein jeder materiellen Wohlstand und spirituelle Freude finden kann. Das wünsche ich dem ganzen polnischen Volk. Ich danke nochmals dem Herrn Präsidenten und dem polnischen Episkopat für die Einladung, umarme herzlich alle Polen und bitte sie, mich auf diesem Weg des Glaubens mit ihrem Gebet zu begleiten.



APOSTOLISCHE REISE NACH POLEN


BEGEGNUNG MIT DEM POLNISCHEN KLERUS


Warschau-Kathedrale, 25. Mai 2006

»Zunächst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle… Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen; ich möchte euch geistliche Gaben vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben« (Rm 1,8-12).


Mit diesen Worten des Apostels Paulus wende ich mich an euch, liebe Priester, denn in ihnen finde ich meine heutigen Empfindungen und Gedanken, Wünsche und Gebete vollkommen wiedergegeben. Ich grüße insbesondere den Erzbischof von Warschau und Primas von Polen, Kardinal Józef Glemp, und gratuliere ihm herzlich zum 50jährigen Jubiläum seiner Priesterweihe, das genau auf den heutigen Tag fällt. Ich bin nach Polen gekommen, in das geliebte Vaterland meines großen Vorgängers Johannes Paul II., um - wie er es gewöhnlich tat - aus dieser Atmosphäre des Glaubens zu schöpfen, in der ihr lebt, und um »euch geistliche Gaben zu vermitteln, damit ihr gestärkt werdet«. Ich habe die Zuversicht, daß durch »mein Pilgern in diesen Tagen euer und mein Glaube Zuspruch empfangen wird«.

71 Ich treffe heute in der Kathedrale von Warschau mit euch zusammen, die mit jedem Stein an die schmerzliche Geschichte eurer Hauptstadt und eures Landes erinnert. Welche Prüfungen habt ihr vor nicht sehr langer Zeit durchmachen müssen! Wir erinnern uns der heroischen Glaubenszeugen, die für Gott und die Menschen ihr Leben opferten, der kanonisierten Heiligen und der einfachen Menschen, die in Rechtschaffenheit, Wahrhaftigkeit und Güte ausharrten, ohne je der Entmutigung nachzugeben. In dieser Kathedrale denke ich besonders an den Diener Gottes Kardinal Stefan Wyszynski, der von euch »der Primas des Millenniums« genannt wird und der in der Hingabe an Christus und seine Mutter der Kirche auch inmitten langer schmerzlicher Prüfungen treu zu dienen wußte. Wir erinnern uns voll Anerkennung und Dankbarkeit derer, die sich nicht von den Mächten der Finsternis überwältigen ließen, und wir lernen von ihnen den Mut zu Konsequenz und Beständigkeit in der Treue zum Evangelium Christi.

Ich treffe mich heute mit euch, den Priestern, die von Christus berufen sind, ihm im neuen Jahrtausend zu dienen. Ihr seid aus dem Volk erwählt und in den Dingen, die Gott betreffen, eingesetzt, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen. Glaubt an die Macht eures Priestertums! Kraft des Sakraments habt ihr alles empfangen, was ihr seid. Wenn ihr die Worte »ich« oder »mein« aussprecht (»Ich spreche dich los… Das ist mein Leib…«), tut ihr es nicht in eurem Namen, sondern im Namen Christi, »in persona Christi«, der sich eurer Lippen und eurer Hände, eures Opfergeistes und eurer Begabung bedienen will. Im Augenblick eurer Weihe, durch das liturgische Zeichen der Handauflegung, hat Christus euch unter seinen besonderen Schutz gestellt: Ihr seid unter seinen Händen und in seinem Herzen geborgen. Taucht ein in seine Liebe, und schenkt ihm eure Liebe! Als eure Hände mit dem Chrisamöl, dem Zeichen des Heiligen Geistes, gesalbt wurden, wurden sie dazu bestimmt, dem Herrn als seine Hände in der Welt von heute zu dienen. Sie können nicht mehr dem Egoismus dienen, sondern müssen in der Welt das Zeugnis seiner Liebe vermitteln.

Die Größe des Priestertums Christi kann Furcht einflößen. Man kann versucht sein, mit Petrus auszurufen: »Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder« (
Lc 5,8), denn es fällt uns schwer zu glauben, daß Christus gerade uns berufen hat. Hätte er nicht einen anderen, einen fähigeren, heiligeren wählen können? Aber Jesus hat gerade jeden von uns voll Liebe angeschaut, und auf seinen Blick müssen wir vertrauen. Lassen wir uns nicht von der Eile antreiben, so als wäre die Zeit, die Christus im stillen Gebet gewidmet wird, verlorene Zeit. Gerade dort wachsen die wunderbarsten Früchte des pastoralen Dienstes. Man darf sich nicht dadurch entmutigen lassen, daß das Gebet Anstrengung erfordert, ebensowenig durch den Eindruck, daß Jesus schweigt. Er schweigt, aber er handelt. In diesem Zusammenhang möchte ich gern die im vergangenen Jahr in Köln gemachte Erfahrung in Erinnerung rufen. Ich war damals Zeuge eines tiefen, unvergeßlichen Schweigens von einer Million junger Menschen im Augenblick der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments! Diese betende Stille vereinte uns, spendete uns viel Trost. In einer Welt, in der es soviel Lärm, soviel Verwirrung gibt, ist die stille Anbetung des in der Hostie verborgenen Jesus notwendig. Pflegt eifrig das Gebet der Anbetung, und lehrt die Gläubigen dieses Gebet. Vor allem die leidgeprüften Personen werden darin Trost und Licht finden.

Die Gläubigen erwarten von den Priestern nur eines: daß sie darauf spezialisiert sind, die Begegnung des Menschen mit Gott zu fördern. Vom Priester wird nicht verlangt, daß er Experte in der Wirtschaft, im Bauwesen oder in der Politik ist. Von ihm erwartet man, daß er Experte im geistlichen Leben ist. Zu diesem Zweck muß ein junger Priester, wenn er seine ersten Schritte tut, sich an einen erfahrenen Lehrmeister wenden können, der ihm hilft, sich nicht in den vielen Angeboten der Kultur des Augenblicks zu verirren. Angesichts der Versuchungen des Relativismus oder der Permissivität ist es keineswegs notwendig, daß der Priester alle aktuellen, dem Wandel unterworfenen Denkströmungen kennt. Was die Gläubigen von ihm erwarten, ist, daß er Zeuge der im offenbarten Wort enthaltenen ewigen Weisheit ist. Das Bemühen um die Qualität des persönlichen Gebets und um eine gute theologische Ausbildung trägt im Leben Früchte. Das Leben unter dem Einfluß des Totalitarismus kann die unbewußte Neigung hervorgerufen haben, sich unter einer äußeren Maske zu verbergen und folglich, in einer gewissen Form der Heuchelei nachzugeben. Es ist klar, daß das der Wahrhaftigkeit der brüderlichen Beziehungen nicht zugute kommt und zu einer übertriebenen Konzentration auf sich selbst führen kann. In Wirklichkeit gelangt man nur zur affektiven Reife, wenn das Herz Gott anhängt. Christus braucht Priester, die reif und mannhaft sind, fähig, eine wahre geistliche Vaterschaft zu auszuüben. Damit das geschieht, bedarf es der Aufrichtigkeit mit sich selbst, der Öffnung gegenüber dem geistlichen Begleiter und des Vertrauens auf die göttliche Barmherzigkeit.

Papst Johannes Paul II. hat anläßlich des Großen Jubiläums die Christen mehrmals aufgerufen, Buße zu tun für die in der Vergangenheit begangene Untreue. Wir glauben, daß die Kirche heilig ist, aber in ihr sind Menschen, die Sünder sind. Man muß es vermeiden, sich nur mit denen identifizieren zu wollen, die ohne Sünde sind. Wie hätte die Kirche die Sünder aus ihren Reihen ausschließen können? Zu ihrem Heil ist Jesus Mensch geworden, ist gestorben und auferstanden. Deshalb muß man lernen, die christliche Buße aufrichtig zu leben. Indem wir sie praktizieren, bekennen wir die persönlichen Sünden vereint mit den anderen, vor ihnen und vor Gott. Man muß sich aber auch vor der Anmaßung hüten, sich als Richter über die vergangenen Generationen aufspielen zu wollen, die zu anderen Zeiten und unter anderen Umständen gelebt haben. Es bedarf demütiger Aufrichtigkeit, um die Sünden der Vergangenheit nicht zu leugnen und dennoch falschen Anschuldigungen nicht stattzugeben, wenn wirkliche Beweise fehlen oder man die andersartigen Vorverständnisse von damals nicht kennt. Die »confessio peccati«, um einen Ausdruck des hl. Augustinus zu benutzen, muß außerdem immer von der »confessio laudis« - vom Bekenntnis des Lobes - begleitet sein. Indem wir um Vergebung für das in der Vergangenheit begangene Böse bitten, sollen wir auch an das mit Hilfe der göttlichen Gnade vollbrachte Gute denken, das zwar in zerbrechlichen Gefäßen aufbewahrt wird, aber oft hervorragende Früchte getragen hat.

Die Kirche in Polen steht heute vor einer großen pastoralen Herausforderung: die Fürsorge für die Gläubigen, die das Land verlassen haben. Das Übel der Arbeitslosigkeit zwingt viele Personen, ins Ausland zu gehen. Es ist ein weitverbreitetes Phänomen. Wenn die Familien auf diese Weise getrennt werden, wenn die sozialen Bindungen reißen, kann die Kirche nicht gleichgültig bleiben. Es ist notwendig, daß die Personen, die das Land verlassen, von Priestern begleitet werden, die in Verbindung mit den Ortskirchen die Pastoralarbeit unter den Emigranten übernehmen. Die Kirche in Polen hat schon zahlreiche Priester und Ordensfrauen hervorgebracht, die ihren Dienst nicht nur für die Polen im Ausland ausüben, sondern auch - und manchmal unter den schwierigsten Umständen - in den Missionen Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und anderer Gebiete. Liebe Priester, vergeßt diese Missionare nicht. Das Geschenk so vieler Berufungen, mit denen Gott eure Kirche gesegnet hat, muß aus einer wahrhaft katholischen Perspektive heraus angenommen werden. Polnische Priester, habt keine Angst, eure sichere und vertraute Welt zu verlassen, um dort zu dienen, wo es an Priestern mangelt und wo euer Großmut reiche Frucht tragen kann.

Steht fest im Glauben! Auch euch vertraue ich dieses Leitwort meiner Pilgerreise an. Seid wahrhaftig in eurem Leben und in eurem Dienst. Führt, indem ihr den Blick auf Christus richtet, ein einfaches Leben, in Solidarität mit den Gläubigen, zu denen ihr gesandt seid. Dient allen; seid in den Pfarreien und in den Beichtstühlen erreichbar, begleitet die neuen Bewegungen und Vereinigungen, stützt die Familien, vernachlässigt nicht die Verbindung mit den Jugendlichen, denkt an die Armen und die Verlassenen. Wenn ihr aus dem Glauben lebt, wird euch der Heilige Geist eingeben, was ihr sagen und wie ihr dienen sollt. Ihr werdet immer auf die Hilfe Marias zählen können, die der Kirche im Glauben vorangeht. Ich fordere euch auf, sie immer mit dem euch gut bekannten Worten anzurufen: »Wir sind dir nahe, wir denken an dich, wir wachen mit dir.«

Allen meinen Segen!



ANSPRACHE 2006 67