ANSPRACHE 2005 95
95 Danken wir Gott für alles, was bis jetzt in den Beziehungen zwischen Lutheranern und Katholiken erreicht wurde, und bitten wir, daß wir weiterhin gemeinsam auf die Einheit zugehen, die der Herr selbst will.
Herr Botschafter!
Ich freue mich, Sie im Vatikan zu begrüßen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke für die Grußbotschaft, die Sie mir von Präsident Bush überbracht haben; ich möchte Sie freundlich bitten, ihn meiner aufrichtigen Solidarität mit all jenen zu versichern, die in jüngster Zeit von den schweren Stürmen im Süden Ihres Landes heimgesucht worden sind, sowie der Unterstützung meiner Gebete für diejenigen, die sich mit aller Kraft an der gewaltigen Arbeit der Hilfsmaßnahmen und des Wiederaufbaus beteiligen.
In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2005 lenkte mein Vorgänger, Papst Johannes Paul II., die Aufmerksamkeit auf die ethische Dimension, die jeder politischen Entscheidung innewohnt, und bemerkte, daß der erschreckenden Ausweitung von sozialer Unordnung, Krieg, Ungerechtigkeit und Gewalt in unserer Welt letztlich nur durch die erneuerte Wertschätzung und Achtung des allgemeinen Sittengesetzes entgegengewirkt werden könne, dessen Grundsätze sich vom Schöpfer selbst herleiten (vgl. Nr. 2-3). Eine Anerkennung des in jenes Gesetz aufgenommenen reichen Erbes an Werten und Grundsätzen ist unverzichtbar für den Aufbau einer Welt, die die Würde, das Leben und die Freiheit jedes einzelnen Menschen anerkennt und fördert, indem sie gerechte und friedliche Verhältnisse schafft, in denen der einzelne und die Gemeinschaften wirklich gedeihen können. Gerade die Förderung und Verteidigung dieser Werte, die die Beziehungen zwischen Nationen und Völkern beim Streben nach dem gemeinsamen Wohl der Menschheitsfamilie bestimmen muß, inspiriert die Präsenz und Aktivität des Heiligen Stuhls in der internationalen Gemeinschaft. Wie das II. Vatikanische Konzil erklärte, ist es der Kirche zwar aufgrund ihrer universalen religiösen Sendung nicht gestattet, sich mit einem besonderen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen System zu identifizieren, doch zu gleicher Zeit fließt aus dieser Sendung Auftrag, Licht und Kraft, um der menschlichen Gemeinschaft zu Aufbau und Festigung nach göttlichem Gesetz behilflich zu sein (vgl. Pastoralkonstitution Gaudium et spes, GS 42).
Aus diesem Grund schätze ich Ihren freundlichen Hinweis auf die Anstrengungen des Heiligen Stuhls, dazu beizutragen, wirksame Lösungen für einige der wichtigsten Probleme zu finden, mit denen sich die internationale Gemeinschaft in den letzten Jahren konfrontiert sah, wie dem Skandal des anhaltenden weitverbreiteten Hungers, schwerer Krankheiten und Armut in großen Teilen unserer Welt. Eine entsprechende Auseinandersetzung mit diesen Problemen kann nicht auf rein wirtschaftliche oder technische Überlegungen beschränkt bleiben, sondern erfordert eine umfassende Vision, praktische Solidarität und mutige Langzeitentscheidungen, die komplexe ethische Fragen betreffen; bei letzteren denke ich besonders an die Auswirkungen der erdrückenden Schulden, die in vielen weniger entwickelten Nationen die Armutsspirale hochtreiben. Die Amerikaner zeichnen sich seit langem aus durch ihre hochherzige Wohltätigkeit für die Benachteiligten und Bedürftigen auf allen Kontinenten. In einer Welt der zunehmenden Globalisierung vertraue ich darauf, daß Ihre Nation weiterhin eine führende Rolle an den Tag legt, die auf der unerschütterlichen Verpflichtung zu den Werten der Freiheit, Integrität und Selbstbestimmung beruht; dabei soll sie mit den verschiedenen internationalen Einrichtungen zusammenarbeiten, die sich für das Zustandekommen einer ernsthaften Übereinstimmung und für die Entwicklung einer einheitlichen Vorgehensweise bei der Auseinandersetzung mit den Problemen einsetzen, die für die Zukunft der gesamten Menschheit entscheidend sind.
Herr Botschafter, ich nehme diese Gelegenheit wahr, um daran zu erinnern, daß vor nunmehr zwei Jahrzehnten dank der Bemühungen des damaligen Präsidenten Ronald Reagan und des vormaligen Papstes Johannes Paul II. zwischen den Vereinigten Staaten und dem Heiligen Stuhl volle diplomatische Beziehungen aufgenommen wurden. Ich schätze den Dialog und die fruchtbare Zusammenarbeit, die diese Beziehungen ermöglicht haben, und gebe meiner Hoffnung Ausdruck, daß sie in den kommenden Jahren vertieft und gefestigt werden. Da Sie nun Ihre Mission antreten, spreche ich Ihnen meine aufrichtigen guten Wünsche für die Arbeit aus, die Sie im Dienst Ihrer Nation übernehmen, und versichere Sie der ständigen Bereitschaft der Dienststellen des Heiligen Stuhls, Sie bei der Erfüllung Ihrer Verpflichtungen zu unterstützen. Auf Sie und Ihre Familie und auf das ganze geliebte amerikanische Volk rufe ich von Herzen Gottes Segen für Wohlergehen, Freude und Frieden herab.
Verehrte Brüder im Bischofsamt!
Das erste Gefühl, das mir beim Hören eures Grußwortes spontan aus dem Herzen strömt, ist ein Gefühl herzlicher Dankbarkeit für die Zuneigung, die eure Gemeinden durch euch dem Nachfolger Petri dadurch zum Ausdruck bringen, daß sie ihre treue Anhänglichkeit an das von den Vätern überkommene »depositum« [anvertraute Gut] bekunden. Die Zeichen der Verbundenheit, die mir in diesen Tagen jeder von euch im Namen des Klerus, der Ordensleute und der seiner Verantwortung anvertrauten Gläubigen erneuert hat, waren für mich ein Trost. Im Bewußtsein des Amtes, das ich im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft auszuüben berufen bin, bitte ich euch: Macht euch zum Sprachrohr meiner stetigen Sorge gegenüber allen, die an Christus glauben.
Aus den Gesprächen, die ich mit einem jeden von euch führte, gewann ich die Überzeugung, daß die Kirche in Bulgarien lebendig ist und den innigen Wunsch hat, inmitten der Gesellschaft, in der sie lebt, mit Begeisterung ihr Zeugnis Christus darzubringen. Ich ermutige euch, auf diesem Weg weiterzugehen, indem ihr euch bemüht, trotz aller Begrenztheit der euch zur Verfügung stehenden Kräfte das Evangelium der Hoffnung und der Liebe zu verbreiten: Der Herr vermag immer, unsere eventuellen Mängel und die Armseligkeit der uns zur Verfügung stehenden Mittel auszugleichen. Was zählt, ist nicht so sehr die Leistungsfähigkeit der Organisation, als vielmehr das unerschütterliche Vertrauen in Christus, denn Er ist es, der seine Kirche auch durch euren unentbehrlichen Dienst führt, lenkt und heiligt.
96 In seinen unerforschlichen Plänen hat Gott euch dafür vorgesehen, euren kirchlichen Dienst Seite an Seite mit euren Brüdern aus der orthodoxen Kirche Bulgariens auszuüben. Ich wünsche mir, daß die bestehenden guten Beziehungen sich zum Vorteil der Verkündigung des Evangeliums des Gottessohnes, Anfang und Ziel jeder vom Christen vollzogenen Handlung, weiterentwickeln mögen. In diesem Zusammenhang bitte ich euch, verehrte Brüder, dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche Bulgariens, Patriarch Maxim, meinen herzlichen Gruß zu überbringen. Übermittelt ihm zugeich meine besten Wünsche für seine Gesundheit und für die glückliche Wiederaufnahme seines Amtes. Ich erinnere mich noch lebhaft an den respektvollen und brüderlichen Empfang, den er meinem geliebten Vorgänger, Papst Johannes Paul II., während seines Pastoralbesuches in eurem Land bereitet hat. Es gilt, den eingeschlagenen Weg unter noch eindringlicherem Gebet fortzusetzen, auf daß möglichst bald die Stunde eintrete, in der wir an dem einen Tisch sitzen können, um das eine Brot des Heils zu essen.
Es ist mir bekannt, daß ein intensiver Dialog mit den staatlichen Behörden über Themen von gemeinsamem Interesse geführt wird. Darüber bin ich froh, denn durch den Einsatz aller kann festgestellt werden, welche Probleme gemeinsam angegangen werden müssen und welche Wege - entsprechend den konkreten Gegebenheiten zum größeren Wohl des ganzen bulgarischen Volkes, das sich mit Recht als Teil der großen Familie des europäischen Kontinents fühlt - einzuschlagen sind. Bulgarien, das sich aus verschiedenen kulturellen und religiösen Elementen zusammensetzt, kann zu einem Vorbild kluger Integration, Zusammenarbeit und friedlichen Zusammenlebens werden. Und die katholische Gemeinschaft kann, wenngleich sie im Gesamtkontext des Landes nur eine Minderheit bildet, einen Auftrag erfüllen, indem sie hochherzig von der universalen Liebe Christi Zeugnis gibt.
Nach der traurigen Periode der kommunistischen Unterdrückung empfinden es die Katholiken, die eifrig, treu und beharrlich an Christus festgehalten haben, nun als notwendig, ihren Glauben zu festigen und das Evangelium in allen Bereichen der Gesellschaft zu verbreiten, besonders dort, wo der Bedarf an christlicher Verkündigung am offenkundigsten zutage tritt. Ich denke hier zum Beispiel an den starken Geburtenrückgang, an die hohen Abtreibungsquoten, an das Auseinanderbrechen so vieler Familien, an das Problem der Abwanderung. Ich bin froh zu wissen, daß sich die katholische Kirche in Bulgarien auf sozialem Gebiet stark engagiert, um im Hinblick auf die Not so vieler armer Menschen zu helfen. Ich ermutige euch, verehrte Brüder, im Dienst des bulgarischen Volkes, das mir teuer ist, diesen Weg fortzusetzen. Habt keine Angst, den jungen Generationen auch das Ideal der vollständigen Weihe an Christus anzubieten, um zu einer immer größeren Ausweitung des Reiches Gottes beizutragen. Desgleichen laßt nicht nach in der Anstrengung, auch mit der Hilfe anderer Kirchen und katholischer Organisationen eure Gemeinden mit Strukturen auszustatten, die für die pastorale Arbeit und für die Ausübung des christlichen Kultes zweckmäßig erscheinen. In diesem Zusammenhang habe ich mit besonderer Befriedigung erfahren, daß der Wiederaufbau der dem hl. Josef geweihten lateinischen Kathedrale von Sofia vor der Vollendung steht.
Verehrte Mitbrüder, im Vertrauen auf euer Gebetsgedenken an den Herrn versichere ich euch meinerseits eines besonderen Gebetes an den, der der wahre Bräutigam der Kirche ist, die von ihm geliebt, beschützt und genährt wird: Jesus, unser Herr, einziger Sohn des lebendigen Gottes. In dieser Gesinnung erteile ich euch, euren Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen und dem ganzen Volk, das Gott euch anvertraut hat, meinen Segen.
Seligkeit,
verehrte, liebe Brüder!
Ich heiße euch herzlich willkommen und danke euch für euren Besuch, der es mir ermöglicht, euren Gemeinschaften und allen Bürgern des Irak durch euch ein Wort der besonderen Ermutigung zukommen zu lassen. Meine Worte der Solidarität sind begleitet von der Versicherung meines Gedenkens im Gebet, damit euer geliebtes Land, trotz aller gegenwärtigen Schwierigkeiten, nicht den Mut verliert und auf dem Weg der Versöhnung und des Friedens weitergeht.
Während eures Aufenthaltes in Rom habt ihr eine Sondersynode abgehalten, in deren Verlauf ihr das Vorhaben zur Revision der Texte für die Göttliche Liturgie im syrisch-orientalischen Ritus zum Abschluß gebracht und eine Reform vorbereitet habt, die einen neuen Eifer in der Frömmigkeit eurer Gemeinden ermöglichen soll. Diese Arbeit erforderte Jahre des Studiums und nicht immer einfacher Entscheidungen, aber in diesem Zeitraum konnte die Chaldäische Kirche auch tiefer über das große Geschenk der Eucharistie nachdenken.
Ein weiterer wichtiger Bereich, auf den ihr eure Aufmerksamkeit konzentriert habt, war die Prüfung des Entwurfs zum Partikularrecht, das die inneren Angelegenheiten eurer Gemeinschaft regeln soll. Eine angemessene, eigene kirchenrechtliche Regelung ist für eine geordnete Durchführung der euch von Christus anvertrauten Sendung notwendig. In dem synodalen Geist, der die Leitung der Chaldäischen Kirche kennzeichnet, habt ihr eine Zeit der intensiven Gemeinschaft erlebt und hattet dabei stets das höchste Gut der »salus animarum« vor Augen.
Nun kehrt ihr, von dieser Erfahrung der Gemeinschaft an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus gestärkt, zu euren jeweiligen Amtssitzen zurück. Diese Gemeinschaft findet ihren besonderen Ausdruck hier und heute, wenn ihr zusammen mit dem Nachfolger Petri das gemeinsame Dankgebet zum Herrn erhebt.
97 Liebe Bischöfe, ich ermahne euch zur Fortsetzung eures pastoralen Einsatzes und eures Auftrags der Hoffnung für die gesamte irakische Nation. Jede eurer Gemeinden empfehle ich dem gütigen Schutz der Muttergottes, und gerne erteile ich euch, euren Priestern, den Ordensmännern und -frauen und allen Gläubigen den Apostolischen Segen als Unterpfand des Friedens und der Tröstung des Himmels.
Konfessionsaltar, Petersdom Liebe Brüder und Schwestern!
Am heutigen 33. Sonntag im Jahreskreis haben wir die Freude, drei neue Selige zu verehren: den Priester Charles De Foucauld, Maria Pia Mastena, Gründerin der Kongregation der Schwestern vom Heiligen Antlitz, und Maria Crocifissa Curcio, Gründerin der Karmelitinnen der hl. Thérèse vom Kinde Jesu, drei Menschen, die ihr Dasein auf unterschiedliche Weise Christus weihten und jedem Christen das erhabene Ideal der Heiligkeit erneut vor Augen stellen. Ganz herzlich begrüße ich euch alle, liebe Freunde, die ihr aus verschiedenen Teilen der Welt gekommen seid, um an diesem feierlichen Bekenntnis des Glaubens teilzunehmen. Besonders grüße ich Kardinal José Saraiva Martins, den Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, und danke ihm dafür, daß er der Eucharistiefeier vorgestanden hat. In deren Verlauf hat er das Apostolische Schreiben verlesen, mit dem ich diese Diener Gottes in das Buch der Seligen eingeschrieben habe. [Nach diesen Worten auf italienisch fuhr der Papst auf französisch fort:]
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Danken wir für das Zeugnis, das Charles de Foucauld gegeben hat. Durch sein kontemplatives und verborgenes Leben in Nazaret stieß er auf die Wahrheit der Menschheit Jesu und fordert uns so auf, das Geheimnis der Menschwerdung zu betrachten. An jenem Ort hat er viel über den Herrn gelernt, dem er in Demut und Armut nachfolgen wollte. Er entdeckte, daß Jesus, der unsere menschliche Natur angenommen hat, uns zu der universalen Brüderlichkeit einlädt, die er später in der Sahara lebte, und zu jener Liebe, die Christus uns vorgelebt hat. In den Mittelpunkt seines Daseins als Priester stellte er die Eucharistie und das Evangelium, die beiden Tische des Wortes und des Brotes, Quelle des christlichen Lebens und der Mission. [Zur italienischen Sprache zurückkehrend sagte Benedikt XVI.:]
Einen herzlichen Gruß richte ich an alle, die sich hier versammelt haben, um der sel. Maria Pia Mastena die Ehre zu erweisen. Vor allem begrüße ich die Pilger aus ihrem Heimatort Bovolone und aus der Kleinstadt San Fior, wo ihre sterblichen Überreste aufbewahrt werden, wie auch die Gläubigen aus verschiedenen italienischen Diözesen, aus Brasilien und Indonesien. Das Charisma der sel. Maria Pia ist heute genauso aktuell wie damals: Vom Antlitz Christi ergriffen, hat sie die Haltung der liebevollen Sorge des Gottessohnes gegenüber der von der Sünde entstellten Menschheit angenommen, sie hat seine Gesten des Mitleids konkretisiert und dann den Anstoß gegeben zur Gründung eines Instituts mit dem Ziel, »das Abbild des sanftmütigen Jesus in den Seelen zu verbreiten, zu erneuern und wiederherzustellen«. Diese neue Selige erwirke für alle, die sie mit Zuneigung und Frömmigkeit verehren, die Gabe eines stetigen Strebens nach Heiligkeit.
Nun begrüße ich die Pilger, die aus verschiedenen Gegenden Italiens und der Welt zu Ehren der sel. Maria Crocifissa Curcio angereist sind. An alle und jeden einzelnen richte ich einen herzlichen Gedanken, vor allem an die Mitglieder der geistlichen Familie von den Missionskarmelitinnen der hl. Thérèse vom Kinde Jesu. In das Zentrum ihres Lebens stellte diese neue Selige die Gegenwart des barmherzigen Jesus. Ihm begegnete sie und ihn verehrte sie im Sakrament der Eucharistie. Eine wahre Leidenschaft für die Seelen kennzeichnete das Dasein von Mutter Maria Crocifissa, die die »geistliche Sühne« mit großem Eifer pflegte, um die Liebe Jesu zu uns Menschen zu erwidern. Ihr Leben war ein ständiges Gebet, auch wenn sie unterwegs war, um den Menschen, vor allem den armen und bedürftigen Mädchen, zu dienen. Die sel. Maria Crocifissa wache auch in Zukunft vom Himmel aus über die von ihr gegründete Kongregation und über alle, die sie verehren.
Liebe Brüder und Schwestern, danken wir dem Herrn für das Geschenk dieser neuen Seligen, und bemühen wir uns, ihr Beispiel der Heiligkeit nachzuahmen. Ihre Fürsprache erwirke uns, in Treue zu Christus und seiner Kirche zu leben. Diese Wünsche begleite ich mit der Zusicherung, daß ich eurer gerne im Gebet gedenke. Euch allen, die ihr hier anwesend seid, und allen euren Lieben erteile ich den Apostolischen Segen.
Liebe Freunde,
98 ich heiße Sie, Vertreter des »Simon Wiesenthal Center«, im Vatikan herzlich willkommen.
In dieses Jahr fällt der 40. Jahrestag der Erklärung des II. Vatikanischen Konzils »Nostra aetate«. Das Dokument legte Grundsätze dar, an denen sich die Bemühungen der Kirche zur Förderung eines besseren Verständnisses zwischen Juden und Katholiken orientierten. Nach einer schweren und leidvollen Geschichte haben die Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften gegenwärtig einen neuen positiven Weg eingeschlagen. Wir müssen auf diesem Weg des gegenseitigen Respekts und des Dialogs vorangehen, beseelt von unserem gemeinsamen geistlichen Erbe und mit dem steten Bemühen um eine wirksamere Zusammenarbeit zum Wohl der Menschheitsfamilie.
Christen und Juden können sehr viel tun, um den künftigen Generationen ein Leben in Harmonie und mit Respekt vor der Würde, die der Schöpfer jedem menschlichen Wesen geschenkt hat, zu ermöglichen. Ich hoffe so wie alle Männer und Frauen guten Willens überall auf der Welt, daß sich unsere Welt in diesem Jahrhundert aus dem Netz von Konflikten und Gewalttaten befreie und den Samen für eine Zukunft der Versöhnung, Gerechtigkeit und des Friedens pflanze. Auf Sie alle rufe ich die Fülle des göttlichen Segens herab.
Meine Herren Kardinäle,
liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!
Gerne richte ich an alle Anwesenden meinen herzlichen Gruß zum Abschluß der Weltpremiere des Films über Papst Johannes Paul II., produziert von »Lux Vide« und dem Italienischen Fernsehen RAI in Zusammenarbeit mit weiteren europäischen Fernsehsendern und der CBS in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich danke dem Generaldirektor der RAI und dem Präsidenten von »Lux Vide« sowie den Verantwortlichen der anderen Produktionsfirmen, die uns die Möglichkeit zur heutigen Vorführung gegeben haben, die sehr beeindruckend war. Mein Dank geht auch an die Darsteller und an all jene, die auf unterschiedliche Weise zur Produktion dieses Spielfilms beigetragen haben; er ist eine ehrende Erinnerung an meinen großen und verehrten Vorgänger. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an alle, die an dieser Abendvorstellung teilnehmen.
Im Kontext der heutigen Medienwelt leistet der Film, den wir gerade gesehen haben, einen wichtigen Dienst, denn er verbindet die Ansprüche der Verbreitung vor einem großen Publikum mit denen der Vertiefung. Zum einen kommt der Film nämlich einer in der öffentlichen Meinung weit verbreiteten Nachfrage entgegen, und zum andern bietet er eine geschichtlich-biographische Rekonstruktion, die, wenn auch innerhalb der Grenzen dieses Kommunikationsmittels, den Menschen eine bessere Kenntnis und Bewußtmachung ermöglicht und dadurch zu Reflexion und manchmal zu tieferen Fragestellungen anregt. Das Drehbuch beginnt mit dem Attentat auf dem Petersplatz; nach einem ausführlichen Rückblick auf die Jahre in Polen widmet es sich dem langen Pontifikat. Dies hat mich an die Worte denken lassen, die Johannes Paul II. in bezug auf das Attentat in seinem Testament schrieb: » […] die Göttliche Vorsehung [hat mich] auf wunderbare Weise vor dem Tod bewahrt. Er, der der einzige Herr über Leben und Tod ist, hat mir dieses Leben verlängert, ja gleichsam von neuem geschenkt. Es gehört seit diesem Augenblick noch mehr Ihm« (Testament des Heiligen Vaters Johannes Paul II., 17.3.2000, 2; in O.R. dt., Nr. 16, 22.4.2005, S. 5). In mir - und ich denke in allen, die ihn kennenlernen durften - vertiefte die Vorführung dieses Films das Gefühl tiefer Dankbarkeit gegenüber Gott, daß er der Kirche und der Welt einen Papst von so erhabener menschlicher und geistlicher Größe geschenkt hat.
Jenseits jeder besonderen Wertung bin ich jedoch auch der Ansicht, daß dieser Film ein weiterer Beweis ist für die Liebe, die die Menschen, die wir alle Papst Johannes Paul II. entgegenbringen, und für ihren großen Wunsch, an ihn zu erinnern, ihn wiederzusehen, seine Nähe zu spüren. Über die eher oberflächlichen und emotionalen Aspekte dieses Phänomens hinaus existiert mit Sicherheit auch eine tiefe spirituelle Dimension, die wir hier im Vatikan jeden Tag feststellen können, wenn wir die große Schar von Pilgern sehen, die an seinem Grab in den Vatikanischen Grotten beten oder ihm dort durch einen kurzen Besuch die Ehre erweisen. Diese liebevolle, geistige Verbundenheit mit Johannes Paul II., die in den Tagen seines Sterbens und seines Todes noch enger wurde, ist nicht abgebrochen. Sie wurde nie gelöst, weil sie die Seelen verbindet, die große Seele des Papstes mit den Seelen von unzähligen Gläubigen; sein Herz eines Vaters mit den Herzen zahlloser Männer und Frauen guten Willens, die in ihm den Freund, den Verteidiger des Menschen, der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens erkannten. In allen Teilen der Welt haben sehr viele Menschen in ihm vor allem den konsequenten, hochherzigen Zeugen Gottes bewundert.
Mit diesen Eindrücken spreche ich die besten Wünsche für die Verbreitung des Films aus, und von Herzen spende ich jedem von euch, die ihr hier anwesend seid, und allen, die euch nahe stehen, den Apostolischen Segen.
99
Herr Kardinal,
verehrte Brüder!
Der Besuch »ad limina Apostolorum« ist ein ganz besonderer Moment kirchlicher Gemeinschaft und brüderlichen Miteinanders im bischöflichen Dienst. Bei dieser Gelegenheit kann jeder vor dem Herrn innehalten und gemeinsam mit den anderen Mitbrüdern über das Leben der eigenen Gemeinschaft nachdenken im Hinblick auf das enge Band, das die Teilkirchen mit der universalen Kirche verbindet. Mit dem Nachfolger Petri wollt ihr Zeugnis geben von der vollkommenen Treue zu Christus und der hochherzigen Bereitschaft gegenüber den Gläubigen der euch anvertrauten Herde. Seid willkommen, meine Lieben, an diesem römischen Sitz, der auch der geistliche Bezugspunkt für die Katholiken aus aller Welt ist.
Bei den Begegnungen mit jedem einzelnen von euch hatte ich die Möglichkeit, eine sehr lebendige Kirche kennenzulernen, die sich berufen fühlt, Sauerteig in einer säkularisierten Gesellschaft zu sein, die aber zugleich, oft voll Sehnsucht, für die befreiende und doch anspruchsvolle Botschaft des Evangeliums Interesse zeigt. Ihr habt auf die wachsende Anzahl eurer Mitbürger hingewiesen, die erklären, daß sie keiner Kirche angehören. Ihr habt aber das Interesse bemerkt, mit dem die bürgerliche Gesellschaft die Tätigkeit der katholischen Kirche und ihre Programme verfolgt. Ich denke, daß die materiellen und geistlichen Verwüstungen des früheren Regimes in euren Mitbürgern jetzt, wo sie die volle Freiheit erlangt haben, das Bedürfnis hinterlassen haben, die verlorene Zeit wieder einzuholen, so daß sie vorwärts kommen wollen, vielleicht ohne den geistlichen Werten genügend Bedeutung beizumessen, die aber den bürgerlichen und materiellen Errungenschaften Rückgrat und Festigkeit verleihen. Die christliche Gemeinschaft hat also ein weites Missionsfeld vor sich. Wie ein kleines Senfkorn, das sich dann zu einem großen Baum entwickelt, in dem die Vögel des Himmels nisten, so können eure Kirchen denen Aufnahme bieten, die gute Gründe für ihr Leben und ihre existentiellen Entscheidungen suchen. Eure so einträchtigen, eifrigen und für das Thema der universalen Nächstenliebe aufgeschlossenen Gemeinden geben ein deutliches Zeugnis, das nicht wenige Personen auch in der Welt der Kultur anzieht. Das ist ein Zeichen der Hoffnung für die Heranbildung reifer Laien, die zu Recht ihre kirchlichen Verantwortlichkeiten wahrzunehmen wissen.
Mir ist bekannt, liebe Brüder, daß ihr euch bemüht, eure Priester und die Gemeinschaften geweihten Lebens mit väterlicher Zuneigung zu begleiten. Sie sind das Geschenk, das Christus, der gute Hirt, dem tschechischen Volk durch euren Dienst anbietet. Mit Genugtuung habt ihr mir den Klerus und die Ordensleute beschrieben und davon einige Mitglieder als aktive und eifrige, disziplinierte und einmütige Personen vorgestellt. Mit euch danke ich aufrichtig dem Herrn für diese Präsenz, die für die Kirche sehr wichtig ist. Dieses Bild, das Grund zur Hoffnung bietet, darf aber die anderen Aspekte, die verständlicherweise Sorge bereiten, nicht in Vergessenheit geraten lassen. Das ist vor allem der Priestermangel, eine Tatsache, die euch veranlaßt, der Berufungspastoral besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In dieser Hinsicht erweist sich das Bemühen zur Bildung solider christlicher Familien als besonders wichtig für das Leben der Kirche, denn gerade von der Familie hängt die Möglichkeit ab, auf junge, gesunde und hochherzige Generationen zu zählen und ihnen auch die Schönheit eines Christus und den Brüdern geweihten Lebens zu erschließen. Zu Recht habt ihr deshalb den Schwerpunkt eures pastoralen Einsatzes auf die Sorge für die jungen, entstehenden Familien gelegt, auch solche, die vielleicht in Schwierigkeiten sind. Die Familie ist auf natürlicher Ebene die Keimzelle der Gesellschaft und auf übernatürlicher Ebene die Grundschule der christlichen Bildung. Das II. Vatikanische Konzil hat sie zu Recht »Hauskirche « genannt, in der »die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein und die besondere Berufung eines jeden fördern sollen, die geistliche aber mit besonderer Sorgfalt« (Lumen gentium LG 11).
Im Zusammenhang mit diesem Schwerpunkt eures pastoralen Bemühens habt ihr eure Aufmerksamkeit auf die »erweiterte Familie«, das heißt die Pfarrei gelenkt in dem Bewußtsein, daß der Gläubige in diesem Umfeld die Kirche als mystischen Leib Christi erfährt und die soziale Dimension des Glaubens zu leben lernt. Sehr wichtig ist in dieser Hinsicht die Einbeziehung der Laien in die Gemeindetätigkeit und ihre Einführung in ein gesundes und reiches liturgisches Leben. Die christliche Gemeinschaft ist eine Wirklichkeit von Personen mit eigenen Regeln, ein lebendiger Leib, der in Jesus in der Welt ist, um die Kraft des Evangeliums zu bezeugen. Es handelt sich also um eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, die nicht nach Macht oder egoistischem Interesse streben, sondern in der Freude der Liebe Gottes leben.
In einem solchen Kontext dürfte es dem Staat nicht schwer fallen, in der Kirche einen Gesprächspartner zu erkennen, der seine Funktionen im Dienst der Bürger nicht beeinträchtigt. Denn die Kirche entfaltet ihr Wirken im religiösen Bereich, um es den Gläubigen zu ermöglichen, ihren Glauben zum Ausdruck zu bringen, ohne daß sie in die Sphäre der Zuständigkeit der zivilen Autorität eindringt. Durch ihren apostolischen Einsatz und dann durch ihren karitativen, gesundheitlichen und schulischen Beitrag fördert sie den Fortschritt der Gesellschaft in einer Atmosphäre großer Religionsfreiheit. Es ist bekannt, daß die Kirche keine Privilegien sucht, sondern nur ihre Sendung erfüllen will. Wenn ihr dieses Recht zuerkannt wird, dann ist das wirklich zum Nutzen der ganzen Gesellschaft.
Verehrte Brüder, das sind einige Überlegungen, die ich euch bei dieser ersten Begegnung mitteilen wollte. Ich bin euch geistlich nahe in der Ausübung eures Hirtendienstes, und ich rufe euch insbesondere auf, den ökumenischen Dialog mit Zuversicht weiterzuführen. Ich weiß, daß er intensiv ist und daß auch der Dialog mit allen Mitbürgern im kulturellen Bereich über die Grundwerte intensiv ist, auf denen jedes zivile Zusammenleben gründet. Der Herr unterstütze mit seiner Gnade und auf die Fürsprache seiner Unbefleckten Mutter eure pastoralen Anstrengungen. Ich begleite sie von Herzen mit dem Apostolischen Segen, den ich euch, euren Priestern, den geweihten Personen und allen Gläubigen erteile, die der Herde angehören, die euch von der göttlichen Vorsehung anvertraut ist.
Herr Kardinal,
100 verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich begrüße ich alle, wobei ich besonders Herrn Kardinal Javier Lozano Barragán für seine im Namen der Anwesenden gesprochenen freundlichen Grußworte danke. Ich begrüße in besonderer Weise die Bischöfe und Priester, die an diesem Kongreß teilnehmen, sowie die Referenten, die in diesen Tagen mit Sicherheit einen qualifizierten Beitrag über die behandelten Probleme geboten haben: Ihre Überlegungen und Empfehlungen werden Gegenstand sorgfältiger Beurteilung seitens der zuständigen kirchlichen Stellen sein.
Während ich mich in die pastorale Sichtweise des Päpstlichen Rates versetze, der diesen Kongreß ausgerichtet hat, möchte ich gern hervorheben, daß heute vor allem im Bereich neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft der Kirche eine weitere Möglichkeit geboten wird, ihre wertvolle Arbeit zur Gewissenserleuchtung zu entfalten, um sicherzustellen, daß jede neue wissenschaftliche Entdeckung dem ganzheitlichen Wohl der menschlichen Person unter steter Achtung ihrer Würde dienen kann. Durch die Hervorhebung der Bedeutung dieser pastoralen Aufgabe möchte ich vor allem denen ein Wort der Ermutigung aussprechen, die mit ihrer Förderung beauftragt sind. Die heutige Welt ist vom Säkularisierungsprozeß geprägt, der durch komplexe kulturelle und soziale Veränderungen nicht nur eine berechtigte Autonomie der Wissenschaft und der gesellschaftlichen Gestaltung geltend gemacht hat, sondern oft auch die Verbindung der irdischen Wirklichkeit mit ihrem Schöpfer verwischt hat und dabei soweit ging, den Schutz der transzendenten Würde des Menschen und die Achtung vor seinem Leben außer acht zu lassen. Die Säkularisierung in der Gestalt des radikalen Säkularismus befriedigt jedoch heutzutage nicht mehr die wirklich wachen und aufmerksamen Geister. Das bedeutet, daß sich mögliche und vielleicht neue Wege öffnen für einen fruchtbaren Dialog mit der Gesellschaft, und zwar nicht nur mit den Gläubigen, besonders über so wichtige Themen wie jene, die das Leben betreffen.
Das ist deshalb möglich, weil in den Völkern mit langer christlicher Tradition noch Samenkörner des Humanismus vorhanden sind, die von den Auseinandersetzungen um die nihilistische Philosophie unberührt geblieben sind; Samenkörner, die tatsächlich um so mehr an Kraft gewinnen, je schwerwiegender die Herausforderungen werden. Im übrigen weiß der Glaubende sehr gut, daß das Evangelium mit den in die menschliche Natur eingeschriebenen Werten in innerem Einklang steht. Das Bild Gottes ist in die Seele des Menschen so tief eingeprägt, daß die Stimme des Gewissens schwerlich ganz zum Schweigen gebracht werden kann. Mit dem Gleichnis vom Sämann erinnert uns Jesus daran, daß es immer guten Boden gibt, in dem der Same Wurzeln schlägt, keimt und Frucht bringt. Auch Menschen, die sich nicht mehr als Glieder der Kirche bekennen oder das Licht des Glaubens überhaupt verloren haben, bleiben dennoch wach für die menschlichen Werte und den positiven Beitrag, den das Evangelium zum persönlichen und sozialen Wohl leisten kann.
Man kann sich dessen leicht vergewissern, vor allem wenn man über das Thema eurer Tagung nachdenkt: Sensibilisiert durch die schrecklichen Ereignisse, von denen das 20. und auch der Beginn dieses Jahrhunderts heimgesucht wurden, sind die Menschen unserer Zeit in der Lage, sehr gut zu verstehen, daß die Würde des Menschen nicht mit den Genen seines Erbgutes (DNA) gleichzusetzen ist und auch nicht durch etwaige physische Unterschiede oder genetische Defekte beeinträchtigt wird. Das Prinzip der »Nicht-Diskriminierung« aufgrund physischer oder genetischer Faktoren ist tief in die Gewissen eingedrungen und formal in den Menschenrechtserklärungen festgeschrieben. Seine eigentliche Grundlage hat dieses Prinzip in der Würde, die jedem Menschen aufgrund der Tatsache innewohnt, daß er nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen ist (vgl. Gn 1,26). Im übrigen führt die objektive Analyse der wissenschaftlichen Daten dazu, das Vorhandensein dieser Würde in jeder Phase des menschlichen Lebens, vom ersten Augenblick der Befruchtung an, anzuerkennen. Die Kirche verkündet und empfiehlt diese Wahrheiten nicht nur mit der Autorität des Evangeliums, sondern auch mit der aus der Vernunft erwachsenden Kraft. Und gerade deshalb fühlt sie sich verpflichtet, an jeden Menschen guten Willens in der Gewißheit zu appellieren, daß die Annahme dieser Wahrheiten für die einzelnen und die Gesellschaft nur von Nutzen sein kann. Man muß sich nämlich vor den Risiken einer Wissenschaft und einer Theologie hüten, die sich gegenüber den in die Natur des Menschen eingeschriebenen moralischen Normen völlige Autonomie anmaßen.
An professionellen Institutionen und Akademien, die zu einer Bewertung der neuen Erkenntnisse auf wissenschaftlichem Gebiet, besonders im Bereich der Biomedizin, in der Lage sind, fehlt es in der Kirche nicht; sodann gibt es die lehramtlichen Organe, die für die Definition der zu bewahrenden moralischen Werte und für die Formulierung der zu ihrem wirksamen Schutz erforderlichen Normen zuständig sind; schließlich gibt es die pastoralen Dikasterien, wie den Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, denen die Erarbeitung der geeigneten Methodik obliegt, um eine wirksame Präsenz der Kirche auf pastoraler Ebene sicherzustellen. Dieser dritte Aspekt ist nicht nur in bezug auf eine immer angemessenere Humanisierung der Medizin wertvoll, sondern auch dazu, um auf die Erwartungen einer wirksamen geistlichen Hilfe seitens einzelner Personen eine rechtzeitige Antwort sicherzustellen. Es ist daher notwendig, daß die Krankenpastoral neuen Aufschwung erfährt. Das schließt eine Erneuerung und Vertiefung des seelsorglichen Angebots selbst ein, das dem gesteigerten Umfang der von den Medien in der Gesellschaft verbreiteten Kenntnisse und dem höheren Bildungsniveau der Personen, an die es sich wendet, Rechnung tragen muß. Nicht übergehen kann man die Tatsache, daß immer häufiger nicht nur die Gesetzgeber, sondern die Bürger selbst aufgerufen werden, auch über spezielle und schwierige wissenschaftliche Probleme ihre Meinung zu äußern.
Wenn eine entsprechende Ausbildung, ja eine angemessene Gewissensbildung fehlt, kann es in der Orientierung der öffentlichen Meinung sehr leicht zu einem Überhandnehmen falscher Werte bzw. verzerrter Informationen kommen. Die entsprechende Anpassung der Ausbildung der Priester und Erzieher, die sie dazu befähigen soll, ihre Verantwortung in Übereinstimmung mit ihrem Glauben und zugleich im respektvollen und aufrichtigen Dialog mit den Nichtglaubenden zu übernehmen - das ist die unabdingbare Aufgabe einer auf den heutigen Stand gebrachten Krankenpastoral. Besonders in den Anwendungsbereichen der Genetik kann es heute vorkommen, daß den Familien entsprechende Informationen fehlen und sie Schwierigkeiten haben, die notwendige moralische Autonomie aufrechtzuerhalten, um den eigenen Lebensentscheidungen treu bleiben zu können. Auf diesem Gebiet ist daher eine vertiefte und klare Gewissensbildung erforderlich. Die heutigen wissenschaftlichen Entdeckungen berühren das Leben der Familien, da sie ihnen unvorhergesehene, heikle Entscheidungen abverlangen, an die man mit Verantwortung herangehen muß. Die Seelsorge im Bereich des Gesundheitswesens bedarf somit gut ausgebildeter und kompetenter Berater. Das läßt uns erahnen, wie komplex und anspruchsvoll die Auseinandersetzung mit diesem Aufgabenbereich heute ist.
Angesichts dieser vermehrten Anforderungen an die Pastoral fordert die Kirche, während sie weiter auf das Licht des Evangeliums und die Kraft der Gnade vertraut, die Verantwortlichen auf, die geeigneten Methoden zu studieren, um durch die Verbindung von Glaubenstreue und Dialog, theologischer Vertiefung und Fähigkeit zur Vermittlung den Einzelpersonen, den Familien und der Gesellschaft hilfreich zur Seite zu stehen. Dabei zählt sie besonders auf den Beitrag derer, denen - wie euch, die ihr hier zur Teilnahme an dieser internationalen Tagung versammelt seid - die fundamentalen Werte, auf die sich das menschliche Zusammenleben stützt, am Herzen liegen. Gern nehme ich diese Gelegenheit wahr, um allen meine dankbare Anerkennung für den Beitrag in einem für die Zukunft der Menschheit so wichtigen Bereich auszusprechen. Mit diesen Empfindungen rufe ich vom Herrn reiches Licht auf eure Arbeit herab und erteile als Zeugnis meiner Wertschätzung und Liebe allen meinen besonderen Segen.
ANSPRACHE 2005 95