ANSPRACHE 2006 54

AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER BULGARIENS BEIM HL. STUHL, HERRN VALENTIN VASSILEV BOZHILOV



Samstag, 13. Mai 2006


Herr Botschafter!

Mit Freude empfange ich Eure Exzellenz anläßlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Bulgarien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Ich danke Ihnen für die herzlichen Wünsche, die Sie anläßlich des ersten Jahrestages meines Pontifikats zum Ausdruck gebracht, sowie für die Grüße, die Sie mir von seiten des Präsidenten der Republik, Seiner Exzellenz Herrn Georgi Parvanov, übermittelt haben. Meinerseits möchte ich Sie bitten, ihm meine herzlichen Wünsche für seine Person und für das ganze bulgarische Volk zu überbringen. Ich bitte den Herrn vor allem für die Bevölkerungsgruppen, die kürzlich unter den großen Überschwemmungen zu leiden hatten, auf daß sie schnell zu normalen Lebensbedingungen zurückkehren und dabei von seiten der gesamten nationalen Gemeinschaft Unterstützung finden mögen.

55 Wie Sie, Exzellenz, in Erinnerung gerufen haben, ist das Vorbild der beiden heiligen Brüder Cyrill und Methodius, der ersten Boten des Evangeliums in Ihrem Land, auch heute noch beispielhaft für den Dialog zwischen den Kulturen. Durch ihren apostolischen Eifer erreichte die Frohe Botschaft Christi die Einwohner Mittel- und Osteuropas in ihrer eigenen Sprache; dank des Impulses, der von ihnen ausging, konnte eine neue, vom Evangelium und von der christlichen Tradition genährte Kultur entstehen und sich durch die Liturgie, das Recht und die Institutionen entwickeln, um dann zum Gemeingut der slawischen Völker zu werden.

Indem diese beiden Apostel die Rivalitäten und Streitigkeiten jener Zeit überwanden, haben sie uns die Wege des Dialogs und der Einheit gezeigt, an denen wir stets weiterbauen müssen, und aus diesem Grund wurden auch sie zu Patronen Europas. Anläßlich ihres Festtages besucht eine Delegation Ihres Landes jedes Jahr den Bischof von Rom, um ihrer zu gedenken und um nach ihrem Vorbild und in ihrer Nachfolge auch weiterhin Bande der Brüderlichkeit und des Friedens zu knüpfen.

Ihr Land, Herr Botschafter, bereitet sich gegenwärtig auf seinen Beitritt zur Europäischen Union vor. Aufgrund seiner Geschichte und Kultur ist das bulgarische Volk, das sein christliches Erbe auch weiterhin Frucht tragen läßt, aufgerufen, eine wichtig Rolle zu spielen, um dazu beizutragen, unserem Kontinent jenen geistlichen Elan zurückzugeben, der ihm allzuoft fehlt.

Ich denke dabei besonders an die Situation der Jugend in unseren Ländern, die anläßlich von großen Versammlungen wie den Weltjugendtagen ihre guten und edlen Absichten so gerne zum Ausdruck bringt, jedoch nur schwer ihren Platz in unseren Gesellschaften findet, die zu ausschließlich auf den Konsum materieller Güter und auf die zuweilen individualistische Suche nach Wohlstand ausgerichtet sind. Die Jugendlichen hingegen brauchen geistliche und sittliche Werte, um ihre Persönlichkeit zu entfalten und um sich auf eine Beteiligung am Aufbau der Gesellschaft vorzubereiten.

Ihr Land wird auf die ihm spezifische Weise einen Stein zum gemeinsamen Bau beitragen, um diesen nicht nur zu einem großen Umschlagplatz immer reicherer materieller Güter zu machen, sondern ihm auch eine Seele zu geben: eine echte geistliche Dimension, die das Erbe der vielen Zeugen der Vergangenheit widerspiegelt und der Humus ist, der Leben und Kreativität in sich trägt und so den europäischen Menschen von morgen hervorbringen kann.

Auf diese Weise können die jungen Generationen das Vertrauen in die Zukunft wiederfinden und sich ohne Angst an langfristige Vorhaben binden: neue Familien ins Leben rufen, die fest auf der Ehe gegründet und offen für die Annahme von Kindern sind; sie können lernen, sich durch politische, wirtschaftliche und soziale Tätigkeit in den Dienst des Gemeinwohls der Gesellschaft zu stellen, und Solidarität üben mit den Bedürftigsten, wie mit den Migranten, die aus anderen Ländern kommen und Zuflucht oder einen Neubeginn suchen.

In einer unbeständigen und unruhigen Welt wie der unseren kann Europa zum Zeugen und Boten des notwendigen Dialogs zwischen den Kulturen und Religionen werden. Die Geschichte des alten Kontinents, die tief geprägt ist von Spaltungen und Bruderkriegen, aber auch von Bemühungen um deren Überwindung, ist in der Tat eine Aufforderung, diese Sendung zu erfüllen, um den Erwartungen so vieler Männer und Frauen zu entsprechen, die in zahlreichen Ländern der Welt immer noch nach Entwicklung, Demokratie und Religionsfreiheit streben.

Wie Sie wissen, setzt sich der Heilige Stuhl unermüdlich und an dem ihm zukommenden Platz für die Förderung eines echten Dialogs zwischen den Nationen sowie zwischen den Verantwortungsträgern der Religionen ein. Zunächst geht es darum, der sich heutzutage bedrohlich ausbreitenden Gewalt Einhalt zu gebieten, vor allem durch Beseitigung der Mauern des Unwissens und des Mißtrauens, die Gewalt verursachen können.

Weil Europa sich jedoch nicht gegen die Außenwelt verschließen darf, ist es auch notwendig, eine bessere Verteilung der Reichtümer auf der Welt zu unterstützen und auf eine wahre Entwicklung Afrikas hinzuwirken, was die Ungerechtigkeiten beheben kann, die aus dem gegenwärtigen Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd entstehen und zu Spannungen und zur Bedrohung des Friedens führen. Ich zweifle nicht daran, daß auch Ihre Regierung sich bemühen wird, innerhalb der Staatengemeinschaft zum Boten der Toleranz und der gegenseitigen Achtung zu werden, wie Sie selbst betont haben.

Ich freue mich, Herr Botschafter, durch Sie die in Bulgarien ansässige katholische Gemeinschaft grüßen zu können. Sie bewahrt die kostbare Erinnerung an den seligen Papst Johannes XXIII., der als Apostolischer Delegat in Ihrem Land sehr geschätzt war, und an den denkwürdigen Besuch meines Vorgängers, Papst Johannes Paul II.

Ich weiß, daß die katholische Kirche bei der Entwicklung Ihres Landes eine wichtige Rolle spielt, vor allem durch die von der Caritas geleitete Sozialarbeit, und ich ermutige jeden, sich auch in Zukunft aktiv für das Wohl der ganzen Nation einzusetzen.

56 Ich rufe die katholischen Gläubigen auf, sich um ihre Hirten vereint bei jeder sich bietenden Gelegenheit um Zusammenarbeit zu bemühen mit ihren Brüdern der orthodoxen Kirche Bulgariens - deren Hirten ich ebenfalls grüße -, damit das Evangelium Gottes aufleuchtet. Sie sollen wissen, daß sie auf die Ermutigung und das Gebet des Nachfolgers Petri zählen können, damit sie in ihrem Zeugnis für Christus immer neue Freude und Lebenskraft finden!

Herr Botschafter, in der Stunde, in der Ihre Sendung beim Heiligen Stuhl offiziell beginnt, bringe ich Ihnen gegenüber meine besten Wünsche für eine erfolgreiche Erfüllung dieser Sendung zum Ausdruck. Seien Sie versichert, bei meinen Mitarbeitern stets aufmerksames Entgegenkommen und herzliches Verständnis zu finden.

Auf Eure Exzellenz, Ihre Familie, Ihre Mitarbeiter in der Botschaft und das gesamte bulgarische Volk rufe ich aus ganzem Herzen die Fülle des göttlichen Segens herab.



AN DIE TEILNEHMER EINER PILGERFAHRT DER "BAYERISCHEN GEBIRGSSCHÜTZEN"

Samstag, 13. Mai 2006



Eminenz,
sehr geehrter Herr Botschafter,
liebe Gebirgsschützen,

es ist mir eine Freude, Sie im Rahmen Ihrer Schützenwallfahrt zu Ehren der Patrona Bavariae hier im Vatikan zu begrüßen. Ihnen, lieber Kardinal Wetter, der Sie mir als mein unmittelbarer Nachfolger im Amt des Erzbischofs von München und Freising besonders verbunden sind, danke ich für Ihre herzlichen Worte, die Sie im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet haben.

Vor genau 90 Jahren bestätigte mein Vorgänger Papst Benedikt XV. auf Bitten des letzten Bayernkönigs Ludwigs III. mit der Einrichtung des kirchlichen Feiertags der Patrona Bavariae den Schritt Herzog Maximilians von Bayern, der schon 300 Jahre zuvor, im Jahre 1616, sein Herzogtum offiziell unter den Schutz der Jungfrau und Gottesmutter Maria gestellt hatte. Am 14. Mai 1916 wurde das liturgische Fest in München zum ersten Mal gefeiert. Das war damals ein wichtiges Zeichen der Ermutigung und der Hoffnung für ein Land, das in den Wirren des Ersten Weltkriegs um den Erhalt seines kostbaren religiösen und kulturellen Erbes fürchten mußte. Zugleich war es sozusagen die Krönung einer bereits zwölfhundertjährigen Geschichte der Marienverehrung in Bayern: Als nämlich der hl. Korbinian um das Jahr 724 nach Freising kam, stand dort auf dem Burgberg schon eine Marienkirche - die Keimzelle des heutigen Freisinger Doms.

Mit der jährlichen Feier Ihres Patronatstags zu Ehren der Patrona Bavariae am ersten Sonntag im Mai stellen Sie sich im "Bund der Bayerischen Gebirgsschützen-Kompanien" nicht nur unter den Schutz, sondern auch in den Dienst der großen Patronin unseres gemeinsamen Vaterlandes. Es ist zwar nicht mehr Ihre Aufgabe, wie in vergangenen Jahrhunderten das Land mit der Waffe in der Hand gegen äußere Feinde zu verteidigen, doch drohen heute Gefahren, die vielleicht sogar noch ernster sind, weil man sie häufig gar nicht als solche erkennt.

Nach zwei Weltkriegen gibt es viele Menschen, die gleichsam "entwurzelt" sind, die nie erfahren haben, was Heimat bedeutet, wie sehr ein Beheimatet-Sein dem Menschen innere Sicherheit verleihen kann, weil es eben mehr ist als ein rein geographisches Faktum. Für uns beinhaltet es zugleich eine Verwurzelung im christlichen Glauben, der Bayern und ganz Europa zutiefst geprägt hat und der unserem Leben seinen eigentlichen Sinn verleiht. Dieser Glaube hat sich in unserem Land wie auch in anderen Regionen spezielle Ausdrucksformen geschaffen - von der barocken Pracht unserer Kirchen bis zum bescheidenen Wegkreuz zwischen den Feldern, von den feierlichen Fronleichnamsprozessionen bis zu kleinen Pilgergängen zu den zahlreichen Wallfahrtsorten, von der großen Kirchenmusik bis zum alpenländischen Volkslied.

Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Hüter und Verteidiger bayerischer Volkskultur zu sein. Mit dieser Zielsetzung stehen Sie im Dienst der Patrona Bavariae. Das kulturelle Erbe, das Sie schützen und pflegen wollen, ist nicht Zweck seiner selbst, sondern es soll die Menschen in ihrer Verwurzelung halten bzw. - wo diese nicht mehr gegeben ist - sie über die Zeichen zurückführen zu den Inhalten, zu dem, was ihrem Leben Halt und Orientierung geben kann. Die bayerische Volkskultur macht in ihren mannigfaltigen Ausdruckformen die tiefe, unzerstörbare Freude sichtbar, die Jesus Christus uns schenken wollte, als er sagte: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben" (Jn 10,10).

Ich möchte Sie ermutigen, beständig zu bleiben in der Treue zu den christlichen Werten, die das eigentliche Fundament Bayerns darstellen. Die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, die Patrona Bavariae, halte stets ihre schützende Hand über Sie alle. Auf ihre Fürsprache erteile ich Ihnen von Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE VOLLVERSAMMLUNG DES PÄPSTLICHEN RATES DER SEELSORGE FÜR DIE MIGRANTEN UND MENSCHEN UNTERWEGS

Clementina-Saal - Montag, 15. Mai 2006

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Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Es ist mir eine Freude, euch aus Anlaß der Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs zu empfangen. An erster Stelle begrüße ich Kardinal Renato Raffaele Martino und danke ihm für die Worte, mit denen er unsere Begegnung eingeleitet hat. Weiter begrüße ich den Sekretär, die Mitglieder und die Konsultoren dieses Päpstlichen Rates, insbesondere die jüngst ernannten, und ich wünsche allen von Herzen eine fruchtbringende Arbeit.

Das für diese Versammlung gewählte Thema - »Migration und Wanderschaft aus den Ländern und in die Länder mit islamischer Mehrheit« - betrifft eine soziale Wirklichkeit, die immer aktueller wird. Die Mobilität, die die muslimischen Länder betrifft, verdient deshalb besondere Reflexion, nicht nur auf Grund der zahlenmäßigen Bedeutung des Phänomens, sondern vor allem weil die islamische Identität in religiöser und kultureller Hinsicht einen eigenen Charakter hat. Die katholische Kirche spürt mit wachsendem Bewußtsein, daß der interreligiöse Dialog zu ihren Verpflichtungen im Dienst an der Menschheit in der Welt von heute gehört. Diese Überzeugung ist sozusagen »tägliches Brot« geworden, besonders für diejenigen, die bei ihrer Arbeit in direktem Kontakt zu den Migranten, den Flüchtlingen und den verschiedenen Kategorien der Menschen unterwegs stehen. Wir leben in einer Zeit, in der die Christen aufgerufen sind, einen Stil des offenen Dialogs über die religiöse Frage zu pflegen, ohne darauf zu verzichten, den Gesprächspartnern das Angebot des Christentums so darzulegen, wie es der eigenen Identität entspricht. Man spürt auch immer mehr, wie wichtig im Dialog die Gegenseitigkeit ist, eine Gegenseitigkeit, die von der Instruktion Erga migrantes caritas Christi zu Recht als »Prinzip« von großer Bedeutung bezeichnet wird. Es handelt sich um eine »Beziehung, die auf der gegenseitigen Achtung … aufbaut« und noch zuvor um eine »Haltung des Herzens und des Geistes« (Nr. 64). Wie wichtig und schwierig dies ist, zeigen die Bemühungen, die von vielen Gemeinschaften unternommen werden, um mit den Einwanderern von gegenseitiger Kenntnis und Achtung geprägte Beziehungen zu knüpfen, die sich als äußerst nützlich erweisen, um Vorurteile und geistige Schranken abzubauen.

Die christliche Gemeinschaft hat bei der Aufnahme der Migranten und Menschen unterwegs und im Dialog mit ihnen stets ihren festen Bezugspunkt in Christus, der seinen Jüngern als Lebensregel das neue Gebot der Liebe hinterlassen hat. Die christliche Liebe ist ihrem Wesen nach zuvorkommend. Deshalb sind die einzelnen Gläubigen aufgerufen, jedem Menschen, aus welchem Land auch immer er kommt, die Arme und die Herzen zu öffnen und es dann den Verantwortungsträgern im öffentlichen Leben zu überlassen, Gesetze zu beschließen, die als angemessen für ein gutes Zusammenleben betrachtet werden. Stets angespornt, die Liebe zu bezeugen, die der Herr Jesus gelehrt hat, sollen die Christen ihr Herz besonders den Kleinen und den Armen öffnen, in denen Christus selbst in besonderer Weise gegenwärtig ist. Indem sie das tun, offenbaren sie das Merkmal, das die christliche Identität am meisten auszeichnet und ihr zu eigen ist: die Liebe, die Christus gelebt hat, und die er durch das Evangelium und die Sakramente ununterbrochen der Kirche mitteilt. Natürlich ist zu hoffen, daß auch die Christen, die in Länder mit islamischer Mehrheit auswandern, dort Aufnahme und Achtung ihrer religiösen Identität finden.

Liebe Brüder und Schwestern, ich nutze gerne diese Gelegenheit, um euch für das zu danken, was ihr zugunsten einer organischen und wirksamen Seelsorge an den Migranten und Menschen unterwegs tut, indem ihr eure Zeit, eure Sachkenntnis und eure Erfahrung in den Dienst dieser Aufgabe stellt. Niemandem entgeht, daß dies ein bedeutsamer Horizont der Neuevangelisierung in der heutigen globalisierten Welt ist. Ich ermutige euch, eure Arbeit mit neuem Eifer fortzusetzen, während ich sie meinerseits aufmerksam verfolge und euch durch das Gebet begleite, auf daß der Heilige Geist alle eure Initiativen zum Wohl der Kirche und der Welt fruchtbar mache. Die allerseligste Jungfrau Maria, die in den verschiedenen Situationen ihres irdischen Daseins ihren Glauben als Pilgerweg gelebt hat, wache über euch. Sie helfe jedem Mann und jeder Frau, ihren Sohn Jesus kennenzulernen und vom ihm das Geschenk des Heils zu erhalten. Mit diesem Wunsch erteile ich euch allen und den euch nahestehenden Menschen meinen Segen.



AN DIE NEUEN BOTSCHAFTER BEIM HL. STUHL ANLÄSSLICH DER ÜBERREICHUNG DER BEGLAUBIGUNGSSCHREIBEN


Clementina-Saal

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Donnerstag, 18. Mai 2006



Exzellenzen!

Ich freue mich, Sie anläßlich der Überreichung Ihrer Beglaubigungsschreiben zu begrüßen, durch die Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer Staaten akkreditiert werden: Tschad, Indien, Kap Verde, Moldawien und Australien. Ich danke Ihnen für die liebenswürdigen Worte, die Sie mir von seiten Ihrer Staatsoberhäupter übermittelt haben, und bin Ihnen dankbar, wenn Sie diesen im Gegenzug meine Grüße und ergebenen Wünsche für sie persönlich und für ihr hohes Amt im Dienste ihres Landes überbringen. Durch Sie möchte ich die zivilen und religiösen Autoritäten Ihrer Nationen sowie alle Ihre Landsleute grüßen, wobei ich besonders an die katholischen Gemeinden denke.

Sie gehören zur großen Familie der Diplomaten, die sich in der ganzen Welt darum bemühen, Brücken zwischen den Ländern zu schlagen im Hinblick auf die Errichtung und Stärkung des Friedens sowie auf gefestigte Beziehungen zwischen den Völkern, sowohl auf der Ebene brüderlicher Solidarität als auch auf der Ebene wirtschaftlichen und kulturellen Austausches, für das Wohlergehen aller Bevölkerungsgruppen unseres Planeten. Das erfordert Ihrerseits sowie von seiten der rechtmäßigen Autoritäten der verschiedenen Länder der Erde und der verschiedenen internationalen Instanzen festen Willen und Weitblick, um anstehende Entscheidungen nicht auf bloße Dringlichkeiten des Augenblicks zu reduzieren.

Es genügt in der Tat nicht, Beschlüsse für den Frieden oder für die Zusammenarbeit zwischen den Nationen zu fassen, um dorthin zu gelangen. Jeder muß sich auch konkret dafür einsetzen, indem er nicht nur die Interessen der ihm nahestehenden Personen oder einer bestimmten Gesellschaftsschicht berücksichtigt, zum Schaden des Allgemeininteresses, sondern das Gemeinwohl aller Bevölkerungsgruppen des Landes und darüber hinaus der gesamten Menschheit im Auge hat. Im Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, daß die Handhabung des politischen Lebens nicht ausschließlich oder überwiegend von wirtschaftlichen Erwägungen geleitet wird, von der Suche nach wachsender Rentabilität, von einem unbedachten Gebrauch der Ressourcen unseres Planeten, was der Bevölkerung zum Schaden gereicht, vor allem den am meisten Benachteiligten, und das Risiko birgt, die Zukunft der Welt langfristig zu belasten.

Ebenso wurzelt der Friede in der Achtung der Religionsfreiheit, die ein grundlegender und vorrangiger Aspekt der Gewissensfreiheit der Personen und der Freiheit der Völker ist. Es ist wichtig, daß überall auf der Welt jeder Mensch der Religion seiner Wahl anhängen und sie frei und ohne Furcht ausüben kann, denn niemand kann seine Existenz einzig und allein auf die Suche nach materiellem Wohlstand gründen. Die Annahme einer solchen persönlichen und gemeinschaftlichen Haltung wird zweifellos positive Auswirkungen auf das Leben der Gesellschaft haben. Denn den Allmächtigen zu lieben und ihn anzunehmen ist eine Einladung an jeden Menschen, sich in den Dienst seiner Brüder zu stellen und den Frieden aufzubauen.

Ich ermutige daher die Verantwortlichen der Nationen und alle Menschen guten Willens, sich immer entschlossener für den Aufbau einer freien, brüderlichen und solidarischen Welt zu engagieren, wo die Aufmerksamkeit für die Menschen Vorrang hat vor rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Es ist unsere Pflicht, anzuerkennen, daß wir füreinander und für den Lauf der Welt als ganzer verantwortlich sind. Denn niemand kann wie Kain auf die Frage Gottes im Buch Genesis antworten: »Bin ich der Hüter meines Bruders?«

Erlauben Sie mir, meine Herren Botschafter, in diesem Augenblick, in dem Ihre Sendung beim Heiligen Stuhl beginnt, Ihnen meine besten Wünsche auszusprechen. Ich bitte den Allmächtigen, daß der Segen Gottes auf Sie persönlich, auf Ihre Angehörigen und Mitarbeiter sowie auf alle Bewohner Ihrer Staaten herabkomme.

AN HERRN MOUKHTAR WAWA DAHAB, NEUER BOTSCHAFTER DES TSCHAD


Clementina-Saal

Donnerstag, 18. Mai 2006




Herr Botschafter!

59 Ich freue mich, Eure Exzellenz willkommen zu heißen anläßlich der Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Tschad beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Ihre freundlichen Worten nehme ich gerne entgegen, und ich danke Ihnen für die herzlichen Grüße, die Sie mir von seiten Seiner Exzellenz, Staatspräsident Idriss Déby Itno, sowie von seiten der Regierung des Tschad und des tschadischen Volkes übermittelt haben. Im Gegenzug dazu bitte ich Sie, Seiner Exzellenz, dem Staatspräsidenten, meine besten Wünsche des Segens und des Wohlergehens zuzusichern, die ich für ihn persönlich und für alle Tschader ausspreche, und ich bitte den Allmächtigen, Ihre Nation in Frieden und Eintracht zu bewahren.

Wie Sie, Herr Botschafter, hervorgehoben haben, ist Ihr Land um eine Konsolidierung des Demokratisierungsprozesses bemüht. Es handelt sich dabei um ein langwieriges Unterfangen, das von allen die Annahme bestimmter Werte erfordert: die Würde jeder menschlichen Person, die Achtung der Menschenrechte, die Anerkennung des Gemeinwohls als Ziel und maßgebendes Kriterium des politischen und sozialen Lebens (vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 407).

Denn die menschliche Person muß im Mittelpunkt des gesamten sozialen Lebens stehen. Die staatlichen Verantwortungsträger und alle zivilen Obrigkeiten haben den Auftrag, den Bürgern zu dienen, indem sie das anstreben und umsetzen, was zu einer guten Fortentwicklung der Gesellschaft nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit beitragen kann. Ganz wesentlich ist es außerdem, den durch Ausbeutung der natürlichen Ressourcen entstandenen Reichtum mit immer größerer Transparenz zu verwalten, damit er wirklich für die ganzheitliche und solidarische Entwicklung der Bevölkerung und für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen verwendet wird.

Bei der Darlegung der schwierigen Situation, in der sich Ihr Land gegenwärtig befindet, äußerten Sie, Herr Botschafter, den Wunsch nach der endgültigen Errichtung eines wirklichen Friedens. Das Streben nach Frieden ist tief im Herzen eines jeden Menschen vorhanden. Es ist daher unerläßlich, daß alle sich verpflichtet fühlen, einen echten und dauerhaften Frieden auf soliden und gerechten Grundlagen zu verwirklichen.

Wesentlich sind in dieser Hinsicht der Dialog und die Verständigung zwischen allen betroffenen Parteien. Dialog und Verständigung fördern das Gemeinwohl der Nation, da sie den Rückgriff auf Waffengewalt zur Überwindung von Differenzen, die niemals gewaltsam geregelt werden können, vermeiden.

Der Dialog ist nämlich ein Akt des Vertrauens in jeden Menschen, der die Fähigkeit zur Überwindung von Spaltungen in sich trägt; wenn es keinen Dialog gibt, ist der Friede immer bedroht.

Was die katholische Kirche betrifft, so ist sie sich bewußt, daß der Einsatz zum Aufbau von Frieden und Gerechtigkeit zur Sendung gehört, die sie von ihrem Gründer erhalten hat, und sie trägt mit den ihr eigenen Mitteln zur Errichtung und Festigung des Friedens in den Gesellschaften und unter den Völkern bei. Für sie ist wahrer Friede nur durch den Dialog möglich, der auf Vergebung und Versöhnung sowie auf die Achtung der Rechte eines jeden Menschen gegründet ist.

Sie ist jedoch auch davon überzeugt, daß dies die Notwendigkeit einschließt, die Anforderungen der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu berücksichtigen, die Voraussetzungen für eine echte Versöhnung sind.

Ich wünsche daher sehr, daß in Ihrem Land, Herr Botschafter, durch einen echten Dialog zwischen den betroffenen Parteien alle Gewaltakte aufhören und die Zeit der Versöhnung kommen möge, damit alle Tschader in Frieden leben und miteinander eine immer brüderlichere und solidarischere Gesellschaft aufbauen können.

Um dahin zu gelangen, wünsche ich auch, daß alle Regierenden der Region für das Wohl ihrer Völker den festen und überzeugten Entschluß zum Frieden und zur Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen und untereinander Beziehungen guter Nachbarschaft und Solidarität fördern mögen.

60 Bei diesem feierlichen Anlaß möchte ich durch Sie, Herr Botschafter, auch die katholische Gemeinschaft des Tschad grüßen, in Wertschätzung der Aufmerksamkeit, die Sie ihrer geistlichen Sendung und ihrem Wirken innerhalb der Gesellschaft entgegenbringen. Zusammen mit ihren Bischöfen gibt sie ein hochherziges Zeugnis von der Liebe, die die Jünger Christi für alle Menschen haben sollen. Ich fordere sie auf, um ihre Hirten vereint zu bleiben und eifrig an der Versöhnung und am Frieden zu arbeiten.

Jetzt, da Sie Ihre Sendung beim Heiligen Stuhl beginnen, spreche ich Ihnen meine besten Wünsche für eine gute Erfüllung Ihrer Aufgabe aus. Seien Sie versichert, daß Sie bei meinen Mitarbeitern stets das aufmerksame Entgegenkommen und das freundliche Verständnis finden werden, dessen Sie bedürfen. Von ganzem Herzen rufe ich auf Sie, Exzellenz, auf Ihre Mitarbeiter und Ihre Familie sowie auf das tschadische Volk und seine Regierenden die Fülle des göttlichen Segens herab.

AN HERRN AMITAVA TRIPATHI, NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK INDIEN Clementina-Saal

Donnerstag, 18. Mai 2006



Exzellenz!

Mit Freude begrüße ich Sie im Vatikan zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Indien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen herzlich für die Grüße, die Sie mir von seiten der Regierung Indiens und des indischen Volkes überbracht haben, und bitte Sie höflichst, Präsident Abdul Kalam meine Grüße und die Versicherung meines Gebetes für den Frieden und das Wohlergehen der Nation und ihrer Bewohner zu übermitteln.

Indiens stetes Bemühen um den Aufbau einer demokratischen und freien Gesellschaft gründet auf der Überzeugung der Nation, daß es geboten ist, die Vielfalt der Kulturen, Religionen und ethnischen Gruppen zu achten, aus denen sie sich zusammensetzt und die die Bestrebungen ihrer Söhne und Töchter prägt. Die Menschen Indiens sind mit Recht stolz auf die Stabilität ihrer politischen Institutionen, während sie sich gleichzeitig der beachtlichen Herausforderungen bewußt sind, denen sie gegenüberstehen: der Förderung der Gerechtigkeit, der Bekämpfung jeder Form von Gewalt und Extremismus und der Schaffung einer Atmosphäre des ruhigen und respektvollen Dialogs, der Zusammenarbeit und des Wohlwollens zwischen den verschiedenen Gruppen in dieser sehr großen und vielfältigen Gesellschaft. Während sich die Nation weiterhin eines bedeutenden Wirtschaftswachstums erfreut, sollten diese demokratischen Werte als Anregung und sichere Grundlage für eine gesunde Sozialpolitik dienen, die darauf abzielt, allen Bürgern am Wachstum Anteil zu schenken und seine Vorteile allen zugute kommen zu lassen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen versichern, daß die katholische Gemeinschaft Indiens den Wunsch besitzt, im Geiste der Zusammenarbeit und der Sorge für das Gemeinwohl sich ganz in das Leben der Nation einzubringen. Sie, Herr Botschafter, haben den Beitrag gewürdigt, den die geistlichen Erben des heiligen Apostels Thomas und des hl. Franz Xaver zum Wachstum des modernen Indien geleistet haben, vor allem im Bereich der Erziehung und der menschlichen Entwicklung. Die Kirche betrachtet diese Arbeit als grundlegenden Teil ihres Auftrags, die angeborene Würde und die Rechte jedes Menschen, der als Abbild Gottes, ihm ähnlich, geschaffen ist, zu verkünden, sowie als wichtigen Dienst am Aufbau einer gerechten, friedlichen und pluralistischen Gesellschaft. Wenn die Gaben und Talente aller Bürger, der Männer und Frauen, der Jungen und Alten, der Wohlhabenden ebenso wie der Armen, geschätzt und entwickelt werden, wird der ganzen Nation der Weg in eine Zukunft des Gedeihens und der sozialen Eintracht geebnet.

Ich weiß Ihre Bezugnahme auf das reiche geistliche Erbe Indiens und die Verpflichtung zu religiöser Toleranz und Achtung sehr zu schätzen. In Anbetracht dieser Verpflichtung sollte kein Bürger Indiens, besonders die Schwachen und Unterprivilegierten, jemals aus irgendeinem Grunde Diskriminierung erfahren - vor allem nicht wegen des ethnischen oder religiösen Hintergrundes oder der gesellschaftlichen Stellung. Die vor kurzem erfolgte Wiedererrichtung des Nationalen Integrationsrates und die Schaffung des Ministeriums für Minderheitenfragen in diesem Jahr bieten praktische Mittel für die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßig garantierten Gleichheit aller religiösen und sozialen Gruppen. Während sie das Recht jedes Bürgers und jeder Bürgerin auf das Bekenntnis und die Ausübung seines oder ihres Glaubens schützen, unterstützen sie auch die Bemühungen, Brücken zu schlagen zwischen den Minderheiten und der indischen Gesellschaft als ganzer und fördern so die nationale Integration und die Beteiligung aller an der Entwicklung des Landes. Die besorgniserregenden Anzeichen religiöser Intoleranz, die in einigen Regionen der Nation Unruhe gestiftet haben, einschließlich des zu mißbilligenden Versuches, deutlich diskriminierende Einschränkungen bezüglich des Grundrechtes der Religionsfreiheit gesetzlich festzuschreiben, müssen entschieden verworfen werden, da sie nicht nur verfassungswidrig sind, sondern auch im Gegensatz stehen zu den höchsten Idealen der Gründerväter Indiens, die an eine Nation glaubten, in der die verschiedenen Religionen und ethnischen Gruppen in friedlicher Koexistenz und gegenseitiger Toleranz leben.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, wie sehr der Heilige Stuhl den Wunsch Indiens schätzt, auf dem Verhandlungsweg und mit friedlichen Mitteln den langjährigen Konflikt mit dem Nachbarland Pakistan beizulegen. Das Erdbeben in Kaschmir im vergangenen Jahr mit seinen tragischen Verlusten an Menschenleben und der großen materiellen Zerstörung ließ die dringende Notwendigkeit deutlich werden, durch gemeinsame Bemühungen der Notlage entgegenzutreten, Hilfe für die Opfer bereitzustellen und die gewaltigen Wiederaufbauarbeiten in Angriff zu nehmen. Die Verstärkung von Dialog und Zusammenarbeit sollte außerdem dazu beitragen, sich weiteren Herausforderungen in der Region zu stellen, auch der Bedrohung durch die Gewalt, die mit politischem und religiösem Extremismus verbunden ist. Wie die Erfahrung zeigt, läßt sich dieses beunruhigende Phänomen, das häufig die Folge von Armut, fehlender Schulbildung und mangelnder Achtung der Rechte anderer ist, am besten mit vereinten Kräften bekämpfen, um die zugrundeliegenden sozialen Probleme an ihren Wurzeln zu lösen. Dort, wo die angeborene Würde und Freiheit jedes Mannes und jeder Frau auf allen Ebenen der Gesellschaft anerkannt, geachtet und gefördert werden, sind die Grundlagen gelegt für eine Zukunft der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens.

Exzellenz, ich bitte Sie, jetzt, zu Beginn ihrer Sendung als Vertreter der Republik Indien beim Heiligen Stuhl, meine persönlichen guten Wünsche für den Erfolg Ihrer wichtigen Arbeit entgegenzunehmen. Seien Sie versichert, daß Sie stets auf die Ämter der Römischen Kurie zählen können, die sie bei der Ausübung Ihrer hohen Verantwortung unterstützen werden. Auf Sie und Ihre Familie sowie auf das ganze geliebte indische Volk rufe ich von Herzen den reichen Segen des allmächtigen Gottes herab. AN HERRN DOMINGOS DIAS PEREIRA MASCARENHAS,

NEUER BOTSCHAFTER VON KAP VERDE


Clementina-Saal

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Donnerstag, 18. Mai 2006




Herr Botschafter!

Mit Freude empfange ich Eure Exzellenz anläßlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens, das Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter von Kap Verde beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben, und für die Grüße von seiten des Präsidenten der Republik, Seiner Exzellenz Pedro Verona Rodrigues Pires. Ich möchte Sie meinerseits bitten, ihm im Gegenzug meine aufrichtigen Wünsche des Segens und des Wohlergehens für seine Person und für die Gesamtheit des kapverdischen Volkes zu übermitteln.

Wie Sie in Ihrer Ansprache betonten, ist die Kirche auf den Kapverdischen Inseln bereits seit mehreren Jahrhunderten anwesend; dies hat den christlichen Glauben zu einem wesentlichen Bestandteil der Kultur und des geistlichen Erbes der Bevölkerung gemacht. Auch ist es wichtig, daß die Beziehungen zwischen Kirche und Staat sich harmonisch und mit Achtung ihrer Unabhängigkeit voneinander entwickeln, denn sie stehen alle beide - wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen - im Dienst der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung derselben Personen, auf der Suche nach dem Gemeinwohl.

Wie Sie wissen, Herr Botschafter, möchte die katholische Kirche zur ganzheitlichen Entwicklung der Völker beitragen. In der Tat muß die Armut, in der so viele Männer und Frauen leben, an das menschliche Gewissen appellieren. Sie stellt alle vor das dramatische Problem der Gerechtigkeit.

Unterentwicklung ist keine Fügung des Schicksals. Man muß ihr entschlossen und beharrlich entgegentreten, denn die Entwicklung ist, wie das Lehramt der Kirche oft in Erinnerung gerufen hat, nicht nur ein dringender Wunsch, sondern ein Recht: »Die Zusammenarbeit für die Entwicklung des ganzen Menschen und jedes Menschen ist ja eine Pflicht aller gegenüber allen« (Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis SRS 32).

Daher ist es notwendig, daß eine echte Solidarität gerechtere Beziehungen zwischen den Nationen sowie ihre menschliche und geistliche Entwicklung fördert. Solidarität muß nämlich nicht nur innerhalb der Gesellschaft geübt werden, sondern auch zwischen den Völkern, denn um einen Raum zu schaffen für Frieden und Stabilität, der wirtschaftliches Wachstum und politisches Gleichgewicht zuläßt, ist die vertrauensvolle und mutige Zusammenarbeit unerläßlich.

Daher wünsche ich von Herzen, daß die internationale Solidarität, vor allem zugunsten von Afrika, einen neuen Aufschwung erleben möge, damit dieser so schwer geprüfte Kontinent mit Entschiedenheit den Weg der ganzheitlichen Entwicklung, der Versöhnung und des Friedens einschlagen kann.

Außerdem tragen die vielfältigen Schwierigkeiten, die der afrikanische Kontinent kennt, dazu bei, das Phänomen der Migration auszuweiten und die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Probleme zu verschärfen. Wie Sie, Herr Botschafter, soeben hervorgehoben haben, wurde eine beachtliche Zahl von Kapverdiern auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in die Emigration gedrängt.

Gewiß, die Einwanderungsländer haben die Pflicht, die Immigranten brüderlich aufzunehmen und Gesetze zu erlassen, die ihre würdevolle Eingliederung in die Gesellschaft fördern, unter gleichzeitiger Achtung ihrer rechtmäßigen Identität.

Aber es ist ebenso notwendig, die sozio-ökonomischen Ungleichheiten und die Gefahren einer ungeregelten Globalisierung in Betracht zu ziehen, ebenso wie Situationen der Gewalt oder Verletzungen der Menschenrechte, die wichtige Migrationsfaktoren sind. Die internationale Solidarität sollte es jedem Menschen erlauben, im eigenen Land in Würde zu leben und die vom Schöpfer empfangenen Gaben zur Anwendung zu bringen.


ANSPRACHE 2006 54