Benedikt XVI Predigten 66
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Mittwoch, 13. September 2006
Liebe Freunde!
Dieses altehrwürdige Gotteshaus, die Basilika Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle, ist prachtvoll renoviert – wir sehen es – und erhält mit dem heutigen Tag eine neue Orgel, die in dieser Stunde gesegnet und so feierlich ihrem Zweck, der Verherrlichung Gottes und der Auferbauung des Glaubens, übergeben wird.
Von einem Kanoniker dieses Stiftes, Carl Joseph Proske, gingen im 19. Jahrhundert wesentliche Impulse zur Erneuerung der Kirchenmusik aus. Der gregorianische Choral und die altklassische Vokalpolyphonie wurden in den liturgischen Ablauf integriert. Die Pflege der liturgischen Kirchenmusik in der Alten Kapelle war von überregionaler Bedeutung und machte Regensburg zu einem Zentrum der kirchenmusikalischen Reformbewegung, deren Auswirkung bis in die Gegenwart reicht.
In der Liturgie-Konstitution des II. Vaticanums (Sacrosanctum Concilium ) wird verdeutlicht, daß „der mit dem Wort verbundene gottesdienstliche Gesang ein notwendiger und integrierender Bestandteil der feierlichen Liturgie ist“ (vgl. Nr. 112). Das bedeutet, daß Musik und Gesang mehr sind als eine (auch überflüssige) Zierde des Gottesdienstes: Sie gehören zum Vollzug der Liturgie, ja, sind selbst Liturgie. Feierliche Kirchenmusik mit Chor, Orgel, Orchester und Volksgesang ist also keine die Liturgie umrahmende und verschönende Zutat, sondern eine wichtige Weise tätiger Teilnahme am gottesdienstlichen Geschehen. Die Orgel wird seit alters und zu Recht als die Königin der Instrumente bezeichnet, weil sie alle Töne der Schöpfung aufnimmt und – es wurde gerade gesagt – die Fülle des menschlichen Empfindens von der Freude bis zur Traurigkeit, vom Lob bis zur Klage zum Schwingen bringt. Darüber hinaus weist sie, wie alle gute Musik, über das Menschliche hinaus auf das Göttliche hin. Die Vielfalt ihrer Klangfarben, vom Leisen bis zum überwältigenden Fortissimo, erhebt sie über alle anderen Instrumente. Alle Bereiche des menschlichen Seins kann sie zum Klingen bringen. Die vielfältigen Möglichkeiten der Orgel mögen uns irgendwie an die Unbegrenztheit und Herrlichkeit Gottes erinnern.
Im Psalm 150, den wir eben gehört und innerlich mitgebetet haben, werden Hörner und Flöten, Harfen und Zithern, Zimbeln und Pauken genannt, all diese Instrumente sollen zum Lob des dreifaltigen Gottes beitragen. In einer Orgel müssen die vielen Pfeifen und die Register eine Einheit bilden. Klemmt es hier oder dort, ist eine Pfeife verstimmt, dann ist dies zunächst vielleicht nur für ein geübtes Ohr vernehmbar. Sind mehrere Pfeifen nicht mehr richtig gestimmt, gibt es Disharmonien, und es wird unerträglich. Auch die Pfeifen dieser Orgel sind Temperaturschwankungen und Ermüdungseinflüssen ausgesetzt. Das ist ein Bild für unsere Gemeinschaft in der Kirche. Wie in der Orgel eine berufene Hand immer wieder die Disharmonien zum rechten Klang vereinen muß, so müssen wir auch in der Kirche in der Vielfalt der Gaben und der Charismen immer neu durch die Gemeinschaft des Glaubens den Einklang im Lob Gottes und in der geschwisterlichen Liebe finden. Je mehr wir uns durch die Liturgie in Christus verwandeln lassen, um so mehr werden wir fähig sein, auch die Welt zu verwandeln, indem wir die Güte, die Barmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit Christi ausstrahlen.
Die großen Komponisten haben je auf ihre Weise mit ihrer Musik letztlich Gott verherrlichen wollen. Johann Sebastian Bach hat viele seiner Partituren mit den Buchstaben S.D.G. überschrieben; Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre. Und Anton Bruckner setzte den Satz voraus: Dem lieben Gott gewidmet. Mögen alle Besucher dieser herrlichen Basilika von der Pracht dieses Bauwerkes über die Liturgie mit dem Wohlklang der neuen Orgel und dem festlichen Gesang zur Freude am Glauben geführt werden. Das ist mein Wunsch am Tag der Einweihung dieser neuen Orgel.
Großer Gott,
du willst, dass wir Menschen dir
in der Freude des Herzens dienen.
Deshalb lassen wir Musik und Instrumente
zu deinem Lob erklingen.
Du hast deinem Diener Mose
den Auftrag gegeben,
Posaunen anzufertigen,
damit sie bei der Feier des Opfers erschallen.
Mit Flöten - und Harfenklang
hat das auserwählte Volk
dir seine Loblieder gesungen.
Dein Sohn ist Mensch geworden
und hat jenen Lobgesang
auf diese Erde gebracht,
der im Himmel durch alle Ewigkeit erklingt.
Der Apostel mahnt uns,
dir aus vollem Herzen zu singen
und zu jubeln.
In dieser festlichen Stunde bitten wir dich:
Segne + diese Orgel,
damit sie zu deiner Ehre ertöne
und unsere Herzen emporhebe zu dir.
Wie die vielen Pfeifen
sich in einem Klang vereinen,
so lass uns als Glieder deiner Kirche
in gegenseitiger Liebe
und Brüderlichkeit verbunden sein,
Damit wir einst mit allen Engeln und Heiligen
in den ewigen Lobgesang
deiner Herrlichkeit einstimmen.
Das gewähre uns durch Christus,
unseren Herrn.
Amen.
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Kathedrale Hl. Maria und Hl. Korbinian, Freising
Donnerstag, 14. September 2006
Liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Schwestern und Brüder!
Dies ist für mich ein Augenblick der Freude und einer großen Dankbarkeit – Dankbarkeit für alles, was ich auf diesem Pastoralbesuch in Bayern erleben und empfangen durfte. So viel Herzlichkeit, so viel Glaube, so viel Freude an Gott, daß es mich tief getroffen hat und als Quelle neuer Kraft mit mir geht. Dankbarkeit dann besonders dafür, daß ich nun am Ende noch in den Freisinger Dom zurückkehren durfte und daß ich ihn in seiner leuchtenden neuen Gestalt sehen darf. Dank Kardinal Wetter, Dank den anderen beiden bayerischen Bischöfen, Dank aber allen, die mitgearbeitet haben, Dank der Vorsehung, die die Renovierung des Domes ermöglicht hat, der nun in dieser neuen Schönheit dasteht! Jetzt, da ich in diesem Dom stehe, steigen so viele Erinnerungen in mir wieder auf, auch wenn ich die alten Weggefährten sehen darf, und die jungen Priester, die die Botschaft, die Fackel des Glaubens, weitertragen. Es tauchen die Erinnerungen daran auf – Kardinal Wetter hat es eben schon angedeutet –, wie ich hier bei der Priesterweihe auf dem Boden hingestreckt lag und, gleichsam eingehüllt in die Allerheiligenlitanei, in die Bitte aller Heiligen, wußte, daß wir auf diesem Weg nicht allein sind, sondern daß die große Schar der Heiligen mit uns geht und daß die lebendigen Heiligen, die Gläubigen von heute und von morgen, uns mittragen und begleiten. Dann der Augenblick der Handauflegung… und schließlich, als Kardinal Faulhaber uns das Wort Jesu zurief: „Iam non dico vos servos, sed amicos“ - „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde“, da habe ich Priesterweihe erfahren als Einweihung in die Gemeinschaft der Freunde Jesu, die gerufen sind, mit ihm zu sein und seine Botschaft zu verkünden.
Erinnerung dann daran, daß ich hier selbst Priester und Diakone weihen durfte, die nun im Dienst des Evangeliums stehen und die Botschaft durch viele Jahre hindurch – und es sind jetzt schon Jahrzehnte! – weitergetragen haben und immer noch weitertragen. Und dann denke ich natürlich an die Korbinian-Prozessionen. Damals war es noch so, daß man den Schrein öffnete. Und da der Bischof hinter dem Schrein stand, konnte ich direkt auf den Schädel des heiligen Korbinian schauen und mich in der Prozession der Jahrhunderte sehen, die den Weg des Glaubens geht – sehen, daß wir in dieser großen „Prozession aller Zeiten“ mitgehen dürfen und sie fortführen in die Zukunft hinein, was ganz deutlich wurde, wenn der Weg durch den Kreuzgang und an den vielen dort versammelten Kindern vorbeiführte, denen ich das Segenskreuz aufdrücken durfte. In diesem Augenblick spüren wir es wieder, daß wir in der großen Prozession, in der Pilgerschaft des Evangeliums stehen, daß wir zugleich Pilger und Pilgerführer sein dürfen und daß wir denen nachgehen, die Christus nachgegangen sind, mit ihnen ihm selbst nachgehen und so ins Licht hinein gehen.
Jetzt sollte ich zur eigentlichen Predigt kommen, und da möchte ich nur auf zwei Punkte näher eingehen. Der eine bezieht sich auf das eben vorgetragene Evangelium, das wir alle so oft gehört und ausgelegt und in unserem Herzen betrachtet haben. „Die Ernte ist groß“, sagt der Herr. Und wenn er sagt: „…ist groß“, dann meint er es nicht nur für jenen Augenblick und für die Wege Palästinas, über die er in seinem Erdenleben pilgerte, dann gilt das auch für heute. Das heißt: In den Herzen der Menschen wächst Ernte. Das heißt, noch einmal: In ihnen ist das Warten auf Gott da. Das Warten auf eine Weisung, die Licht ist, die den Weg zeigt. Das Warten auf ein Wort, das mehr ist als Wort. Das Hoffen, das Warten auf die Liebe, die über den Augenblick hinaus uns ewig trägt und empfängt. Die Ernte ist groß und wartet in allen Generationen auf Erntearbeiter. Und in unterschiedlicher Weise gilt in allen Generationen auch immer das andere Wort: „Der Arbeiter sind wenige“.
„Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter sendet!“ Das bedeutet: Die Ernte ist da, aber Gott will sich der Menschen bedienen, damit sie eingebracht werde. Gott braucht Menschen. Er braucht solche, die sagen: Ja, ich bin bereit, dein Erntearbeiter zu werden, ich bin bereit zu helfen, daß diese Ernte, die in den Menschen reift, wirklich in die Scheunen der Ewigkeit eingehen und Gottes ewige Gemeinschaft der Freude und der Liebe werden kann. „Bittet den Herrn der Ernte!“ Das will auch sagen: Wir können Berufungen nicht einfach „machen“, sie müssen von Gott kommen. Wir können nicht, wie vielleicht in anderen Berufen, durch gezieltes Management, entsprechende Strategien sozusagen, einfach Leute rekrutieren. Die Berufung muß immer den Weg vom Herzen Gottes aus zum Herzen des Menschen finden. Und trotzdem: Gerade, damit sie im Herzen der Menschen ankommen kann, ist auch unser Mittun gefordert. Den Herrn der Ernte darum bitten, das bedeutet gewiß zu allererst, daß wir darum beten, daß wir an seinem Herzen rütteln und sagen: „Tu es doch! Wecke die Menschen auf! Entzünde in ihnen die Begeisterung für das Evangelium und die Freude daran! Laß sie erkennen, daß es der Schatz über allen Schätzen ist und daß, wer es entdeckt hat, es weitergeben muß!“
Wir rütteln am Herzen Gottes. Aber Gott bitten geschieht eben nicht nur in den Gebetsworten, sondern darin, daß aus Wort Tun wird, daß aus unserem betenden Herzen dann der Funke der Freude an Gott, der Freude am Evangelium, der Bereitschaft zum „Ja-sagen“ in die anderen Herzen überspringt. Als betende Menschen, als von seinem Licht Erfüllte, kommen wir zu den anderen, ziehen sie in unser Gebet und so in die Gegenwart Gottes hinein, der dann das Seine tut. In diesem Sinn wollen wir immer neu den Herrn der Ernte bitten, an seinem Herzen rütteln und mit ihm in unserem Gebet auch die Herzen der Menschen anrühren, daß Gott nach seinem Willen darin das „Ja“ reifen lasse, die Bereitschaft; und dann die Beständigkeit, durch all die Wirrnisse der Zeit, durch die Hitze des Tages und auch durch das Dunkel der Nacht treu in seinem Dienst zu bleiben und von ihm her immer wieder zu erkennen – auch wenn es mühselig ist –, daß diese Mühsal schön ist, daß sie nützlich ist, weil sie zum Eigentlichen hilft, daß nämlich Menschen das empfangen, worauf sie bauen: Gottes Licht und Gottes Liebe.
Der zweite Punkt, den ich behandeln möchte, ist eine ganz praktische Frage. Die Zahl der Priester ist geringer geworden, auch wenn wir in diesem Augenblick sehen dürfen, daß es uns wirklich gibt, daß auch heute junge und alte Priester da sind, und daß junge Menschen vorhanden sind, die sich auf den Weg zum Priestertum machen. Aber die Lasten sind schwerer geworden: Zwei, drei, vier Pfarreien zusammen zu betreuen und dies mit all den neuen Aufgaben, die hinzugekommen sind, das kann entmutigend sein. Immer wieder wird die Frage an mich herangetragen, jeder einzelne stellt sie sich, stellt sie seinen Mitbrüdern: Wie sollen wir denn das machen? Ist das nicht ein Beruf, der uns ausbrennt, in dem wir am Ende eben keine Freude mehr haben können, weil wir sehen, daß es rundherum nicht reicht, was wir auch tun mögen? All das überfordert uns!
Was soll man dazu sagen? Nun, ich kann natürlich keine Patentrezepte geben, aber ich möchte doch ein paar Grundregeln vermitteln. Die erste nehme ich aus dem Philipperbrief (vgl. 2, 5-8), wo der heilige Paulus allen – und natürlich ganz besonders denen, die im Erntefeld Gottes arbeiten – sagt, daß wir „die Gesinnung Jesu Christi“ haben sollen. Seine Gesinnung war es, daß er es angesichts des Menschenschicksals in seiner Herrlichkeit gleichsam nicht mehr aushielt, sondern heruntersteigen und das Unglaubliche, die ganze Armseligkeit eines menschlichen Lebens annehmen mußte bis in die Stunde des Kreuzesleidens hinein. Das ist die Gesinnung Jesu Christi: sich gedrängt fühlen, zu den Menschen das Licht des Vaters zu bringen, ihnen zu helfen, damit Reich Gottes aus ihnen und in ihnen werde. Und die Gesinnung Jesu Christi ist es zugleich, daß er immer zutiefst in der Gemeinschaft mit dem Vater verwurzelt, in sie eingesenkt ist. Wir sehen es sozusagen äußerlich daran, daß die Evangelisten uns immer wieder erzählen, daß er sich auf den Berg zurückzieht, er allein, um zu beten. Sein Wirken kommt aus dem Eingesenktsein in den Vater: Gerade dieses Eingesenktsein in den Vater bedeutet, daß er herausgehen und durch alle Dörfer und Städte ziehen muß, um Gottes Reich, das heißt seine Gegenwart, sein „Dasein“ mitten unter uns zu verkündigen, damit es in uns Gegenwart werde und durch uns die Welt verwandle, damit sein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, und der Himmel auf die Erde komme. Diese beiden Aspekte gehören zur Gesinnung Jesu Christi: Einerseits Gott von innen her kennen, Christus von innen her kennen, mit ihm beieinander sein. Nur wenn das gegeben ist, entdecken wir den „Schatz“ wirklich. Und dann müssen wir andererseits auch zu den Menschen gehen, dann können wir ihn nicht für uns behalten und müssen ihn weitergeben.
Diese Grundregel der Gesinnung Jesu Christi mit ihren beiden Seiten würde ich dann ins Praktische noch einmal umsetzen und sagen: Es muß das Miteinander von Eifer und Demut, das heißt der Anerkennung der eigenen Grenzen, geben. Einerseits der Eifer: Wenn wir Christus wirklich immer neu begegnen, können wir ihn nicht für uns behalten. Dann drängt es uns, zu den Armen, zu den Alten, zu den Schwachen und ebenso auch zu den Kindern und zu den Jugendlichen, zu den Menschen auf der Höhe des Lebens zu gehen, dann drängt es uns, „Evangelisten“, Apostel Jesu Christi zu sein. Aber dieser Eifer, damit er nicht leer wird und uns zerstört, muß sich mit der Demut, der Bescheidung, mit der Annahme unserer Grenzen verbinden. So vieles müsste getan werden – ich sehe, ich kann es nicht. Das gilt für die Pfarrer – ich ahne wenigstens, wie sehr – das gilt auch für den Papst; der sollte so viel tun! Und meine Kräfte reichen einfach nicht dafür aus. So muß ich lernen, das zu tun, was ich kann, und das andere Gott und den Mitarbeitern zu überlassen und zu sagen: „Am Ende mußt es ja Du machen, denn die Kirche ist Deine Kirche. Und Du gibst mir nur so viel Kraft, wie ich eben habe. Sie sei Dir geschenkt, denn sie kommt von Dir, aber das andere überlasse ich eben Dir.“ Ich glaube, diese Demut, das anzunehmen – „Hier hört meine Kraft auf, ich überlasse es Dir, Herr, daß Du das andere tust“ – diese Demut ist entscheidend. Und dann darauf vertrauen: Er wird mir auch Mitarbeiter schenken, die weiterhelfen und die tun, was ich nicht kann.
Und noch einmal, auf eine dritte Ebene „übersetzt“, heißt dieses Miteinander von Eifer und Bescheidung dann auch das Miteinander von Dienst in all seinen Dimensionen und von Innerlichkeit. Wir können den anderen nur dienen, wir können nur geben, wenn wir auch selbst empfangen, wenn wir selber nicht leer werden. Und darum gibt uns die Kirche gleichsam die Freiräume vor, die einerseits Räume dieses neuen inneren „Aus- und Einatmens“ und andererseits zugleich Mittelpunkt und Quellgründe des Dienens sind. Da ist zunächst die tägliche Feier der Heiligen Messe: Vollziehen wir sie nicht wie etwas, das eben „dran ist“ und das ich halt „machen muß“, sondern feiern wir sie von innen her! Geben wir uns in die Worte, in die Handlungen, in das Geschehen hinein, das da wahr ist! Wenn wir die Messe betend feiern, wenn wir dieses „Dies ist mein Leib“ wirklich aus der Gemeinschaft mit Jesus Christus heraus sprechen, der uns die Hände aufgelegt hat und uns ermächtigt hat, mit diesem seinem Ich zu sprechen, wenn wir glaubend und betend von innen her Eucharistie begehen, dann ist sie nicht eine äußere Pflicht, dann ist die „ars celebrandi“ von selbst da, die eben darin besteht, es vom Herrn her und mit ihm und so recht für die Menschen zu tun. Dann werden wir dabei selbst immer neu beschenkt und bereichert, und geben zugleich das, was mehr ist als unser Eigenes, nämlich die Gegenwart des Herrn, an die Menschen weiter.
Der andere Freiraum, den uns die Kirche sozusagen auflegt und dadurch auch befreiend vorgibt, ist das Stundengebet. Versuchen wir, es wirklich mitzubeten, mitzubeten mit dem Israel des Alten und des Neuen Bundes, mitzubeten mit den Betern aller Jahrhunderte, mitzubeten mit Jesus Christus als dem tiefsten Ich, dem tiefsten Subjekt dieser Gebete. Und indem wir so beten, nehmen wir auch die anderen Menschen, die dafür nicht Zeit oder Kraft oder Fähigkeit haben, ins Beten hinein. Wir selber als betende Menschen beten stellvertretend für die anderen und tun damit einen pastoralen Dienst ersten Grades. Dies ist nicht ein Rückzug ins Private, sondern dies ist eine pastorale Priorität, dies ist ein seelsorgliches Tun, in dem wir selber neu Priester werden, neu von Christus angefüllt werden, die anderen in die betende Kirche hineinnehmen und zugleich die Kraft des Gebetes, die Gegenwart Jesu Christi, hineinströmen lassen in diese Welt.
Das Motto dieser Tage hat gelautet: „Wer glaubt, ist nie allein“. Dieses Wort gilt und soll gelten gerade auch für uns Priester, für jeden von uns. Und wieder gilt es in einem doppelten Sinn: Wer Priester ist, ist nie allein, weil Jesus Christus immer bei ihm ist. Er ist bei uns; seien wir auch bei ihm! Aber es muß auch in dem anderen Sinn gelten: Wer Priester wird, wird in ein Presbyterium hineingefügt, in eine Gemeinschaft von Priestern mit dem Bischof. Und er ist Priester im Mitsein mit seinen Mitbrüdern. Mühen wir uns darum, daß dies nicht nur eine theologische und juristische Vorgabe bleibt, sondern daß es für jeden von uns erfahrbar wird. Schenken wir uns dieses Mitsein, gerade denen, von denen wir wissen, daß sie unter Einsamkeit leiden, daß Fragen und Nöte auf sie hereinstürzen, vielleicht Zweifel und Ungewißheit! Schenken wir uns dieses Mitsein, dann werden wir in diesem Mitsein mit dem anderen, mit den anderen um so mehr und um so freudiger immer neu auch das Mitsein Jesu Christi erleben. Amen.
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Internationaler Flughafen "Franz Joseph Strauss", München
Donnerstag, 14. September 2006
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
meine verehrten Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
sehr geehrte Damen und Herren!
Im Moment, da ich Bayern verlasse, um nach Rom zurückzukehren, möchte ich an alle, die hier zugegen sind – und in ihnen an alle Bürger meiner Heimat – einen herzlichen Gruß und ein Wort eines wirklich ganz von Herzen tief empfundenen Dankes sagen. Unauslöschlich trage ich in meinem Herzen den bewegenden Eindruck, den die Begeisterung und die spürbar starke Religiosität der großen Massen von Gläubigen in mir ausgelöst hat, die in andächtiger Sammlung beim Hören des Wortes Gottes und im Gebet verharrten und mich auf Straßen und Plätzen begrüßt haben. Ich habe bemerken können, wie viele Menschen in Bayern sich auch jetzt bemühen, in Gemeinschaft mit ihren Hirten auf den Wegen Gottes zu gehen, und sich engagieren, um ihren Glauben in der heutigen säkularisierten Welt zu bezeugen und als formende Kraft gegenwärtig werden zu lassen. Dank dem unermüdlichen Einsatz der Organisatoren hat alles in Ruhe und Ordnung und in Freudeablaufen können. Eben darum ist mein erstes Wort bei diesem Abschied ein Wort des Dankes an alle, die dafür mitgeholfen haben. Herzlich „Vergelt’s Gott“ kann auch ich nur sagen.
Zunächst natürlich denke ich an Sie, Herr Ministerpräsident, dem ich für die Worte danke, die Sie gesprochen haben und in denen Sie ein großes Zeugnis für unseren christlichen Glauben als formende Kraft unseres öffentlichen Lebens abgelegt haben. Herzlichen Dank dafür! Ich danke den staatlichen und kirchlichen Persönlichkeiten, die hier zusammengekommen sind, besonders denen, die zum vollständigen Gelingen dieses Besuches beigetragen haben, bei dem ich überall freudig mir verbundene Menschen dieses Landes begegnen konnte, denen auch ich im Herzen immer tief verbunden bleibe. Es waren intensive Tage, und in meinem Gedächtnis konnte ich viele Ereignisse der Vergangenheit, die mein Leben geprägt haben, noch einmal neu erleben. Überall bin ich mit größter Zuvorkommenheit und Aufmerksamkeit, ich muß mehr sagen: mit größter Herzlichkeit empfangen worden; das hat mich tief beeindruckt. Ich kann mir die Schwierigkeiten, die Sorgen und Mühen wohl einigermaßen vorstellen, die die Organisation meines Besuches in Bayern mit sich gebracht hat: Viele Menschen aus den Dienststellen der Kirche, aus zivilen Behörden sowohl des Landes als auch des Staates wie vor allem auch eine ganz große Zahl von freiwilligen Helfern waren damit beschäftigt. Allen sage ein ganz herzliches „Vergelt’s Gott“, mit der Zusicherung meines Gebetes für Euch alle.
Ich bin nach Deutschland, nach Bayern, gekommen, um meinen Landsleuten die immerwährenden Wahrheiten des Evangeliums als gegenwärtige Wahrheit und Kraft nahezubringen und die Gläubigen zu stärken in der Treue zu Christus, dem Sohn Gottes, der Mensch geworden ist zu unserem Heil. Im Glauben bin ich gewiß, daß sich in ihm, in seinem Wort, der Weg finden läßt, um nicht nur die ewige Glückseligkeit zu erlangen, sondern auch um eine menschenwürdige Zukunft schon auf dieser unserer Erde zu bauen. Von diesem Bewußtsein angetrieben, hat die Kirche unter der Führung des Geistes die Antworten auf die Herausforderungen, die im Laufe der Geschichte auftraten, immer neu im Wort Gottes gefunden. Das hat sie ganz speziell auch für die Probleme zu tun versucht, die sich vor allem von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an im Zusammenhang mit der sogenannten „Arbeiterfrage“ stellten. Ich unterstreiche das bei diesem Anlaß, weil gerade heute, am 14. September, der 25. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Laborem exercens ist, in der der große Papst Johannes Paul II. die Arbeit als eine „fundamentale Dimension menschlicher Existenz auf Erden“ bezeichnet (Nr. 4) und daran erinnert hat, daß „die erste Grundlage für den Wert der Arbeit der Mensch selbst ist“ (Nr.6). Sie ist darum „ein Gut für den Menschen“, merkte er an, „weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen »mehr Mensch wird«“ (Nr. 9). Auf der Basis dieser Grundintuition gab der Papst in der Enzyklika einige Orientierungen, die bis heute aktuell sind. Auf diesen Text, der durchaus prophetischen Wert besitzt, möchte ich auch die Bürger meiner Heimat verweisen, weil ich sicher bin, daß seine praktische Anwendung auch für die heutige gesellschaftliche Situation in Deutschland von großem Nutzen sein wird.
Zum Abschied von meiner geliebten Heimat vertraue ich nun Gegenwart und Zukunft Bayerns und ganz Deutschlands der Fürsprache aller Heiligen an, die im treuen Dienst Christi auf deutschem Boden gelebt und in ihrem Leben die Wahrheit jener Worte erfahren haben, welche die verschiedenen Stationen des Besuches als Leitmotiv begleitet haben: „Wer glaubt, ist nie allein.“ Diese Erfahrung hat sicher auch der Autor unseres Bayernhymnus gemacht. Mit seinen Worten, mit den Worten unserer Hymne, die auch ein Gebet sind, möchte ich meiner Heimat gern noch einen Segenswunsch hinterlassen: „Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland! / Über deinen weiten Gauen ruhe seine Segenshand! / Er behüte deine Fluren, schirme deiner Städte Bau / Und erhalte dir die Farben seines Himmels weiß und blau!“
Allen ein herzliches „Vergelt’s Gott“ und: "Auf Wiedersehen!", so Gott will.
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Freitag, 15. September 2006
Eminenzen,
Exzellenzen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!
Ich kann diese Begegnung nicht abschließen, ohne noch ein Wort anzufügen, das mir in diesem Augenblick aus dem Herzen kommt. Es ist in gewissem Sinne ein trauriger Augenblick; aber vor allem ist es ein Augenblick tiefer Dankbarkeit. Sie, Eminenz, haben mit mehreren Päpsten gearbeitet und am Ende mit mir, als Staatssekretär, mit der Hingabe, der Kompetenz und dem Willen zu dienen, von denen ich bereits gesprochen habe. Ich möchte, indem ich mich Ihrer Rede anschließe, meinen Dank auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auf alle Päpstlichen Vertretungen in der Welt ausweiten. Ich habe immer mehr verstanden, daß nur dieses große Netz der Zusammenarbeit es ermöglicht, dem Auftrag des Herrn nachzukommen: »Confirma fratres tuos in fide«. Nur kraft des Zusammenflusses all dieser Kompetenzen, nur kraft der Demut eines fleißigen und äußerst fachkundigen Einsatzes vieler Menschen kann am Ende dieses »Stärken der Brüder« geschehen, in dem der Papst dem Herrn gehorsam ist. Er kann dank dieser weitreichenden Zusammenarbeit seine Sendung angemessen durchführen.
Erst in den letzten Jahren, als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, habe ich immer mehr verstanden, welch hohes Maß an Kompetenz hier herrscht, wieviel Hingabe, Demut und Wille, wirklich dem Herrn in seiner Kirche zu dienen. Diese Arbeit an der Kurie ist in Wahrheit Pastoralarbeit in einem herausragenden Sinne, weil sie wirklich hilft, das Volk Gottes auf grüne Auen zu führen – wie es im Psalm heißt –, wo das Wort Gottes gegenwärtig ist und uns unser ganzes Leben lang nährt.
Eminenz, ich habe in den letzten Wochen darüber nachgedacht, was ich Ihnen als Zeichen meiner Dankbarkeit in diesem Augenblick geben könnte. Ich hatte die Freude, von Ihnen auf meiner Pastoralreise nach Bayern begleitet zu werden. Wir haben wichtige Bischofssitze besucht – München, Regensburg sowie den alten Bischofssitz Freising – und auch Altötting, sozusagen unser Nationalheiligtum, das seit Jahrhunderten das »Herz« Bayerns genannt wird. Es ist das wahre »Herz« dieses Landes, weil wir dort der Mutter und damit dem Herrn begegnen. Dort finden wir in allen Wechselfällen der Geschichte, in allen Schwierigkeiten, die es auch in der Gegenwart gibt, mit dem Schutz der Mutter auch wieder die Freude des Glaubens. Dort erneuert sich unser Volk.
Sie, Herr Kardinal, waren Zeuge der Tatsache, daß der Bischof von Passau mir zum ewigen Andenken eine Nachbildung der Statue der Gottesmutter aus dem 15. Jahrhundert überreicht hat, die stets aufs neue die Pilger anzieht, die die Liebe unser aller Mutter erfahren möchten. Ich konnte eine getreue Nachbildung – es gibt auch weniger wertvolle Nachbildungen – der Gottesmutter von Altötting bekommen. Und ich denke, daß diese Gottesmutter von Altötting das Zeichen nicht nur meiner immerwährenden Dankbarkeit, sondern auch das Zeichen unserer Verbundenheit im Gebet sein könnte. Die Gottesmutter sei stets an Ihrer Seite, beschütze und leite Sie immer. Dies ist der Ausdruck meines aufrichtigen Dankes.
Samstag, 16. September 2006
Herr Botschafter!
Die herzliche und feierliche Geste der Überreichung des Schreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Slowenien beim Apostolischen Stuhl akkreditiert werden, ruft die tausendjährigen Beziehungen zwischen dem Nachfolger Petri und dem geliebten Volk in Erinnerung, das Sie hier vertreten. Seien Sie willkommen, Herr Botschafter. Ich bin sicher, daß die Empfindungen, denen Sie soeben in den an mich gerichteten Worten Ausdruck verliehen haben, die tiefen Überzeugungen ihrer Mitbürger gegenüber dem Papst widerspiegeln. Diese aufrichtigen Worte nehme ich mit wirklicher Freude zur Kenntnis und spreche den Obrigkeiten, die Sie hier akkreditieren, insbesondere dem Präsidenten der Republik, Seiner Exzellenz Herrn Janez Drnovšek, meine Dankbarkeit und Wertschätzung aus. Die Republik Slowenien pflegt in ihrer natürlichen Freiheit einen fruchtbaren, konstruktiven Dialog mit den in ihrem Land tätigen kirchlichen Institutionen und erkennt deren positiven Beitrag zum Leben der Nation an. Dies bestätigt, daß die katholischen Traditionen, die das slowenische Volk von jeher prägen, einen wertvollen Schatz darstellen, aus dem es zu schöpfen gilt, um die tiefste und echte Identität dieses edlen Landes zum Ausdruck zu bringen.
In diesem Rahmen haben sich die herzlichen Beziehungen zwischen den Slowenen und dem Stuhl Petri auf fruchtbringende Weise entwickelt: Ein Zeugnis dafür sind bis heute die guten bilateralen Beziehungen, auf die Sie vorhin zu recht hingewiesen haben. Seit den ersten Jahrhunderten des Christentums hat die Kraft des Evangeliums in Slowenien gewirkt, wie es die Existenz der Heiligen zeigt, unter ihnen die hll. Victorinus von Poetovio und Maximianus: Ihr Zeugnis trug zur Durchsetzung des christlichen Glaubens unter den Völkern bei, die im 7. Jahrhundert im heutigen Slowenien eine Heimat fanden. Und wie sollten wir nicht an die Gestalt des seligen Bischofs Anton Martin Slomšek denken, der in jüngerer Zeit das nationale Wiedererwachen förderte und durch sein kostbares Wirken zur Formung des slowenischen Volkes beitrug? Christentum und nationale Identität sind eng miteinander verknüpft, und es ist daher natürlich, daß ein tiefer Einklang besteht zwischen dem Bischof von Rom und dem edlen Volk, das in Ihnen hier und heute seinen Vertreter und seine Stimme hat.
Das Ergebnis dieses intensiven und konstruktiven Dialogs, der auch von den traurigen Ereignissen des vergangenen Jahrhunderts nicht unterbrochen wurde, ist das Abkommen zwischen der Republik Slowenien und dem Heiligen Stuhl über Rechtsfragen vom 14. Dezember 2001. Es handelt sich um eine bedeutende Vereinbarung, deren treue Umsetzung die gegenseitigen Beziehungen und die Zusammenarbeit zur Förderung des einzelnen Menschen und des Gemeinwohls (vgl. Art. 1) mit Sicherheit stärken wird, unter Anerkennung der legitimen Laizität des Staates. Wie Sie richtig angemerkt haben, gibt es trotzdem noch offene Fragen, die auf eine entsprechende Lösung warten. Da ich die Hochachtung und Zuneigung der Slowenen dem Papst gegenüber kenne, bin ich sicher, daß ihre Vertreter auf politischer Ebene ihren Traditionen, Empfindungen und ihrer Kultur richtigen Ausdruck zu geben wissen. In der Tat hat das slowenische Volk das Recht, zu seiner christlichen Seele zu stehen und sie geltend zu machen, denn sie hat seine Identität gestaltet und das Land in den europäischen Rahmen eingefügt, dessen tiefste Wurzeln ihre Kraft aus der Saat des Evangeliums schöpfen, die seit fast zwei Jahrtausenden in Europa wirksam ist.
Die Aufgabe, vor der die Verantwortlichen heute stehen, ist es, geeignete Wege zu finden, um den jungen Generationen die Kenntnis und Anerkennung der Werte der Vergangenheit nahezubringen und sie zu befähigen, das reiche, ihnen hinterlassene Erbe in das eben angebrochene Jahrtausend weiterzutragen. Sie müssen daher die Möglichkeit haben, konkrete und genaue Kenntnisse über die kulturellen, ethischen und religiösen Grundlagen zu erwerben, auf die die Nation im Laufe der Jahrhunderte gebaut wurde. Es wäre wahrhaft kurzsichtig, die Offenheit der jungen Menschen für das Kennenlernen der geschichtlichen Wurzeln nicht zu stärken, aus denen der nötige Lebenssaft fließt, um der Nation erneut eine fruchtbringende Zeit zu sichern. In diesem Sinne darf man der Frage ihrer Ausbildung auch hinsichtlich der von der Bevölkerungsmehrheit getragenen religiösen Werte nicht ausweichen, wenn man nicht einen fortschreitenden Verlust der kennzeichnenden Züge des nationalen Charakters riskieren möchte. Es steht die Achtung der Freiheit der Bürger auf dem Spiel, über die die Republik Slowenien aufmerksam wacht, und auch der Apostolische Stuhl wünscht, daß sie im Geiste des obengenannten Abkommens gefördert wird. Auch andere Völker Europas haben diese Erfahrung gemacht, dies gilt insbesondere für die slawischen Völker: Im Bewußtsein der Bedeutung des Christentums für ihre soziale Identität und des wertvollen Beitrags, den die Kirche in dieser Hinsicht leisten kann, haben sie sich nicht ihrer Pflicht entzogen, auch auf gesetzgeberischer Ebene zu gewährleisten, daß das reiche ethische und religiöse Erbe weiterhin reiche Frucht für die jungen Generationen hervorbringt.
Möge der offene Dialog in diesem Bereich zwischen den Vertretern der zivilen und kirchlichen Obrigkeiten in Slowenien zu jener gerechten und aufrichtigen Einigung führen, deren Notwendigkeit zu spüren ist! Das ist der Wunsch, den ich bei diesem Anlaß gerne aussprechen möchte. Es wird den Menschen zugute kommen, denen gegenüber sowohl der Staat als auch die Kirche – wenn auch in unterschiedlicher Hinsicht – verpflichtet sind, einen gebotenen Dienst zu leisten. Ich kann versichern, daß die katholische Kirche es nicht an herzlicher und aufrichtiger Zusammenarbeit mit dem Staat fehlen lassen wird. Dabei verlangt sie für sich keine Privilegien, sondern wird Vorschläge einbringen, die nach ihrem Ermessen zum allgemeinen Fortschritt der Nation beitragen können.
Ich wünsche, daß die herzlichen Beziehungen zwischen Slowenien und dem Heiligen Stuhl sich in den bestehenden Bahnen, die sie bisher geleitet haben, weiterentwickeln, und ich versichere Sie der Wertschätzung und Unterstützung meinerseits und seitens meiner Mitarbeiter an der Römischen Kurie bei der Erfüllung des hohen Auftrags, der Ihnen anvertraut worden ist. Als Bestätigung dieser Empfindungen erbitte ich für Sie und ihre Angehörigen den reichen Segen Gottes.
Saal der Schweizer, Apostolischer Palast in Castelgandolfo
Samstag, 16. September 2006
Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!
An alle richte ich meinen herzlichen Gruß. Die Begegnung mit Wissenschaftlern und Gelehrten, die sich wie Sie der Forschung widmen, welche die Behandlung von die Menschheit schwer plagenden Krankheiten zum Ziel hat, ist für mich Grund besonderen Trostes. Ich bin den Veranstaltern dankbar für die Ausrichtung dieses Kongresses zu einer Thematik, die in diesen Jahren wachsende Bedeutung angenommen hat. Das spezifische Thema des Symposiums ist auf angemessene Weise in Form einer Frage formuliert, die offen ist für die Hoffnung: »Stammzellen: welche Zukunft für die Therapie?« Ich danke dem Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben, Bischof Elio Sgreccia, für die freundlichen Worte, die er auch im Namen der Internationalen Föderation katholischer Ärztevereinigungen (FIAMC) an mich gerichtet hat. Die Föderation hat an der Organisation des Kongresses mitgearbeitet und ist hier durch den scheidenden Präsidenten Prof. Gianluigi Gigli und durch den neugewählten Präsidenten Prof. Simon de Castellvi vertreten.
Wenn die Wissenschaft sich der Linderung des Leidens zuwendet und auf diesem Weg neue Ressourcen entdeckt, erweist sie sich in zweifacher Weise als reich an Menschlichkeit: hinsichtlich der Intelligenz, die in die Forschung investiert wird, und hinsichtlich der Besserung, die den unter der Krankheit leidenden Menschen in Aussicht gestellt wird. Auch diejenigen, die die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen und die notwendigen Forschungseinrichtungen fördern, haben Anteil am Verdienst dieses Fortschritts auf dem Weg der Zivilisation. Ich möchte bei dieser Gelegenheit wiederholen, was ich vor kurzem bereits gesagt habe: »Fortschritt kann nur Fortschritt sein, wenn er dem Menschen dient und wenn der Mensch selber wächst: wenn in ihm nicht nur das technische Können wächst, sondern auch seine moralische Potenz« (Interview mit Papst Benedikt XVI. in Castelgandolfo Am 5 Am 2006 in O.R. dt., Nr. Dt 34,25 Dt 34,8 Dt 34, S. Dt 10). In diesem Licht verdient auch die Forschung an somatischen Stammzellen Zustimmung und Ermutigung, wenn sie die naturwissenschaftlichen Kenntnisse, die modernste Technologie im Bereich der Biologie und die Ethik, die die Achtung des Menschen in jedem Stadium seiner Existenz fordert, glücklich miteinander verbindet. Die von diesem neuen Kapitel der Forschung eröffneten Perspektiven sind an sich faszinierend, weil sie die Möglichkeit erkennen lassen, Krankheiten zu heilen, die eine Degeneration der Gewebe verursachen, mit den sich daraus ergebenden Risiken der Invalidität und des Todes für die Betroffenen.
Wie sollte man nicht die Pflicht spüren, diejenigen zu loben, die sich dieser Forschung widmen, sowie diejenigen, die deren Organisation und Kosten übernehmen? Im besonderen möchte ich die wissenschaftlichen Einrichtungen, die in ihrer Ausrichtung und Organisation auf die katholische Kirche Bezug nehmen, dazu auffordern, diese Art der Forschung zu fördern und untereinander sowie mit allen, die auf angemessene Weise die Linderung des menschlichen Leidens als Ziel verfolgen, engste Kontakte zu knüpfen. Angesichts der gegen die Kirche häufig vorgebrachten ungerechtfertigten Vorwürfe mangelnder Sensibilität sei es mir auch gestattet, die fortwährende Unterstützung zu betonen, die sie im Laufe ihrer 2000jährigen Geschichte der Forschung hat zukommen lassen, die auf die Behandlung von Krankheiten und auf das Wohl der Menschheit ausgerichtet ist. Wenn es Widerstand gegeben hat – und immer noch gibt –, so bestand und besteht dieser gegenüber jenen Formen der Forschung, die die planmäßige Vernichtung von bereits existierenden, wenngleich noch nicht geborenen Menschen vorsehen. In solchen Fällen stellt sich die Forschung, abgesehen von den therapeutisch nützlichen Ergebnissen, nicht wirklich in den Dienst der Menschheit. Sie vollzieht sich nämlich durch die Vernichtung des menschlichen Lebens, das dieselbe Würde besitzt wie das der anderen Menschen und der Forscher selbst. Die Geschichte selbst hat in der Vergangenheit eine derartige Wissenschaft verurteilt, und sie wird sie auch in Zukunft verurteilen – nicht nur, weil sie des Lichtes Gottes entbehrt, sondern auch, weil sie der Menschlichkeit entbehrt. Ich möchte hier wiederholen, was ich schon vor einiger Zeit geschrieben habe: »Hier gilt unumstößlich: Das Leben muß unverfügbar bleiben. Es muß hier eine Grenze unseres Machens, Könnens und Dürfens und des Experimentierens aufgerichtet bleiben. Der Mensch ist nicht eine Sache für uns, sondern jeder einzelne Mensch repräsentiert Gottes eigene Gegenwart in der Welt« (Joseph Kardinal Ratzinger, Gott und die Welt. Glauben und Leben in unserer Zeit, S. 115–116).
Angesichts der direkten Vernichtung des Menschen darf es weder Kompromisse noch Ausflüchte geben; man darf nicht denken, daß eine Gesellschaft wirksam Kriminalität bekämpfen kann, wenn sie selbst das Verbrechen am ungeborenen Leben legalisiert. Anläßlich der jüngsten Kongresse der Päpstlichen Akademie für das Leben hatte ich Gelegenheit, die an alle Menschen guten Willens gerichtete Lehre der Kirche über den menschlichen Wert des empfangenen Lebens – auch vor der Einnistung in der Gebärmutter – zu bekräftigen. Die Tatsache, daß Sie auf diesem Kongreß das Bemühen und die Hoffnung zum Ausdruck gebracht haben, durch die Nutzung von erwachsenen Körperzellen zu neuen therapeutischen Ergebnisse zu gelangen, ohne auf die Vernichtung empfangenen Lebens zurückzugreifen, sowie die Tatsache, daß die Ergebnisse Ihre Arbeit mit Erfolg belohnen, bestätigen die Gültigkeit der ständigen Aufforderungen von seiten der Kirche zu einer vollen Achtung des Menschen von seiner Empfängnis an. Das Wohl des Menschen ist nicht nur in allgemeingültigen Zielsetzungen zu suchen, sondern auch in den Methoden, die zu ihrer Erlangung verwendet werden: Der gute Zweck kann nie Mittel rechtfertigen, die ihrem Wesen nach unrechtmäßig sind. Es ist nicht nur eine Frage des gesunden Kriteriums für die Verwendung der begrenzten Geldmittel, sondern auch und vor allem eine Frage der Achtung der Grundrechte des Menschen im Bereich der naturwissenschaftlichen Forschung.
Ihr Einsatz wird gewiß von Gott getragen, der in jedem Menschen guten Willens und zum Wohle aller wirkt. Er möge gewähren, das ist mein Wunsch, daß dieser Einsatz einhergehe mit der Freude der Entdeckung der Wahrheit, der Weisheit in der Beachtung und Achtung eines jeden Menschen sowie mit dem Erfolg bei der Suche nach wirksamen Mitteln gegen das menschliche Leid. Als Bestätigung dieses Wunsches erteile ich von Herzen Ihnen allen, Ihren Mitarbeitern und Familienangehörigen sowie den Patienten, denen der Einsatz Ihrer Intelligenz und die Frucht Ihrer Arbeit zugute kommen werden, meinen Segen und versichere Sie eines besonderen Gebetsgedenkens.
Exzellenz!
Sehr geehrter Herr Botschafter!
Mit Freude heiße ich Sie zu diesem feierlichen Anlaß der Übergabe Ihres Beglaubigungsschreibens als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Österreich beim Heiligen Stuhl willkommen. Für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, und für die guten Wünsche, die Sie seitens des Herrn Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer überbracht haben, danke ich Ihnen vielmals. Meinerseits entbiete ich dem Staatsoberhaupt, der Bundesregierung und dem ganzen österreichischen Volk gerne meine besten Segensgrüße. Damit verbinde ich den Wunsch und die Zuversicht, daß während Ihrer Amtszeit die traditionell und auch heute sehr guten Beziehungen zwischen Österreich und dem Apostolischen Stuhl weitergeführt und vertieft werden können.
Österreich und der Heilige Stuhl stehen in der Tat in langer und fruchtbarer Verbundenheit. Diese Verbundenheit ist mehr als ein geschichtliches Faktum; sie gründet vor allem in der Zugehörigkeit der großen Mehrheit der österreichischen Bevölkerung zur katholischen Kirche. Schon aus dieser Tatsache ergeben sich gemeinsame Orientierungen, Optionen und Interessen. Diese betreffen vornehmlich den Menschen, seine Freiheit und Würde, seine Zukunft in Zeit und Gesellschaft. Unter verschiedenen Blickwinkeln geht es sowohl dem Staat als auch der Kirche um das Wohl des Menschen. Es dient dem Menschen, wenn die in Österreich politisch Handelnden – in den Gemeinden und in den Städten, auf Bezirks- und Landesebene, im Parlament und vor allem in der Bundesregierung – sich von einem „Weltbild“ leiten lassen, in dem die durch den christlichen Glauben vermittelten Werte bestimmend sind. Wer so wie die jüdisch-christliche Offenbarung den von Gott geschaffenen Menschen in das Zentrum von Schöpfung und Geschichte stellt, orientiert sein gesellschaftliches und politisches Handeln am wahren Wohl des Menschen, dessen Interessen und Würde niemals den Parametern der „Machbarkeit“, des Nutzens und der Produktivität unterworfen werden dürfen. Jede wahrhaft humane Politik geht stets davon aus, daß der größte Reichtum einer Nation ihre Menschen sind.
Zu den – um es einmal so auszudrücken – „gemeinsamen Interessen“ des Heiligen Stuhls und Österreichs gehört Europa, und hier besonders die weitere Entwicklung des europäischen Einigungsprozesses. Wie vielleicht in keinem anderen Erdteil, sind die Geschichte und Kultur Europas vom Christentum geprägt. Dies gilt ebenso für den Lebensraum der rund 457 Millionen Einwohner der 25 EU-Mitgliedsstaaten, von denen sich ein Großteil zum christlichen Glauben bekennt. Der regionale und nationale Lebensraum, die nähere und die weitere Heimat, aus der in der Regel die meisten Menschen die wichtigsten Elemente ihrer kulturellen Identität beziehen, wird mehr und mehr durch den europäischen Lebensraum, die gemeinsame Heimat Europa ergänzt. Dazu tragen die grenzüberschreitende Mobilität und die sozialen Kommunikationsmittel nicht unwesentlich bei. Als Mitgestalterin der Geschichte und Kultur des europäischen Kontinents durch die Jahrhunderte hindurch begrüßt die katholische Kirche diese Entwicklung grundsätzlich. Wo sich Menschen und Völker als Glieder ein und derselben Familie betrachten, wachsen die Chancen für Frieden, Solidarität, Austausch und gegenseitige Bereicherung.
Die moderne Gesellschaft der offenen Grenzen läßt sich also immer weniger national definieren. Daher und aus lebendigem Geschichtsbewußtsein empfinden sich die Österreicher, ähnlich wie die Angehörigen ihrer Nachbarvölker, zu Recht als Europäer, als Bürger und Bürgerinnen des immer stärker an Konturen gewinnenden geeinten Europas. Österreich ist zudem ein europaerfahrenes Land. Seine reiche Geschichte als einstiger Vielvölkerstaat prädestiniert es zu einem überzeugten Europaengagement im Rahmen der politisch-institutionellen Vorgaben und auch darüber hinaus. Schließlich gehört das Bemühen um die Pflege und Vertiefung guter nachbarschaftlicher Beziehungen und um die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten für den Frieden und das Wohl der Völker im Donauraum zu den Konstanten der österreichischen Außenpolitik. Diese Prinzipien und Erfahrungen haben auch die österreichische EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 inspiriert, die man als „Dienstleistung an Europa“ verstehen wollte und in der der Schwerpunkt auf die Vertrauensarbeit unter den Mitgliedsstaaten der EU gelegt wurde.
Sehr geehrter Herr Botschafter! Der weitere Weg der europäischen Integration, der erfolgreiche Weiterbau am großen Haus Europa, unter dessen Dach die Völker des Kontinents in Frieden und gegenseitigem Respekt und Austausch ihre Zukunft gemeinsam gestalten, hängt ganz wesentlich vom Vertrauen der Bürger in dieses Projekt ab. In den Diskussionen um den Erweiterungsprozeß der Europäischen Union einerseits und um die europäische Verfassung andererseits sind neuerlich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen worden. Immer wieder geht es hier letztlich um die Frage nach der Identität und nach den geistigen Fundamenten, auf denen die Staaten- und Völkergemeinschaft der Europäer ruht. Weder eine mehr oder weniger gut funktionierende Wirtschaftsunion noch ein bürokratisches Regelwerk des Zusammenlebens können die Erwartungen der Menschen an Europa vollends erfüllen. Die tieferen Quellen eines tragfähigen und krisenfesten europäischen „Miteinanders“ liegen vielmehr in den gemeinsamen Überzeugungen und Werten der christlichen und humanistischen Geschichte und Tradition des Kontinents. Ohne eine echte Wertegemeinschaft kann letztlich auch keine verläßliche Rechtsgemeinschaft, die sich die Menschen erhoffen und erwarten, aufgebaut werden. Österreich gehört heute in Europa zu den kleineren Ländern. Dennoch kann es einen großen Beitrag leisten: einen Beitrag dazu, daß die Rechte und die unantastbare Würde des Menschen, der nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist, und die Stellung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft im Lebensraum Europa immer und unter allen Umständen geachtet und geschützt werden; einen Beitrag auch dazu, daß Europa im notwendigen Prozeß der Selbstvergewisserung den Blick auf Gott, den Schöpfer allen Lebens, richtet, in dem Gerechtigkeit und Liebe zusammenfallen.
Ihre Akkreditierung, Herr Botschafter, ist auch für mich ein guter Anlaß, um mit Zufriedenheit erneut festzustellen, daß in Ihrem geschätzten Lande eine bewährte und fruchtbare Zusammenarbeit und Partnerschaft von Staat und Kirche zum Wohle und Nutzen aller Einwohner fortbesteht. Bei früheren Gelegenheiten sind die verschiedenen Bereiche dieser Kooperation eingehend betrachtet worden. Ich möchte an dieser Stelle nur die Weiterentwicklung der pädagogischen Hochschulen im Einvernehmen mit der Kirche nennen und auf der Grundlage des Konkordates das Engagement des Staates für die katholische Religionslehre hervorheben, die in Österreich ein fester Bestandteil des Pflichtunterrichts ist. Angesichts der steigenden Zahl von Schülern ohne Konfessionszugehörigkeit ist der Staat vor die Aufgabe gestellt, auch diesen Kindern und Jugendlichen die Grundlagen des abendländischen Denkens und der vom christlichen Geist getragenen „Zivilisation der Liebe“ zu vermitteln.
Sehr geehrter Herr Botschafter, Österreich ist bekannt für seine große Offenheit gegenüber der weltweiten Mission des Nachfolgers Petri im Dienst der Verbreitung des Evangeliums der Hoffnung und des befreienden Glaubens an Jesus Christus, den Herrn und Erlöser der Menschheit, der allen Völkern Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden schenken will. Ich darf Ihnen auch sagen, daß auf der ganzen Welt viele dankbar sind für die Hilfe, die österreichische Katholiken und zahlreiche Menschen guten Willens in Ihrer Heimat für die sozialen, humanitären und missionarischen Projekte der Kirche bereitstellen. Auf Ihrem eigenen diplomatischen Weg haben Sie sich bereits mit der Sendung des Heiligen Stuhls vertraut gemacht. Ich bin sicher, daß Ihnen Ihre neue Aufgabe in Rom reiche Erfüllung und Freude schenken wird. Auf die Fürbitte der Gottesmutter von Mariazell, des seligen Karl von Österreich und aller heiligen Landespatrone, erteile ich Ihnen, Herr Botschafter, den Angehörigen der Botschaft der Republik Österreich beim Heiligen Stuhl und nicht zuletzt Ihrer werten Familie von Herzen den Apostolischen Segen.
Montag, 18. September 2006
Eminenz,
liebe Freunde!
Ich freue mich, den neuen Staatssekretär und seine ganze Familie hier noch einmal öffentlich zu begrüßen. Wir haben uns kennengelernt, als Seine Eminenz Konsultor der Kongregation für die Glaubenslehre war. Er hat mir sehr geholfen bei einigen schwierigen Gesprächen, die wir 1988 zu führen hatten.
Als dann der liebe Erzbischof Bovone an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse wechselte, mußte nach einem neuen Sekretär für die Kongregation für die Glaubenslehre gesucht werden. Und ich mußte nicht lange überlegen, denn die Erinnerungen an die gemeinsame Arbeit waren noch so lebendig, daß ich verstanden habe, daß der Herr mir bereits den Nachfolger gezeigt hatte. Und es folgten sehr schöne Jahre der Zusammenarbeit in der Glaubenskongregation. Der hl. Eusebius von Vercelli war stets präsent; ich weiß nicht, ob auch heute diese Präsenz weiterhin da ist, um »den Glauben zu behüten«. Wir haben getan, was wir konnten. Ich hatte die Möglichkeit, Vercelli zu sehen und diese schöne Erzdiözese kennenzulernen. Damals hatte Kardinal Bertone, als er an die Kongregation kam, den Purpur, den er in Vercelli gehabt hatte, »verloren«. Als er dann nach Genua ging, kehrte der Purpur zurück, und er hatte auch Gelegenheit, die Schönheit Genuas zu sehen.
Dann rückte für einige Kurienkardinäle, die im Jahre 1927 geboren waren, der Zeitpunkt ihres Rücktritts näher. Und so habe ich wieder an die Jahre gemeinsamer Arbeit zurückgedacht, und der Herr hat mir diese Gnade des »Ja« Seiner Eminenz gewährt.
Mutig beginnen wir gemeinsam unseren Weg. Ich freue mich zu sehen, daß er von einer starken Familie unterstützt wird. Beste Wünsche euch allen!
Donnerstag, 21. September 2006
Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!
An jeden von euch richte ich meinen herzlichen Gruß. Vor allem grüße ich Kardinal Giovanni Battista Re, der mir gegenüber eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Mit Zuneigung grüße ich auch diejenigen, die eure Tagung organisiert und koordiniert haben. In diesen Tagen habt ihr einige Leiter der Dikasterien der Römischen Kurie sowie Bischöfe von ihrer Erfahrung sprechen gehört. Sie haben euch dabei geholfen, über einige Aspekte des bischöflichen Dienstes nachzudenken, die für unsere Zeit von großer Wichtigkeit sind. Heute ist es der Papst, der euch mit Freude empfängt und glücklich darüber ist, mit euch die Empfindungen und Erwartungen zu teilen, die ihr in diesen ersten Monaten eures bischöflichen Dienstes erlebt. Ihr habt sicherlich schon die Erfahrung gemacht, wie Jesus, der Gute Hirt, mit seiner Gnade in den Seelen wirkt. »Meine Gnade genügt dir« (2Co 12,9) war die Antwort, die der Apostel Paulus vernahm, als er den Herrn darum bat, ihm Leiden zu ersparen. Dasselbe Bewußtsein möge immer euren Glauben nähren, es möge euch zur Suche nach Wegen anregen, um die Herzen aller zu erreichen, mit jenem gesunden Optimismus, der immer von euch ausstrahlen soll.
In der Enzyklika Deus caritas est habe ich festgehalten, daß die Bischöfe die erste Verantwortung dafür tragen, daß die Kirche als Familie Gottes und als ein Ort der gegenseitigen Hilfe und der Dienstbereitschaft aufgebaut wird (vgl. Nr. 32). Um diese Sendung erfüllen zu können, habt ihr mit der Bischofsweihe drei besondere Ämter erhalten: das »munus docendi«, das »munus sanctificandi« und das »munus regendi«, die zusammen das »munus pascendi« bilden. Insbesondere besteht die Zielsetzung des »munus regendi« im Wachstum der kirchlichen Gemeinschaft, das heißt im Aufbau einer Gemeinschaft, die einmütig festhält an der Lehre der Apostel, am Brechen des Brotes, an den Gebeten und an der Gemeinschaft (vgl. Apg Ac 2,42). Das Leitungsamt – eben das »munus regendi« – ist eng mit den Ämtern des Lehrens und der Heiligung verbunden und bildet so für den Bischof einen wahren Akt der Liebe Gott und dem Nächsten gegenüber, der in der pastoralen Liebe zum Ausdruck kommt. Das stellte das II. Vatikanische Konzil maßgeblich in der Konstitution Lumen gentium fest: Das Konzil gab den Bischöfen Christus zum Vorbild, den Guten Hirten, der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen (vgl. Nr. 27). Dem gemäß lädt das nachsynodale Schreiben Pastores gregis den Bischof dazu ein, sich immer von der Darstellung der Fußwaschung im Evangelium inspirieren zu lassen (vgl. Nr. 42). Nur Christus, die fleischgewordene Liebe Gottes (vgl. Deus caritas Est 12), kann uns maßgebend zeigen, wie wir die Kirche lieben und ihr dienen sollen.
Liebe Brüder, dem Beispiel Christi folgend, möge ein jeder von euch bei der täglichen pastoralen Sorge »allen alles« werden (1Co 9,22) und dabei die Wahrheit des Glaubens verkünden, die Sakramente unserer Heiligung feiern und die Liebe des Herrn bezeugen. Nehmt mit offenem Herzen all diejenigen auf, die an eure Tür klopfen: Steht ihnen mit eurem Rat zur Seite, tröstet und stützt sie auf dem Weg zu Gott, indem ihr versucht, alle zu jener Einheit im Glauben und in der Liebe zu führen, deren sichtbares Prinzip und Fundament ihr nach dem Willen des Herrn in euren Diözesen sein müßt (vgl. Lumen gentium LG 23). Erweist diese aufmerksame Sorge vor allem den Priestern. Verhaltet euch ihnen gegenüber immer wie Väter und ältere Brüder, die es verstehen, ihnen zuzuhören, sie freundlich aufzunehmen, sie zu trösten und – sollte es notwendig sein – sie auch zu korrigieren; sucht ihre Zusammenarbeit und seid ihnen besonders in den wichtigen Momenten ihres Dienstes und ihres Lebens nahe. Sucht dann, eine ähnliche Fürsorge den jungen Menschen zukommen zu lassen, die sich auf das Leben als Priester und Ordensleute vorbereiten.
Durch das Leitungsamt (vgl. Lumen gentium LG 27) ist der Bischof des weiteren dazu berufen, das Leben des Gottesvolkes, das seiner pastoralen Sorge anvertraut ist, anhand von Gesetzen, Weisungen und Ratschlägen entsprechend der universalen Disziplin der Kirche zu beurteilen und zu regeln. Dieses Recht und diese Pflicht des Bischofs ist überaus wichtig, damit die Diözesangemeinschaft in ihrem Innern geeint ist und in tiefer Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Disziplin mit dem Bischof von Rom und der ganzen Kirche voranschreite. So fordere ich euch auf, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, aufmerksame Hüter dieser kirchlichen Gemeinschaft zu sein, sie zu fördern und zu verteidigen, indem ihr ständig über die Herde wacht, zu deren Hirten ihr bestellt seid. Es handelt sich um einen Akt der Liebe, der Unterscheidungsvermögen, apostolischen Mut und geduldige Güte erfordert, während er zu überzeugen und einzubeziehen sucht, damit eure Weisungen gerne angenommen und mit Überzeugung und bereitwillig befolgt werden. Durch den fügsamen Gehorsam dem Bischof gegenüber trägt jeder Gläubige verantwortungsvoll zum Aufbau der Kirche bei. Dies wird möglich sein, wenn ihr es im Bewußtsein eurer Sendung und eurer Verantwortung versteht, in einem jeden von ihnen den Sinn für die Zugehörigkeit zur Kirche und die Freude an der brüderlichen Gemeinschaft zu nähren, und dabei die von der kirchlichen Ordnung vorgesehenen Einrichtungen einbezieht. Dem Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft gelte euer täglicher Einsatz.
Das Apostolische Schreiben Pastores gregis und das Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe weisen nachdrücklich jeden Hirten darauf hin, daß seine objektive Autorität von einem vorbildlichen Lebenswandel getragen werden muß. Ausgeglichenheit in den zwischenmenschlichen Beziehungen, Höflichkeit der Umgangsformen und eine einfache Lebensweise sind ohne Zweifel Gaben, die die Persönlichkeit des Bischofs auf menschlicher Ebene bereichern. Im Liber regulae pastoralis schreibt der hl. Gregor der Große, daß »die Leitung der Seelen die Kunst der Künste« ist (Nr. 1): eine Kunst, die ständiges Wachstum in den Tugenden erfordert, von denen ich die Tugend der Klugheit ins Gedächtnis rufen möchte, die der hl. Bernhard als Mutter der Tapferkeit beschrieb. Die Klugheit wird euch geduldig machen mit euch selbst und mit den anderen, mutig und standhaft in den Entscheidungen, barmherzig und gerecht, »mit Furcht und Zittern« (Ph 2,12) allein um euer Heil und das eurer Brüder bemüht. Die vollkommene Selbsthingabe, die die Sorge um die Herde des Herrn erfordert, bedarf der Unterstützung durch ein intensives geistliches Leben, das vom eifrigen persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet genährt wird. Daher soll ein ständiger Kontakt mit Gott eure Tage kennzeichnen und all eure Tätigkeiten begleiten. Ein Leben in tiefer Einheit mit Christus wird euch helfen, das nötige Gleichgewicht zwischen der inneren Sammlung und jenen notwendigen Anstrengungen zu erreichen, die die vielfältigen Aufgaben des Lebens mit sich bringen. So kann es vermieden werden, in einen übertriebenen Aktivismus zu verfallen. Am Tag eurer Bischofsweihe habt ihr versprochen, für euer Volk unermüdlich zu beten. Liebe Brüder, bleibt dieser Verpflichtung immer treu. Sie wird euch dazu befähigen, auf untadelige Weise euren pastoralen Dienst auszuüben. Durch das Gebet öffnet sich euer Herz dem Plan Gottes, der ein Plan der Liebe ist. Dazu hat Er euch berufen, indem er euch durch die Gnade des Bischofsamtes inniger mit Christus vereint. In Seiner Nachfolge, in der Nachfolge des Hirten und Bischofs eurer Seelen (vgl. 1P 2,25), werdet ihr dazu angespornt, unermüdlich nach der Heiligkeit zu streben, die das grundlegende Ziel des Lebens eines jeden Christen ist.
Liebe Brüder, ich danke euch für diesen Besuch, über den ich mich sehr freue. Ich möchte euch meines täglichen Gedenkens vor dem Herrn für euren kirchlichen Dienst versichern, den ich der Gottesmutter Maria, »Mater Ecclesiae«, anvertraue. Ihren Schutz rufe ich auf euch, auf eure Diözesen und auf euren Dienst herab. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch und all denen, die euch nahestehen, einen besonderen Apostolischen Segen.
Freitag, 22. September 2006
Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!
Heute habe ich die Freude, zum ersten Mal mit euch, liebe Mitglieder und Konsultoren des Päpstlichen Rates für die Laien, zusammenzutreffen, die ihr eure Vollversammlung abhaltet. Euer Päpstlicher Rat weist die Besonderheit auf, daß zu seinen Mitgliedern und Konsultoren neben Kardinälen, Bischöfen, Priestern und Ordensleuten überwiegend Laien gehören, die aus verschiedenen Kontinenten und Ländern kommen und aus den unterschiedlichsten Erfahrungen apostolischen Lebens. Ich begrüße euch alle herzlich und danke euch für den Dienst, den ihr dem Stuhl Petri und der Kirche in der ganzen Welt leistet. Mein Gruß gilt in besonderer Weise dem Präsidenten, Erzbischof Stanislaw Rylko, dem ich für seine freundlichen und ehrerbietigen Worte danke, dem Sekretär, Bischof Josef Clemens, zusammen mit allen, die tagtäglich in eurem Dikasterium arbeiten.
In den Jahren meines Dienstes an der Römischen Kurie hatte ich bereits die Möglichkeit, mir der wachsenden Bedeutung bewußt zu werden, die der Päpstliche Rat für die Laien in der Kirche besitzt, und seitdem mich der Herr dazu berufen hat, dem Diener Gottes Johannes Paul II. in der Leitung des ganzen christlichen Volkes nachzufolgen, bemerke ich diese Bedeutung noch stärker, weil ich die Arbeit, die ihr leistet, aus unmittelbarer Nähe betrachten kann. Ich hatte nämlich die Gelegenheit, den Vorsitz zu führen bei zwei Begegnungen von zweifellos großer Bedeutung für die Kirche, die von eurem Rat ausgerichtet wurden: beim Weltjugendtag, der im August vergangenen Jahres in Köln stattgefunden hat, und bei der Begegnung mit über 100 kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften bei der Pfingstvigil dieses Jahres auf dem Petersplatz. Außerdem denke ich an den ersten lateinamerikanischen Kongreß der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften, die euer Päpstlicher Rat in Zusammenarbeit mit dem CELAM vom 9. bis zum 12. März 2006 in Bogotà ausgerichtet hat, im Hinblick auf die V. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats.
Nachdem ihr bei der vorangegangenen Vollversammlung die theologische und pastorale Natur der Pfarrgemeinde untersucht habt, betrachtet ihr das Problem jetzt von einem operativen Gesichtspunkt aus, indem ihr nach brauchbaren Elementen zur Förderung einer wirklichen Erneuerung der Pfarrei sucht. Das Thema eurer Versammlung lautet denn auch: »Die wiedergefundene Pfarrei. Wege der Erneuerung«. Der pastoraltheologische und der operative Aspekt dürfen nämlich nicht voneinander getrennt werden, wenn man zum Geheimnis der Gemeinschaft vordringen will, dessen Zeichen und Werkzeug zur Verwirklichung zu sein die Pfarrei immer stärker berufen ist. Der Evangelist Lukas zeigt in der Apostelgeschichte die wesentlichen Kriterien für ein richtiges Verständnis der Natur der christlichen Gemeinde und somit auch jeder Pfarrei dort auf, wo er die Urgemeinde von Jerusalem beschreibt und sagt, sie hielt »an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten«, eine Gemeinde, die so gastfreundlich und solidarisch war, daß sie alles gemeinsam hatte (vgl. Apg Ac 2,42 4,32–35).
Die Pfarrei kann diese Erfahrung wieder erleben und im gegenseitigen Verständnis sowie im brüderlichen Zusammenhalt wachsen, wenn sie ohne Unterlaß betet und im Hören auf das Wort Gottes verweilt und vor allem, wenn sie gläubig an der Eucharistiefeier teilnimmt, der der Priester vorsteht. Dazu schrieb der geliebte Johannes Paul II. in seiner letzten Enzyklika Ecclesia de Eucharistia: »Die Pfarrei ist nämlich eine Gemeinschaft von Getauften, die ihre Identität vor allem durch die Feier des eucharistischen Opfers ausdrücken und geltend machen« (Nr. 32). Die erwünschte Erneuerung der Pfarrei kann daher nicht allein aus pastoralen Initiativen heraus entstehen, so nützlich und angemessen diese auch sein mögen, und noch viel weniger aus Programmen, die am grünen Tisch ausgearbeitet werden. Indem sie sich am apostolischen Vorbild orientiert, so wie es in der Apostelgeschichte erscheint, wird die Pfarrei sich selbst in der Begegnung mit Christus, besonders in der Eucharistie, »wiederfinden«. Genährt vom eucharistischen Brot, wächst sie in der katholischen Gemeinschaft, setzt ihren Weg in voller Treue zum Lehramt fort und ist stets darauf bedacht, die unterschiedlichen Charismen, die der Herr im Volk Gottes weckt, anzunehmen und zu erkennen. Aus der ununterbrochenen Verbindung mit Christus schöpft die Pfarrei die Kraft, um sich dann ohne Unterlaß im Dienst an den Brüdern zu engagieren, besonders für die Armen, für die sie in der Tat den ersten Bezugspunkt darstellt.
Liebe Brüder und Schwestern, während ich euch meine aufrichtige Wertschätzung für euren Unternehmungsgeist sowie euren Einsatz ausspreche, wünsche ich von Herzen, daß die Arbeiten der Vollversammlung dazu beitragen mögen, den gläubigen Laien ihre Sendung in der Kirche, besonders in der Pfarrgemeinde, die eine »Familie« christlicher Familien ist, immer stärker bewußt zu machen. Ich versichere euch für dieses Anliegen meines ständigen Gebetsgedenkens, und während ich den mütterlichen Schutz Mariens auf jeden von euch herabrufe, erteile ich gern euch allen, euren Angehörigen und den Gemeinschaften, zu denen ihr gehört, meinen Segen.
Samstag, 23. September 2006
Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!
Mit Freude empfange ich euch, die der Herr zur Leitung des Volkes Gottes im Tschad auserwählt hat, in diesen Tagen, in denen ihr euren »Ad-limina«-Besuch durchführt. Eure Pilgerreise nach Rom führt euch auf den Spuren der Apostel Petrus und Paulus und ermöglicht euch, zur Festigung eurer Gemeinschaft mit der Universalkirche dem Nachfolger des Petrus und seinen Mitarbeitern zu begegnen. Ich wünsche, daß diese Tage für euch eine Gelegenheit sein mögen, euren apostolischen Eifer zu stärken, damit eure Gemeinden daraus neuen Antrieb empfangen, ein helles Licht zu sein, das zu dem hinführt, der das Heil bringt. Ich danke eurem Vorsitzenden, dem Bischof von Pala, Jean-Claude Bouchard, daß er die kirchliche Realität in eurem Land dargestellt hat. Überbringt nach der Rückkehr in eure Diözesen den Priestern, Ordensleuten, Katecheten und allen Gläubigen meinen herzlichen Gruß und die Zusicherung meiner geistlichen Nähe sowie meine Ermutigung für ihr christliches Leben!
Liebe Brüder im Bischofsamt, nach dem Vorbild Christi, des Guten Hirten, seid ihr ausgesandt, Missionare der Frohen Botschaft zu sein. Erfüllt weiterhin vertrauensvoll und mutig diese Aufgabe! Die Heiligkeit eures Lebens wird euch zu wahrhaftigen Zeugen der Liebe Gottes machen. Führt eure Gemeinden durch die Verkündigung des Evangeliums zur Begegnung mit dem Herrn und helft ihnen, Zeugnis von ihrer Hoffnung zu geben, indem sie zur Errichtung einer gerechteren Gesellschaft beitragen, die auf die Versöhnung und Einheit aller gegründet ist! Die regelmäßige Teilnahme der Gläubigen an den Sakramenten, besonders an der Eucharistie, wird ihnen die Kraft geben, Christus nachzufolgen; sie werden dann den Wunsch spüren, die Freude über ihre Begegnung mit dem Herrn mit ihren Brüdern und Schwestern zu teilen. Als Nachwirkung des ersten Nationalen Eucharistischen Kongresses, den eure Diözesen Anfang diesen Jahres in Moundou abgehalten haben, wird allen sehr am Herzen liegen, ihre Kenntnis dieses großen Sakraments zu vertiefen, um es im Leben Früchte tragen zu lassen. Zudem wird eine solide religiöse Bildung, die auf starke geistliche Überzeugungen gegründet ist, den Gläubigen ermöglichen, ein Leben im Einklang mit den Taufversprechen zu führen und in der Gesellschaft die christlichen Werte zu bezeugen.
Besonders herzlich möchte ich eure Priester grüßen und sie ermutigen in ihrer schwierigen, aber begeisternden Aufgabe, das Evangelium zu verkünden und dem Volk Gottes zu dienen. Wie ich betont habe, »bedeutet Priester sein, Freund Jesu Christi werden, und das immer mehr mit unserer ganzen Existenz« (Predigt bei der Chrisammesse Am 13 Am 2006 in O. R. dt., Nr. Dt 17,28 Dt 17,4 Dt 17, S. Dt 8). Daher sollen die Priester bereits von der Zeit ihrer Ausbildung an dazu angeleitet werden, immer tiefer in die Freundschaft einzutreten, die der Herr ihnen ohne Unterlaß anbietet. Um eine solche Ausbildung unter den besten Bedingungen sicherzustellen, fordere ich euch auf, aufmerksam über eure Priesterseminare zu wachen und die Ausbilder zu unterstützen bei ihrer Aufgabe, die Berufungen zu erkennen. Die Freundschaft mit Christus erfordert ein beständiges und freudiges Streben nach einer Gemeinschaft des Denkens, Wollens und Handelns mit ihm im demütigen und treuen Gehorsam. Diese Gemeinschaft wird sich in dem Maße verwirklichen lassen, in dem der Priester ein echter Mann des Gebets ist. Liebe Brüder im Bischofsamt, tragt Sorge für das geistliche Leben eurer Priester, indem ihr sie dazu ermutigt, einer priesterlichen Lebensregel treu zu bleiben, die ihnen hilft, ihr Leben dem vom Herrn empfangenen Ruf entsprechend zu gestalten!
Bezeugt ihnen in ihrem Priesteramt eure brüderliche Nähe; schenkt ihnen Trost in Zeiten der Prüfung und Unsicherheit, und korrigiert sie, falls nötig, indem ihr sie auffordert, den Blick immer fest auf Jesus gerichtet zu halten.
Zu den wichtigen pastoralen Herausforderungen gehört die Dringlichkeit, die unverkürzte Wahrheit über Ehe und Familie zu verkünden. Es kommt in der Tat entscheidend darauf an, zu zeigen, daß die Institution der Ehe zur echten Entwicklung des Menschen und der Gesellschaft beiträgt und es ermöglicht, die Würde, die Gleichheit und die wahre Freiheit des Mannes und der Frau sowie das menschliche und geistliche Wachstum der Kinder zu gewährleisten. »Da sie beide, Mann und Frau, als Abbild Gottes erschaffen wurden, sind sie, trotz Unterschieden, unter dem Gesichtspunkt des Menschseins im wesentlichen gleich« (Ecclesia in Africa, 82). Eine sorgfältige Bildung und Erziehung der jungen Menschen wird eine Erneuerung der Familienpastoral begünstigen und dazu beitragen, die Schwierigkeiten gesellschaftlicher, kultureller oder wirtschaftlicher Art zu beseitigen, die für zahlreiche Gläubige Hindernisse in bezug auf die christliche Ehe darstellen. Unter Bewahrung der wesentlichen Werte der afrikanischen Familie mögen die Jugendlichen eures Landes in ihr Leben die Schönheit und Größe der christlichen Ehe aufnehmen, die in ihrer Einmaligkeit eine unauflösliche und treue Liebe der Eheleute voraussetzt.
Die karitative Tätigkeit, Zeugnis für die in der Gottesliebe verankerte Nächstenliebe, nimmt in der Pastoral eurer Diözesen großen Raum ein. »So ist Liebe der Dienst, den die Kirche entfaltet, um unentwegt den auch materiellen Leiden und Nöten der Menschen zu begegnen« (Enzyklika Deus caritas Est 19). Meine dankbare Anerkennung gilt allen, besonders den Ordensleuten, die in euren Diözesen eine karitative Tätigkeit im Dienst der Entwicklung, der Erziehung und der Gesundheit sowie der Aufnahme von Flüchtlingen leisten. Mögen sie bei der Förderung einer echten Solidarität mit den notleidenden Menschen ohne Unterschied ihrer Herkunft den besonderen kirchlichen Charakter ihrer Aktivitäten nicht vergessen und sich immer mehr dessen bewußt werden, vor ihren Brüdern und Schwestern glaubwürdige Zeugen Christi zu sein.
Die Stärkung der Brüderlichkeit zwischen den verschiedenen Gemeinschaften, die die Nation bilden, ist ein Ziel, das den Einsatz aller erfordert, um das Land vor Konfrontationen zu schützen, die nur neue Gewalt nach sich ziehen würden. Die Anerkennung der Würde jedes Menschen, der Identität jeder menschlichen und religiösen Gruppe und ihrer Freiheit zur Religionsausübung gehört zu den gemeinsamen Werten des Friedens und der Gerechtigkeit, die von allen gefördert werden müssen. Dabei spielen die Verantwortlichen der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle.
Ich freue mich zu erfahren, daß in eurem Land die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen im allgemeinen gut sind, was besonders dem Bemühen um ein besseres gegenseitiges Kennenlernen zu verdanken ist. Ich ermutige euch daher, die Zusammenarbeit in einem Geist des aufrichtigen Dialogs und gegenseitiger Achtung fortzusetzen, um mit der Sorge um eine echte Solidarität und harmonische Entwicklung der Gesellschaft jedem zu helfen, ein Leben zu führen, das der von Gott empfangenen Würde entspricht.
Liebe Brüder im Bischofsamt, ich vertraue euer Land dem mütterlichen Schutz Unserer Lieben Frau, Königin von Afrika, an. Sie möge bei ihrem Sohn Fürsprache halten, um Frieden und Gerechtigkeit zu erlangen auf diesem so schwer geprüften Kontinent. Euch allen sowie den Priestern, den Ordensmännern, Ordensfrauen, Katecheten und allen Gläubigen eurer Diözesen erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen.
Samstag, 23. September 2006
Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!
Ich freue mich, euch aus Anlaß des von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker veranstalteten Fortbildungskurses zu begegnen und heiße jeden von euch ganz herzlich willkommen. Ich grüße zunächst Herrn Kardinal Ivan Dias, der erst seit einigen Monaten Präfekt der Missionskongregation ist, und danke ihm für die liebenswürdigen Worte, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat. Dann gelten mein Gruß und mein Dank all denen, die zum Gelingen dieses Fortbildungskurses beigetragen haben. In meinen herzlichen Gruß schließe ich auch eure Diözesangemeinschaften ein, die jung und voller Begeisterung sind und wo es vielversprechende Anzeichen für die Entwicklung der Evangelisierung gibt, obgleich das Umfeld bisweilen hart und schwierig ist. Diese Tage des Lebens in brüderlicher Gemeinschaft sind gewiß von Nutzen für die Hirtensendung, die euch vor kurzem im Dienst eurer Diözesangemeinschaften vom Herrn anvertraut wurde.
Ihr seid berufen, Hirten zu sein unter Menschen, die zu einem großen Teil Jesus Christus noch nicht kennen. Als Hauptverantwortliche für die Verkündigung des Evangeliums müßt ihr nicht geringe Anstrengungen unternehmen, damit alle die Möglichkeit erhalten, das Evangelium anzunehmen. Ihr spürt immer stärker die Notwendigkeit, das Evangelium zu inkulturieren, die Kulturen zu evangelisieren und einen aufrichtigen und offenen Dialog mit allen Menschen zu pflegen, um gemeinsam eine brüderlichere und solidarischere Menschheit aufzubauen. Nur von der Liebe Christi gedrängt, ist es möglich, diese mühevolle apostolische Arbeit durchzuführen, die den furchtlosen Eifer desjenigen verlangt, der für den Herrn nicht einmal Verfolgung und Tod fürchtet. Wie sollte man nicht an die zahlreichen Priester, Ordensleute und Laien denken, die sowohl in den vergangenen Jahrhunderten als auch in unserer Zeit in den Missionsgebieten ihre Treue zu Christus und zur Kirche mit ihrem Blut besiegelt haben? In den vergangenen Tagen ist zu diesen heroischen Zeugen des Evangeliums das Opfer von Schwester Leonella Sgorbati aus der Kongregation der »Missionarie della Consolata« hinzugekommen, die in Mogadischu in Somalia barbarisch ermordet wurde. Dieses Martyrologium schmückt die Kirchengeschichte der Vergangenheit und der Gegenwart, und hält, wenn auch in Besorgnis und Leid, in unserem Herzen das Vertrauen auf eine ruhmreiche Blüte des christlichen Glaubens lebendig, denn, wie Tertullian sagt, »das Blut der Märtyrer ist ein Same für neue Christen«.
Euch, den Hirten der Herde Gottes, ist die Sendung anvertraut, den Glauben an Christus zu behüten und weiterzugeben, der uns in der lebendigen Tradition der Kirche übergeben wird und für den viele ihr Leben hingegeben haben. Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist es wesentlich, daß ihr als erste »ein Beispiel durch gute Werke« gebt und »die Wahrheit unverfälscht und mit Würde, mit gesunden, unanfechtbaren Worten« lehrt (Tit 2,7–8). »Der heutige Mensch«, so schrieb mein Vorgänger seligen Angedenkens, der Diener Gottes Papst Paul VI., »hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind« (Evangelii nuntiandi EN 41). Daher ist es eure Pflicht, in eurem Bischofsdienst dem Gebet und dem ständigen Streben nach Heiligkeit wesentliche Bedeutung zuzumessen. Es ist wichtig, daß ihr Sorge tragt für eine gute Ausbildung der Seminaristen und für die ständige Fortbildung der Priester und der Katecheten. In der Vielfalt seiner kulturellen Ausdrucksformen die Einheit des Glaubens zu bewahren ist ein weiterer wertvoller Dienst, der von euch gefordert ist, liebe Mitbrüder im Bischofsamt. Das setzt voraus, daß ihr mit der Herde vereint seid, nach dem Vorbild Christi, des Guten Hirten, und daß die Herde stets vereint mit euch geht. Verhindert als Wächter über das Volk Gottes mit Entschlossenheit und Mut alle Spaltungen, besonders dann, wenn sie auf ethnische und sozio-kulturelle Motive zurückzuführen sind. Sie gefährden nämlich die Einheit des Glaubens und schwächen die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums Christi, der in die Welt gekommen ist, um aus der ganzen Menschheit ein heiliges Volk zu machen und eine einzige Familie, wo Gott der Vater aller ist.
Es ist ein Grund der Freude und des Trostes festzustellen, daß man in vielen eurer Kirchen einer fortdauernde Blüte der Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben beobachten kann, ein wunderbares Geschenk Gottes, das mit Dankbarkeit und Eifer angenommen und gefördert werden muß. Sorgt dafür, daß es in den Seminaren eine ausreichende Anzahl von Ausbildern gibt, die sorgfältig ausgewählt und vorbereitet werden und die den Seminaristen vor allem Vorbild und Beispiel sein sollen. Das Seminar, das wißt ihr gut, ist das Herz der Diözese, und daher trägt der Bischof persönlich dafür Sorge. Von der Ausbildung der zukünftigen Priester und aller anderen Mitarbeiter in der Pastoral, insbesondere von den Katecheten, hängt die Zukunft eurer Gemeinschaften ebenso wie die Gemeinschaft der Universalkirche ab.
Verehrte und liebe Mitbrüder, in einigen Tagen werdet ihr, bereichert von eurem der Weiterbildung gewidmeten Aufenthalt in Rom, in eure Diözesen zurückkehren. Ich werde mich weiterhin geistlich mit euch verbunden fühlen und bitte euch, meine Zuneigung und meine Nähe im Gebet auch euren Gemeinschaften zuzusichern, auf die ich den mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria, Stern der Evangelisierung, sowie die Fürbitte des hl. Pio von Pietrelcina herabrufe, dessen liturgischen Gedenktag wir heute begehen. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen meinen Segen und schließe gerne all diejenigen ein, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, besonders die Kinder, die Jugendlichen und die alten Menschen, die Armen und die Leidenden.
Montag, 25. September 2006
Herr Kardinal,
meine Damen und Herren Botschafter,
liebe muslimische Freunde!
Ich freue mich, Sie zu dieser Begegnung zu empfangen, die ich gewünscht habe, um die Bande der Freundschaft und Solidarität zwischen dem Heiligen Stuhl und den muslimischen Gemeinschaften der Welt zu stärken. Ich danke Herrn Kardinal Paul Poupard, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, für die Worte, die er soeben an mich gerichtet hat, sowie Ihnen allen, die Sie meiner Einladung gefolgt sind.
Die Umstände, die unsere Begegnung veranlaßt haben, sind bekannt. Ich hatte bereits im Laufe der vergangenen Woche Gelegenheit, näher darauf einzugehen. Heute möchte ich in diesem besonderen Rahmen noch einmal meiner ganzen Hochachtung und meinem tiefen Respekt für die muslimischen Gläubigen Ausdruck verleihen und dabei an die Worte des II. Vatikanischen Konzils erinnern, die für die katholische Kirche die »Magna Charta« des islamisch-christlichen Dialogs darstellen: »Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft« (Erklärung Nostra aetate NAE 3). Mit Entschiedenheit dieser Perspektive folgend, hatte ich von Beginn meines Pontifikats an Gelegenheit, meinen Wunsch zum Ausdruck zu bringen, weiterhin Brücken der Freundschaft zu den Angehörigen aller Religionen zu bauen, wobei ich besonders meine Wertschätzung für die Entfaltung des Dialogs zwischen Muslimen und Christen bekundete (vgl. Ansprache an die Vertreter verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften sowie anderer religiöser Traditionen, 25. April 2005; in O.R. dt., Nr. 20, 20.5.2005, S. 8). Wie ich im vergangenen Jahr in Köln unterstrichen habe, darf »der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt« (Ansprache an die Vertreter muslimischer Gemeinden, 20. August 2005; in O.R. dt., Nr. 35, 2.9.2005, S. 11). In einer Welt, die vom Relativismus geprägt ist und allzu oft die Transzendenz aus der Universalität der Vernunft ausschließt, bedürfen wir dringend eines echten Dialogs zwischen den Religionen und zwischen den Kulturen, der uns helfen kann, alle Spannungen in einem Geist fruchtbarer Zusammenarbeit gemeinsam zu überwinden. Das von meinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. begonnene Werk fortsetzend, wünsche ich daher zutiefst, daß die vertrauensvollen Beziehungen, die sich seit vielen Jahren zwischen Christen und Muslimen entwickelt haben, nicht nur fortbestehen, sondern sich in einem Geist des aufrichtigen und respektvollen Dialogs weiterentwickeln; eines Dialogs, der auf eine immer wahrheitsgemäßere gegenseitige Kenntnis gründen muß, die mit Freude unsere gemeinsamen religiösen Werte anerkennt und die Unterschiede in loyaler Haltung respektiert.
Der interreligiöse und interkulturelle Dialog ist notwendig, um gemeinsam die von allen Menschen guten Willens so sehr ersehnte Welt des Friedens und der Brüderlichkeit zu erbauen. Diesbezüglich erwarten unsere Zeitgenossen von uns ein beredtes Zeugnis, um allen den Wert der religiösen Dimension des Daseins zu zeigen. Auch müssen Christen und Muslime in Treue zu den Lehren ihrer je eigenen religiösen Traditionen lernen zusammenzuarbeiten, wie das bereits in verschiedenen gemeinsamen Erfahrungen geschieht; das ist notwendig, um sich vor jeder Form von Intoleranz zu schützen und jeder Manifestation von Gewalt entgegenzutreten. Und wir, die religiösen Autoritäten und politisch Verantwortlichen, müssen sie in diesem Sinne leiten und ermutigen. Denn selbst wenn es »im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslim kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen« (Erklärung Nostra aetate NAE 3). Die Lehren der Vergangenheit sollen uns daher helfen, nach Wegen der Versöhnung zu suchen, um im Hinblick auf eine fruchtbare Zusammenarbeit im Dienst der ganzen Menschheit in der Achtung vor der Identität und Freiheit eines jeden zu leben. Wie Papst Johannes Paul II. in seiner denkwürdigen Ansprache an die Jugend in Casablanca in Marokko erklärte, »Achtung und Dialog verlangen Gegenseitigkeit in allen Bereichen, vor allem in Fragen der Grundfreiheiten, und hier im besonderen der Religionsfreiheit. Sie begünstigen den Frieden und die Verständigung der Völker« (Ansprache an die muslimische Jugend, 20. August 1985, Nr. 5; in O.R. dt., Nr. 40, 4.10.1985, S. 13).
Liebe Freunde, ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es in der Situation, in der sich die Welt heute befindet, unerläßlich ist, daß sich Christen und Muslime gemeinsam einsetzen, um den zahlreichen Herausforderungen entgegenzutreten, vor denen die Menschheit steht, insbesondere was die Verteidigung und Förderung der Würde des Menschen sowie der sich aus ihr ableitenden Rechte betrifft. Während die gegen den Menschen und gegen den Frieden gerichteten Bedrohungen zunehmen, bekunden Christen und Muslime dadurch, daß sie die zentrale Bedeutung der menschlichen Person anerkennen und sich beharrlich dafür einsetzen, daß deren Leben stets geachtet wird, ihren Gehorsam gegenüber dem Schöpfer, der will, daß alle in der Würde leben, die er ihnen geschenkt hat.
Liebe Freunde, ich wünsche von ganzem Herzen, daß der barmherzige Gott unsere Schritte leite auf den Wegen eines immer aufrichtigeren gegenseitigen Verständnisses. Zu diesem Zeitpunkt, wo für die Muslime der geistliche Weg des Fastenmonats Ramadan beginnt, richte ich an alle meine herzlichen Wünsche, verbunden mit dem Wunsch, daß der Allmächtige ihnen ein ruhiges und friedliches Leben gewähre. Der Gott des Friedens erfülle Sie sowie die Gemeinschaften, die Sie vertreten, mit dem Reichtum seines Segens!
Sehr geehrter Herr Botschafter!
Die Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie heute als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl feierlich akkreditiert werden, nehme ich sehr gerne zum Anlaß, um Sie hier willkommen zu heißen und um Ihnen mit meiner Gratulation zu Ihrer Ernennung meine besten Wünsche für Ihre neue hohe Mission auszusprechen. Gleichzeitig danke ich Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie auch im Namen des Herrn Bundespräsidenten Dr. Horst Köhler und der Deutschen Bundesregierung an mich gerichtet haben. Mit Freude sende ich meinerseits dem Staatsoberhaupt, den Mitgliedern der Bundesregierung und dem ganzen deutschen Volk meine Segensgrüße. Mögen die guten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, meiner geliebten Heimat, und dem Heiligen Stuhl auch in den kommenden Jahren eine weitere fruchtbare Vertiefung zum Wohle der Menschen erfahren!
In den vergangenen Tagen konnte ich dankbar Rückschau auf meinen Pastoralbesuch in Bayern halten, der unter dem Motto „Wer glaubt, ist nie allein“ stand. Mit der Erinnerung an die Menschen und Orte, denen ich mich lebensgeschichtlich verbunden weiß, wollte ich Begegnungen in der Gemeinschaft des Glaubens verbinden. Dabei konnte ich den vielen Menschen, die an den gottesdienstlichen Feiern teilgenommen haben, die Botschaft von der erlösenden und befreienden Liebe Gottes verkünden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nochmals den staatlichen Behörden des Bundes und des Freistaates Bayern sowie den zahlreichen freiwilligen Helfern für die großzügige und maßgebliche Unterstützung danken, mit der sie zu dem guten und so reibungslosen Verlauf meiner Apostolischen Reise beigetragen haben. Die unzähligen Zuschriften, die ich in den letzen Tagen von Teilnehmern an den Gottesdiensten in Bayern und auch von Fernsehzuschauern sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Ländern erhalten habe, zeigen, daß in diesen Tagen wahre Gemeinschaft erlebt wurde. All dies, so meine ich, entbehrt gewiß nicht der gesellschaftlichen Relevanz: Wo Gemeinschaft wächst und Menschen durch die Botschaft des Glaubens stark im Guten werden, kommt dies auch dem menschlichen Zusammenleben in der Gesellschaft zugute und bestärkt die Bürger in ihrer Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung im Sinne des Gemeinwohls.
Sehr geehrter Herr Botschafter! Die Mission des Heiligen Stuhls ist universal; die Aufmerksamkeit und Sorge des Papstes und seiner Mitarbeiter an der Römischen Kurie gelten, soweit möglich, allen Menschen und Völkern. Zwar bemüht sich der Heilige Stuhl naturgemäß zunächst um die Christen in den verschiedenen Ländern der Erde, doch mißt er dem umfassenden Wohl aller Menschen unabhängig von ihrer Kultur, Sprache und Religionszugehörigkeit hohe Bedeutung zu. Daher sucht der Heilige Stuhl, mit allen Menschen guten Willens zusammenzuarbeiten, wenn es darum geht, dem Menschen, seiner Würde, seiner Integrität und seiner Freiheit zu dienen. Sein ganzheitliches Heil liegt der Katholischen Kirche am Herzen; darum stehen der Einzelne wie die Gemeinschaften, denen er angehört bzw. in denen er lebt, im Mittelpunkt der Aktivitäten des Apostolischen Stuhles. Dessen Wirken auf der internationalen Bühne zeigt, daß die Kirche auf der Seite der Menschen steht, hier in Europa und in allen Teilen der Welt. In der Tat teilt die Kirche die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten jeder Art“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes GS 1). Da es der Kirche aus ihrem Glauben heraus um „die Rettung der menschlichen Person und um den rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft“ geht, steht der Mensch „mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen“ (ebd., 3) im Zentrum ihrer pastoralen Sorge. Aber die Kirche drängt sich nicht auf. Sie nötigt niemanden, die Botschaft des Evangeliums anzunehmen. Denn der Glaube an Jesus Christus, den die Kirche verkündet, kann nur in Freiheit geschehen. Daher müssen Toleranz und kulturelle Offenheit die Begegnung mit den anderen prägen. Toleranz darf freilich niemals mit Indifferentismus verwechselt werden. Denn jede Form von Gleichgültigkeit ist dem tiefen christlichen Interesse am Menschen und an seinem Heil radikal entgegengesetzt. Wahre Toleranz setzt immer auch den Respekt vor dem anderen voraus, vor dem Menschen, der Geschöpf Gottes ist und dessen Existenz Gott bejaht hat. Die Toleranz, die unsere Welt braucht, – ich habe dies erst kürzlich im München ausgeführt – „schließt die Ehrfurcht vor Gott ein – die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist. Diese Ehrfurcht vor dem Heiligen der anderen setzt aber wiederum voraus, daß wir selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lernen. Diese Ehrfurcht kann in der westlichen Welt nur dann regeneriert werden, wenn der Glaube an Gott wieder wächst“ (Homilie am Am 10 Am 2006 in München).
Herr Botschafter! Sie haben in Ihrer Rede ganz zu Recht das ausgezeichnete Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl und die erfreuliche Kooperation beider in einigen Bereichen hervorgehoben. In diesen guten Beziehungen spiegelt sich gewiß auch das solide Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland selbst wieder. Bei früheren Gelegenheiten ist wiederholt auf die gute Zusammenarbeit beider Institutionen auf verschiedenen Feldern zum Nutzen und Wohl der Menschen in unserer Heimat hingewiesen worden. Es bleibt zu hoffen, daß das bewährte Zusammenwirken von Kirche und Staat in Deutschland auch bei sich verändernden politischen Prämissen auf der europäischen Ebene fortgesetzt und ausgebaut werden kann.
Wie in jeder Nation, so steht auch in Deutschland das Staat-Kirche-Verhältnis in einer engen Beziehung zur Gesetzgebung. Daher verfolgt der Heilige Stuhl die diesbezüglichen Entwicklungen und Tendenzen in Bund und Ländern mit regem Interesse. In dieser Ansprache kann ich nur einige Bereiche streifen, die aus der Sicht der Katholischen Kirche, der es – wie oben dargelegt – immer zuerst um den Menschen und sein umfassendes Heil geht, von Bedeutung sind. Ich nenne an erster Stelle den im Grundgesetz verbrieften Schutz von Ehe und Familie, der auf Grund eines sich verändernden Verständnisses ehelicher Gemeinschaft in der politischen Öffentlichkeit einerseits und neuer vom Gesetzgeber vorgesehener Formen, die sich von der natürlichen Familie entfernen, andererseits von der Aushöhlung bedroht ist. Die durch nichts zu rechtfertigende Abtreibung, die nach wie vor vielen unschuldigen ungeborenen Kindern das Leben kostet, bleibt eine schmerzlich empfundene Sorge des Heiligen Stuhls und der ganzen Kirche. Vielleicht kann die aktuelle Diskussion um die Spätabtreibungen bei den politisch Verantwortlichen das Bewußtsein dafür schärfen, daß die absehbare Behinderung eines Kindes kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sein darf, weil auch das behinderte Leben ebenso wertvoll und von Gott bejaht ist und weil es auf dieser Erde niemals und für niemanden eine Garantie auf ein Leben ohne körperliche, seelische oder geistige Einschränkungen geben kann. Des weiteren wird der Heilige Stuhl nicht müde, bei den betreffenden europäischen Institutionen und den einzelnen Nationen auf die ethischen Probleme im Kontext der embryonalen Stammzellenforschung und der sogenannten „neuartigen Therapien“ hinzuweisen.
Sehr geehrter Herr Botschafter, Deutschland hat vielen Menschen, die in ihren Herkunftsländern von Verfolgung aus politischen oder religiösen Motiven bedroht sind, sowie anderen Flüchtlingen Zuflucht und eine neue Heimat gegeben. Das Netz der Hilfe und Solidarität, das auch bedürftige Fremde mitträgt, steht in der Tat für eine humane Gesellschaftsordnung. Die Tragkraft dieses Netzes hängt von den Beiträgen aller ab. Daher ist es erforderlich, daß Asyl entsprechend der Intention des Gesetzgebers, in Konformität mit den rechtlichen Vorgaben und nach dem Prinzip der Gerechtigkeit gewährt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, daß für eine Reihe von Flüchtlingen die Zuflucht in Deutschland geradezu lebenswichtig ist. In diesem Zusammenhang bittet der Heilige Stuhl die zuständigen staatlichen Instanzen, ausländische Christen, deren Leben und Wohlergehen auf Grund ihres Glaubens in der Heimat bedroht ist, nicht abzuschieben und ihnen die Integration in der Bundesrepublik zu erleichtern.
Deutschland kann zu Recht stolz sein auf seine große Bildungstradition. Die Vermittlung von Bildung an die kommenden Generationen gehört zu den zentralen Aufgaben, denen sich der Staat zu stellen hat. Wissen muß zusammen mit Werten vermittelt werden, damit Formung stattfinden kann. In den meisten deutschen Bundesländern teilt der Staat diese große Herausforderung mit der Kirche, die durch den Religionsunterricht, der als „ordentliches Lehrfach“ erteilt wird, in den Schulen präsent ist. Vielerorts wird den Schülern und Schülerinnen, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, „religionsneutraler“ Ethikunterricht erteilt. Dieser Ethikunterricht kann und darf aber keinesfalls „werteneutral“ sein. Er sollte den Schülern ermöglichen, auch mit der großen Tradition des abendländischen Geistes vertraut zu werden, der die Geschichte und Kultur Europas geprägt hat und diese weiterhin inspiriert. Hierbei erscheint es der Kirche wichtig, daß der Ethikunterricht neben dem konfessionellen Religionsunterricht erteilt wird, ohne diesen in irgendeiner Form zu verdrängen.
Sehr geehrter Herr Botschafter! Deutschland ist ein weltzugewandtes Land. Unser Heimatland hat heute seinen festen und anerkannten Platz in der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft. Und über die Fragen nationalen Interesses hinaus vergißt Deutschland nicht die Probleme vieler armer Länder in anderen Teilen der Welt. Auch die internationalen kirchlichen Hilfswerke der Katholischen Kirche, die auf deutschem Boden ihren Sitz haben, dürfen auf die treue Spendenbereitschaft der Bevölkerung zählen. In vielen internationalen, humanitären und Menschenrechtsfragen kann der Apostolische Stuhl mit der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Deutschen Bundesregierung rechnen. Für all dies bin ich und ist die Kirche aufrichtig dankbar. Mit Ihrer langen diplomatischen Erfahrung im Dienst der Bundesrepublik Deutschland werden Sie, Herr Botschafter, dazu beitragen können, daß diese Zusammenarbeit stets fest und für die Menschen gewinnbringend ist. Von Herzen erbitte ich Ihnen, Ihrer werten Familie und allen Botschaftsangehörigen Gottes beständigen Schutz und Seinen reichen Segen.
Freitag, 29. September 2006
Herr Botschafter!
Zu Ihrem Amtsantritt heiße ich Sie herzlich willkommen und danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet, sowie für die Empfindungen der Hochachtung, die Sie gegenüber dem Heiligen Stuhl zum Ausdruck gebracht haben. Ich bitte Sie, den Herrn Präsidenten der Republik wissen zu lassen, daß ich seine Grüße herzlich erwidere, während ich meinen Gruß auf das ganze albanische Volk ausweite, dessen Streben nach Wahrheit und Freiheit, wie Sie zu Recht gesagt haben, auch durch die lange und harte kommunistische Diktatur nicht ausgelöscht wurde, von der es erst seit wenigen Jahren befreit ist. Damit eine Atmosphäre echter Freiheit wachsen kann, bedarf es eines angemessenen ethischspirituellen Umfeldes, das in seiner Auffassung das Wesen und die Berufung des Menschen und der Welt widerspiegelt. Europa war gewiß mit seinem überaus reichen geistigen und institutionellen Erbe im Verlauf dieser beiden Jahrtausende ein vorrangiges »Laboratorium« der Zivilisation, wenn auch unter großen und vielfältigen Mühsalen. Wie viele Kriege! Bis hin zu jenen des vergangenen Jahrhunderts, die das Ausmaß von Weltkriegen angenommen haben. Albanien strebt danach, sich auch institutionell in die europäischen Nationen zu integrieren, da es sich mit ihnen nicht nur aus geographischen, sondern auch und vor allem aus historisch-kulturellen Gründen bereits verbunden weiß. Ich kann nur wünschen, daß jenes Streben eine wirksame und vollkommene Umsetzung finden möge und zu einem harmonischen Prozeß der Einigung Europas auf besondere Weise beitragen kann.
Herr Botschafter, ich habe mich sehr gefreut, daß Sie im Hinblick sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart hervorgehoben haben, wie wichtig die Anwesenheit und das Wirken der katholischen Kirche in Albanien ist – für die Förderung des Glaubens und der geistlichen Werte sowie für die Hilfe, die die Kirche in Notsituationen vieler Art leistet. In diesem Zusammenhang möchte ich an Mutter Teresa erinnern, die im Jahre 2003 durch meinen verehrten Vorgänger Johannes Paul II. seliggesprochen wurde. Mit dem Zeugnis eines Lebens aus dem Geist des Evangeliums und mit dem entwaffnenden Mut ihrer Taten, ihrer Worte und ihrer Schriften hat diese auserwählte Tochter Albaniens allen verkündet, daß Gott Liebe ist und daß er jeden Menschen liebt, besonders die Armen und Verlassenen. In der Tat ist die Liebe die wahre revolutionäre Kraft, die die Welt verändert und sie zu ihrer Erfüllung fortschreiten läßt; von dieser Liebe möchte die Kirche Zeugnis geben durch ihre Erziehungsarbeit und ihre Hilfswerke, die nicht nur den Katholiken offenstehen, sondern allen Menschen. Das ist der Stil, den Jesus Christus gelehrt hat: Das Gute muß um seiner selbst willen getan werden und nicht mit anderen Zielen. Indem ich diesen Einsatz der Kirche für die Umsetzung der dem Evangelium entsprechenden Liebe unterstreiche, möchte ich daran erinnern, daß eine wichtige Form der Nächstenliebe die Tätigkeit im Bereich der Politik ist, wenn sie als Dienst an der »polis«, an der »öffentlichen Sache« gelebt wird, unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls. Diesen Dienst auszuüben, fühlen sich die Katholiken berufen, besonders die Laien, unter Achtung der rechtmäßigen Autonomie der Politik und in Zusammenarbeit mit allen Bürgern für den Aufbau einer blühenden, brüderlichen und solidarischen Nation. In diesem Augenblick steht Albanien vielen Herausforderungen gegenüber. Ich möchte daraus das Problem der Auswanderung vieler seiner Söhne und Töchter herausgreifen. Wenn es einerseits notwendig ist, die Ursachen dieses Phänomens zu bekämpfen, so müssen jedoch auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß diejenigen, die es wünschen, in ihre Heimat zurückkehren können. Und ich möchte hier meine Wertschätzung den Albanern aussprechen, die den besten Werten ihrer Tradition treu sind und in Italien, in Europa und anderen Ländern der Erde hochgeachtet werden.
Was darüber hinaus die offiziellen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Staat betrifft, so heiße ich die von Ihnen erwähnte Vereinbarung gut, die mit dem Ziel getroffen wurde, das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Albanien aus dem Jahr 2002 zur Anwendung zu bringen. Ich wünsche, daß entsprechende Vereinbarungen folgen mögen, um auch die wirtschaftlichen Aspekte zu regeln, die eine nicht geringe Bedeutung besitzen. Der Heilige Stuhl will auf diese Weise zur Konsolidierung des Rechtsstaates in Albanien und zur Schaffung der notwendigen juridischen Rahmenbedingungen für die wirkliche Ausübung der Bürgerrechte im religiösen Bereich beitragen. Das wird darüber hinaus das Zusammenleben der verschiedenen religiösen Bekenntnisse unterstützen, die es in Ihrem Land gibt und die bisher ein Musterbeispiel gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit gegeben haben, das es zu bewahren und zu fördern gilt.
Herr Botschafter, ich bringe Ihnen meine besten Wünsche zum Ausdruck für eine friedvolle und gewinnbringende Sendung und versichere Sie der herzlichen Mitarbeit derer, die in den verschiedenen Dikasterien des Apostolischen Stuhls tätig sind. Am Ende dieser Reflexionen möchte ich gerne noch einmal den hoffnungsvollen Wunsch wiederholen, den der Diener Gottes Johannes Paul II. während des historischen Besuchs am 25. April 1993 an das geliebte albanische Volk richtete, das heißt »vereint und entschlossen den Weg weiterzugehen, der … zur vollen Freiheit in Achtung vor allen führt, wenn ihr den euch vertrauten Fußstapfen des friedlichen Zusammenlebens sowie der offenen Zusammenarbeit und Absprache unter den verschiedenen ethnischen, kulturellen und geistigen Gruppen folgt« (Ansprache bei der Ankunft auf dem Flugplatz Rinas/Tirana; in O.R. dt., Nr. 18, 7.5.1993, S. 9). Auf diesem Weg wird Albanien auf die Unterstützung durch die katholische Kirche und insbesondere durch den Heiligen Stuhl zählen können. Dessen versichere ich Sie ebenso wie meines Gebetsgedenkens, während ich den himmlischen Segen auf Sie und Ihre Familie, auf den Präsidenten der Republik und auf das ganze albanische Volk herabrufe.
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Benedikt XVI Predigten 66