Christifideles laici DE 35

Geht hinaus in die ganze Welt

35 Die Kirche erkennt und erlebt die augenblickliche Dringlichkeit einer neuen Evangelisierung. Sie kann sich aber nicht dem bleibenden Auftrag entziehen, das Evangelium all denen - den Millionen von Männern und Frauen - die Christus, den Erlöser des Menschen, noch nicht kennen, zu verkünden. Diese ausgesprochen missionarische Aufgabe hat Jesus seiner Kirche anvertraut, und gibt er ihr täglich neu auf.

Die Mitwirkung der Laien hat auf diesem Gebiet nie gefehlt. Heute aber wird sie immer notwendiger und wertvoller. Der Anruf des Herrn: »Geht hinaus in die ganze Welt!« trifft heute noch viele hochherzige Laien, die bereit sind, ihr Lebensmilieu, ihre Arbeit, ihr Land oder ihre Heimat zu verlassen, um zumindest für eine bestimmte Zeit in ein Missionsgebiet zu gehen. Auch christliche Eheleute geben bis heute nach dem Beispiel von Aquila und Priscilla (vgl.
Ac 18 Rm 16,3 ff) durch ihre Präsenz und Wirksamkeit in Missionsgebieten ein ermutigendes Zeugnis ihrer leidenschaftlichen Liebe zu Christus und zur Kirche. Wahre missionarische Präsenz ist auch das Leben derer, die sich aus verschiedenen Gründen in Milieus aufhalten, in denen die Kirche noch keine Wurzeln gefaßt hat, und dort ihren Glauben bezeugen.

Das missionarische Problem stellt sich heute in der Kirche aber in einer solch großen Breite und Brisanz dar, daß nur eine wahrhaft solidarische Mitverantwortung aller Glieder der Kirche, der einzelnen und der Gemeinschaften auf eine wirksamere Antwort hoffen lassen kann.

Die Aufforderung des II. Vatikanischen Konzils an die Teilkirchen behält ihre ganze Aktualität, ja sie muß umfassender und entschiedener aufgenommen werden: »Da die Teilkirche ein getreues Abbild der Gesamtkirche sein muß, soll sie sich auch ihrer Sendung an denjenigen, die mit ihr im gleichem Raum leben und noch nicht an Christus glauben, wohl bewußt sein«.(126)

Die Kirche muß heute auf dem Gebiet der Evangelisierung einen großen Schritt nach vorne tun und in eine neue historische Etappe ihrer missionarischen Dynamik eintreten. In einer Welt, die durch die Aufhebung der Entfernungen immer kleiner wird, müssen die Gemeinden untereinander Verbindung suchen, Kräfte und Mittel austauschen und sich miteinander in der einen und gemeinsamen Sendung, das Evangelium zu künden und zu leben, engagieren. »Die sogenannten jungen Kirchen« - meinten die Synodenväter - »bedürfen der Kräfte der älteren Kirchen. Letztere aber brauchen das Zeugnis und den Elan der Jüngeren, so daß die einzelnen Kirchen vom Reichtum der anderen schöpfen«.(127)

In dieser neuen Etappe stellt die Erziehung und Ausbildung nicht nur des Ortsklerus, sondern auch reifer und verantwortlicher Laien in den jungen Kirchen ein wesentliches und unverzichtbares Moment der plantatio Ecclesiae dar.(128) So machen sich die evangelisierten Gemeinden selbst in andere Teile der Welt auf, um die Sendung, das Evangelium Christi zu künden, zu realisieren.

Die Laien können durch ihr Lebensbeispiel dazu beitragen, die Qualität der Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Religionen zu verbessern. Die Synodenväter bemerkten dazu: »Die Kirche lebt heute überall inmitten von Menschen verschiedener Religionen ... Alle Gläubigen und vor allem die Laien, die, sei es in ihrer Heimat oder in Ländern, in die sie ausgewandert sind, unter Völkern anderer Religionen leben, müssen für sie Zeichen des Herrn und seiner Kirche sein, so wie es der Lebenssituation eines jeden Ortes entspricht. Der Dialog zwischen den Religionen hat eine vorrangige Bedeutung, weil er zur Liebe und zur gegenseitigen Ehrfurcht hinführt, die Vorurteile unter den Gläubigen der verschiedenen Religionen abbaut oder zumindest abschwächt und Einheit und Freundschaft zwischen den Völkern fördert«.(129)

Für die Evangelisierung der Welt bedürfen wir vor allem der Evangelisatoren. Darum müssen wir alle, insbesondere die christlichen Familien uns für das Erwachen und Reifen ausgesprochen missionarischer Berufe - als Priester, Ordensleute oder im Laienstand - verantwortlich halten. Wir müssen sie mit allen Mitteln fördern und vor allem das von Jesus bevorzugte Mittel des Gebetes seinem Wort entsprechend nie vernachlässigen: »Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (Mt 9,37-38).

[126] Conc. Ecum. Vat. II, Dec. sobre la actividad misionera de la Iglesia Ad gentes, AGD 20. Cf. también Ibid., AGD 37.
[127] Propositio 29.
[128] Cf. Conc. Ecum. Vat. II, Dec. sobre la actividad misionera de la Iglesia Ad gentes, AGD 21.
[129] Propositio 30 bis.


Im Dienst am Menschen und an der Gesellschaft das Evangelium leben

36 Weil sie in der Kraft des Geistes das Evangelium aufnimmt und verkündet, wird die Kirche evangelisierte und evangelisierende Gemeinschaft. Aus diesem Grund wird sie zur Dienerin der Menschen. In ihr nehmen die Laien teil an der Sendung, den Menschen und der Gesellschaft zu dienen. Das letzte Ziel der Kirche ist mit Sicherheit das Reich Gottes, dessen »Keim und Anfang... auf Erden« sie dartellt.(130) Sie ist deswegen gänzlich der Verherrlichung des Vaters geweiht. Das Reich aber ist Quelle der völligen Befreiung und des ganzen Heiles für die Menschen: Die Kirche lebt und geht mit ihnen in tiefer und wahrer Solidarität mit der Menschheitsgeschichte.

Die Kirche hat den Auftrag, der Welt das Geheimnis Gottes, das in Christus Jesus offenbar wurde, zu enthüllen. Sie tut zugleich dem Menschen den Menschen kund, erschließt ihm den Sinn seiner Existenz und öffnet ihn für die volle Wahrheit über sich selbst und sein Ziel.(131) Kraft ihrer eigenen missionarischen Sendung ist die Kirche dazu berufen, dem Menschen zu dienen. Dieser Dienst gründet zunächst in der unerklärlichen und erschütternden Tatsache, daß »der Sohn Gottes ... sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt« hat.(132)

Darum ist der Mensch »der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrages beschreiten muß: er ist der erste und grundlegende Weg der Kirche, ein Weg, der von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung führt«.(133)

Ähnliches hat das II. Vatikanische Konzil in seinen verschiedenen Dokumenten mit großer Bestimmtheit und Klarheit wiederholt ausgesagt. Wir lesen in einem besonders aufschlußreichen Text aus der Konstitution Gaudium et Spes: »In der Verfolgung der eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern läßt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung. So glaubt die Kirche, durch ihre einzelnen Glieder und als ganze viel zu einer humaneren Gestaltung der Menschenfamilie und ihrer Geschichte beitragen zu können«.(134)

Die ganze Kirche ist für diesen Dienst an der Menschheitsfamilie verantwortlich. Aufgrund ihres »Weltcharakters«, der sie auf eigene und unersetzliche Weise zur christlichen Inspirierung der zeitlichen Ordnung verpflichtet, kommt den Laien in diesem Rahmen aber eine besondere Aufgabe zu.

[130] Conc. Ecum. Vat. II, Const. dogm. sobre la Iglesia Lumen gentium,
LG 5.
[131] Cf. Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 22.
[132] Ibid. GS 22
[133] Juan Pablo II, Enc. Redemptor hominis, RH 14: AAS 71 (1979) 284-285.
[134] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 40.


Die Würde des Menschen fördern

37 Die unverletzliche Würde eines jeden Menschen neu zu entdecken und entdecken zu lassen,ist eine wesentliche Aufgabe, ja in einem gewissen Sinn die zentrale und alle anderen einschließende Aufgabe im Kontext des Dienstes an der Menschheitsfamilie, zu dem die Kirche und in ihr die Laien berufen sind.

Unter allen irdischen Geschöpfen ist nur der Mensch »Person«, bewußtes und freies Subjekt und darum auch »Mitte und Spitze« alles dessen, was auf der Erde ist.(135)

Die personale Würde ist das kostbarste Gut, das der Mensch besitzt, und aufgrund dessen er die ganze materielle Welt an Wert transzendiert.

Jesu Wort »Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?« (
Mc 8,36), enthält eine wegweisende und ermutigende anthropologische Aussage: Des Menschen Wert liegt nicht in dem, was er »hat« - wenn er die ganze Welt gewinnt - sondern in dem, was er »ist«: nicht so sehr die Güter der Welt zählen, sondern das Gut des Menschen, das Gut, das der Mensch selber ist.

Die Leuchtkraft der Würde des Menschen kommt von ihrem Ursprung und von ihrer Zielbestimmung her voll zum Ausdruck: Von Gott nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen, vom kostbaren Blut Christi erlöst, ist der Mensch berufen, »Kind Gottes im Sohn« und lebendiger Tempel des Heiligen Geistes zu sein. Er ist bestimmt zum ewigen Leben in der seligmachenden Gemeinschaft mit Gott. Darum schreit jede Verletzung der Menschenwürde vor dem Angesicht Gottes nach Rache und ist Beleidigung des Schöpfers des Menschen.

Aufgrund seiner Personwürde ist der Mensch in sich und für sich genommen immer ein Wertund muß als solcher verstanden und behandelt werden. Er darf nicht als benutzbares Objekt, als Werkzeug, als ein Ding betrachtet und behandelt werden.

Die Personwürde ist Fundament der Gleichheit aller Menschen. Von ihr leitet sich die absolute Unannehmbarkeit der verschiedensten Formen der Diskriminierung ab, die die Menschheitsfamilie leider ständig spalten und demütigen: durch Rassen-, wirtschaftliche, soziale, politische, geographische oder andere Unterschiede bedingt. Jede Diskriminierung stellt nicht so sehr wegen der Spannungen und Konflikte, die sie in der Gesellschaft hervorrufen kann, sondern wegen der Verletzung der Menschenwürde eine unerträgliche Ungerechtigkeit dar. Sie ist nicht nur Verletzung der Würde des Opfers der Ungerechtigkeit, sondern mehr noch der Würde desjenigen, der die Ungerechtigkeit begeht.

Die Personwürde ist Fundament der Gleichheit aller Menschen und auch Fundament der Teilnahme und der Solidarität der Menschen untereinander. Der Dialog und die Gemeinschaft sind zutiefst verwurzelt in dem, was die Menschen »sind«. Diese Verwurzelung im Sein ist tiefer und ursprünglicher als eine Verankerung in dem, was die Menschen »haben«.

Die Personwürde ist unzerstörbares Eigentum eines jeden Menschen. Die ungeheure Kraft dieser Behauptung, die auf die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit eines jeden Menschen zurückgeht, muß erfaßt werden. Davon leitet sich ab, daß der einzelne durch alles, was ihn in der Anonymität des Kollektivs, der Institution, der Struktur, des Systems zermalmen und vernichten will, nicht nivelliert werden kann. Die Person ist in ihrer Einmaligkeit weder eine Nummer, noch das Glied einer Kette, noch das Teil eines Systems. Die radikalste und erhebendste Bezeugung des Wertes eines jeden Menschen gab der Sohn Gottes, als er im Schoß einer Frau Mensch wurde. Davon spricht die christliche Weihnacht auch heute noch zu uns.(136)

[135] Cf. Ibid., GS 12.
[136] «Si celebramos tan solemnemente el Nacimiento de Jesús, es para testimoniar que todo hombre es alguien, único e irrepetible. Si las estadísticas humanas, las catalogaciones humanas, los humanos sistemas políticos, económicos y sociales, las simples posibilidades humanas no logran asegurar al hombre el que pueda nacer, existir y trabajar como un único e irrepetible, entonces todo eso se lo asegura Dios. Para El y ante El, el hombre es siempre único e irrepetible; alguien eternamente ideado y eternamente elegido; alguien denominado y llamado por su propio nombre» (Juan Pablo II, Primer radiomensaje de Navidad al mundo: AAS 71 [1979] 66).


Ehrfurcht vor dem unantastbaren Recht auf das Leben

38 Die effektive Anerkennung der Personwürde eines jeden Menschen erfordert die Verteidigung und die Förderung der Menschenrechte sowie die Ehrfurcht vor ihnen. Diese sind Naturrechte, Universalrechte, unantastbare Rechte: Niemand, nicht der einzelne, nicht die Gruppe, nicht die Autorität und nicht der Staat kann sie verändern oder aufheben, weil sie von Gott selbst kommen.

Die Unantastbarkeit der Person, die Widerschein der absoluten Unantastbarkeit Gottes selbst ist, findet ihren ersten und fundamentalsten Ausdruck in der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Wenn das Recht auf das Leben nicht als erstes und fundamentales Recht mit größter Entschiedenheit als Bedingung für alle anderen Rechte der Person verteidigt wird, bleibt auch das berechtigte, wiederholte Hinweisen auf die Menschenrechte - auf das Recht auf Gesundheit, Wohnung, Arbeit, Gründung einer Familie, Kultur usw. - trügerisch und illusorisch.

Angesichts aller Verletzungen, die dem jedem Menschen zustehenden Recht auf das Leben, seies durch einzelne oder durch die Autorität selbst zugefügt werden, hat die Kirche nie resigniert. Jeder Mensch ist in allen Phasen seiner Entwicklung, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, Träger dieses Rechtes; er bleibt es in jeder Situation: Gesundheit oder Krankheit, Vollkommenheit oder Behinderung, Reichtum oder Armut. Das II. Vatikanische Konzil erklärt ausdrücklich: »Was ferner zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord; was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche Person behandelt wird: all diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchsten Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers«.(137)

Die Sendung und Verantwortung für die Anerkennung der Personwürde jedes Menschen und für die Verteidigung des Rechtes auf das Leben sind jedem übergeben. Einige Laien sind aber aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaft in besonderer Weise dazu berufen: Eltern, Erzieher, im Gesundheitswesen Arbeitende und Träger der wirtschaftlichen und politischen Macht.

In der liebevollen und hochherzigen Annahme jeden menschlichen Lebens, vor allem des schwachen oder kranken, erlebt die Kirche heute ein besonders entscheidendes Moment ihrer Sendung, die um so notwendiger ist, als eine »Kultur des Todes« mehr und mehr beherrschend wird. »Aber die Kirche ist fest überzeugt, daß das menschliche Leben, auch das schwache und leidende, immer ein herrliches Geschenk der göttlichen Güte ist. Gegen Pessimismus und Egoismus, die die Welt verdunkeln, steht die Kirche auf der Seite des Lebens; in jedem menschlichen Leben weiß sie den Glanz jenes »Ja«, jenes »Amen« zu entdecken, das Christus selbst ist (vgl.
1Co 2,19 Ap 3,14). Dem »Nein«, das in die Welt einbricht und einwirkt, setzt sie dieses lebendige »Ja« entgegen, und verteidigt so den Menschen und die Welt vor denen, die das Leben bekämpfen und ersticken«.(138) Den Laien, die aufgrund ihrer Berufung oder ihres Berufes unmittelbarer mit der Bejahung des Lebens konfrontiert werden, kommt es zu, das »Ja« der Kirche zum menschlichen Leben konkret und wirksam zu machen.

Neue Möglichkeiten und Verantwortungen, die bis an die Grenzen des menschlichen Lebens gehen, haben sich heute durch die enorme Entwicklung der biologischen und medizinischen Wissenschaften und der überraschenden technologischen Möglichkeiten eröffnet: Der Mensch ist heute in der Lage, das menschliche Leben in seinem Anfang und in den ersten Stadien seiner Entwicklung nicht nur zu »beobachten«, sondern auch zu »manipulieren«.

Das moralische Gewissen der Menschheit kann weder indifferent noch unberührt bleiben von den riesigen Schritten einer technischen Macht, die eine immer umfassendere und tiefergehende Herrschaft über die Prozesse der Fortpflanzung und der ersten Phasen des menschlichen Lebens gewinnt . Vielleicht erweist sich die Weisheit gerade auf diesem Gebiet mehr den je als einziger rettender Anker, der den Menschen in der wissenschaftlichen und in der experimentellen Forschung dazu veranlaßt, mit Intelligenz und Liebe zu handeln, das heißt in der Ehrfurcht, besser noch in der Verehrung der unantastbaren Personwürde eines jeden Menschen vom ersten Augenblick seiner Existenz an. Das ist dann der Fall, wenn Wissenschaft und Technik sich mit legitimen Mitteln für die Verteidigung des Lebens und die Heilung der Krankheit vom ersten Augenblick an einsetzen und - aufgrund der Würde der Forschung selbst - Eingriffe verweigern, die den genetischen Bestand des einzelnen und des menschlichen Geschlechtes verändern.(139)

Die Laien, die in verschiedenen Eigenschaften und auf verschiedenen Ebenen in der Wissenschaft und in der Technik sowie im medizinischen, sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Bereich arbeiten, müssen sich mutig den »Herausforderungen«, die sich aus den neuen Problemen der Bioethik ergeben, stellen. Wie die Synodenväter sagten, »müssen die Christen ihre Verantwortung als Herren der Wissenschaft und der Technologie und nicht als ihre Sklaven ausüben ... In der Perspektive der moralischen »Herausforderungen«, die sich aus der neuen und immensen technologischen Macht ergeben werden, und die nicht nur die Grundrechte des Menschen, sondern auch die biologische Existenz des Menschengeschlechtes selbst bedrohen, ist es überaus wichtig, daß die christlichen Laien - mit Hilfe der gesamten Kirche - sich dafür verantwortlich halten, die Kultur zurückzuführen auf die Prinzipien eines wahren Humanismus, damit die Förderung und die Verteidigung der Menschenrechte in ihrem eigenen Wesen einen sicheren und dynamischen Grund finden, in dem Wesen, das die Verkündigung des Evangeliums den Menschen geoffenbart hat«.(140)

Die Wachsamkeit aller angesichts der Zusammenballung der Macht, inbesondere der technologischen Macht, ist heute dringend notwendig. Denn diese tendiert dazu, nicht nur die biologische Natur, sondern auch die Inhalte des menschlichen Gewissens selbst und die Lebensentwürfe der Menschen zu manipulieren und so die Diskriminierung und Marginalisierung ganzer Völker zu vergrößern.

[137] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 27.
[138] Juan Pablo II, Exh. Ap. Familiaris consortio, FC 30: AAS 74 (1982), 116.
[139] Cf. Congregación para la Doctrina de la Fe, Instrucción Donum vitae sobre el respeto de la vida humana naciente y la dignidad de la procreación. Respuestas a algunas cuestiones de actualidad (22 Febrero 1987): AAS 80 (1988) 70-102.
[140] Propositio 36.


Freiheit, den Namen Gottes anzurufen

39 Die Ehrfurcht vor der Personwürde, die die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte einschließt, fordert die Anerkennung der religiösen Dimension des Menschen. Diese ist keine lediglich »konfessionelle« Forderung, sondern eine Notwendigkeit, die in der Realität des Menschseins selbst ihre unausrottbare Wurzel hat. Das Verhältnis zu Gott ist in der Tat Bestandteil des »Seins« und des »Existierens« des Menschen: in Gott »leben wir, bewegen wir uns und sind wir« (Ac 17,28). Wenn auch nicht alle an diese Wahrheit glauben, haben die, die von ihr überzeugt sind, das Recht auf Ehrfurcht gegenüber ihrem Glauben und ihren Lebensentscheidungen, die sich auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene daraus ergeben. Dieses ist das Recht auf Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit, dessen effektive Anerkennung zu den höchsten Gütern und den schwersten Pflichten eines jeden Volkes zählen, das in Wahrheit das Wohl des Menschen und der Gesellschaft gewährleisten will: »Die Religionsfreiheit ist eine unverzichtbare Forderung der Personwürde eines jeden Menschen. Sie stellt einen Eckstein im Gebäude der Menschenrechte dar und ist darum ein unersetzlicher Faktor des Wohles der Menschen und der ganzen Gesellschaft, sowie der persönlichen Verwirklichung eines jeden. Daraus ergibt sich, daß die Freiheit der einzelnen und Gemeinschaften, die eigene Religion bezeugen und praktizieren zu dürfen, ein wesentlicher Bestandteil des friedlichen Miteinander unter den Menschen ist. ...

Das bürgerliche und gesellschaftliche Recht auf Religionsfreiheit berührt die intimste Sphäre des Gewissens. Es kann darum zum richtunggebenden Kriterium und in gewissem Sinn zum Maß der anderen Grundrechte werden«.(141)

Die Synode hat die vielen Brüder und Schwestern, die sich noch nicht dieses Rechtes erfreuen, nicht vergessen. Um des Bekenntnisses ihres Glaubens willen müssen sie Unannehmlichkeiten, Marginalisierung, Leid, Verfolgung und zuweilen den Tod auf sich nehmen. Die Mehrheit dieser Brüder und Schwestern sind christliche Laien. Die Verkündigung des Evangeliums und das christliche Lebenszeugnis im Leid und im Martyrium stellen die Höchstform des Apostolates der Jünger Christi dar, so wie die Liebe zum Herrn Jesus bis hin zur Hingabe des Lebens eine außerordentliche Quelle der Fruchtbarkeit für den Aufbau der Kirche darstellt. Der mystische Weinstock zeigt so seine Lebenskraft, wie der heilige Augustinus es hervorhebt: »Wie es von den Propheten und vom Herrn selbst vorherverkündet worden war, wurde dieser Weinstock, der seine fruchtbaren Reben in der ganzen Welt verbreitet, um so lebenskräftiger, als er mit dem vielen Blut der Märtyrer begossen wurde«.(142)

Die gesamte Kirche ist dankbar für dieses Beispiel und für diese Gabe: In diesen ihren Söhnen und Töchtern findet sie den Grund, um die Dynamik ihres heiligen und apostolischen Lebens zu erneuern. In diesem Sinn hielten die Synodenväter es für ihre besondere Pflicht, »jenen Laien zu danken, die als unermüdliche Zeugen des Glaubens, trotz der Freiheitseinschränkungen und des Verzichtes auf geweihte Amtsträger, in Treue zum Apostolischen Stuhl stehen.

Sie setzen alles, sogar das eigene Leben auf das Spiel. Die Laien geben auf diese Weise Zeugnis von einer wesentlichen Eigenschaft der Kirche: Die Kirche Gottes wird aus der Gnade Gottes, und diese Wahrheit kommt im Martyrium auf vorzügliche Weise zum Ausdruck«.(143)

Was wir bis jetzt über die Ehrfurcht vor der personalen Würde und die Anerkennung der Menschenrechte gesagt, ist Verantwortung eines jeden Christen, eines jeden Menschen. Wir müssen aber darauf hinweisen, daß dieses Problem heute eine universelle Dimension kennt: es geht in der Tat um eine Frage, die ganze Menschengruppen, ja ganze Völker, deren Grundrechte gewaltsam zertreten werden, betrifft. Daraus ergeben sich in der Entwicklung die Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Welten, die in der kürzlich erschienen Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis offen angeprangert worden sind.

Die Ehrfurcht vor dem Menschen geht über die Forderung einer individuellen Moral hinaus, sie stellt sich als Grundkriterium, gleichsam als wichtigster Grundpfeiler der Struktur der Gesellschaft selbst dar, weil diese ganz auf die Person hingeordnet ist.

So kommt zur Verantwortung, dem Menschen zu dienen, die, der Gesellschaft zu dienen; beides als allgemeines Ziel der christlichen Inspirierung des säkularen Bereiches, zu der die Laien in der ihnen eigenen und spezifischen Modalität berufen sind.

[141] Juan Pablo II, Mensaje de la XXI Jornada Mundial de la Paz (8 Diciembre 1987): AAS 80 (1988) 278 y 280.
[142] San Agustín, De Catech. Rud., XXIV, 44: CCL 46, 168.
[143] Propositio 32.


Die Familie, erster Raum für das soziale Engagement

40 Der Mensch kennt eine eingeborene, seiner Struktur eingegebene soziale Dimension. Er ist von innen her zur Gemeinschaft mit anderen und zur vollen Hingabe an sie berufen: »Gott, der väterlich für alle sorgt, wollte, daß alle Menschen eine Familie bilden und einander in brüderlicher Gesinnung begegnen«.(144) Die Gesellschaft, Frucht und Zeichen der Soziabilität des Menschen, erreicht dann ihre volle Wahrheit, wenn sie Gemeinschaft von Personen wird.

Zwischen Mensch und Gesellschaft besteht eine Interdependenz und Reziprozität: was für die Person getan wird, ist Dienst an der Gesellschaft, und was für die Gesellschaft getan wird, kommt der Person zugute. Darum ist das apostolische Engagement der Laien in der zeitlichen Ordnung immer und untrennbar zugleich Dienst am Menschen in seiner Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit und Dienst an allen Menschen

Die soziale Dimension des Menschen findet ihren ersten und ursprünglichen Ausdruck im Ehepaar und in der Familie: »Gott hat den Menschen nicht allein geschaffen: denn von Anfang an hat er ihn "als Mann und Frau" geschaffen« (
Gn 1,27); ihre Verbindung schafft die erste Form personaler Gemeinschaft.(145) Jesus wollte dem Ehepaar seine volle Würde und der Familie ihre innere Festigkeit wieder zurückgeben (vgl. Mt 19,3-9); der heilige Paulus hat die tiefe Beziehung zwischen der Ehe und dem Geheimnis Christi und der Kirche aufgeschlossen (vgl. Ep 5,22-6,4 Col 3,18-21 1P 3,1-7).

Ehepaar und Familie sind der primäre Ort des sozialen Engagements der Laien. Ihnen kann nur von der Überzeugung ihres unersetzlichen Wertes für die Entwicklung der Gesellschaft und der Kirche her Rechnung getragen werden.

Als Wiege des Lebens und der Liebe, in der der Mensch »geboren« wird und »wächst«, stellt die Familie die Grundzelle der Gesellschaft dar.

Wenn Egoismus, Anti-Geburten-Propaganda, totalitäre Politiken, moralische Armut, physische und kulturelle Not, hedonistische und konsumistische Mentalitäten die Quelle des Lebens erdrosseln wollen, und die ideologischen Systeme sich mit dem vielfältigen Mangel an Interesse und an Liebe verbinden, um die Erziehungsaufgabe der Familie aufzuheben, muß dieser Gemeinschaft besondere Sorge entgegengebracht werden.

Ein umfassender, tiefgehender und systematischer Einsatz, der nicht nur durch die Kultur, sondern auch durch materielle Mittel und durch die gesetzgebenden Organe unterstützt wird, ist erforderlich, damit die Familie ihre Aufgabe als erster Ort der »Humanisierung« der Person und der Gesellschaft erfüllen kann.

Das apostolische Engagement der Laien geht zunächst dahin, in der Familie das Bewußtsein ihrer Identität als erste Zelle der Gesellschaft und ihrer ursprünglichen Aufgabe in ihr zu wecken. Dadurch soll sie immer mehr zum aktiven und verantwortlichen Protagonisten ihres Wachstums und ihrer Teilnahme am Leben der Gesellschaft werden. Die Familie kann und muß von allen, vor allem von den öffentlichen Autoritäten, Ehrfurcht vor den Rechten verlangen, die die Gesellschaft retten können, weil sie die Familie retten.

Was im Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio über die Teilhabe an der Entwicklung der Gesellschaft aufgeführt wird,(146) und was der Heilige Stuhl auf Bitten der Bischofssynode 1980 als »Charta der Rechte der Familie« formuliert hat, beinhaltet ein vollständiges und organisches Programm für alle Laien, die sich in verschiedenen Eigenschaften für die Förderung der Werte und der Rechte der Familie einsetzen. Die Verwirklichung dieses Programms muß um so dringender und entschiedener veranlaßt werden, als die Angriffe gegen die Stabilität und die Fruchtbarkeit der Familie, sowie die Versuche, sie an den Rand der Gesellschaft zu zwingen und ihre soziale Relevanz zu verkürzen, tiefgreifenden und systematischen Charakter annehmen.

Die Erfahrung zeigt, daß Zivilisation und Festigkeit der Völker vor allem durch die menschliche Qualität ihrer Familien bestimmt werden. Darum gewinnt die apostolische Tätigkeit im Dienst der Familie eine unvergleichliche soziale Bedeutung. Die Kirche ist zutiefst davon überzeugt. Sie weiß: »Die Zukunft der Menschheit geht über die Familie«.(147)

[144] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 24.
[145] Ibid., GS 12.
[146] Cf Juan Pablo II, Exh. Ap. Familiaris consortio, FC 42-48: AAS 74 (1982) 134-140.
[147] Ibid., FC 85: AAS 74 (1982) 188.


Die Liebe, Seele und Fundament der Solidarität

41 Der Dienst an der Gesellschaft kann auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht und verwirklicht werden: Von den freien und informellen Modalitäten bis hin zu den institutionellen, von der Hilfe für einzelne bis hin zu der, die verschiedenen Gruppen und Gemeinschaften angeboten wird.

Die gesamte Kirche ist als solche zum Dienst der Liebe berufen: »Wie darum die heilige Kirche schon in ihrer Frühzeit die Feier der Agape mit dem eucharistischen Mahl verband, und so als ganze durch das Band der Liebe um Christus geeint in Erscheinung trat, wird sie zu allen Zeiten an diesem Zeichen der Liebe erkannt. Wenn sie sich auch über alles freut, was andere in dieser Hinsicht tun, nimmt sie doch die Werke der Liebe als ihre eigene Pflicht und ihr unveräußerliches Recht in Anspruch. Der barmherzige Sinn für die Armen und Kranken und die sogenannten caritativen Werke, die gegenseitige Hilfe zur Erleichterung aller menschlichen Nöte, stehen deshalb in der Kirche besonders in Ehren«.(148)

Unmittelbarer und allgemeiner Inhalt der christlichen Inspirierung der zeitlichen Ordnung, die spezifische Aufgabe der Laien ist, bleibt die Nächstenliebe in ihren altüberkommenen und immer neuen Formen der leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit.

Durch die Nächstenliebe leben und bezeugen die Laien ihre Teilhabe am Königsein Christi, das heißt ihre Teilhabe an der Macht des Menschensohnes, der »nicht gekommen (ist), um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen« (
Mc 10,45). Die Laien leben und bezeugen dieses Königsein auf die einfachste, allen jederzeit zugängliche, aber zugleich auch erhabenste Weise, weil die Liebe die höchste Gabe ist, die der Geist für den Aufbau der Kirche (vgl. 1Co 13,13) und für das Wohl der Menschheit schenkt. Die Liebe ist es, die eine wirksame und für alle Bedürfnisse der Menschen offene Solidarität beseelt und begründet.

Nicht nur einzelne, sondern auch Gruppen und Gemeinschaften müssen diese Liebe ausüben, denn ihrer bedarf man, und wird man immer mehr bedürfen. Nichts und niemand kann sie ersetzen und wird sie ersetzen können, auch nicht die vielen Institutionen und Initiativen der öffentlichen Organe, wenn sie versuchen, den oft schweren und weit verbreiteten Bedürfnissen eines Volkes Rechnung zu tragen. Paradoxerweise ist die Liebe um so notwendiger, als die Institutionen in ihrer Organisation komplexer werden und jeden verfügbaren Raum verwalten wollen. Sie werden letztlich vom unpersönlichen Funktionalismus, der übertriebenen Bürokratie, von ungerechten Privatinteressen, vom leichtfertigen und verbreiteten Mangel an Interesse ausgehöhlt.

Gerade in diesem Kontext entstehen und wachsen vor allem in den organisierten Gesellschaften verschiedene Formen freiwilligen Einsatzes, die sich in einer Vielfalt von Diensten und Werken aktualisieren. Wenn es tatsächlich als selbsloser Dienst am Wohl der Menschen, vor allem der Bedürftigsten und derer, die von den sozialen Diensten vergessen, verwirklicht wird, kann der freiwillige Einsatz als eine bedeutende Form des Apostolates betrachtet werden, bei dem den Laien, Männern und Frauen, eine vorrangige Aufgabe zukommt.

[148] Conc. Ecum. Vat. II, Dec. sobre el apostolado de los laicos Apostolicam actuositatem, AA 8.



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