Direktorium für Dienst und Leben


KONGREGATION FÜR DEN KLERUS

DIREKTORIUM


FÜR DIENST UND LEBEN


DER PRIESTER



LIBRERIA EDITRICE VATICANA

00120 CITTA DEL VATICANO

EINLEITUNG


Die reiche Erfahrung der Kirche mit dem Amt und Leben der Priester, die in verschiedenen Dokumenten des Lehramtes(1) enthalten ist, hat in unseren Tagen dank der Lehraussagen der nachsynodalen apostolischen Exhortation Pastores dabo vobis(2) einen neuen Impuls erhalten.

Die Veröffentlichung dieses Dokuments - in welchem der Papst seine Stimme als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus mit jener der Synodenväter vereinen wollte - hat für die Priester und für die ganze Kirche, den Beginn eines treuen und fruchtbaren Weges der Vertiefung und der Anwendung seiner Inhalte bedeutet.

»Insbesondere die vorrangige pastorale Aufgabe der Neu-Evangelisierung, die das ganze Volk Gottes betrifft und einen neuen Eifer, neue Methoden und eine neue Ausdruckskraft für die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums fordert, verlangt heute Priester, die radikal und vollständig in das Geheimnis Christi eingebettet und fähig sind, einen neuen, von tiefer Verbundenheit mit dem Papst, den Bischöfen und untereinander und von fruchtbarer Zusammenarbeit mit den gläubigen Laien gekennzeichneten Stil des pastoralen Lebens zu verwirklichen«.(3)

Die ersten Verantwortlichen dieser »Neu-Evangelisierung« des dritten Millenniums sind die Priester, die allerdings, um ihre Sendung verwirklichen zu können, in sich selbst ein Leben pflegen müssen, das reine Transparenz der eigenen Identität zu sein hat. Sie müssen eine Gemeinschaft der Liebe mit Christus, dem ewigen Hohenpriester, dem Haupt und Lehrer, dem Bräutigam und Hirten leben, sowie die eigene Spiritualität und das eigene Amt durch eine dauernde und vollständige Weiterbildung festigen.

Dieses Direktorium, das von vielen Bischöfen sowohl während der Synode 1990 als auch bei der von unserer Kongregation veranstalteten Konsultation des gesamten Episkopats verlangt wurde, möchte den genannten Anliegen entsprechen.

In die Vorarbeiten sind die Anregungen des gesamten dazu befragten Welt-Episkopats eingeflossen, die Ergebnisse der Plenar-Kongregation, die im Oktober 1993 im Vatikan stattfand und schießlich die Reflexion von mit heutigen pastoralen Verhältnissen vertrauten Theologen, Kanonisten und Fachleute verschiedenster Herkunft.

Es wurde versucht, praktische Elemente anzubieten, die Nährboden für Initiativen sein können und so weit wie möglich auf gemeinschaftlicher Basis getragen werden sollen. Es wurde vermieden, allzusehr auf jene Details einzugehen, die nur die legitime lokale Praxis, sowie die wahren Bedingungen jeder Diözese und Bischofskonferenz, der Klugheit und dem Eifer der Hirten vorteilhaft nahelegen können. Unter Berücksichtigung der Natur des vorliegenden Dokuments als Direktorium schien es unter den gegenwärtigen Umständen angebracht, bloß jene doktrinären Elemente in Erinnerung zu rufen, die das Fundament der Identität, der Spiritualität und der ständigen Weiterbildung der Priester darstellen.

Das Dokument beabsichtigt daher weder eine umfassende Darlegung über das Priestertum noch eine bloße und einfache Wiederholung dessen anzubieten, was vom Magisterium der Kirche bereits authentischerweise zum Ausdruck gebracht wurde. Es möchte vielmehr auf die wichtigsten Fragen doktrinärer, disziplinärer und pastoraler Art antworten, die sich den Priestern beim Einsatz für die Neu-Evangelisierung stellen.

So wollte man beispielsweise klären, daß wahre priesterliche Identität, wie sie der göttliche Meister gewollt und die Kirche immer gelebt hat, nicht mit jenen demokratistischen Tendenzen vereinbar ist, welche die Realität des Amtspriestertums aushöhlen und annullieren wollen. Besonderes Augenmerk wollte man auf das spezifische Thema der Gemeinschaft richten, das heute wegen der Auswirkungen auf das Leben des Priesters als besonders dringlich empfunden wird. Das gleiche gilt für die priesterliche Spiritualität, die in unserer Zeit nicht wenige Rückschläge erlitten hat, vor allem aufgrund des Säkularismus und eines irrigen Anthropologismus. Schließlich schien es notwendig, einige Ratschläge für eine geeignete formatio permanens anzubieten, die den Priestern helfen soll, mit Freude und Verantwortung ihre Berufung zu leben.

Der Text ist natürlich über Vermittlung der Bischöfe an alle Priester der lateinischen Kirche gerichtet. Die darin enthaltenen Direktiven betreffen in erster Linie die diözesanen Weltpriester, wenn auch viele dieser Richtlinien von den priesterlichen Mitgliedern der Ordensinstitute und der Gemeinschaften apostolischen Lebens - entsprechend angepaßt - genauso beachtet werden müssen.

Es bleibt zu wünschen, daß dieses Direktorium für jeden Priester eine Hilfe sein kann: die eigene Identität zu vertiefen und die eigene Spiritualität zu mehren, eine Ermutigung im Dienst und in der Verwirklichung der eigenen Weiterbildung, deren Erstverantwortlicher jeder selbst ist, sowie ein Bezugspunkt für ein reichhaltiges und authentisches Apostolat zum Nutzen der Kirche und der ganzen Welt.

Seitens der Kongregation für den Klerus, Gründonnerstag 1994.
JOSÉ T. Kard. SANCHEZ

Präfekt



+ CRESCENZIO SEPE

Tit.-Erzbischof von Grado

Sekretär

I. Kapitel

IDENTITÄT DES PRIESTERS



1 Das Priestertum als Geschenk

Der gesamten Kirche wurde an der priesterlichen Salbung Christi im Heiligen Geist Anteil gegeben. In der Kirche bilden »nämlich alle Gläubigen eine heilige und königliche Priesterschaft, bringen geistige Opfer durch Jesus Christus Gott dar und verkünden die Machttaten dessen, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat« (Petr. 2, 5 u. 9).(4) In Christus ist im Hinblick auf das Heil aller Menschen sein ganzer mystischer Leib durch den Heiligen Geist mit dem Vater vereint.

Die Kirche kann eine solche Sendung jedoch nicht allein weiterführen: Ihre gesamte Tätigkeit braucht zuinnerst die Verbundenheit mit Christus als Haupt seines Leibes. Sie ist unauflöslich mit dem Herrn vereint, von Ihm selbst empfängt sie ständig Gnade und Wahrheit, sowie Führung und Unterstützung, damit sie allen und jedem »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«(5) sein kann.

Das Amtspriestertum findet seine Daseinsberechtigung in dieser Perspektive der vitalen und wirksamen Einheit mit Christus. Durch diesen Dienst nämlich fährt der Herr fort, inmitten seines Volkes jenes Wirken zu vollbringen, das allein Ihm als Haupt seines Leibes zukommt. Daher macht das Amtspriestertum das eigene Tun Christi, des Hauptes, greifbar nahe und bezeugt damit, daß Christus seine Kirche nicht verlassen hat, sie vielmehr mit seinem andauernden Priestertum weiterhin belebt. Deshalb betrachtet die Kirche das Amtspriestertum als Geschenk, das ihr durch den Dienst einiger ihrer Gläubigen vermittelt wird.

Dieses Geschenk wurde von Christus eingesetzt, um seine Heilssendung weiterzuführen. Anfänglich den Aposteln verliehen, besteht es durch deren Nachfolger, die Bischöfe, in der Kirche weiter.


2 Sakramentaler Ursprung

Durch die sakramentale Weihe, die durch Handauflegung und Weihegebet des Bischofs geschieht, wird im Priester ein »besonderes ontologisches Band« bewirkt, »das den Priester mit Christus, dem Hohenpriester und Guten Hirten eint«.(6)

Daher leitet sich die Identität des Priesters von der spezifischen Teilhabe am Priestertum Christi ab. In und für die Kirche wird der Geweihte ein reales, lebendiges und transparentes Bild des Priesters Christus, »eine sakramentale Vergegenwärtigung Christi, des Hauptes und des Hirten«.(7) Durch die Weihe erhält der Priester »als Geschenk eine geistliche Vollmacht, die Teilhabe an jener Autorität ist, mit welcher Jesus Christus durch den Heiligen Geist die Kirche leitet«.(8)

Diese sakramentale Identifikation mit dem ewigen Hohenpriester fügt den Priester in besonderer Weise ins trinitarische Geheimnis und durch das Geheimnis Christi in die Gemeinschaft des Amtes der Kirche ein, um dem Volk Gottes zu dienen.(9)

Trinitarische Dimension


3 In Communio mit dem Vater, dem Sohn und dem Hl. Geist

Sosehr es wahr ist, daß jeder Christ durch die Taufe mit dem einen dreifaltigen Gott verbunden ist, sosehr ist es auch wahr, daß der Priester durch das Weihesakrament in eine besondere und spezifische Beziehung mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist hineingestellt wird. Es stimmt: »Unsere Identität hat ihren tiefsten Ursprung in der Liebe des Vaters. Wir sind mit dem von ihm gesandten Sohn, dem Hohenpriester und Guten Hirten, durch den Heiligen Geist im Amtspriestertum sakramental vereint. Leben und Dienst des Priesters sind Weiterführung des Lebens und des Tuns Christi selbst. Das ist unsere Identität, unsere wahre Würde, Quelle unserer Freude und die Gewißheit unseres Lebens«.(10)

Identität, Amt und Existenz des Priesters sind also wesenhaft auf die drei göttlichen Personen bezogen, und dies im Hinblick auf den priesterlichen Dienst in der Kirche.


4 In der trinitarischen Heilsdynamik

Der Priester ist »als sichtbare Weiterführung und sakramentales Zeichen Christi, der selbst sowohl der Kirche als auch der Welt als dauernder und immer neuer Ursprung des Heils gegenübersteht«,(11) in die trinitarische Heilsdynamik mit einer besonderen Verantwortung eingefügt. Seine Identität leitet sich vom »ministerium verbi et sacramentorum« ab, das wesenhaft in Beziehung steht: zum Dienst der rettenden Liebe des Vaters (cf
Jn 17,6-9 1Co 1,1 2Co 1,1), zum priesterlichen Sein Christi, der seinen Diener persönlich beruft und dazu erwählt, mit ihm zu sein (cf Mc 3,15), sowie zur Gabe des Geistes (cf Jn 20,21), die dem Priester die nötige Kraft zuteilt, um den vielen Kindern Gottes Leben zu schenken, die berufen als ein einziges Volk zum Reich des Vaters unterwegs sind.


5 Innige Beziehung zur Dreifaltigkeit

Von daher versteht man die wesentlich »relationale« (cf
Jn 17,11 Jn 17,21)(12) Charakteristik der Identität des Priesters.

Die Gnade und der unauslöschliche Charakter, die mit der sakramentalen Salbung des Heiligen Geistes(13) vermittelt werden, stellen den Priester in eine personale Beziehung zur Dreifaltigkeit, die ja die Quelle des priesterlichen Seins und Tuns ist. Diese Beziehung muß vom Priester klarerweise in intimer und personaler Art gelebt werden: im anbetenden und liebenden Dialog mit den drei göttlichen Personen und im Bewußtsein, daß ihm das empfangene Geschenk für den Dienst an allen gegeben wurde.

Christologische Dimension


6 Spezifische Identität

Wie die trinitarische, so leitet sich die christologische Dimension direkt vom Sakrament ab, das ontologisch mit Christus, dem Priester, Lehrer und Hirten seines Volkes konfiguriert.(14)

Den Gläubigen, welche zum Amtspriestertum erwählt und bestellt werden, obzwar sie dem gemeinsamen Priesterum eingefügt bleiben, ist eine unauslöschliche Teilhabe an demselben und einzigen Priestertum Christi in der Dimension des Mittlers und Herrn gegeben, und dies im Hinblick auf Heiligung, Lehre und Leitung des ganzen Gottesvolkes. Wenn also einerseits das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das hierarchische od. Amtspriestertum aufeinander hingeordnet sind, weil beide auf jeweils eigene Weise am einzigen Priestertum Christi partizipieren, so unterscheiden sie sich andererseits wesenhaft voneinander.(15)

In diesem Sinn ist die Identität des Priesters neu im Vergleich mit jener aller Christen, die in ihrer Gesamtheit durch die Taufe am einzigen Priestertum Christi teilhaben und dazu berufen sind, es auf der ganzen Erde zu bezeugen.(16) Die Besonderheit des Amtspriestertums ist darin zu sehen, daß alle Gläubigen der Vermittlung und Herrlichkeit Christi bedürfen, die durch die Ausübung des Amtspriestertums sichtbar gemacht wird.

In seiner eindeutig christologischen Identität muß sich der Priester bewußt sein, daß sein Leben als ein Geheimnis in einer neuen und spezifischen Art ganz eingetaucht ist in das Mysterium Christi und der Kirche und daß ihn dies im pastoralen Dienst ganz fordert und belohnt.(17)


7 Im Schoß des Volkes Gottes

Christus gibt den Aposteln Anteil an seiner Sendung. »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (
Jn 20,21). In der heiligen Weihe selbst ist die missionarische Dimension ontologisch gegenwärtig. Der Priester ist erwählt, geweiht und gesandt, um diese ewige Sendung Christi, dessen authentischer Repräsentant und Bote er wird, wirksam zu aktualisieren: »Wer euch hört, hört mich; wer euch verachtet, verachtet mich und wer mich verachtet, verachtet den, der mich gesandt hat« (Lc 10,16).

Man kann also sagen, daß die Konfiguration mit Christus den Priester durch die sakramentale Weihe im Schoß des Gottesvolkes einsetzt und ihn in eigener Weise, der heiligenden, lehrenden und pastoralen Vollmacht Jesu Christi selbst teilhaftig werden läßt, des Hauptes und Hirten der Kirche.(18)

Indem der Priester »in persona Christi Capitis« handelt, wird er Diener der wesentlichen Heilstaten, vermittelt die zum Heil notwendige Wahrheit und leitet das Volk Gottes und führt es zur Heiligkeit.(19)

Pneumatologische Dimension


8 Sakramentaler Charakter

In der Priesterweihe hat der Priester das Siegel des Heiligen Geistes empfangen, welches aus ihm einen Menschen gemacht hat, der mit sakramentalem Charakter bezeichnet ist, um für immer Diener Christi und der Kirche zu sein. Mit der versprochenen Zusicherung, der Tröster werde »für immer mit ihm sein« (
Jn 14,16-17), weiß der Priester, daß er nie die Gegenwart und wirksame Vollmacht des Heiligen Geistes verlieren wird, um seinen Dienst ausüben und die pastorale Liebe als Ganzhingabe für das Heil der eigenen Brüder und Schwestern leben zu können.


9 Personale Communio mit dem Heiligen Geist

Wiederum ist es der Heilige Geist, der dem Priester in der Priesterweihe die prophetische Aufgabe überträgt, das Wort Gottes zu verkünden und mit Autorität zu erläutern. Mit der gesamten Priesterschaft eingefügt in die Gemeinschaft der Kirche, wird der Priester vom Geist der Wahrheit geleitet, den der Vater durch Christus gesandt hat und der ihn alles lehrt und an alles erinnert, was Jesus den Aposteln gesagt hat. Daher entdeckt der Priester mit Hilfe des Hl. Geistes und durch das Studium des Gotteswortes in den Schriften, im Licht der Überlieferung und des Lehramtes,(20) den Reichtum des Wortes, das ihm anvertraut ist, um es der kirchlichen Gemeinde zu verkünden.


10 Anrufung des Heiligen Geistes

Durch den sakramentalen Charakter und durch die Identifikation mit der Kirche ist der Priester in der Feier der Liturgie immer in Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist, vor allem bei der Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente.

In jedem Sakrament ist es ja Christus selbst, der zum Wohl der Kirche handelt und zwar duch den Hl. Geist, der in seiner wirksamen Vollmacht vom zelebrierenden Priester »in persona Christi« angerufen wird.(21)

Die sakramentale Feier erhält ihre Wirksamkeit durch das Wort Christi, der sie eingesetzt hat, und durch die Kraft des Geistes, den die Kirche in der Epiklese oftmals anruft.

Dies ist besonders evident im eucharistischen Hochgebet: Der Priester ruft über Brot und Wein die Macht des Heiligen Geistes an, spricht die Worte Jesu und vollzieht das Geheimnis des Leibes und Blutes des real gegenwärtigen Christus, die Transubstantiation.


11 Kraft zur Gemeindeleitung

Schließlich findet der Priester in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes die Kraft, die ihm anvertraute Gemeinde zu leiten und sie in der vom Herrn gewollten Einheit zu bewahren.(22) Das Gebet des Priesters im Heiligen Geist kann sich das priesterliche Gebet Jesu Christi zum Vorbild nehmen (cf
Jn 17). Daher muß er für die Einheit der Gläubigen beten, damit sie eins seien und die Welt glaube, daß der Vater zum Heil aller den Sohn gesandt hat.

Ekklesiologische Dimension


12 »In« und »gegenüber« der Kirche

Christus, der dauernde und immer neue Quell des Heils, ist das ursprüngliche Geheimnis, aus dem das Geheimnis der Kirche hervorgeht. Sie ist sein Leib und seine Braut, die er als Bräutigam berufen hat, Zeichen und Werkzeug der Erlösung zu sein. Durch das den Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraute Werk fährt Christus fort, seiner Kirche Leben zu schenken.

Durch das Geheimnis Christi ist der Priester in der Ausübung seines vielfältigen Dienstes auch in das Geheimnis der Kirche eingefügt, die »sich im Glauben bewußt wird, nicht aus sich selbst zu sein, sondern aus der Gnade Christi im Heiligen Geist«.(23) So findet sich der Priester zugleich in der Kirche und ihr gegenüber.(24)


13 In gewisser Weise Teilhaber an Christus, dem Bräutigam

Tatsächlich macht das Weihesakrament den Priester nicht nur zum Teilhaber am Geheimnis Christi, des Priesters, Lehrers, Haupt und Hirten, sondern in gewisser Weise auch am Geheimnis Christi, des »Dieners und Bräutigams der Kirche«.(25) Sein »Leib« ist sie, die er geliebt hat und die er liebt bis zur Hingabe seiner selbst für sie (cf
Ep 5,25); er erneuert und läutert sie ständig durch das Wort Gottes und die Sakramente (cf Ibid. 5, 26); er macht sie immer schöner (cf Ibtd.5, 27) und schließlich nährt und umsorgt er sie (cf Ibid. 5, 29).

Die Priester bilden als Mitarbeiter der Bischöfe mit ihrem Bischof ein einziges Presbyterium(26) und partizipieren auf untergeordneter Stufe am einzigen Priestertum Christi. Sie partizipieren sogar ähnlich dem Bischof an jener bräutlichen Dimension hinsichtlich der Kirche, die im Ritus der Bischofsweihe durch die Ringverleihung gut zum Ausdruck kommt.(27)

Die Priester, die »in den einzelnen Ortsgemeinden der Gläubigen sozusagen den Bischof vergegenwärtigen, mit dem sie vertrauensvoll und großmütig geeint sind«,(28) sollen der Braut treu sein und gleichsam als lebendige Ikonen Christi, des Bräutigams, die vielfältige Hingabe Christi an seine Kirche wirksam entfalten. Wegen dieser Gemeinschaft mit Christus, dem Bräutigam, gründet auch das Amtspriestertum - wie Christus, mit Christus und in Christus - in jenem Geheimnis erlösender Liebe, an der die Ehe unter Christen teilhat.

Berufen aus übernatürlicher Liebe, absolut ohne Gegenleistung, muß der Priester die Kirche lieben wie Christus sie geliebt hat, indem er ihr all seine Energien widmet und sich ihr mit pastoraler Liebe bis zur täglichen Hingabe seines eigenen Lebens schenkt.


14 Universalität des Priestertums

Die Weisung des Herrn, zu allen Völkern zu gehen (
Mt 28,18-20), bestimmt eine weitere Modalität der Einstellung des Priesters »gegenüber« der Kirche.(29) Gesandt - »missus« - vom Vater durch Christus, gehört der Priester »in unmittelbarer Weise«(30) der gesamten Kirche an, die die »Mission« hat, die Frohbotschaft »bis an die Enden der Erde« (Ac 1,8) zu verkünden.(31)

»Das geistliche Geschenk, das die Priester in der Weihe empangen haben, bereitet sie auf eine sehr weite und universale Heilssendung vor«.(32) Durch die Weihe und das übertragene Amt sind ja alle Priester den Bischöfen verbunden und - in hierarchischer Gemeinschaft mit ihnen - dienen sie gemäß ihrer Berufung und Gnade dem Wohl der ganzen Kirche.(33) Daher darf die durch die Inkardination (34) gegebene Zugehörigkeit zu einer Teilkirche den Priester nicht in einer engen und partikularistischen Mentalität einschließen. Vielmehr muß er zum Dienst auch an anderen Kirchen offen sein, weil jede Kirche die Verwirklichung eines Teiles der einzigen Kirche Jesu Christi ist. Denn die universale Kirche lebt und vollzieht ihre Sendung in und aus den Teilkirchen, in wirkungsvoller Gemeinschaft miteinander. Daher müssen alle Priester »ein missionarisches Herz und eine ebensolche Mentalität haben und offen sein für die Nöte der Kirche und der Welt«.(35)


15 Missionarisches Priestertum

Es ist wichtig, daß sich der Priester dieser missionarischen Realität seines Priestertums voll bewußt ist und diese wirklich lebt, und zwar in voller Übereinstimmung mit der Kirche, die es heute wie gestern als nötig erachtet, ihre Diener dorthin zu schicken, wo sie besonders dringend gebraucht werden, und die sich darum bemüht, eine gerechtere Verteilung des Klerus zu erreichen.(36)

Dieses Lebensbedürfnis der Kirche in der heutigen Welt, muß von jedem Priester gespürt und gesehen werden, vor allem und eigentlich als eine Lebensaufgabe inmitten der Institution und zu ihrem Dienst.

Daher sind alle jene Meinungen nicht zulässig, die im Namen eines mißverstandenen Respekts vor bestimmten Kulturen dazu tendieren, die missionarische Tätigkeit der Kirche zu verfälschen, die ja zum universalen Vollzug jenes Heilsgeheimnisses berufen ist, das alle Kulturen transzendiert und beleben muß.(37)

Man muß auch sagen, daß die universale Verbreitung des Priesteramtes in den soziokulturellen Charakteristiken der heutigen Welt eine Entsprechung findet, wo man ja die Forderung spürt, Barrieren, die Völker und Nationen teilen, zu eliminieren, und vor allem durch Kulturaustausch verschiedenste Leute zu verbrüdern, ungeachtet der geographischen Distanzen voneinander.

Mehr als je zuvor muß sich deshalb der Klerus heute apostolisch engagiert vorfinden, um alle Menschen in Christus und seiner Kirche zu einen.


16 Autorität als »amoris officium«

Weiters stellt sich der Priester der Kirche deutlich als Leiter »gegenüber«, der jene Gläubigen zur Heiligung hinführt, die seinem wesenhaft pastoralen Dienst anvertraut sind.

Diese mit Demut und Kohärenz zu lebende Realität kann zwei gegensätzlichen Versuchungen ausgesetzt sein.

Die erste ist die, das eigene Amt herrisch gegenüber der Herde auszuüben (cf
Lc 22,24-27 1P 5,1-4), während die zweite jene ist, in einer unrichtigen Vorstellung von »Gemeinschaft« die eigene Gleichgestaltung mit Christus, dem Haupt und Hirten, herabzumindern.

Die erste Versuchung war auch für die Jünger sehr stark und erfuhr von Jesus einen deutlichen und wiederholten Verweis: jede Autorität ist im Geiste des Dienstes auszuüben und zwar als »amoris officium«(38) und als vorbehaltlose Hingabe zum Wohl der Herde (cf Jn 13,14 Jn 10,11).

Der Priester muß sich immer daran erinnern, daß der Herr und Meister »nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen« (Mc 10,45), daß er sich niederkniete, um seinen Jüngern die Füße zu waschen (cf Jn 13,5), bevor er am Kreuz starb und bevor er sie in die ganze Welt aussandte (cf Jn 20,21).

Die Priester geben dann authentisches Zeugnis für den auferstandenen Herrn, »dem alle Macht im Himmel und auf der Erde« (cf Mt 28,18) gegeben wurde, wenn sie ihre eigene »Macht« im sowohl demütigen als auch angesehenen Dienst an der eigenen Herde ausüben(39) und die Aufgaben respektieren, die Christus und die Kirche sowohl gläubigen Laien(40) als auch im Sinn der evangelischen Räte gottgeweihten Gläubigen(41) anvertrauen.


17 Demokratistische Versuchung

Häufig geschieht es, daß man, um die erste Fehlhaltung zu vermeiden, der zweiten verfällt und dazu neigt, jeden Unterschied der Aufgaben zwischen den Gliedern des mystischen Leibes Christi, der die Kirche ist, zu eliminieren und damit faktisch die wahre Lehre der Kirche bezüglich der Unterscheidung von gemeinsamem Priestertum und Amtspriestertum, ablehnt.(42)

Unter den diversen Zerrbildern, die heute zu verzeichnen sind, findet man den sogenannten »Demokratismus«. Es ziemt sich in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß die Kirche all jene Verdienste und Werte anerkennt, die die demokratische Kultur in der zivilen Gesellschaft mit sich gebracht hat. Außerdem hat sich die Kirche immer mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die Annerkennung der gleichen Würde aller Menschen eingesetzt. Im Sinne dieser kirchlichen Tradition hat sich das Zweite Vatikanische Konzil offen zur gemeinsamen Würde aller Getauften bekannt.(43)

Allerdings muß man auch feststellen, daß die Mentalität und Praxis in einigen Strömungen der soziopolitischen Kultur unserer Zeit nicht automatisch auf die Kirche übertragbar sind. Denn die Kirche verdankt ihre Existenz und ihre Struktur dem Heilsplan Gottes. Sie betrachtet sich selbst als Gabe eines wohlwollenden Vaters, der sie durch die Erniedrigung seines Sohnes am Kreuz befreit hat. Die Kirche möchte deshalb - im Heiligen Geist - dem freien und befreienden Willen ihres Herrn Jesus Christus ganz konform und treu sein. Dieses Heilsgeheimnis bewirkt, daß sich die Realität der Kirche aufgrund ihrer Eigennatur von einfachen menschlichen Gesellschaften unterscheidet.

Es handelt sich daher beim sogenannten »Demokratismus« um eine sehr schwerwiegende Versuchung, weil sie dahin führt, die Autorität und Gnade, die Christus als Haupt zukommen, zu leugnen und die Kirche zu denaturieren, als wäre sie nichts anderes als eine menschliche Gesellschaft. Eine solche Konzeption schwächt die hierarchische Verfassung der Kirche selbst, wie sie von ihrem göttlichen Gründer gewollt worden war, wie sie das Lehramt immer klar gelehrt hat und wie sie die Kirche ununterbrochen gelebt hat.

Mitbestimmung in der Kirche gründet auf dem Geheimnis der Glaubensgemeinschaft, das seinem Wesen nach, in sich selbst die Gegenwart und aktive Funktion der kirchlichen Hierarchie beinhaltet und betrachtet.

Demnach ist in der Kirche eine gewisse Mentalität nicht zulässig, die sich bisweilen besonders in einigen Organismen der kirchlichen Mitbestimmung zeigt und die entweder dazu neigt, die Aufgaben der Priester und jene der gläubigen Laien zu verwechseln oder die dem Bischof eigene Autorität von jener der Priester als Mitarbeiter der Bischöfe nicht zu unterscheiden oder die Besonderheit des Petrusamtes im Bischofskollegium zu leugnen.

In diesem Zusammenhang soll daran erinnert werden, daß das Presbyterium und der Priesterrat nicht Ausdruck des Assoziationsrechts der Kleriker sind und sie noch weniger nach Betrachtungsweisen gewerkschaftlicher Art angesehen werden können, die das Aufkommen von Forderungen und Teilinteressen verursachen, die der kirchlichen Gemeinschaft fremd sind.(44)


18 Unterschied zwischen gemeinsamem Priestertum und Amtspriestertum

Der Unterschied zwischen gemeinsamem Priestertum und Amtspriestertum, weit entfernt davon Trennung oder Teilung zwischen die Mitglieder der christlichen Gemeinde zu bringen, harmonisiert und eint das Leben der Kirche. Sie ist ja als Leib Christi eine organische Gemeinschaft aller Glieder, wo jedes zum gemeinsamen Leben beiträgt, wenn es die eigene verschiedenartige Rolle und die eigene spezifische Berufung im vollen Sinne lebt (
1Co 12, 12ff ).(45)

Niemandem steht es daher zu, was Christus für seine Kirche gewollt hat, zu verändern. Sie ist unauflöslich an ihren Gründer und ihr Haupt gebunden, der ihr als einziger durch die Macht des Heiligen Geistes Amtsträger zum Dienst an den Gläubigen gibt. An die Stelle Christi, der durch die legitimen Hirten beruft, weiht und sendet, kann sich keine Gemeinde setzen, die sich - womöglich in einer Notlage befindlich - auf andere als von der Kirche vorgesehene Weise ihren eigenen Priester geben möchte.(46) Die Antwort zur Lösung von Notfällen ist das Gebet Jesu: »Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter zur Ernte zu senden« (Mt 9,38). Wenn sich an dieses vom Glauben getragene Gebet das intensive Leben karitativer Gemeinschaft anschließt, dann seien wir sicher, daß es der Herr nicht versäumen wird, Hirten nach seinem Herzen zu schenken (cf Jr 3,15).(47)


19 Nur Priester sind «pastores »

Eine Form, um nicht der »demokratistischen« Versuchung zu verfallen, besteht darin, die sogenannte »Klerikalisierung« der Laien zu vermeiden,(48) die dazu neigt, das Amtspriestertum des Presbyters zu unterdrücken, dem allein aufgrund der vom Bischof empfangenen Priesterweihe im eigentlichen und eindeutigen Sinn, der Begriff »Pastor« zukommen kann. Tatsächlich bezieht sich die Bezeichnung »Pastoral« auf die »potestas docendi et sanctificandi« sowie auf die »potestas regendi«.(49)

Im übrigen wird daran erinnert, daß solche Tendenzen nicht die wahrhaftige Förderung des Laienstandes begünstigen, da sie oft dazu führen, daß die authentische Berufung und kirchliche Mission der Laien in der Welt vergessen wird.

Priesterliche Gemeinschaft


20 »Communio« mit der Dreifaltigkeit und mit Christus

Im Licht all dessen, was bereits über die Identität des Priesters gesagt wurde, verwirklicht sich dieGemeinschaft des Priesters vor allem mit dem Vater,dem tiefsten Ursprung jeder seiner Vollmachten, mit dem Sohn, an dessen Erlösersendung er partizipiert und mit dem Heiligen Geist, der ihm die Kraft schenkt, jene pastorale Liebe zu leben und zu verwirklichen, die ihn priesterlich qualifiziert.

Tatsächlich »kann man also das Wesen und die Sendung des Priestertums des Dienstes nur in diesem vielfältigen und reichen Zusammenspiel von Beziehungen bestimmen, die aus der innergöttlichen Trinität kommen und sich in die Gemeinschaft der Kirche, als Zeichen und Wekzeug in Christus für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit, hinein fortsetzen«.(50)


21 »Communio« mit der Kirche

Aus dieser fundamentalen Unio-Communio mit Christus und mit der Dreifaltigkeit leitet sich für den Priester seine Comunio-Beziehung mit der Kirche im Hinblick auf ihr Mysterium und auf die kirchliche Gemeinschaft ab.(51) Dort im innersten Geheimnis der Kirche und zwar als Mysterium trinitarischer Gemeinschaft in missionarischer Spannung, ist es ja, wo sich jede christliche Identität offenlegt und deshalb auch die spezifische und personale Identität des Priesters und seines Amtes.

Konkret verwirklicht sich die Gemeinschaft des Priesters mit der Kirche in verschiedener Weise. Mit der Priesterweihe tritt er nämlich in besondere Verbundenheit mit dem Papst, mit dem eigenen Bischof, mit den anderen Priestern und mit den gläubigen Laien.


22 Hierarchische »communio«

Die Communio als Charakteristikum des Priestertums ist auf der Einzigkeit des Hauptes, Hirten und Bräutigams der Kirche, auf Christus gegründet.(52)

In solcher Gemeinschaft des Amtes nehmen auch bestimmte Bindungen Form an: zuallererst mit dem Papst, dem Bischofskollegium und dem eigenen Bischof. »Den priesterlichen Dienst gibt es nur in Gemeinschaft mit dem Papst und mit dem Bischofskollegium, besonders mit dem eigenen Diözesanbischof; ihnen muß der Priester »den kindlichen Respekt und den Gehorsam« entgegenbringen, den er im Ritus der Priesterweihe gelobt hat«.(53) Es handelt sich also um eine hierarchische Gemeinschaft, d. h. um eine Communio in jener Hierarchie, wie sie eben in ihrem Innern strukturiert ist.

Solche Communio impliziert aufgrund der Teilhabe am einen Amtspriestertum auf der den Bischöfen untergeordneten Stufe, eine geistliche und organisch-strukturelle Bindung der Priester an den gesamten Stand der Bischöfe sowie an den eigenen Bischof,(54) auch an den Papst, da er Hirte der gesamten Kirche(55) und jeder Teilkirche ist. Dies wird durch die Tatsache bestärkt, daß der ganze Stand der Bischöfe in seiner Gesamtheit und jeder einzelne Bischof in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Haupt des Kollegiums sein muß.(56) Dieses Kollegium setzt sich nämlich nur aus geweihten Bischöfen zusammen, die in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Haupt und seinen Gliedern stehen.


23 »Communio« in der Eucharistiefeier

Die hierarchische Gemeinschaft findet man im eucharistischen Hochgebet bedeutungsvoll zum Ausdruck gebracht, wo der Priester für den Papst betet, für die Gemeinschaft der Bischöfe und für den eigenen Bischof, und damit nicht bloß ein Gefühl der Verehrung ausdrückt, sondern die Authentizität seiner Zelebration bezeugt.(57)

Selbst die Konzelebration unter den vorgesehenen Umständen und Bedingungen,(58) besonders unter dem Vorsitz des Bischofs und unter Mitfeier der Gläubigen, manifestiert gut die Einheit des Priestertums Christi in der Vielheit seiner Ämter, wie auch die Einheit des Opfers und des Gottesvolkes.(59) Außerdem trägt sie dazu bei, die Brüderlichkeit des Dienstes unter den Priestern zu stärken.(60)


24 »Communio« in der Ausübung des Dienstes

Jeder Priester soll der Person des Heiligen Vaters mit tiefer, demütiger und kindlicher Liebe verbunden sein und seinem Petrusamt als Lehrer, Priester und Hirte beispielhaft anhängen.(61)

In Treue und in Achtung der Autorität des eigenen Bischofs wird er die für die Ausübung seines Priesteramtes erforderliche Gemeinschaft verwirklichen. Erfahrene Seelsorger stellen leicht die Notwendigkeit fest, jede Art von Subjektivismus in der Amtsausübung zu vermeiden und sich mitverantwortlich an die Pastoralpläne zu halten. Solches Zusammenhalten ist Ausdruck von Reife und trägt zur Auferbauung jener Einheit der Gemeinschaft bei, die für das Werk der Evangelisierung unerläßlich ist.(62)

Durch die volle Respektierung der hierarchischen Unterordnung wird der Priester zum Protagonisten einer aufrichtigen Beziehung zum eigenen Bischof, die durch ehrliches Vertrauen, herzliche Freundschaft, Suche nach Einvernehmen und Konvergenz in Ideen und Plänen charakterisiert ist. Überlegte persönliche Initiative und pastoraler Unternehmungsgeist leiden dabei keinen Schaden.(63)


25 »Communio« im Presbyterium

Aufgrund des Weihesakramentes »ist jeder Priester mit den anderen Mitgliedern des Presbyteriums durch besondere Bande der apostolischen Liebe, des Amtes und der Brüderlichkeit vereint«.(64) Er ist ja eingefügt in den »Ordo Presbyterorum«, der jene Einheit bildet, die sich als eine wahre Familie verstehen kann, in der die Bande nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus der Weihegnade kommen.(65)

Die Zugehörigkeit zu einem konkreten Presbyterium(66) erfolgt immer im Bereich einer Teilkirche, eines Ordinariates oder einer Personalprälatur. Im Unterschied zum Bischofskollegium scheint es nämlich keine theologische Basis zur Bestätigung der Existenz eines »universalen Presbyteriums« zu geben.

Priesterliche Brüderlichkeit und Zugehörigkeit zum Presbyterium sind also den Priester charakterisierende Elemente. Besonders bedeutungsvoll ist diesbezüglich in der Priesterweihe der Ritus der Handauflegung durch den Bischof, an dem alle anwesenden Priester teilnehmen, um sowohl die Teilnahme an der gleichen Amtsstufe anzuzeigen als auch, daß der Priester nicht allein agieren kann, sondern immer nur innerhalb des Presbyteriums, indem er Mitbruder all jener wird, die es bilden.(67)


26 Inkardination in einer Teilkirche

Die Inkardination in eine bestimmte Teilkirche(68) bildet eine echte rechtliche Bindung,(69) die auch spirituellen Wert hat, daß sich von ihr »die Beziehung zum Bischof in dem einen Presbyterium, die Teilnahme an seinem Bemühen um die Kirche, und die Hingabe an die am Evangelium orientierte Sorge um das Volk Gottes unter den konkreten Bedingungen von Geschichte und Umwelt«(70) ableiten. In dieser Perspektive ist die Bindung an die Teilkirche auch sehr bedeutungsvoll für das pastorale Wirken.

In diesem Zusammenhang soll nicht vergessen werden, daß in die Diözese nicht inkardinierte Weltpriester und solche Priester, die als Mitglieder einer Ordensgemeinschaft in der Diözese wohnhaft sind und zu deren Wohl irgendein Amt ausüben, sehr wohl ihrem legitimen Ordinarius unterstehen, jedoch voll oder unter anderem Titel dem Presbyterium der betreffenden Diözese(71) angehören, wo »sie aktives und passives Wahlrecht bei der Bildung des Priesterrates haben«.(72) Besonders die Priester der Ordensgemeinschaften tragen mit vereinten Kräften zum pastoralen Eifer bei, indem sie den Beitrag spezifischer Charismen anbieten und »durch ihre Anwesenheit die Teilkirche dazu anspornen, ihre Öffnung nach allen Seiten intensiver zu leben«.(73)

Priester schließlich, die einer Diözese inkardiniert, jedoch einer von der zuständigen kirchlichen Autorität anerkannten kirchlichen Bewegung(74) dienen, sollen sich bewußt sein, daß sie Mitglieder des Presbyteriums der Diözese sind, wo sie ihren Dienst verrichten, und daß sie ehrlich mit ihm zusammenarbeiten sollen. Seinerseits soll der Bischof der Inkardination den durch die Zugehörigkeit zur Bewegung erforderlichen Lebensstil respektieren und nach Maßgabe des Rechts bereit sein, dem Priester zu gestatten, sein Amt in anderen Teilkirchen auszuüben, falls dies zum Charisma der Bewegung gehört.(75)


27 Presbyterium als Ort der Heiligung

Das Presbyterium ist der privilegierte Ort, wo der Priester die entsprechenden Mittel zur Heiligung und Evangelisation finden können müßte und wo er Hilfe erfahren sollte, um besonders heute empfundene menschliche Grenzen und Schwächen zu überwinden.

Er soll sich daher in jeder Weise bemühen, sein eigenes Priestertum nicht in einer isolierten und subjektivistischen Art zu leben. Er wird die brüderliche Gemeinschaft zu fördern suchen und zwar durch Geben und Nehmen - von Priester zu Priester - herzliche Freundschaft, gefühlsmäßige Anteilnahme, Gastfreundschaft, correctio fraterna, im Bewußtsein, daß die Weihegnade »die menschlichen, psychologischen, emotionalen, freundschaftlichen und geistlichen Beziehungen erhebt... und sich verdeutlicht und konkretisiert in den unterschiedlichen Formen gegenseitiger Hilfeleistung, nicht nur geistlicher, sondern auch materieller Art«.(76)

All dies ist in der Liturgie der Messe In Coena Domini am Gründonnerstag zum Ausdruck gebracht, welche zeigt, wie die Priester aus der eucharistischen Gemeinschaft - eingesetzt beim letzten Abendmahl - die Fähigkeit empfangen, einander so zu lieben, wie sie der Meister liebt.(77)


28 Priesterfreundschaft

Der tiefe und kirchliche Sinn des Presbyteriums, behindert keinesfalls, sondern erleichtert vielmehr das Wahrnehmen der persönlichen Verantwortung jedes Priesters in dem Amt, das ihm vom Bischof anvertraut wurde.(78) Die Fähigkeit reife und tiefe Freundschaftsbeziehungen zu kultivieren und zu leben macht in der Ausübung des Amtes Gelassenheit und Freude sichtbar. Sie ist entscheidende Unterstützung in Schwierigkeiten und wertvolle Hilfe beim Wachstum pastoraler Liebe, die der Priester besonders jenen Mitbrüdern zuwenden muß, die sich in Schwierigkeiten befinden, Verständnis, Hilfe und Unterstützung brauchen.(79)


29 »Vita communis«

Ein Zeichen solcher Gemeinschaft ist auch die von der Kirche immer geförderte »vita communis«,(80) die erst unlängst von den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils(81) sowie vom Lehramt(82) neuerlich empfohlen und in nicht wenigen Diözesen positiv praktiziert wtrd.

Unter ihren verschiedenen Formen (gemeinsames Haus, Tischgemeinschaft, usw. ) muß man die gemeinsame Teilnahme am liturgischen Gebet(83) am höchsten einschätzen. Die verschiedenen Modalitäten müssen gemäß den Möglichkeiten und praktischen Vorteilen gefördert werden, ohne deshalb lobenswerte Modelle des Ordenslebens zu kopieren. Besonders sind jene Vereinigungen zu loben, welche die priesterliche Brüderlichkeit fördern sowie die Heiligkeit in der Ausübung des Dienstes und die Gemeinschaft mit dem Bischof und mit der ganzen Kirche.(84)

Es ist zu wünschen, daß Pfarrer dazu bereit sind, im Pfarrhaus die »vita communis« mit ihren Pfarrvikaren zu fördern,(85) indem sie diese effektiv als Kooperatoren und Teilhaber an der pastoralen Sorge hochachten; ihrerseits müssen die Pfarrvikare zum Gelingen der priesterlichen Gemeinschaft beitragen, indem sie die Autorität des Pfarrers anerkennen und respektieren.(86)


30 »Communio« mit den gläubigen Laien

Als Mensch der Gemeinschaft wird der Priester seine Liebe zum Herrn und zur Kirche nicht zum Ausdruck bringen können, ohne sie in eine tatkräftige und bedingungslose Liebe zum christlichen Volk, dem Objekt seiner pastoralen Sorge, umzusetzen.(87)

Wie Christus muß er diese »in der ihm anvertrauten Herde gleichsam an sich selbst transparent werden lassen«,(88) indem er mit den gläubigen Laien einen positiven und förderlichen Umgang pflegt. Deren Würde als Kinder Gottes anerkennend, fördert er deren eigene Rolle in der Kirche und dient ihnen mit seinem gesamten priesterlichen Dienst und mit seiner pastoralen Liebe.(89) Im Bewußtsein der tiefen Gemeinschaft, die ihn mit den gläubigen Laien und den Ordensleuten verbindet, wird sich der Priester alle Mühe geben, um »die Mitverantwortung für die eine gemeinsame Heilssendung anzuregen und zu entfalten, mit lebhafter und herzlicher Anerkennung aller Charismen und Aufgaben, die der Geist den Gläubigen für die Auferbauung der Kirche schenkt«.(90)

Konkret wird also der Pfarrer, der immer um das Gemeinwohl der Kirche bemüht ist, die Vereinigungen und Bewegungen der Gläubigen mit religiösen Zielsetzungen fördern,(91) sie alle aufnehmen und ihnen dabei helfen, untereinander Einheit in den Absichten, im Gebet und im Apostolat zu finden.

Insofern er die Familie Gottes vereint und die Kirche als Comunio verwirklicht, wird der Priester zum »Pontifex«, der den Menschen mit Gott verbindet und sich zum Bruder der Menschen macht, gerade indem er ihnen Hirte, Vater und Lehrer sein will.(92) Dem heutigen Menschen, der den Sinn seiner Existenz sucht, ist er Wegbegleiter zur Christusbegegnung. Diese Begegnung geschieht als Zusage und als zwar noch nicht endgültige, aber doch schon gegenwärtige Realität in der Kirche. So wird sich der zum Dienst am Volk Gottes bestimmte Priester als Experte der Menschlichkeit erweisen, als ein Mensch der Wahrheit und der Gemeinschaft sowie als Zeuge der Sorge des einzigen Hirten für alle und jedes einzelne seiner Schafe. Die Gemeinde wird mit Sicherheit auf seinen Einsatz zählen können, auf seine Verfügbarkeit, auf seine unermüdliche Evangelisierungsarbeit und vor allem auf seine treue und bedingungslose Liebe.

Weiters wird er seine geistliche Aufgabe mit Liebenswürdigkeit und Festigkeit ausüben, mit Demut und Dienstgesinnung,(93) indem er aus Mitleid teilnimmt an den Leiden, die den Menschen aufgrund verschiedener Formen der Armut, spiritueller und materieller, alter und neuer, erwachsen. Er wird es auch verstehen, mit Barmherzigkeit den schweren und unsicheren Weg der Bekehrung der Sünder zu begleiten, denen er das Geschenk der Wahrheit und das geduldige und ermutigende Wohlwollen des Guten Hirten anbietet, der das verirrte Schaf nicht bestraft, sondern voller Freude über seine Rückkehr zur Herde auf die Schultern nimmt (cf
Lc 15,4-7).(94)


31 »Communio« mit Ordensleuten

Besondere Aufmerksamkeit wird er den Brüdern und Schwestern vorbehalten, die in den verschiedensten Formen des gottgeweihten Lebens engagiertsind, indem er mit ehrlicher Hochachtung und im Geist apostolischer Zusammenarbeit deren spezifische Charismen respektiert und fördert. Er wird außerdem dazu beitragen, daß das gottgeweihte Leben zum Nutzen der ganzen Kirche immer leuchtender erscheint, sowie immer überzeugender und anziehender für neue Generationen.

Im Sinne solcher Hochschätzung des gottgeweihten Lebens, wird sich der Priester besonders um jene Gemeinschaften kümmern, die aus verschiedenen Gründen größeren Bedarf an guter Glaubenslehre, an Hilfestellung und an Ermutigung zur Treue haben.


32 Förderung von Berufungen

Jeder Priester wird sich besonders der Förderung von Berufungen widmen, ohne zu versäumen, das Gebet um Berufungen anzuregen, sowie in der Katechese, in der Ausbildung der Ministranten und in sonstigen geeigneten Initiativen durch persönlichen Kontakt darauf zu achten, daß Talente entdeckt werden und daß der Wille Gottes zu einer mutigen Entscheidung für die Nachfolge Christi erkannt wird.(95)

Sicherlich bilden auch das klare Bewußtsein der eigenen Identität, die Kohärenz des Lebens, offensichtliche Freude und missionarischer Eifer unerläßliche Elemente einer Pastoral der Berufungen, die in eine organische und allgemein übliche Pastoral zu integrieren sind.

Mit dem Seminar als Wiege der eigenen Berufung und als Lernstätte erster Erfahrungen gemeinschaftlichen Lebens, wird der Priester immer Beziehungen herzlicher Zusammenarbeit und ehrlicher Fürsorge pflegen.

»Es ist ein unaufhebbares Erfordernis der pastoralen Liebe«,(96) daß jeder Priester - die Gnade des Heiligen Geistes unterstützend - »sich mit sorgsamem Eifer darum bemüht«, wenigstens einen »Nachfolger im priesterlichen Dienst zu finden«.


33 Politischer und sozialer Einsatz

Der Priester wird als Diener der Kirche, die sich ihrer Universalität und ihrer Katholizität wegen an keine historische Kontingenz binden kann, über jeglichen politischen Parteiungen stehen. Er kann nicht in politischen Parteien oder in der Führung gewerkschaftlicher Vereinigungen aktiv teilnehmen, außer es wäre nach Ansicht der zuständigen kirchlichen Autorität für die Verteidigung der Rechte der Kirche oder zur Förderung des Gemeinwohls erforderlich.(97) Obwohl nämlich diese Dinge in sich gut sind, so sind sie doch dem Stand der Kleriker nicht angemeßen, insofern sie eine schwere Gefahr der Spaltung der kirchlichen Gemeinschaft darstellen können.(98)

Wie Jesus (cf
Jn 6,15 ff) muß der Priester »darauf verzichten, sich in Formen aktiver Politik zu betätigen, vor allem wenn dies fast unvermeidlich auf nur einer Seite geschieht, damit er als Mensch aller seine Schlüsselstellung hinsichtlich spiritueller Brüderlichkeit behalten kann«.(99) Jeder Gläubige muß daher jederzeit zum Priester hingehen können, ohne sich jemals aus irgendeinem Grund ausgeschlossen fühlen zu müssen.

Der Priester wird sich daran erinnern, daß es »nicht Sache der Hirten der Kirche ist, in die politischen Strukturen und in die Organisation des Gesellschaftslebens direkt einzugreifen. Diese Aufgabe gehört zur Sendung der gläubigen Laien, die aus eigenem Ansporn mit ihren Mitbürgern zusammenarbeiten.«(100) Allerdings wird er nicht versäumen, sich »für die rechte Bildung ihres Gewissens« einzusetzen.(101)

Die Reduktion seiner Sendung auf zeitliche Aufgaben, bloß sozial, politisch oder jedenfalls seiner Identität fremd, ist keine Errungenschaft, vielmehr ein schwerer Verlust für die evangelische Fruchtbarkeit der ganzen Kirche.

II. Kapitel


Direktorium für Dienst und Leben