Reconciliatio et paenitentia DE 18

Verlust des Sündenbewußtseins


18 Durch die Heilige Schrift, wie sie in der Gemeinschaft der Kirche gelesen wird, hat sich das christliche Gewissen die Generationen hindurch ein feines Gespür und eine wache Aufmerksamkeit für die Fermente des Todes erworben, die in der Sünde enthalten sind; ein Gespür und eine Aufmerksamkeit, um solche Fermente auch in den tausenderlei Formen auszumachen, die die Sünde annimmt, in den Tausenden von Gesichtern, mit denen sie sich zeigt. Das ist es, was man Sündenbewußtsein zu nennen pflegt.

Dieses Bewußtsein hat seine Wurzel im Gewissen des Menschen und ist gleichsam dessen Barometer. Es ist an das Bewußtsein für Gott gebunden, da es sich von der bewußten Beziehung herleitet, die der Mensch zu Gott, seinem Schöpfer, Herrn und Vater, hat. Wie man also das Bewußtsein für Gott nicht vollständig zum Verschwinden bringen noch das Gewissen auslöschen kann, so kann man auch niemals vollständig das Sündenbewußtsein beseitigen.

Und doch geschieht es nicht selten im Lauf der Geschichte über mehr oder weniger lange Zeiten hin und unter dem Einfluß vielfältiger Faktoren, daß sich das moralische Bewußtsein in vielen Menschen stark verdunkelt. »Haben wir eine richtige Vorstellung vom Gewissen?«, so habe ich mich vor zwei Jahren an die Gläubigen gewandt. - »Lebt der moderne Mensch nicht unter der Bedrohung einer Verdunkelung seines Gewissens? Einer Verformung des Gewissens? Einer Trübung oder Betäubung des Gewissens?«.(97)

Allzu viele Anzeichen deuten darauf hin, daß es in unserer Zeit tatsächlich eine solche Verdunkelung gibt, die um so beunruhigender ist, als dieses Gewissen, vom Konzil definiert als »die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen«,(98) »eng an die Freiheit des Menschen gebunden ist... Deshalb ist das Gewissen die erste Grundlage der inneren Würde des Menschen und zugleich seiner Beziehung zu Gott«.(99) Deshalb ist es unvermeidlich, daß in dieser Situation auch das Sündenbewußtsein verdunkelt wird, welches eng mit dem moralischen Bewußtsein, mit der Suche nach der Wahrheit, mit dem Willen, die Freiheit verantwortlich zu gebrauchen, verbunden ist. Mit dem Gewissen wird auch das Gottesbewußtsein verdunkelt, und mit dem Verlust dieses entscheidenden inneren Bezugspunktes verliert man dann auch das Sündenbewußtsein. Deshalb konnte mein Vorgänger Pius XII. einmal mit einem emphatischen Wort, das nahezu sprichwörtlich geworden ist, erklären, daß »die Sünde des Jahrhunderts der Verlust des Bewußtseins von Sünde ist«.(100)

Warum gibt es dieses Phänomen in unserer Zeit? Ein Blick auf einige Elemente heutiger Kultur kann uns helfen, das fortschreitende Schwinden und sogar Erlöschen des Sündenbewußtseins zu verstehen, und das gerade wegen der Krise des Gewissens und des Gottesbewußtseins, wie oben betont worden ist.

Der »Säkularismus«, der seiner Natur und Definition nach eine Bewegung von Ideen und Haltungen ist, die für einen Humanismus völlig ohne Gott kämpft, der sich ganz konzentriert auf den Kult des Machens und des Produzierens, der überwältigt ist vom Rausch des Konsums und des Genusses, ohne Sorge um die Gefahr, die eigene Seele zu verlieren, muß notwendigerweise das Sündenbewußtsein untergraben. Bestenfalls wird sich dabei das Sündenbewußtsein auf das reduzieren, was den Menschen beleidigt. Aber gerade hier drängt sich die bittere Erfahrung auf, an die ich in meiner ersten Enzyklika erinnert habe, daß nämlich der Mensch eine Welt ohne Gott bauen kann, diese Welt sich aber schließlich gegen den Menschen selbst richten wird.(101) Gott ist jedoch tatsächlich der Ursprung und das höchste Ziel des Menschen, und dieser trägt in sich einen göttlichen Keim.(102) Deshalb ist es das Geheimnis Gottes, das das Geheimnis des Menschen enthüllt und beleuchtet. Es ist also vergeblich, zu hoffen, daß ein Sündenbewußtsein gegenüber den Menschen und den menschlichen Werten Bestand haben könnte, wenn der Sinn für die gegen Gott begangene Beleidigung, das heißt das wahre Sündenbewußtsein, fehlt.

Dieses Sündenbewußtsein schwindet in der heutigen Gesellschaft auch aufgrund der Mißverständnisse, zu denen man kommt, wenn man gewisse Ergebnisse der Humanwissenschaften übernimmt. Gestützt auf bestimmte Aussagen der Psychologie, führt die Sorge, von Schuld zu sprechen oder die Freiheit nicht zu beschränken, zum Beispiel dazu, überhaupt kein Vergehen mehr anzuerkennen. Durch eine ungebührliche Ausweitung soziologischer Kriterien kommt man schließlich dazu - wie ich bereits angedeutet habe -, alle Schuld auf die Gesellschaft abzuwälzen, während der einzelne als unschuldig erklärt wird. Indem gewisse Lehren zur menschlichen Kultur die gewiß unleugbaren Bedingungen und Einflüsse von Umwelt und Geschichte, die auf den Menschen einwirken, erweitern, schränken auch sie die Verantwortung des Menschen so stark ein, daß sie ihm nicht mehr die Fähigkeit zuerkennen, wahre menschliche Akte zu setzen und somit auch zu sündigen.

Das Sündenbewußtsein schwindet auch leicht infolge einer Ethik, die sich aus einem gewissen Geschichtsrelativismus herleitet. Das geschieht auch durch eine Ethik, die die moralische Norm relativiert und ihren absoluten, unbedingten Wert leugnet und folglich bestreitet, daß es Akte geben könne, die in sich unerlaubt sind, unabhängig von den Umständen, unter denen der Handelnde sie setzt. Es handelt sich dabei um einen wahren »Umsturz und Verfall der moralischen Werte«; »das Problem ist dann nicht so sehr die Unkenntnis der christlichen Ethik«, sondern »vielmehr des Sinnes, der Grundlagen und der Kriterien einer moralischen Haltung«.(103) Die Wirkung eines solchen Umsturzes der Ethik ist stets eine derartige Schwächung des Sündenbegriffes, daß man bei der Behauptung endet, die Sünde sei wohl vorhanden, aber man wisse nicht, wer sie begehe.

Schließlich schwindet das Sündenbewußtsein, wenn es - wie es in der Unterweisung der Jugend, in den Massenmedien, ja selbst in der Erziehung zu Hause geschehen kann - fälschlicherweise mit einem krankhaften Schuldgefühl gleichgesetzt oder mit einer bloßen Übertretung von gesetzlichen Normen und Vorschriften verbunden wird.

Der Verlust des Sündenbewußtseins ist also eine Form oder eine Frucht der Verneinung Gottesnicht nur in ihrer atheistischen, sondern auch in ihrer säkularistischen Spielart. Wenn Sünde ein Abbruch der Kindesbeziehung zu Gott ist, um die eigene Existenz aus dem Gehorsam ihm gegenüber herauszunehmen, dann ist Sündigen nicht nur eine Verneinung Gottes: Sündigen ist auch, so zu leben, als ob er nicht existiere; Sündigen ist, ihn aus dem eigenen Alltag zu beseitigen. Ein verstümmeltes oder in manchem Sinne unausgewogenes Gesellschaftsmodell, wie es häufig von den Massenmedien vertreten wird, fördert nicht wenig den fortschreitenden Verlust des Sündenbewußtseins. In einer solchen Situation ist die Verdunkelung oder Schwächung des Sündenbewußtseins das Ergebnis einer Ablehnung jeden Bezuges zur Transzendenz im Namen des Verlangens nach personaler Autonomie; oder auch der Unterwerfung unter ethische Modelle, welche der allgemeine Konsens und das generelle Verhalten aufdrängen, auch wenn das Gewissen des einzelnen sie verurteilt; oder auch das Ergebnis der dramatischen sozio-ökonomischen Verhältnisse, die einen so großen Teil der Menschheit unterdrücken und dadurch die Tendenz erzeugen, Irrtum und Schuld nur im Bereich der Gesellschaft zu sehen; schließlich und vor allem auch das Ergebnis der Verdunkelung der Vaterschaft Gottes und seiner Herrschaft über das Leben des Menschen.

Selbst im Bereich des kirchlichen Denkens und Lebens begünstigen einige Tendenzen unvermeidlich den Niedergang des Sündenbewußtseins. Einige zum Beispiel neigen dazu, übertriebene Einstellungen der Vergangenheit durch neue Übertreibungen zu ersetzen: Nachdem die Sünde überall gesehen wurde, gelangt man dazu, sie nirgendwo mehr zu sehen; von einer Überbetonung der Furcht vor den ewigen Strafen kommt man zu einer Verkündigung der Liebe Gottes, die jede für Sünde verdiente Strafe ausschließt; von der Strenge im Bemühen, irrige Gewissen zu bessern, gelangt man zu einer scheinbaren Achtung des Gewissens, derentwegen man sogar die Pflicht, die Wahrheit auszusprechen, unterdrückt. Warum sollte man nicht hinzufügen, daß die Verwirrung, die in den Gewissen vieler Gläubigen durch unterschiedliche Meinungen und Lehren in Theologie, Verkündigung, Katechese und geistlicher Führung zuschwerwiegenden und heiklen Fragen der christlichen Moral geschaffen worden ist, auch dazu führt, das echte Sündenbewußtsein zu mindern und nahezu auszulöschen? Es sollen auch nicht einige Mängel in der Praxis des Bußsakramentes verschwiegen werden: so zum Beispiel die Tendenz, die kirchliche Dimension von Sünde und Bekehrung zu verdunkeln, indem man sie zu rein individuellen Angelegenheiten macht, oder umgekehrt die Tendenz, die personale Tragweite von Gut und Böse aufzuheben, indem man ausschließlich ihre gemeinschaftliche Dimension beachtet; solcherart ist auch die nie ganz gebannte Gefahr eines gewohnheitsmäßigen Ritualismus, der dem Bußsakrament seine volle Bedeutung und seine formende Kraft nimmt.

Das echte Sündenbewußtsein wieder neu zu formen, das ist die erste Weise, um die schwere geistige Krise, die den Menschen unserer Zeit bedrückt, anzugehen. Das Sündenbewußtsein stellt man aber nur durch eine klare Berufung auf unaufgebbare Prinzipien der Vernunft und des Glaubens wieder her, wie die Morallehre der Kirche sie immer vertreten hat.

Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß vor allem im christlichen und kirchlichen Bereich ein gesundes Sündenbewußtsein wieder aufbricht. Dem dienen eine gute Katechese, erhellt durch die biblische Theologie des Bundes, ein aufmerksames Hören auf das Lehramt der Kirche, das unaufhörlich den Gewissen Licht bietet, und eine vertrauensvolle Annahme ihres Wortes sowie eine immer sorgfältigere Praxis des Bußsakramentes.

ZWEITES KAPITEL


GEHEIMNIS DES GLAUBENS



19 Um die Sünde zu erkennen, mußten wir unseren Blick auf ihre Natur richten, wie sie uns die Offenbarung der Heilsökonomie hat erkennen lassen: sie ist Geheimnis des Bösen. In dieser Ökonomie ist die Sünde aber nicht der Haupthandelnde und noch weniger der Sieger. Sie hat einen Gegenspieler in einem anderen Wirkprinzip, das wir - um einen schönen und suggestiven Ausdruck des hl. Paulus zu benutzen - das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens nennen können. Die Sünde des Menschen wäre siegreich und am Ende zerstörerisch, der Heilsplan Gottes würde unvollkommen bleiben und sogar vereitelt werden, wenn dieses Geheimnis des Glaubensnicht seinen Platz in der Dynamik der Geschichte erhalten hätte, um die Sünde des Menschen zu besiegen.

Wir finden diesen Ausdruck in einem der Pastoralbriefe des hl. Paulus, im 1. Brief an Timotheus. Er tritt unerwartet auf, wie durch eine plötzliche Eingebung. Der Apostel hat nämlich vorher lange Abschnitte seiner Botschaft seinem Lieblingsjünger gewidmet, um ihm die Bedeutung der Gemeindeordnung (die liturgische und die mit ihr verbundene hierarchische) zu erklären; er hat also von der Aufgabe der Gemeindeleiter, vor allem der Diakone, gesprochen, um schließlich das Verhalten von Timotheus selber in »der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist«, zu behandeln. Da ruft er am Ende des Abschnittes unvermittelt und doch wohlbedacht aus, was allem, das er geschrieben hat, einen besonderen Sinn gibt: »Wahrhaftig, das Geheimnis unseres Glaubens ist groß...«.(104)

Ohne den wörtlichen Sinn des Textes im geringsten zu verraten, können wir diese großartige theologische Intuition des Apostels zu einer umfassenderen Sicht von der Aufgabe ausweiten, die der von ihm verkündeten Wahrheit in der Heilsökonomie zukommt. »Wahrhaftig«, wiederholen wir mit dem Apostel, »das Geheimnis unseres Glaubens ist groß«, weil es die Sünde besiegt.

Was aber ist nach paulinischer Auffassung dieser »Glaube«?

Er ist Christus selber


20 Es ist von tiefer Bedeutung, daß Paulus zur Beschreibung dieses »Geheimnisses des Glaubens«, ohne eine grammatikalische Verbindung mit dem vorhergehenden Text herzustellen,(105) drei Verse eines Christushymnus wörtlich zitiert, der nach der Meinung von Fachleuten in den hellenistisch-christlichen Gemeinden in Gebrauch war.

Mit den Worten jenes Hymnus, der reich an theologischem Inhalt und voll edler Schönheit ist, bekannten die Gläubigen des ersten Jahrhunderts ihren Glauben an das Geheimnis Christi:

8. daß er sich in der Wirklichkeit des menschlichen Fleisches geoffenbart hat und vom Heiligen Geist zum Gerechten bestellt worden ist, der sich für die Ungerechten hingibt;
9. daß er den Engeln erschienen ist, größer als sie, und den Heiden als Vermittler des Heils verkündet worden ist;
10. daß er in der Welt als Gesandter des Vaters geglaubt und vom Vater selbst als der Herr in den Himmel aufgenommen worden ist.(106)
Das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens ist deshalb das Geheimnis Christi selber. Es ist in einer gedrängten Synthese das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung, des vollen Ostergeschehens Jesu, des Sohnes Gottes und des Sohnes Marias: Geheimnis seines Leidens und Sterbens, seiner Auferstehung und Verherrlichung. Was der hl. Paulus durch die Zitation dieser Sätze des Hymnus hat unterstreichen wollen, ist dies, daß dieses Geheimnis das verborgene Lebensprinzip ist, das die Kirche zum Hauswesen Gottes, zur Säule und zum Fundament der Wahrheit macht. In der Linie der paulinischen Unterweisung können wir sagen, daß diesesGeheimnis des unendlichen Erbarmens Gottes uns gegenüber imstande ist, bis zu den verborgensten Wurzeln unserer Bosheit vorzudringen, um die Seele zur Bekehrung zu bewegen, um sie zu erlösen und zur Versöhnung zu führen.

Indem sich der hl. Johannes ohne Zweifel auf dieses Geheimnis bezog, konnte auch er in der ihm charakteristischen Sprache, die von der des hl. Paulus verschieden ist, schreiben: »Wer von Gott stammt, sündigt nicht, sondern der von Gott Gezeugte bewahrt ihn, und der Böse tastet ihn nicht an«.(107) In dieser Aussage des Johannes liegt ein Zeichen von Hoffnung, die auf den göttlichen Verheißungen gründet: Der Christ hat die Zusicherung und die notwendigen Kräfte erhalten, nicht zu sündigen. Es handelt sich hier also nicht um eine durch eigene Tugend erworbene Sündenlosigkeit oder gar um eine solche, die dem Menschen angeboren wäre, wie die Gnostiker meinten. Sie ist ein Ergebnis des Handelns Gottes. Um nicht zu sündigen, verfügt der Christ über die Kenntnis Gottes, erinnert der hl. Johannes an derselben Stelle. Kurz vorher aber hatte er geschrieben: »Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt«.(108) Wenn wir unter diesem »Samen Gottes«, wie einige Kommentatoren vorschlagen, Jesus, den Sohn Gottes, verstehen, können wir also sagen, daß der Christ, um nicht zu sündigen - oder sich von der Sünde zu befreien - über die innere Gegenwart von Christus selbst und vom Geheimnis Christi verfügt, das Geheimnis des Glaubens ist.

Das Bemühen des Christen


21 Es gibt im Geheimnis des Glaubens aber noch eine andere Seite: Das Erbarmen Gottes dem Christen gegenüber muß eine Antwort in der Frömmigkeit des Christen Gott gegenüber finden. In dieser zweiten Bedeutung besagt die »pietas« (eusébeia) das Verhalten des Christen, der auf das väterliche Erbarmen Gottes mit kindlicher Frömmigkeit antwortet.

Auch in diesem Sinn können wir mit dem hl. Paulus sagen, daß »das Geheimnis unseres Glaubens groß ist«. Auch in diesem Sinn wendet sich die Frömmigkeit als Kraft der Bekehrung und Versöhnung gegen die Bosheit und die Sünde. Auch in diesem Fall sind die wesentlichen Aspekte des Geheimnisses Christ in dem Sinn Gegenstand der Frömmigkeit, daß der Christ das Geheimnis annimmt, es betrachtet und daraus die notwendige geistige Kraft schöpft, um nach dem Evangelium zu leben. Auch hier muß man sagen, daß, »wer von Gott stammt, keine Sünde tut«; diese Aussage aber hat einen imperativen Sinn: Gestärkt vom Geheimnis Christi wie von einer inneren Quelle geistiger Kraft ist der Christ gewarnt zu sündigen, ja er erhält sogar das Gebot, nicht zu sündigen, sondern sich würdig zu verhalten »im Hauswesen Gottes, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes«,(109) da er ein »Kind Gottes« ist.

Unterwegs zu einem versöhnten Leben


22 So öffnet das Wort der Schrift, indem es uns das Geheimnis des Glaubens offenbart, den menschlichen Verstand für die Bekehrung und die Versöhnung, verstanden nicht als abstrakte Größen, sondern als konkrete christliche Werte, die es in unserem Alltag zu erwerben gilt.

Bedroht vom Verlust des Sündenbewußtseins und zuweilen versucht von einer wenig christlichen Illusion von Sündenlosigkeit haben es auch die Menschen von heute nötig, die Ermahnung des hl. Johannes als an jeden persönlich gerichtet neu zu hören: »Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns«,(110) ja sogar »die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen«.(111) Jeder ist also durch die Stimme der göttlichen Wahrheit eingeladen, realistisch sein Gewissen zu erforschen und zu bekennen, daß er in Schuld geboren ist, wie wir im Psalm Miserere beten.(112)

Dennoch können sich die Menschen von heute, die von Furcht und Verzweiflung bedrängt sind, durch die göttliche Verheißung aufgerichtet fühlen, die ihnen die Hoffnung auf die volle Versöhnung schenkt.

Das Geheimnis des Glaubens von seiten Gottes ist jene Barmherzigkeit, an der der Herr, unser Vater, - ich wiederhole es noch einmal - unendlich reich ist.(113) Wie ich in meiner Enzyklika, die dem Thema der göttlichen Barmherzigkeit gewidmet ist,(114) gesagt habe, ist dies eine Liebe, die stärker ist als die Sünde, stärker als der Tod. Wenn wir erkennen, daß die Liebe, die Gott zu uns hat, vor unserer Sünde nicht Halt macht, vor unseren Beleidigungen nicht zurückweicht, sondern an Sorge und hochherziger Zuwendung noch wächst; wenn wir uns bewußt werden, daß diese Liebe sogar das Leiden und den Tod des menschgewordenen Wortes bewirkt hat, das bereit war, uns um den Preis seines Blutes zu erlösen, dann rufen wir voller Dankbarkeit aus: »Ja, der Herr ist reich an Erbarmen« und sagen sogar: »Der Herr ist Barmherzigkeit«.

Das Geheimnis des Glaubens ist der offene Weg von der göttlichen Barmherzigkeit zum versöhnten Leben.

DRITTER TEIL


DIE PASTORAL DER BUSSE UND DER VERSÖHNUNG


Die Förderung von Buße und Versöhnung


23 Es ist die wesentliche Aufgabe der Kirche, den Menschen im Herzen zu Umkehr und Buße zu führen und ihm das Geschenk der Versöhnung anzubieten, wodurch sie das Erlösungswerk ihres göttlichen Stifters fortsetzt. Dies ist eine Sendung, die sich nicht in einigen theoretischen Aussagen und in der Verkündigung eines ethischen Ideals erschöpft, welche von keinen wirksamen Kräften begleitet ist. Sie zielt vielmehr darauf ab, sich für eine konkrete Praxis der Buße und der Versöhnung in bestimmten Amtshandlungen auszudrücken.

Diesen amtlichen Dienst, der auf den oben dargelegten Glaubensprinzipien gründet und von ihnen erleuchtet wird, der auf bestimmte Ziele ausgerichtet und durch angemessene Mittel gestützt wird, können wir als eine Pastoral der Buße und der Versöhnung bezeichnen. Ihr Ausgangspunkt ist die Überzeugung der Kirche, daß der Mensch, an den sich jede Form der Pastoral, hauptsächlich aber die Pastoral der Buße und der Versöhnung richtet, der von der Sünde gezeichnete Mensch ist, dessen typisches Bild wir im König David finden. Vom Propheten Nathan zurechtgewiesen, ist er bereit, sich mit den eigenen ruchlosen Vergehen auseinanderzusetzen, und bekennt: »Ich habe gegen den Herrn gesündigt«.(115) Er ruft aus: »Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen«;(116) aber er bittet auch: »Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann bin ich weißer als Schnee«,(117) und er erhält die Antwort der göttlichen Barmherzigkeit: »Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben«.(118)

Die Kirche findet also einen Menschen - eine ganze Welt des Menschen - vor, der von der Sünde verwundet und von ihr in seinem innersten Sein getroffen ist, der aber zugleich von einem unbändigen Wunsch nach Befreiung von der Sünde erfüllt ist. Vor allem wenn er Christ ist, ist er sich auch dessen bewußt, daß das Geheimnis der Barmherzigkeit, Christus, der Herr, schon in ihm und in der Welt mit der Kraft der Erlösung am Werk ist.

Die versöhnende Funktion der Kirche muß somit jenen inneren Zusammenhang beachten, der die Verzeihung und die Vergebung der Sünde jedes Menschen eng mit der grundsätzlichen und vollen Versöhnung der Menschheit verbindet, die mit der Erlösung geschehen ist. Dieser Zusammenhang läßt uns verstehen, daß aufgrund der Tatsache, daß die Sünde das aktive Prinzip der Entzweiung ist - Entzweiung zwischen dem Menschen und dem Schöpfer, Entzweiung im Herzen und im Sein des Menschen, Entzweiung zwischen den einzelnen Menschen und Gruppen, Entzweiung zwischen dem Menschen und der von Gott geschaffenen Natur -, nur die Bekehrung von der Sünde imstande ist, dort, wo eine solche Entzweiung eingetreten ist, eine tiefe und dauerhafte Versöhnung zu bewirken.

Es ist nicht nötig zu wiederholen, was ich schon über die Bedeutung des »Dienstes der Versöhnung«(119) und der entsprechenden Pastoral gesagt habe, die diesen Dienst im Bewußtsein und im Leben der Kirche konkretisiert. Die Kirche würde in einem ihrer wesentlichen Aspekte und in einer unentbehrlichen Funktion versagen, wenn sie nicht klar und entschlossen, gelegen oder ungelegen, die »Botschaft der Versöhnung«(120) verkündete und der Welt das Geschenk der Versöhnung nicht anbieten würde. Es ist sinnvoll, daran zu erinnern, daß sich diese Bedeutung des kirchlichen Dienstes der Versöhnung über die Grenzen der Kirche hinaus auf die ganze Welt erstreckt.

Von der Pastoral der Buße und der Versöhnung zu sprechen, bedeutet also, auf die Gesamtheit der Aufgaben hinzuweisen, die der Kirche auf allen Ebenen obliegen, um beides zu fördern. Noch konkreter, von dieser Pastoral sprechen heißt, alle Handlungen in Erinnerung zu rufen, wodurch die Kirche durch alle und jedes einzelne ihrer Glieder - Hirten und Gläubige auf allen Ebenen und in allen Bereichen - und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln - Wort und Tat, Unterweisung und Gebet - die Menschen, einzeln oder in Gruppen, zu wahrer Buße führt und sie so auf den Weg zur vollen Versöhnung geleitet.

Die Bischöfe der Synode haben sich als Vertreter ihrer Mitbrüder im Bischofsamt, der Hirten des ihnen anvertrauten Volkes, mit dieser Pastoral in ihren mehr praktischen und konkreten Elementen befaßt. Mit Freude pflichte ich ihnen bei und teile ihre Sorgen und Hoffnungen. Ich nehme die Frucht ihrer Untersuchungen und Erfahrungen entgegen und ermutige sie in ihren Plänen und Initiativen. Mögen sie in diesem Teil des Apostolischen Schreibens jenen Beitrag wiederfinden, den sie selber für die Synode geleistet haben, einen Beitrag, dessen Nutzen ich durch diese Seiten der ganzen Kirche zugänglich machen möchte.

Deshalb möchte ich das Wesen der Pastoral der Buße und der Versöhnung darlegen, indem ich mit der Synode die beiden folgenden Punkte besonders behandle:

1. Die von der Kirche benutzten Mittel und Wege, um Buße und Versöhnung zu fördern.
2. Das eigentliche Sakrament der Buße und Versöhnung.
ERSTES KAPITEL


DIE FÖRDERUNG VON BUSSE UND VERSÖHNUNG:


MITTEL UND WEGE



24 Um Buße und Versöhnung zu fördern, hat die Kirche hauptsächlich zwei Mittel zur Verfügung, die ihr von ihrem Stifter selber anvertraut worden sind: die Katechese und die Sakramente. Ihre Anwendung, die von der Kirche immer in vollem Einklang mit den Erfordernissen ihrer Heilssendung und zugleich als den Erfordernissen und geistlichen Bedürfnissen der Menschen aller Zeiten angemessen erachtet worden ist, kann in alten und neuen Formen erfolgen. Unter diesen ist besonders an jene zu erinnern, die wir im Anschluß an meinen Vorgänger Paul VI. die Methode des Dialoges nennen können.

Der Dialog


25 Der Dialog ist für die Kirche in gewissem Sinn ein Mittel und vor allem eine Weise, um in der Welt von heute zu wirken.

Das II. Vatikanische Konzil hat nämlich verkündet, daß »die Kirche kraft ihrer Sendung, die ganze Welt mit der Botschaft des Evangeliums zu erleuchten und alle Menschen... in einem Geist zu vereinigen, zum Zeichen jener Brüderlichkeit wird, die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen läßt«. Es fügt hinzu, daß sie imstande sein muß, »ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden«,(121) und auch »mit der menschlichen Gesellschaft... in ein Gespräch zu kommen«.(122)

Mein Vorgänger Paul VI. hat dem Dialog einen beträchtlichen Teil seiner ersten EnzyklikaEcclesiam suam gewidmet, wo er ihn bezeichnenderweise als Heilsdialog beschreibt und kennzeichnet.(123)

Die Kirche bedient sich in der Tat der Methode des Dialoges, um die Menschen - jene, die sich durch Taufe und Glaubensbekenntnis als Glieder der christlichen Gemeinschaft bekennen, und jene, die ihr fernstehen - besser zu Bekehrung und Buße, auf den Weg einer tiefen Erneuerung ihres persönlichen Gewissens und ihres Lebens sowie zum Licht des Geheimnisses der Erlösung und des Heiles zu führen, das von Christus gewirkt und dem Dienst seiner Kirche anvertraut worden ist. Der echte Dialog ist somit vor allem auf die Erneuerung eines jeden durch innere Bekehrung und Buße gerichtet, wobei er jedoch die Gewissen besonders achtet und mit Geduld und nur schrittweise vorgeht, was bei der Lage der Menschen unserer Zeit unerläßlich ist.

Der pastorale Dialog für eine Versöhnung bleibt auch heute in verschiedenen Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen eine grundlegende Aufgabe der Kirche.

Sie fördert vor allem einen ökumenischen Dialog, das heißt den Dialog zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die sich auf den Glauben an Christus, den Sohn Gottes und einzigen Erlöser, berufen, und einen Dialog mit den anderen Gemeinschaften von Menschen, die Gott suchen und Gemeinschaft mit ihm haben möchten.

Die Grundlage dieses Dialoges mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und mit den anderen Religionen muß, als Bedingung für seine Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit, ein aufrichtiges Bemühen um einen ständigen und erneuerten Dialog im Innern der katholischen Kirche selber sein. Die Kirche ist sich dessen bewußt, von Natur aus Sakrament der »universalen Gemeinschaft der Liebe« zu sein;(124) aber sie ist sich auch der Spannungen bewußt, die in ihrem Innern bestehen und die zu Ursachen der Spaltung zu werden drohen.

Der ernste und entschlossene Aufruf, den schon mein Vorgänger im Hinblick auf das Heilige Jahr 1975 an alle gerichtet hat,(125) gilt auch noch im gegenwärtigen Augenblick. Um die Konflikte zu überwinden und zu verhindern, daß die normalen Spannungen der Einheit der Kirche schaden, müssen wir uns alle unter das Wort Gottes stellen. Indem wir die eigenen subjektiven Ansichten aufgeben, haben wir die Wahrheit dort zu suchen, wo sie zu finden ist, das heißt im Wort Gottes und in der authentischen Interpretation, die das Lehramt der Kirche davon gibt. In diesem Licht sind das gegenseitige Aufeinanderhören, die Achtung voreinander und die Vermeidung jedes voreiligen Urteils, die Geduld und die Fähigkeit, die Unterordnung des Glaubens, der eint, unter die Meinungen, Modeerscheinungen und ideologischen Parteinahmen, die entzweien, zu vermeiden, alles Eigenschaften eines Dialoges, der im Innern der Kirche mit Ausdauer, bereitwillig und aufrichtig geübt werden muß. Es ist offenkundig, daß er nicht von solcher Art wäre und nicht ein Faktor der Versöhnung werden könnte, wenn er nicht auf das Lehramt achtet und es annimmt.

Indem sich die katholische Kirche auf diese Weise wirksam um die eigene innere Einheit bemüht, kann sie - wie sie es schon seit geraumer Zeit tut - an die anderen christlichen Kirchen, mit denen keine volle Einheit besteht, an die anderen Religionen und sogar an jene, die Gott mit aufrichtigem Herzen suchen, den Aufruf zur Versöhnung richten.

Im Licht des Konzils und des Lehramtes meiner Vorgänger, deren kostbares Erbe ich übernommen habe und zu bewahren und zu verwirklichen mich bemühe, kann ich feststellen, daß sich die katholische Kirche in allen ihren Bereichen mit Redlichkeit um den ökumenischen Dialog bemüht, und zwar ohne leichtfertigen Optimismus, aber auch ohne Mißtrauen, ohne Zögern und Zaudern. Die Grundregeln, die sie in diesem Dialog zu befolgen sucht, sind einerseits die Überzeugung, daß nur ein geistlicher Ökumenismus - das heißt einer, der im gemeinsamen Gebet und in der gemeinsamen Verfügbarkeit dem einen Herrn gegenüber gründet - es gestattet, aufrichtig und ernsthaft auf die anderen Erfordernisse ökumenischen Handelns zu antworten;(126) andererseits die Überzeugung, daß ein gewisser leichtfertiger Irenismus im Bereich der Lehre, vor allem im Dogma, allenfalls zu einer nicht dauerhaften Form oberflächlichen Zusammengehens führen könnte, nicht aber zu jener tiefen und beständigen Gemeinschaft, die wir uns alle wünschen. Zu dieser Gemeinschaft wird man in der von der göttlichen Vorsehung bestimmten Stunde gelangen; damit dies aber gelingt, weiß die katholische Kirche, daß sie selber offen und empfänglich sein muß für »die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe..., die sich bei den von uns getrennten Brüdern finden«.(127) Gleichzeitig aber bilden Klarheit in der Gesprächsführung, Treue und Übereinstimmung mit dem im Lauf der christlichen Tradition vom Lehramt überlieferten und definierten Glauben die unerläßlichen Voraussetzungen für einen ehrlichen und konstruktiven Dialog. Trotz der Gefahr eines gewissen Defätismus und eines unvermeidlich langsamen Vorgehens, das niemals durch Unbesonnenheit behoben werden kann, fährt die katholische Kirche fort, mit allen anderen christlichen Brüdern die Wege zur Einheit und mit den Anhängern der anderen Religionen einen aufrichtigen Dialog zu suchen. Möge dieser Dialog mit den anderen Kirchen und Religionen zur Überwindung jeglicher Form von Feindseligkeit, Mißtrauen, gegenseitigem Verurteilen und erst recht von gegenseitigen Angriffen führen, Vorbedingung für eine Begegnung wenigstens im Glauben an den einen Gott und in der Hoffnung auf ein ewiges Leben für die unsterbliche Seele. Gebe Gott, daß der ökumenische Dialog zu einer aufrichtigen Verständigung über all das führe, was wir mit diesen Kirchen bereits gemeinsam haben können: der Glaube an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes, unseren Erlöser und Herrn, das Hören auf das Wort, das Studium der Offenbarung, das Sakrament der Taufe.

In dem Maße, wie die Kirche fähig ist, in ihrem eigenen Innern eine wirksame Eintracht - die Einheit in der Verschiedenheit - zu verwirklichen und sich gegenüber den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und den anderen Religionen als Zeugin und demütige Dienerin der Versöhnung zu erweisen, wird sie selber nach einem prägnanten Ausdruck des hl. Augustinus »versöhnte Welt«.(128) So wird sie Zeichen der Versöhnung in der Welt und für die Welt sein können.

Im Bewußtsein der ungeheuer schwierigen Situation, die durch die Kräfte der Entzweiung und des Krieges geschaffen worden ist und heute eine schwere Bedrohung nicht nur für das Gleichgewicht und die Harmonie zwischen den Nationen, sondern für das Überleben der Menschheit selbst darstellt, fühlt die Kirche sich verpflichtet, ihre spezifische Mitarbeit für die Überwindung der Konflikte und die Wiederherstellung der Eintracht anzubieten und zu empfehlen.

Es ist ein komplexer und heikler Dialog der Versöhnung, um den sich die Kirche vor allem durch das Wirken des Heiligen Stuhles und seiner verschiedenen Organismen bemüht. Man kann sagen, daß der Heilige Stuhl alle Kraft dafür verwendet, bei den Regierungen der Nationen und den Verantwortlichen der verschiedenen internationalen Einrichtungen vorstellig zu werden oder durch Gespräche mit ihnen und durch die Förderung des Dialogs zwischen ihnen mit diesen zusammenzuwirken, um inmitten zahlreicher Konflikte eine Aussöhnung herbeizuführen. Sie tut dies nicht sekundärer Zwecke oder geheimer Interessen wegen - denn solche hat sie nicht -, sondern »aus humanitärer Sorge«,(129) indem sie ihre einzigartige institutionelle Struktur und moralische Autorität in den Dienst der Eintracht und des Friedens stellt. Sie tut dies in der Überzeugung, daß wie »im Krieg sich zwei Seiten gegeneinander erheben«, so auch »in der Frage des Friedens es immer und notwendig zwei Seiten sind, die sich dafür einsetzen müssen«, und daß darin »der wahre Sinn des Dialoges für den Frieden liegt«.(130)

Im Dialog für die Versöhnung setzt sich die Kirche auch durch die Bischöfe ein entsprechend der ihnen eigenen Zuständigkeit und Verantwortung, sei es individuell in der Leitung ihrer jeweiligen Teilkirchen, sei es vereint in ihren Bischofskonferenzen, unter der Mitarbeit der Priester und aller Glieder der christlichen Gemeinschaften. Sie erfüllen ihre Aufgaben dadurch, daß sie jenen unentbehrlichen Dialog fördern und die menschlichen und christlichen Forderungen nach Versöhnung und Frieden erheben. In Gemeinschaft mit ihren Hirten sind die Laien, die als »eigentliches Feld ihrer evangelisierenden Tätigkeit die weite und schwierige Welt der Politik, der sozialen Wirklichkeit, der Wirtschaft.... des internationalen Lebens«(131) haben, aufgerufen, sich unmittelbar um den Dialog oder um die Förderung des Dialogs für den Frieden zu bemühen. Auch durch sie verwirklicht die Kirche ihren Einsatz für Versöhnung.

In der Erneuerung der Herzen durch Bekehrung und Buße liegt also die grundlegende Voraussetzung und das sichere Fundament für jede dauerhafte soziale Erneuerung und für den Frieden unter den Völkern.

Es bleibt noch zu betonen, daß der Dialog von seiten der Kirche und ihrer Glieder, in welcher Form er auch immer geschieht - und es sind und können sehr verschiedene sein, so daß der Begriff Dialog eine analoge Bedeutung hat -, niemals von einer indifferenten Haltung gegenüber der Wahrheit ausgehen darf, sondern diese vielmehr zur Darstellung bringen soll, und zwar in einer ausgeglichenen Weise, die auch den Verstand und das Gewissen der anderen achtet. Der Dialog zur Versöhnung kann niemals die Verkündigung der Wahrheit des Evangeliums ersetzen oder abschwächen, die eindeutig die Bekehrung von der Sünde und die Gemeinschaft mit Christus und der Kirche zum Ziel hat, sondern muß ihrer Weitervermittlung und Verwirklichung durch jene Mittel dienen, die Christus seiner Kirche für die Pastoral der Versöhnung hinterlassen hat: die Katechese und die Buße.


Reconciliatio et paenitentia DE 18