Wisdom (EUS) 13

Zweite Einschaltung: Die Torheit des Götzendienstes

13 1 Töricht waren von Natur alle Menschen, denen die Gotteserkenntnis fehlte. Sie hatten die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen, ohne den wahrhaft Seienden erkennen zu können. Beim Anblick der Werke erkannten sie den Meister nicht,
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sondern hielten das Feuer, den Wind, die flüchtige Luft, den Kreis der Gestirne, die gewaltige Flut oder die Himmelsleuchten für weltbeherrschende Götter.
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Wenn sie diese, entzückt über ihre Schönheit, als Götter ansahen, dann hätten sie auch erkennen sollen, wieviel besser ihr Gebieter ist; denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen.
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Und wenn sie über ihre Macht und ihre Kraft in Staunen gerieten, dann hätten sie auch erkennen sollen, wieviel mächtiger jener ist, der sie geschaffen hat;
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denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen.
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Dennoch verdienen jene nur geringen Tadel. Vielleicht suchen sie Gott und wollen ihn finden, gehen aber dabei in die Irre.
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Sie verweilen bei der Erforschung seiner Werke und lassen sich durch den Augenschein täuschen; denn schön ist, was sie schauen.
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Doch auch sie sind unentschuldbar:
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Wenn sie durch ihren Verstand schon fähig waren, die Welt zu erforschen, warum fanden sie dann nicht eher den Herrn der Welt?
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Unselig aber sind jene, die auf Totes ihre Hoffnung setzen und Werke von Menschenhand als Götter bezeichnen, Gold und Silber, kunstvolle Gebilde und Tiergestalten oder einen nutzlosen Stein, ein Werk uralter Herkunft.
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Da sägte ein Holzschnitzer einen geeigneten Baum ab, entrindete ihn ringsum geschickt, bearbeitete ihn sorgfältig und machte daraus ein nützliches Gerät für den täglichen Gebrauch.
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Die Abfälle seiner Arbeit verwendete er, um sich die Nahrung zu bereiten, und aß sich satt.
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Was dann noch übrigblieb und zu nichts brauchbar war, ein krummes, knotiges Stück Holz, das nahm er, schnitzte daran so eifrig und fachgemäß, wie man es tut, wenn man am Abend von der Arbeit abgespannt ist, formte es zum Bild eines Menschen
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oder machte es einem armseligen Tier ähnlich, beschmierte es mit Mennig und roter Schminke, überstrich alle schadhaften Stellen,
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machte ihm eine würdige Wohnstatt, stellte es an der Wand auf und befestigte es mit Eisen.
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So sorgte er dafür, daß es nicht herunterfiel, wußte er doch, daß es sich nicht helfen kann; es ist ein Bild und braucht Hilfe.
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Aber wenn er um Besitz, Ehe und Kinder betet, dann schämt er sich nicht, das Leblose anzureden. Um Gesundheit ruft er das Kraftlose an,
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Leben begehrt er vom Toten. Hilfe erfleht er vom ganz Hilflosen und gute Reise von dem, was nicht einmal den Fuß bewegen kann.
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Für seine Arbeit, für Gewinn und Erfolg seines Handwerks bittet er um Kraft von einem, dessen Hände völlig kraftlos sind.



14 1 Ein anderer, der sich zu einer Seefahrt rüstet, auf der er wilde Wogen durchqueren wird, ruft ein Holz an, das gebrechlicher ist als das Fahrzeug, das ihn trägt.
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Das Fahrzeug hat der Erwerbstrieb ersonnen und die Weisheit eines Künstlers hergestellt.
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Deine Vorsehung, Vater, steuert es; denn du hast auch im Meer einen Weg gebahnt und in den Wogen einen sicheren Pfad.
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Damit zeigst du, daß du imstande bist, aus jeder Lage zu retten, so daß auch jemand, der keine Erfahrung hat, ein Schiff besteigen kann.
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Du willst, daß die Werke deiner Weisheit nicht ungenutzt bleiben. Darum vertrauen Menschen ihr Leben sogar einem winzigen Holz an und fahren wohlbehalten auf einem Floß durch die Brandung.
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So hat auch in der Urzeit beim Untergang der übermütigen Riesen die Hoffnung der Welt sich auf ein Floß geflüchtet und, durch deine Hand gesteuert, der Welt den Samen eines neuen Geschlechtes hinterlassen.
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Denn Segen ruht auf dem Holz, durch das Gerechtigkeit geschieht.
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Fluch hingegen trifft das von Händen geformte Holz und seinen Bildner, ihn, weil er es bearbeitet hat, jenes, weil es Gott genannt wurde, obwohl es vergänglich ist.
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Denn Gott sind in gleicher Weise Frevler wie Frevel verhaßt;
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mit dem Bildner wird sein Werk der Strafe verfallen.
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Darum kommt auch über die Götzenbilder der Völker das Gericht, weil sie in Gottes Schöpfung zum Greuel geworden sind, zum Anstoß für die Seelen der Menschen und zur Schlinge für die Füße der Toren.
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Mit dem Gedanken an Götzenbilder beginnt der Abfall, und ihre Erfindung führt zur Sittenverderbnis.
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Weder waren sie von Anfang an da, noch werden sie ewig bleiben.
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Durch die eitle Ruhmsucht der Menschen sind sie in die Welt gekommen; darum ist ihnen auch ein jähes Ende zugedacht.
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Bedrückt durch allzu frühe Trauer ließ ein Vater von seinem Kind, das gar schnell hinweggerafft wurde, ein Bildnis machen; so ehrte er einen toten Menschen als Gott und führte bei seinen Leuten geheime Kulte und festliche Bräuche ein.
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Im Lauf der Zeit verfestigte sich die frevelhafte Sitte und wurde schließlich als Gesetz befolgt;
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die Standbilder erhielten auf Anordnung der Herrscher göttliche Verehrung. Konnten die Menschen einen König nicht unmittelbar ehren, weil er weit weg wohnte, dann vergegenwärtigten sie den Fernen; sie machten von dem verehrten König ein Bildnis, das allen sichtbar war, um dem Abwesenden, als ob er gegenwärtig wäre, mit Eifer zu huldigen.
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Der Ehrgeiz des Künstlers führte dazu, daß auch jene, die den König gar nicht kannten, ihm göttliche Verehrung erwiesen.
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Wohl um dem Herrscher zu gefallen, bot er seine ganze Kunst auf, um ihn schöner darzustellen, als er war.
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Von der Anmut des Bildes hingerissen, betete die Menge den, der noch kurz zuvor nur als Mensch geehrt wurde, jetzt wie einen Gott an.
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Der Welt ist dies zum Verhängnis geworden: Die Menschen haben, unter dem Druck von Unglück oder Herrschermacht, Stein und Holz den Namen beigelegt, der mit niemand geteilt werden kann.
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Als ob es nicht genug wäre, in der Erkenntnis Gottes zu irren, nennen sie in dem heftigen Zwiespalt, den die Unwissenheit in ihr Leben bringt, so große Übel auch noch Frieden.
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Bei kindermörderischen Festbräuchen, heimlichen Kulten oder wilden Gelagen mit fremdartigen Sitten
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halten sie weder Leben noch Ehe rein, sondern einer tötet heimtückisch den andern oder beleidigt ihn durch Ehebruch.
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Alles ist ein wirres Gemisch von Blut und Mord, Diebstahl und Betrug, Verdorbenheit, Untreue, Aufruhr und Meineid;
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es herrscht Umkehrung der Werte, undankbare Vergeßlichkeit, Befleckung der Seelen, widernatürliche Unzucht, Zerrüttung der Ehen, Ehebruch und Zügellosigkeit.
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Die Verehrung der namenlosen Götzenbilder ist aller Übel Anfang, Ursache und Höhepunkt.
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Sie rasen im Freudentaumel, weissagen Lügen, leben in Ungerechtigkeit oder schwören leichthin einen Meineid.
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Im Vertrauen auf leblose Götzen fürchten sie nicht, daß ihre Meineide ihnen schaden könnten.
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Jedoch für beides wird sie die gerechte Strafe treffen: daß sie sich von Gott eine verkehrte Vorstellung machten, indem sie Götzenbilder verehrten, und daß sie unter Mißachtung der Heiligkeit des Eides hinterlistig und ungerecht schworen.
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Es ist nie die Macht derer, bei denen sie schworen, sondern immer die den Sündern gebührende Strafe, die die Vergehen der Frevler verfolgt.



15 1 Du aber, unser Gott, bist gütig, wahrhaftig und langmütig; voll Erbarmen durchwaltest du das All.
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Auch wenn wir sündigen, gehören wir dir, da wir deine Stärke kennen; doch wir wollen nicht sündigen, da wir wissen, daß wir dein Eigentum sind.
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Denn es ist vollendete Gerechtigkeit, dich zu verstehen; und deine Stärke zu kennen ist die Wurzel der Unsterblichkeit.
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Die arglistige Erfindung der Menschen hat uns nicht verführt, die unfruchtbare Arbeit der Maler, eine mit bunten Farben besudelte Gestalt.
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Ihr Anblick erregt die Sehnsucht der Toren und weckt in ihnen das Verlangen nach der leblosen Gestalt eines toten Bildes.
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Liebhaber des Bösen und solcher Hoffnungen würdig sind alle, die es anfertigen, die nach ihm verlangen und die es anbeten.
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Der Töpfer knetet mühsam den weichen Ton, um daraus Gefäße zu unserem Gebrauch zu formen. Aus dem gleichen Lehm bildet er solche, die sauberen Zwecken dienen, und solche für das Gegenteil, alle in gleicher Weise; über den Gebrauch eines jeden entscheidet der Töpfer.
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Aus dem gleichen Lehm formt er in verkehrter Mühe auch einen nichtigen Gott, er, der vor kurzem aus Erde entstand und bald dorthin zurückkehrt, woher er genommen ist, wenn seine Seele, das ihm anvertraute Darlehen, zurückgefordert wird.
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Doch es kümmert ihn nicht, daß er dahinschwinden wird und nur ein kurzes Leben hat. Er wetteifert mit Goldschmieden und Silbergießern, er ahmt Kupferschmiede nach und sieht seinen Ruhm darin, Trugbilder zu formen.
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Asche ist sein Herz, noch weniger wert als Erdenstaub seine Hoffnung, und sein Leben ist wertloser als Lehm.
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Seinen eigenen Bildner hat er nämlich nicht erkannt, den, der ihm eine wirkende Seele eingehaucht und Lebensatem eingeblasen hat.
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Nein, er hält unser Leben für ein Kinderspiel, das Dasein für einen einträglichen Jahrmarkt; er sagt, man müsse aus allem, auch aus Schlechtem, Gewinn ziehen.
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Denn er weiß besser als alle, daß er sündigt, wenn er aus dem gleichen Erdenstoff nicht nur zerbrechliche Gefäße, sondern auch Götzenbilder fertigt.
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Ganz unverständig aber und ärmer als eines Kindes Seele waren die Feinde, die dein Volk knechteten.
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Sie hielten alle Götzen der Völker für Götter, Götter, die weder ihre Augen gebrauchen können, um zu sehen, noch ihre Nase, um die Luft zu atmen, noch ihre Ohren, um zu hören, noch die Finger ihrer Hände, um zu tasten, und deren Füße nicht gehen können.
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Ein Mensch hat sie gemacht, einer, dem der Geist nur geliehen ist, hat sie gebildet; kein Mensch hat die Kraft, einen Gott zu bilden, der auch nur ihm selber ähnlich wäre.
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Als Sterblicher schafft er mit frevelhaften Händen nur Totes. Er ist besser als seine angebeteten Gebilde; denn er bekam einmal Leben, diese aber nie.
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Sie verehren sogar die widerlichsten Tiere, die dümmsten im Vergleich mit den anderen,
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solche, die nicht einmal schön sind, so daß man an ihnen Gefallen finden könnte, soweit das beim Anblick von Tieren möglich ist, die zudem Gottes Lob und seinen Segen verloren haben.


Frösche - Wachteln

16 1 Darum wurden sie mit Recht durch ähnliche Tiere gezüchtigt und durch eine Menge von Ungeziefer gequält.
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Während sie auf solche Weise gezüchtigt wurden, hast du deinem Volk eine Wohltat erwiesen und mit den Wachteln seinem heftigen Verlangen eine fremdartige Nahrung gegeben.
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Während jenen in ihrem Hunger die Eßlust verging wegen der Häßlichkeit der gegen sie gesandten Tiere, bekamen diese nach nur kurzer Entbehrung sogar eine fremdartige Speise.
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Über jene Unterdrücker sollte unabwendbarer Hunger kommen; diese aber sollten nur kurz spüren, wie ihre Feinde gequält wurden.

Heuschrecken und Stechfliegen - giftige Schlangen

5 Auch damals, als die schreckliche Wut wilder Tiere über sie hereinbrach und sie durch die Bisse tückischer Schlangen umkamen, dauerte dein Zorn nicht bis ans Ende.
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Zur Warnung wurden sie nur kurz in Schrecken versetzt und bekamen ein Rettungszeichen, damit sie sich an die Vorschrift deines Gesetzes erinnerten.
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Wer sich dorthin wandte, wurde nicht durch das gerettet, was er anschaute, sondern durch dich, den Retter aller.
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Dadurch hast du unsere Feinde überzeugt, daß du es bist, der aus allem Übel erlöst.
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Denn sie wurden durch die Bisse der Heuschrecken und der Stechfliegen getötet, ohne daß es ein Heilmittel für sie gab; sie verdienten es ja, durch solches Ungeziefer gezüchtigt zu werden.
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Deine Söhne aber wurden nicht einmal durch die Zähne giftspritzender Schlangen überwältigt; denn dein Erbarmen kam ihnen zu Hilfe und heilte sie.
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Sie wurden gebissen, aber schnell wieder gerettet, damit sie sich an deine Worte erinnerten; denn sie sollten nicht in tiefes Vergessen versinken, sondern sich ungehindert deiner Wohltaten erfreuen.
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Weder Kraut noch Wundpflaster machte sie gesund, sondern dein Wort, Herr, das alles heilt.
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Du hast Gewalt über Leben und Tod; du führst zu den Toren der Unterwelt hinab und wieder herauf.
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Ein Mensch kann zwar in seiner Schlechtigkeit töten; doch den entschwundenen Geist holt er nicht zurück, und die weggenommene Seele kann er nicht befreien.

Hagel - Manna

15 Unmöglich ist es, deiner Hand zu entfliehen.
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Denn die Frevler, die behaupten, dich nicht zu kennen, wurden durch die Kraft deines Armes gezüchtigt: Ungewöhnliche Regengüsse, Hagelschauer und schreckliche Wolkenbrüche peitschten auf sie nieder, und Feuer verzehrte sie.
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Das seltsamste war, daß das Wasser, das sonst alles löscht, die Kraft des Feuers noch verstärkte; denn die Natur kämpft für die Gerechten.
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Das eine Mal wurde die Flamme gezähmt, damit sie nicht die Tiere verzehrte, die gegen die Ruchlosen gesandt waren; diese sollten sehen und erkennen, daß sie von Gottes Strafe verfolgt wurden.
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Das andere Mal brannte die Flamme mit ungewöhnlicher Kraft mitten im Wasser, um die Erzeugnisse des schuldbeladenen Landes zu vernichten.
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Dein Volk dagegen nährtest du mit der Speise der Engel, und unermüdlich gabst du ihm fertiges Brot vom Himmel. Deine Gabe gewährte jeden Genuß und entsprach jedem Geschmack;
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sie offenbarte deine zarte Liebe zu deinen Kindern. Sie erfüllte das Verlangen eines jeden, der sie genoß, und verwandelte sich in alles, was einer wollte.
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Schnee und Eis hielten dem Feuer stand und schmolzen nicht. Deine Kinder sollten erkennen, daß nur die Früchte der Feinde vom Feuer vernichtet wurden, das im Hagel brannte und in den Regengüssen blitzte,
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und daß es umgekehrt sogar seine eigene Kraft vergaß, damit die Gerechten Nahrung hätten.
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Denn die Schöpfung, die dir, ihrem Schöpfer, dient, steigert ihre Kräfte, um die Schuldigen zu bestrafen, und hält sie zurück, um denen Gutes zu tun, die auf dich vertrauen.
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Darum diente sie auch damals deinem Geschenk, das alle ernährte, und verwandelte sich in alles, was die Bittenden wünschten.
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Deine geliebten Söhne, Herr, sollten daraus lernen: Nicht die verschiedenartigen Früchte ernähren den Menschen, sondern dein Wort erhält alle, die dir vertrauen.
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Denn dasselbe, das vom Feuer nicht vernichtet wurde, schmolz sogleich, wenn es ein flüchtiger Sonnenstrahl erwärmte.
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So sollte man erkennen, daß man, um dir zu danken, der Sonne zuvorkommen und sich noch vor dem Aufgang des Lichtes an dich wenden muß.
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Denn die Hoffnung des Undankbaren schmilzt wie winterlicher Reif und verrinnt wie unnützes Wasser.


Finsternis - Feuersäule

17 1 Groß und nicht zu ergründen sind deine Entscheide; darum verfiel in Irrtum, wer sich nicht belehren ließ.
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Denn die Frevler meinten, das heilige Volk knechten zu können; und jetzt lagen sie da, Gefangene der Finsternis, Gefesselte einer langen Nacht, eingeschlossen in den Häusern, von der ewigen Vorsehung verbannt.
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Sie glaubten, mit ihren geheimen Sünden unter der dunklen Decke der Vergessenheit verborgen zu sein; da packte sie furchtbares Entsetzen. Sie wurden durch Trugbilder aufgeschreckt und auseinandergejagt.
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Auch der geheimste Winkel, in den sie sich flüchteten, konnte sie nicht vor Furcht bewahren; schreckenerregendes Getöse umbrauste sie, und düstere Gespenster mit finsteren Mienen tauchten auf.
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Keine Kraft irgendeines Feuers war stark genug, Licht zu bringen; nicht einmal der strahlende Glanz der Gestirne vermochte es, diese entsetzliche Nacht zu erhellen.
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Nur einen schaurigen Feuerherd, der sich von selbst entzündet hatte, sahen sie aufglühen; verschwand die Erscheinung, so hielten sie, außer sich vor Entsetzen, die Dinge, die sie sahen, für noch schlimmer.
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Da versagten die Gaukeleien der Zauberkunst, und die Probe auf das prahlerische Wissen fiel schmählich aus.
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Jene, die immer versprachen, Furcht und Verwirrung von der kranken Seele zu bannen, krankten nun selber an einer lächerlichen Angst.
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Auch wenn nichts Schreckliches sie ängstigte, wurden sie durch raschelndes Getier und zischelnde Schlangen aufgescheucht und vergingen vor Furcht. Nicht einmal in die Luft wollten sie blicken, der man doch nirgends entfliehen kann.
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Denn die Schlechtigkeit bezeugt selbst ihr feiges Wesen, wenn sie gestraft wird. Unter dem Druck des Gewissens befürchtet sie immer das Schlimmste.
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Furcht ist ja nichts anderes als der Verzicht auf die von der Vernunft angebotene Hilfe.
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Je weniger man solche Hilfe erwartet, um so schlimmer erscheint es, die Ursache der Qual nicht zu kennen.
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In Wahrheit hatte jene Nacht keine Gewalt; aus den Tiefen der machtlosen Totenwelt war sie heraufgestiegen. Sie aber, die wie sonst schlafen wollten,
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wurden bald durch Schreckgespenster aufgescheucht, bald durch Mutlosigkeit gelähmt; denn plötzliche und unerwartete Furcht hatte sie befallen.
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So wurde jeder dort, wo er zu Boden sank, ein Gefangener, der in einen Kerker ohne Eisenfesseln eingeschlossen war.
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Ob Bauer oder Hirt oder ein Taglöhner, der einsam arbeitete, alle wurden überrascht und mußten sich dem unentrinnbaren Zwang fügen, alle wurden durch die gleiche Kette der Finsternis gefesselt.
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Das Pfeifen des Windes, der wohlklingende Gesang der Vögel auf den Zweigen der Bäume, das Rauschen ungestüm strömender Wasser, das wilde Donnern stürzender Felsen,
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das Laufen hüpfender Tiere, die man nicht sehen konnte, das laute Gebrüll wilder Raubtiere, das aus den Schluchten der Berge zurückgeworfene Echo: alles und jedes jagte ihnen lähmende Furcht ein.
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Die ganze Welt stand in strahlendem Licht, und alle gingen ungehindert ihrer Arbeit nach.
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Nur über jene breitete sich drückende Nacht aus, Bild der Finsternis, die sie dereinst aufnehmen sollte. Doch mehr als unter der Finsternis litten sie unter ihrer eigenen Angst.



18 1 Deinen Heiligen dagegen strahlte hellstes Licht. Die anderen hörten ihre Stimme, ohne sie selbst zu sehen, und priesen sie glücklich, mochten diese vorher noch so viel erduldet haben.
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Sie dankten ihnen, daß sie für das früher erlittene Unrecht keine Rache nahmen, und baten um Verzeihung für ihr feindliches Verhalten.
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Statt jener Finsternis gabst du den Deinen eine flammende Feuersäule als Führerin auf unbekanntem Weg, als freundliche Sonne auf ihrer ruhmvollen Wanderung.
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Jene hingegen hatten es verdient, des Lichtes beraubt und in Finsternis gefangen zu sein, weil sie einst deine Söhne eingeschlossen und gefangen hielten, durch die das unvergängliche Licht des Gesetzes der Welt gegeben werden sollte.

Tod der Erstgeborenen - Tod in der Wüste

5 Sie hatten beschlossen, die Kinder der Heiligen zu töten, und nur ein einziges Kind wurde ausgesetzt und gerettet. Zur Strafe hast du ihnen viele ihrer eigenen Kinder weggenommen und sie alle auf einmal in gewaltiger Wasserflut vernichtet.
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Jene Nacht wurde unseren Vätern vorher angekündigt; denn sie sollten zuversichtlich sein und sicher wissen, welchen eidlichen Zusagen sie vertrauen konnten.
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So erwartete dein Volk die Rettung der Gerechten und den Untergang der Feinde.
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Während du die Gegner straftest, hast du uns zu dir gerufen und verherrlicht.
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Denn im Verborgenen feierten die frommen Söhne der Guten ihr Opferfest; sie verpflichteten sich einmütig auf das göttliche Gesetz, daß die Heiligen in gleicher Weise Güter wie Gefahren teilen sollten, und sangen schon im voraus die Loblieder der Väter.
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Da hallte ihnen das wirre Geschrei der Feinde entgegen, und sie hörten die laute Klage über die toten Kinder.
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Das gleiche Urteil traf Herrn und Knecht; der Mann aus dem Volk und der König hatten das gleiche Leid zu tragen.
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Durch die gleiche Todesart hatten alle zusammen unzählige Tote. Es waren nicht genügend Lebende da, um sie zu begraben; denn mit einem Schlag waren die besten Nachkommen vernichtet worden.
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Bisher waren sie durch die Künste ihrer Zauberer ungläubig geblieben; jetzt aber mußten sie beim Untergang der Erstgeborenen bekennen: Dieses Volk ist Gottes Sohn.
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Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war,
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da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab als harter Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land.
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Es trug das scharfe Schwert deines unerbittlichen Befehls, trat hin und erfüllte alles mit Tod; es berührte den Himmel und stand auf der Erde.
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Plötzlich schreckten sie furchtbare Traumgesichte auf, und ungeahnte Ängste überfielen sie.
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Einer stürzte hier, ein anderer dort halbtot zu Boden und bekannte, aus welchem Grund er sterben mußte.
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Denn die erschreckenden Träume hatten es ihnen vorausgesagt; sie sollten nicht umkommen, ohne zu wissen, warum sie so Schlimmes erlitten.
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Auch die Gerechten lernten eine Probe des Todes kennen: Eine große Anzahl wurde in der Wüste dahingerafft; doch der Zorn hielt nicht lange an.
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Ein Mann ohne Tadel sprang als Vorkämpfer ein mit der Waffe seines heiligen Dienstes, mit Gebet und sühnendem Räucherwerk. Er trat dem Zorn entgegen, machte dem Unheil ein Ende und zeigte so, daß er dein Diener war.
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Er überwand die Not nicht durch Körperkraft und nicht durch Waffengewalt, sondern durch das Wort bezwang er den Strafenden, indem er ihn an die eidlich bekräftigten Bündnisse mit den Vätern erinnerte.
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Denn als die Toten sich schon häuften, trat er dazwischen, hielt seinen Ansturm auf und schnitt ihm den Weg zu den Lebenden ab.
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Auf seinem langen Gewand war die ganze Welt dargestellt, auf den vier Reihen der Edelsteine waren die ruhmreichen Namen der Väter eingeschnitten und auf seinem Stirnband dein hoheitsvoller Name.
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Davor wich der Verderber voll Furcht zurück; denn es genügte schon diese Probe des Zornes.


Untergang im Meer - Rettung durch das Meer

19 1 Über die Frevler kam erbarmungsloser Zorn, bis sie vernichtet waren; denn Gott wußte im voraus, wie sie sich verhalten würden:
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Sie selbst hatten den Abzug der Gerechten gestattet und sie sogar dazu gedrängt; dann aber änderten sie ihren Sinn und verfolgten sie.
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Sie waren noch mit der Bestattung der Toten beschäftigt und klagten an ihren Gräbern, als sie in ihrer Torheit einen anderen Entschluß faßten und denen wie Entlaufenen nachsetzten, denen sie flehentlich zugeredet hatten wegzugehen.
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Das selbstverschuldete Verhängnis trieb sie in diesen Untergang und ließ sie alles vergessen, was geschehen war; denn sie sollten über die bisherigen Plagen hinaus die äußerste Strafe erleiden.
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Deinem Volk aber sollte sich ein unerwarteter Weg eröffnen, während jene einen ungewöhnlichen Tod fanden.
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Das Wesen der ganzen Schöpfung wurde neugestaltet; sie gehorchte deinen Befehlen, damit deine Kinder unversehrt bewahrt blieben.
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Man sah die Wolke, die das Lager überschattete, trockenes Land tauchte auf, wo zuvor Wasser war; es zeigte sich ein Weg ohne Hindernisse durch das Rote Meer, eine grüne Ebene stieg aus der gewaltigen Flut.
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Von deiner Hand behütet, zogen sie vollzählig hindurch und sahen staunenswerte Wunder.
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Sie weideten wie Rosse, hüpften wie Lämmer und lobten dich, Herr, ihren Retter.
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Denn sie dachten zudem auch an das, was im fremden Land geschehen war: wie Mücken nicht von Tieren, sondern von der Erde hervorgebracht wurden, und wie der Fluß nicht Wassertiere, sondern eine Menge Frösche auswarf.
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Schließlich sahen sie auch Vögel auf eine neue Weise entstehen, als sie, um ihre Gier zu befriedigen, nach üppigen Speisen verlangten.
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Zu ihrem Trost entstiegen nämlich Wachteln dem Meer.
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Die Strafen kamen über die Sünder nicht ohne Warnung durch wuchtige Blitze. Mit Recht mußten sie für ihre bösen Taten leiden, weil sie einen so schlimmen Fremdenhaß gezeigt hatten.
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Während andere die Unbekannten, die zu ihnen kamen, nicht aufnahmen, machten diese sogar Gäste, die ihre Wohltäter waren, zu Sklaven.
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Noch mehr: Gewiß wird auch jene eine Strafe treffen, weil sie Fremde feindselig empfangen hatten;
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diese aber haben Gäste, die sie festlich aufgenommen hatten und die schon die gleichen Bürgerrechte genossen, mit schwerem Frondienst geplagt.
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Wie jene an der Türe des Gerechten mit Blindheit geschlagen wurden, so auch diese, als sie von dichter Finsternis umgeben waren und jeder versuchte, seine Türe zu finden.

Schluss

18 Die Elemente verändern sich untereinander, wie auf einer Harfe die Töne den Rhythmus ändern und doch den gleichen Klang behalten. Dies läßt sich aus der Betrachtung der Geschehnisse deutlich erkennen.
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Landtiere verwandelten sich in Wassertiere, und schwimmende Tiere stiegen ans Land.
20
Das Feuer steigerte im Wasser die ihm eigene Kraft, und das Wasser vergaß seine löschende Wirkung.
21
Flammen verzehrten nicht das Fleisch der hinfälligen Tiere, die hineingerieten, noch schmolz im Feuer die eisartige, leichtschmelzende himmlische Speise.
22
In allem hast du, Herr, dein Volk groß gemacht und verherrlicht; du hast es nicht im Stich gelassen, sondern bist ihm immer und überall beigestanden.



Wisdom (EUS) 13