Reflexion über Hölle und Hoffnung

Daniel Patrick Huang, S.J.

Seminar zu San José / Loyola-Fakultät der Theologie

 

Obwohl Künstler, Dichter und Prediger abstoßende und detaillierte Bilder der Hölle dargestellt haben, beschreibt die Doktrin der Kirche die Hölle nur am Rande, und erwähnt nur in sehr verhaltener Weise diesen Aspekt des Versprechens Christi. Was lehrt uns die Kirche über die Hölle? Erstens, daß diejenigen, die bis zu ihrem Tod Gott radikal ablehnen – die, mit anderen Worten, in der göttlichen Sünde sterben – unmittelbar in einen Zustand der Bestrafung versetzt werden, der auch als Hölle bezeichnet wird. Zweitens, daß dieser Zustand der Strafe ewig dauert. Drittens, daß das Leid der Verdammten durch ihre vollkommene Trennung vom Gott der Liebe verursacht wird. Spricht diese Doktrin ein Wort der Hoffnung für die Philippinen des dritten Jahrtausends aus? Eine vor kurzem durchgeführte und wichtige Befragung unter jungen Philippinerinnen und Philippinern im Alter zwischen 7 und 21 Jahren ergab, daß lediglich eine Minderheit unserer Jugendlichen, nämlich 42%, die Existenz des Himmels anerkennt. Noch weniger, d.h. nur 21%, glauben, daß die Hölle existiert. Diese beunruhigenden Ergebnisse sollten uns zum Nachdenken bewegen. Hat die zunehmende säkularisierte Kultur in diesem Teil Asiens den Horizont der jungen Menschen dermaßen eingeschränkt, daß sie nur an unsere Geschichte und unsere Welt glauben? Haben das Leiden und die Enttäuschungen, die unsere Jugendlichen bereits früh in ihrem Leben erfahren – insbesondere innerhalb der armen Mehrheit unter ihnen – sie so hoffnungslos gemacht? Hat unsere post-moderne und zunehmend fragmentierte Kultur unsere Jugendlichen dazu gebracht, die große christliche Tradition der Hoffnung abzulehnen oder ihr zumindest zu mißtrauen? Ist dieser schwindende Glaube an die Hölle ein Ergebnis unserer aufkeimenden Relativismuskultur und trägen Toleranz? Ist unseren Jugendlichen der Hölle nur deswegen gleichgültig geworden, weil sie von vielen verschiedenen kulturellen Einflüssen dazu gebracht worden sind, die Sünde und das Übel als bloße Lifestyle-Entscheidungen zu sehen, welche von den individuellen Präferenzen abhängen, und keine tiefere Bedeutung besitzen? Dabei ist die Lehre der Kirche über die Hölle sicherlich wichtig. Der Glaube an die Hölle ist nämlich das wichtigste Bekenntnis der christlichen Religion und zugleich ein Zeichen von Respekt vor der menschlichen Freiheit. Die Hölle ist Gottes ewige Untermauerung der Wahlfreiheit der Menschen. An die Hölle zu glauben bedeutet, daß die menschliche Freiheit ein dergestalt herrliches und mächtiges Geschenk ist, daß sich ein Mensch durch den Missbrauch dieser Freiheit aus der lebenspendenden Bindung an Gott und an andere Menschen abkoppeln kann. In unserer oberflächlichen Kultur des materiellen Konsums und Besitzes lehrt uns das Bild der Hölle, daß wir Seelen haben, die wir verlieren können. In unserer Kultur des moralischen Relativismus erinnert uns das Bild der Hölle daran, daß wir durch unsere Entscheidungsfreiheit die Macht besitzen, uns selbst zu zerstören, unsere tiefste Menschlichkeit zu entarten und unsere Seelen zu verlieren. Für den Christen sind Himmel und Hölle keine gleichrangigen Alternativen: „Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger geworden." (Röm 5,20) Mit Jesus wurde jedwede Symmetrie zwischen Heil und Verdammnis durchbrochen. In Jesus haben wir erkannt, daß der Vater wünscht, daß alle Menschen geheilt werden (vgl. 1 Tim 2,4), und in Jesus und durch seinen Geist, welcher durch seinen Tod und seine Auferstehung die Welt durchdrang, wurde die Welt unwiederbringlich aus das Heil und auf das Leben ausgerichtet. Die Kirche erkennt zwar die Himmelsheiligen an und feiert sie, aber sie hat niemals zu sagen gewagt, daß jemand in der Hölle sein könnte. Schließlich bedeutet unser Glaube, daß wir dies nie vergessen, und daß wir glauben, Jesus sei mit seinem Tod durch die Hölle gegangen. Das Geheimnis des Ostersamstags wurde von Hans Urs von Balthasar wiederentdeckt, und es ist ein Mysterium der Hoffnung. In seiner Passion und in seinem Tod wurde der sündenreine Sohn Gottes für uns zu Sünde gemacht (2 Kor 5,21). Mit für uns unvorstellbarer Liebe ging Gott selbst durch seinen Sohn zu den Verdammten und beendete ihre selbst herbeigeführte Isolation. Mit dem Mitleid des guten Hirten ist Gott selbst in den Abgrund hinabgestiegen, um die Einsamkeit des Gottvergessenseins zu teilen. Durch das Mysterium des Ostersamstags ist die Bedeutung der Worte des Psalms 139 klar geworden: „Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da."

Die von Origenes entwickelte Lehre der Apokatastase, nach welcher alles notwendigerweise geheilt sein wird, wurde von der Kirche zu Recht abgelehnt, denn sie entwürdigt die menschliche Freiheit und verstößt gegen das Mysterium der Souveränität Gottes. Wenn der Gläubige allerdings den verletzten und gedemütigten Sohn Gottes betrachtet, der tot mit den Toten und verdammt mit den Verdammten ist, der die absolute Finsternis der Hölle mit dem Licht seiner stillen und treuen Liebe erhellt, so dürfen wir hoffen, daß alle geheilt werden. Vielleicht ist auch die Höllendoktrin ein Aufruf, wie unser Herr die Gottverlassenen zu lieben und nicht allein zu lassen. In der Finsternis, welche die Heiligen – wie Therese von Lisieux – durchgemacht haben, perpetuiert sich das heilende Geheimnis des Ostersamstags. Kardinal Ratzinger hat diese „Mission zur Hölle" mit unvergeßlichen Worten beschrieben, die unsere heutigen Reflexion auch abschließen werden: Für die Heiligen ist die sogenannte Hölle nicht eine Bedrohung, mit der unsere Mitmenschen erschrocken werden sollen, sondern eine Herausforderung an uns selbst. Diese Herausforderung besteht darin, in der finsteren Nacht des Glaubens zu leiden und die Kommunion mit Christus in der Solidarität mit seiner Ankunft in diese Nacht zu erfahren. Der Mensch kommt an das Licht Gottes nah, wenn er auch an seiner Finsternis teilhat.

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Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, 1033-1037, 1035. NFL-Trends Youth Study 2001, 25.

Vgl. Joseph Ratzinger, Eschatologie: Tod und ewiges Leben.

216-217; Dermot Lane, Keeping Hope Alive (Die Hoffnung nicht schwinden lassen) (New York: Paulist, 1996), 140;

Tony Kelly, Touching the Infinite: Explorations in Christian Hope (Begegnung mit der Ewigkeit: eine Erkundung der christlichen Hoffnung) (Victoria: Collins Dove, 1991), 185-86, 190-91.

Vgl. Karl Rahner, S.J., The Hermeneutics of Eschatological Assertions (Die Hermeneutik der eschatologischen Aussagen), Theological Investigations, vol. 4. trans. Kevin Smyth (New York: Crossroad), 323-46.

Vgl. LG 48: „Das Ende der Zeiten ist also bereits zu uns gekommen, und die Erneuerung der Welt ist unwiderruflich schon begründet."

Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, 631-35.

Für eine ausgezeichnete Studie von Balthasars Theologie des Ostersamstags, vgl. John Saward, The Mysteries of March (Die Märzmysterien)(Washington, D.C.: The Catholic

University of America Press, 1990).

Vgl. Zachary Hayes, Visions of a Future: A Study of Christian Eschatology (Zukunftsvisionen: eine Studie der christlichen Eschatologie)(Wilmington: Glazier, 1989), 178-89; also Peter C. Phan, Responses to 101 Questions on Death and Eternal Life (Antworten auf 101 Fragen zu Tod und ewigem Leben) (New York: Paulist, 1997), 86-87.