DIE DREIFALTIGKEIT UND DIE KIRCHE

Das heutige Thema, nämlich die Heilige Dreifaltigkeit, ist das Hauptmysterium des Christentums und steht in direkter Verbindung mit der Gemeinschaft, welche Jesus Christus, Sohn des lebenden Gottes, errichtet hat. Er hat dieser Gemeinschaft den Heiligen Geist geschenkt, damit sie in ihrer Einheit und durch die Sakramente die Tiefe des Mysteriums zum Ausdruck bringt, aus welchem sie selbst herrührt.

Ich möchte mich auf Mons. Bruno Forte – dem größten Experten dieser Videokonferenz zum Thema der Dreifaltigkeit – berufen, und seine Proposition zum Verhältnis zwischen Dreifaltigkeit und Kirche erläutern. Forte fragt sich, woher die Kirche stammt, woraus sie besteht und wohin sie geht. Nun ist die Kirche eine „Ikone" der Dreifaltigkeit, und zwar nicht nur in dem Sinne, daß sie ihr Abbild ist, sondern daß sie ihr Ausdruck ist. Die Kirche ist das vom Vater Gott durch seinen Sohn und den Heiligen Geist berufene Volk. Die Kirche ist nicht lediglich aus weltlichen Interessen und guten Absichten entstanden, sondern sie stammt aus dem Himmel wie ihr Herr, und sie ist der Ausdruck der trinitarischen Liebe in der Geschichte.

Sie ist die Kirche vom Vater, welcher sie aufgrund seines undurchschaubaren Vorhabens und seiner Güte durch Christus zu sich gerufen hat. Er hat sie in der Geschichte der Allianz und der „kahal" („Aufruf") Israels vorweggenommen. Sie ist die Kirche vom Sohn, welcher sie durch seine Menschwerdung und den Ostertag als irdische und menschliche Vertretung des Himmelsreichs errichtet hat: Sie ist sein Körper und sie wird durch sein Mysterium Tag für Tag gekreuzigt. Sie ist die Kirche des Heiligen Geistes, weil der Geist in ihr und in den Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel verweilt, und weil der Geist sie zur vollen Wahrheit führt, in der Kommunion und im Dienst vereint, und mit seinen Gaben und Früchten beschenkt (vgl. Lumen gentium, 2-4). So stammt die Kirche aus dem Vater durch den Sohn und den Geist; sie ist der Ort der Zusammenkunft zwischen Himmel und Erde; sie ist der Ort, an dem die trinitarische Geschichte aufgrund des freien Willens der göttlichen Liebe Fleisch wird und somit zum göttlichen Leben Zugang hat.

Paul sah das Mysterium als zeitliche Verwirklichung des göttlichen Vorhabens und als Ausdruck der Glorie in der Geschichte an. Das II. Vatikanische Konzil stellte die Kirche als trinitarisches Wesen dar und zeigte, daß sie aufgrund ihrer Herkunft zu einer unaussprechlichen Realität wird, welche nicht vom Menschen verstanden werden kann und deshalb von ihm mit Bewunderung und Dankbarkeit als eine Gabe und eine Gnade entgegengenommen werden muß. Wie ihr Gründer Jesus Christus, sollte die Kirchengemeinschaft ihre Dankbarkeit auch durch den Dienst an die Menschen ausdrücken.

Wo kommt die Kirche her? Sie stammt aus dem Himmel. Was sind die Wesensmerkmale dieses Abbilds der Dreifaltigkeit, welche eine ist und zugleich durch die Kommunion der Charismen und durch ihre Vertreter vielerlei Gestalten annehmen kann? Die Kirche lebt dem Austausch von Liebe, welcher die Essenz des trinitarischen Lebens ist. Sowohl für Gott als auch für die Menschen bedeutet Liebe gleichzeitig Unterscheidung und Überwindung der Unterschiede in der Einheit des Mysteriums. Das gilt auch für die Kirche, welche Himmel und Erde gleichermaßen unterscheidet als auch vereint. Aufgrund der ewigen Kommunion, welche durch das Werk des Sohnes und des Geistes aufrechterhalten wird, ist die Liebe gleichzeitig Unterscheidung und Überwindung der Unterschiede.

In der Kirche vereinen sich die vielen Gaben und Dienste sowie die vielen Lokalkirchen in dieser Kommunion. Die Kirche muß die Originalität und den Reichtum ihrer charismatischen Gaben zeigen. Dennoch darf sie sämtliche Gegensätze unter verschiedenen Diensten und Charismen meiden und sie in der Kommunion mit dem Gekreuzigten auflösen, damit sie alle Menschen und Gemeinden sowie die Hoffnung und die Liebe in sich aufnehmen kann.

Schließlich ist die Dreifaltigkeit auch das Ziel der Kirche, denn die Kirche ist zwar aus der Dreifaltigkeit entstanden, aber sie strebt nach dem Vater durch den Geist und den Sohn zurück. Sie wird an dem Tag ihr Ziel erreichen, an dem alles Gott übergegeben wird und „Gott alles in allen" ist (1 Cor 15, 28). Die Dreifaltigkeit ist für die Kirche deshalb Quelle der Vergangenheit und Zukunftsversprechen. Das endgültige Ziel der Kirche in der Herrlichkeit Gottes stellt die Grundlage ihrer eschatologischen und pilgernden Ausrichtung dar. Daher entsteht die Notwendigkeit, daß die immer im Werden begriffene Kirche ständig reformanda sei und ständig im Geiste gereinigt und erneuert werde, bis sich das Versprechen Gottes in ihr verwirklicht. Aufgrund ihrer Fähigkeit, sich ständig kritisch zu betrachten, ist die Kirche ein Vorbild für die Gesellschaft: Sie wird die Werte dieser Gesellschaft relativieren und die Kurzsichtigkeit allen menschlichen Fortschritts anprangern, angesichts der Hoffnung auf dieses Himmelreich, das bereits unter uns ist. Die Kirche wird weiterhin den Weg des Gebets und des Dienstes beschreiten: Sie wird zwar unter der Last des Kreuzes leiden müssen, aber sie wird zugleich von der Hoffnung auf ihren Herrn und Führer bereichert und ermutigt.

Danke!

Silvio Cajiao, S.I.

Vgl. FORTE, Bruno, Die Kirche als Ikone der Dreifaltigkeit, Breve ecclesiologia („Kurze ekklesiologische Abhandlung"), Queriniana, Brescia, 1986.

FORTE, Bruno, Trinidad como historia - Ensayo sobre el Dios Cristiano, Sigueme, Salamanca, 1988.

FORTE, Bruno, Creer y pensar la Trinidad. A partir de la estructura trinitaria de la „Revelatio", in: „Pensar en Dios", Secretariado Trinitario, Salamanca, 1997, S. 229-252.