Die Dreifaltigkeit als Hüter der Schöpfung
Rev. Prof. Michael HULL
Die Dreifaltigkeit als ‚Hüter’ der Schöpfung zu bezeichnen bedeutet, sich in zwei grundlegende Mysterien zu vertiefen: die Einheit der Göttlichen Personen und die Einheit des Wesens und der Existenz Gottes. Die Schöpfung ist eine gemeinschaftliche und fortwährende Tätigkeit der Göttlichen Personen. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist nehmen an ihr teil, ganz nach ihrem jeweiligen Verhältnis im Rahmen der Dreifaltigkeit. Außerdem betrifft der Schutz der Schöpfung zugleich ihren Ursprung, ihr Fortbestehen und ihr Ende.
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind eines. Das offenbarte Mysterium der dreifaltigen Natur Gottes wird zwar im Alten Testament impliziert (Gen 18:1–33 und Isa 6:3) und im Neuen Testament eindeutig erwähnt (Mt 28:19), aber es übersteigt die Fähigkeiten des menschlichen Verstands. Während die überwiegende Mehrheit der griechischen Kirchenväter die drei Personen in Gott unterstrichen haben und dabei oft im linearen Denken gefangengeblieben sind, betonten die lateinischen Kirchenväter die einheitliche Subsistenz und das unter den Personen bestehende gegenseitige Verhältnis. Letzteres floß in St. Augustins psychologisches Verständnis der Dreifaltigkeit (De Trinitate) hinein, welches vom Heiligen Thomas von Aquin weiter ausgebaut wurde (Summa contra Gentiles, IV. 1–28 und Summa Theologiae, I. 27–43). Der Vater entsteht aus niemanden, der Sohn entsteht nur vom Vater, und der Geist entsteht von beiden in gleichem Maße. Da das Wesen und die Existenz Gottes ein und dasselbe sind, generiert sich der Vater ewig, während der Sohn ewig vom Vater und der Geist ewig von Vater und Sohn generiert wird.
Laut Thomas (ST, I. 45, 6) ist die Schöpfung eine gemeinschaftliche Tätigkeit Gottes, welche keiner weiteren Person in der Dreifaltigkeit eigen ist. Gott schuf alles durch Seinen Intellekt und Seinen Willen. Der Vater schafft ex nihilo durch Sein Wort bzw. den Sohn, sowie durch Seine Liebe bzw. den Heiligen Geist. Der Schöpfungsakt des Vaters durch den auf dem Wasser schwebenden Geist ist (Gen 1–2) und alle Dinge der Schöpfung wurden und werden durch den Sohn geschaffen (Jo 1:1–3). Die Dreifaltigkeit ist also insofern der Hüter der Schöpfung, als alles Geschaffene durch das Wesen Gottes – Vater, Sohn und Geist – geschaffen und durch die Existenz Gottes fortwährend geschaffen bzw. bestehend gehalten wird.
Die Schöpfung ist von Natur aus gut. Allerdings haben die Schöpfungswesen – Engel und Menschen – gesündigt: Sie haben sich herabgesetzt und durch ihren Ungehorsam die Schöpfungsordnung gestört. Seit Satans Fall (und dem Fall seiner Engel in die unwiderrufliche Abstoßung vom Himmel) sowie seit der Verführung von Adam und Eva hat sich die in Unordnung geratene Schöpfung nach der Erlösung gesehnt (Röm 8:22–23). Der Gehorsam des Sohnes gegenüber dem Vater im Geist erleichtert die Erlösung, während ihre gegenseitige Liebe die Schöpfung durch den in der parousia gipfelnden Prozeß wiederherstellt (1 Kor 15:20–28). Wie der Vater alle Dinge durch den Sohn und mit dem Geist schuf, so werden alle Dinge durch den Sohn mit dem Geist wiederhergestellt. Die Dreifaltigkeit ist insofern der Ursprung der Schöpfung, als der Vater der Schöpfer ist. Die Dreifaltigkeit ist insofern der Retter der Schöpfung, als die Schöpfung durch den Sohn entstand und wiederhergestellt wird. Die Dreifaltigkeit ist insofern der Grundpfeiler der Schöpfung, als die Schöpfung durch den Geist lebendig gehalten wird. Deshalb ist die Dreifaltigkeit insofern der Hüter aller Schöpfung, als alles Seiende vom Wesen und von der Existenz Gottes herrührt, Der zugleich Schöpfer, Erlöser und Heiler ist.