DIE DREIFALTIGKEIT UND DIE EINZIGARTIGKEIT DES CHRISTENTUMS

Die Einzigartigkeit des Christentums bedeutet, dass es anders als andere Religionen, Ideologien oder Philosophien und mit ihnen nicht zu vergleichen ist. Insbesondere ist es nicht mit anderen monotheistischen Religionen zu vergleichen.

Der Begriff „Einzigartigkeit" bedeutet, daß man sich ausschließlich zum wahren Glauben bekennt und ihm treu bleibt. Man bekennt sich zu zwei offenbarten Mysterien: zur Menschwerdung des Sohnes Jesus Christus und zum Mysterium der Dreifaltigkeit.

Der Glaube ist eine Gabe Gottes, und das höchste Glaubensbekenntnis ist das Martyrium, in dem der Mensch sich existentiell und ganzheitlich einbringt.

Vor vierzig Jahren beschrieb Vagaggini das Problem der Christen seiner Zeit wie folgt: „Heute sind selbst aufrichtige und überzeugte Christen gewohnt, die Dreifaltigkeit nicht nur als das höchste und undurchdringlichste Mysterium unseres Glaubens, sondern auch als die metaphysisch abstrakteste Aussage unseres Glaubens anzusehen, d.h., als die am weitesten von unserem konkreten Alltag entfernte Aussage sowie eine, die mit den geringsten Einfluß auf die alltägliche religiöse Psyche hat. Es ist nicht zu leugnen: Das heutige trinitarische Empfinden ist sehr schwach."1 Diese Worte werden von vielen anderen Theologen geteilt, und insbesondere von K. Rahner2: „Wir können uns fragen, ob die Gläubigen trotz ihres gewissenhaften Bekenntnisses zur Trinität in ihrem religiösen Alltag doch nicht ‚Monotheisten’ sind."3

Wir können uns fragen, ob sich vierzig Jahre später die Lage geändert habe. Wir stehen vor schleichendem Atheismus und heidnischer Religiosität, vor dem Niedergang der Moral und dem Nachlassen der religiösen Praxis in den christlichen Ländern. Ähnliches gilt für das trinitarische Empfinden unserer Gläubigen.

Trotz alledem haben einige Teile der Kirche das christliche Mysterium Gottes wahrhaftig vertieft und neuentdeckt, und zwar mit einem Elan, der zugleich neu und alt ist. Sie erleben die Dreifaltigkeit und den christlichen Gott in vollen Zügen.

Nach den heutigen Theologen ist in der Reflexion über die Dreifaltigkeit Gottes folgendes vonnöten: eine Neuaufwertung der Heilsökonomie und damit auch der Geschichte des christlichen Diskurses über Gottes, ohne den Bezug auf dem Mysterium der immanenten Trinität zu verlieren"4; „der Anspruch, die spezifisch christliche Kenntnis Gottes im Dialog mit der modernen Vernunft und im Hinblick auf ein neues globales Verständnis der Realität zu erfassen."5.

Was den ersten Punkt angeht, so scheint uns ein "Bezug" auf das Mysterium der immanenten Trinität noch unzulänglich zu sein6, und eine fehlerhafte Methode darzustellen. Es geht dabei nicht darum, auf die Trinität Bezug zu nehmen, sondern eher von der wahren Kenntnis Gottes auszugehen, sicher zu sein, dass die Christen auch heute Zugang zu Gott haben, so wie sie immer Zugang zu ihm gehabt haben. Eine solche Kenntnis kann der Gläubige unter der Führung des Heiligen Geistes erwerben, durch das Studium dessen, was ihm die Tradition zur Verfügung gestellt hat: die Heilige Schrift (besonders das Neue Testament) und die vielen inspirierten Schriften, die uns überliefert worden sind.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, daß sich die Theologie an das erste methodologische Prinzip der Theologie hält: Der Glaube an den Gott, der sich offenbart hat. „Das grundlegende Axiom der heutigen Theologie kann wie folgt vollständig beschrieben werden: Die Trinität, die sich in der Heilsökonomie offenbart, ist die immanente Trinität [...]. Für die Theologie und die Katechese folgt daraus, daß jede Unterscheidung zwischen Christologie und trinitarischer Doktrin gemieden werden muß."7.

Der zweite Punkt bezieht sich auf den Dialog mit der modernen Vernunft und ein neues globales Verständnis der Realität, wobei man zugleich die spezifisch-christliche Erkenntnis des trinitarischen Gottes betont.

Die Kirche blickt auf eine lange Tradition des mehr oder minder einfachen oder friedlichen Dialogs mit anderen Kulturen zurück: Bereits am Anfang mußte sie die trinitarische Offenbarung in die hellenistische Kultur einbinden. Mit anderen Religionen ist bis heute schon immer ein Dialog geführt worden. Das Neue des heutigen Dialogs besteht in der Notwendigkeit, auch mit einem Teil der Kultur zu kommunizieren, der nicht religiös ist und Gott ausdrücklich ablehnt. In diesem Rahmen erscheint uns logisch, daß der Vorschlag der Chikom noch radikaler sein sollte.

Der Christentum ist dort am stärksten, wo die Realität nicht atheistisch und agnostisch aufgefaßt wird, besonders hinsichtlich des Menschen und seinen endgültigen Schicksals. Die Reflexion über den Glauben und die theologischen Propositionen können nicht vom Atheismus oder vom Agnostizismus ausgehen. Dies bedeutet, daß die Verkündung des trinitarischen Glaubens von einer neuen philosophischen und kulturellen Proposition begleitet werden muß, welche als Alternative zu den in breiten Teilen der heutigen Gesellschaft herrschenden Überzeugungen angesehen werden kann, die aber zugleich mindestens im Keim in vielen anderen Menschen präsent ist, die in einer lebendigen und neuen Welt dem Glauben offen sind. Von diesen Menschen erwartet die westliche und östliche Kirche eine neue kulturelle Proposition und eine Wiederbelebung des Glaubens auf der ganzen Welt.

 

 

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1 C. VAGAGGINI, Il senso teologico della liturgia (Der theologische Sinn der Lithurgie), Paoline, Rom 1965, 196.

2 Idem, 405

3 K. rahner, „Il Dio Trino. Il fondamento originario e trascendente della storia della salvezza" (Der dreifaltige Gott. Die originale und transzendente Grundlage der Heilsgeschichte), Mysterium Salutis, III., Queriniana, Brescia 1980, 404.

4 A. COZZI, L'originalità del Teismo trinitario. Bollettino bibliografico di teologia trinitaria (Die Originalität des trinitarischen Theismus. Bibliografisches Bulletin trinitarischer Teologie), in ScCatt 123 (1995) 767.

5 Ibidem.

6 Vgl. M. SERENTHÀ, La teologia trinitaria oggi (Die heutige Dreifaltigkeitstheologie), in ScCatt 118 (1990) 107

7 INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION (ITK), Teologia - Cristologia – Antropologia (Teologie – Cristologie – Antropologie), in Enchiridion Vaticanum (EnVat), VIII., 424-425, EDB, Bologna 1984, 367.