Die Dreifaltigkeit und der interreligiöse Dialog
„Das Mysterium der Heiligen Trinität ist das Hauptmysterium des christlichen Glaubens und Lebens. Nur Gott kann uns die Kenntnis dieses Mysteriums schenken, indem er sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart".
So ist es im Katechismus der katholischen Kirche (Nr. 261) zu lesen.
Der Glaube an die Heilige Dreifaltigkeit erlebt gerade einen neuen Schwung, und dies ist bestimmt auf die Gnade Gottes zurückzuführen.
Dieses Mysterium ist mit der kostbaren Perle des evangelischen Gleichnisses in Rt, 13, 45-46 zu vergleichen, welche allen anderen Reichtümern vorgezogen wird.
Wenn wir nun vom interreligiösen Dialog sprechen wollen, welche Worte sollten wir verwenden?
Die Frage stellt sich insbesondere, wenn wir uns mit Vertretern monotheistischer Religionen auseinandersetzen müssen.
Das Credo des Gottesvolkes, welches von Papst Paul VI. formuliert wurde und wie es in der katholischen Tradition verankert ist, beruht auf der unserem Verstand unzugänglichen und in Worten unfaßbaren Natur dieses Mysteriums, welches „die menschliche Vorstellungskraft ewig übertrifft" (Zitat aus KkK Nr. 251) .
Das Mysterium der Heiligen Dreifaltigkeit ist a fortiori unbeweisbar.
Die drei göttlichen Personen sind eines in der göttlichen Substanz: Unum Deum in Trinitate, Trinitatem in unitate [veneramur]. Jede Person ist anders, die Göttlichkeit ist aber eine, ihre Geschichte eine einzige und ihre Majestät ist ewig (vgl. Dz Sch. Nr. 75) – wie es der Begriff Quicumque umschreibt.
Die Offenbarung der Dreifaltigkeit ist der Höhepunkt der Offenbarung des Neuen Testaments, wenn der Sohn seinen Vater und sich selbst kundtut. Dies ist die Grundlage der christlichen Identität. Durch die Taufe „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" werden wir dazu berufen, am trinitarischen Leben teilzuhaben, und zwar sowohl auf der Erde – in der Finsternis unseres Glaubens – als auch nach dem Tod – im ewigen Licht (Credo des Gottesvolkes, 9 ff., KkK. Nr. 265).
Diese Offenbarung geht von der Annahme der Einheit, Einzigartigkeit und Transzendenz Gottes aus. Sie ist dem Mysterium des einen Gottes innewohnend.
Hier haben wir es mit einem ersten Widerspruch zu tun: Der unzulängliche menschliche Verstand muß sich mit dieser Offenbarung des einen und einzigen Gottes intuitiv oder philosophisch befassen. Dies wird in vielen Texten des Alten Testaments und von St. Paul in seiner Predigt an die Athener (Ath. 17, 24-29) sowie in seinem Brief an die Römer (vgl. 1, 19-20) betont: Der menschliche Verstand kann sich Gott nur durch die metaphysische Analogie annähern.
Die Kenntnis der Trinität wird uns von Gott selbst vermittelt, der zu uns kommt, um uns seine innige Natur und sein Liebesvorhaben mitzuteilen. Um diese für den menschlichen Verstand undurchdringlichen Inhalte zu verkünden, bedient er sich selbstverständlich auch menschlicher Worte, er belegt sie allerdings mit einer neuen Bedeutung. Er bedient sich der Analogie: Anders wäre der menschliche Verstand nicht imstande, diese Inhalte zu begreifen. Der Mensch kann allerdings auch auf den theologalen Glauben zurückgreifen, welcher seinerseits eine Gabe Gottes ist.
Und durch die stille Anbetung der Heiligkeit des Gottesnamens erlangen wir die Fähigkeit, von diesem Mysterium auch zu sprechen.
Der Glaube sollte von der Theologie klar unterschieden werden. Die Theologie ist die Anstrengung der menschlichen Vernunft, in das Innere bzw. in die Transzendenz des Glaubensmysteriums einzudringen. Dabei sollte sich die Theologie so eng wie möglich an die Worte der Heiligen Schrift halten. Hier besteht allerdings die Gefahr, daß die Theologie die göttlichen Inhalte dadurch übermäßig vermenschlicht, daß sie all zu leicht auf Gleichnisse zurückgreift.
Die Abstraktheit und die Tiefe des Trinitätsmysteriums haben bereits im frühen Christentum zu Häresien geführt. Diese Häresien neigen dazu, eine göttliche Wahrheit auf menschliches Niveau zu reduzieren. Sie wurden für die Kirche zum Anlaß sehr treffender und eleganter doktrinärer Erläuterungen.
Häresien gibt es immer wieder und in verschiedenen Formen. Ein Beispiel sind die gnostischen Theorien der Antike und der Gegenwart – etwa die Hegel’sche Denkrichtung –, die unter anderem versucht haben, ein Mysterium zu rationalisieren, welches von seiner Natur aus oberhalb des Verstands liegt. Man könnte hinzufügen, daß viele dieser Traditionen – etwa der Neoplatonismus – Spekulationen über Zahlen und über die Triade führten, die nichts mehr mit der Trinität gemeinsam hatten.
Ein weiterer Fehler besteht in der Verleugnung der Dreifaltigkeit seitens der nicht-christlichen monotheistischen Religionen. Im Allgemeinen sind sie nur eine Karikatur der christlichen Doktrin. Man weiß zum Beispiel, daß Mohammed von den Nestorianern inspiriert wurde. Es handelt sich immer wieder um inkompetente Deutungen des christlichen Mysteriums, welche die Kirche nicht akzeptieren kann.
Was bedeutet es in diesem Fall, kompetent zu sein?
Das Bekenntnis zur göttlichen Einheit seitens der monotheistischen Religionen erfolgt durch den naturgegebenen Verstand. Unsere Aufgabe besteht darin, den Menschen auf den Weg des christlichen Mysteriums zu helfen: Dieses Mysterium geht über das menschliche Verständnis der göttlichen Transzendenz hinaus. Der Mensch muß sich Gott öffnen, damit Gott ihm sein Licht und sein eigenes Leben vermitteln kann.
Dabei sollte vermieden werden, den Begriff des Glaubens zu verallgemeinern – wie es immer öfter geschieht (man spricht heute von religiösem „Glauben", von moslemischem „Glauben", usw.). Denn dieser Begriff verliert damit langsam seine übernatürliche Konnotation, welche er nur in dem Sinne von „christlichem Glauben" besitzt. Der christliche Glaube ist nämlich der einzige, der das Licht des Mysteriums zu empfangen vermag. Mit anderen Worten, wir müssen den Menschen helfen, den theologalen Charakter des christlichen Glaubens zu verstehen, denn diese Eigenschaft hängt ihrerseits vom Zeugnis des Gläubigen ab.
P. Georges Cottier, O.P.