Maria und die Kirche
Prof. Sabino A. Vengco, Jr.
San Carlos Seminary, Manila
Die dogmatische Konstitution des zweiten Vatikanischen Konzils Lumen Gentium (1964) war gekrönt von einem Kapitel über die Rolle Mariä im Heilsplan und im Geheimnis der Kirche, als Mutter des fleischgewordenen Wortes und demnach Mutter des Mystischen Körpers. Die Väter des Konzils betrachteten sie nicht für sich selbst, sondern vermittelten uns vielmehr dadurch die Kirchenlehre über Maria, indem sie im Verhältnis zu Christus und der Kirche betrachteten. Dabei integrierten sie im Rahmen der Christologie die Mariologie mit der Ekklesiologie. Diese Umorientierung unserer Wahrnehmung der Rolle Mariä hat die Mariologie realer gemacht und ihren Kult verstärkt, auch dank des apostolischen Schreibens Pauls VI. Marialis Cultus (1974), der Enzyklika Johannes Pauls II Redemptoris Mater (1987) sowie weiterer Stellungnahmen.
Als Mutter des Gottessohnes, als geliebte Tochter des Vaters und Tempel des Heiligen Geistes, sowie als zum Himmel aufgefahrene Unbefleckte, typisiert Maria die Kommunion mit Gott, zu welcher die Menschheit berufen wird. Als Geschöpf der besonderen Gnade Gottes ist Maria das Abbild der Kirche als Sakrament der Einheit mit Gott. In ihr hat die Kirche als Ikone der Innigkeit mit dem dreieinigen Vater bereits die Perfektion erlangt, zu welcher das Gottesvolk pilgert. Mit ihrem Glauben und Gehorsam, mit ihrer vollkommenen Hingabe und Fügsamkeit gegenüber dem Wort Gottes, mit ihrer barmherzigen Seele und Freude bei der Verkündung der wundersamen Taten Gottes sowie mit ihren Gebeten und ihrer unnachlässigen Treue gegenüber dem Kreuz ist Maria das wahre Vorbild der Kirche. Sie ist die Quelle der Hoffnung, welche den Weg der Gläubigengemeinde erleuchtet. Wie eine Mutter lehrt uns Maria das christliche Leben und zeigt uns den Weg. Sie ist die liebende Mutter, die uns immer beisteht und uns bei der Bewältigung unseres schwierigen Wegs bestärkt.
Maria ist für die Kirche allerdings nicht nur ein Vorbild von Tugenden, sondern sie ist auch der Archetypus der Mission, der Welt das Heil in Christus zu vermitteln. Wenn die Kirche das Sakrament des Heils in Christus ist, dann ist Maria in ihrer heiligen Mutterschaft ein einzigartiger Partner und ein einzigartiges Instrument des Heilsplans Gottes. Ohne die Würde und Wirkung Christi als unseres einzigen Mittlers zu mindern, sorgt sich Maria weiterhin für uns und sie setzt sich in der Ordnung der Gnade für unser aller Heil ein. Mit ihrer im Heilsplan untergeordneten Rolle inspiriert Maria die Kirche zu ihrer Treue und Selbsterfüllung in der Gnade.
Aus diesem Grund fühlt die Kirche das Bedürfnis, bei der Kontemplation Mariä in ihrem Verhältnis zu Christus und zum Gottesvolk sie anzubeten und sie auf vielfältige Art und Weise zu verehren. Maria ist durch die Gottesliebe vollkommen, sie ist die Mutter Jesu Christi und zugleich auch unsere Mutter. Die Kirche des echten Glaubens entdeckt in Maria ihr Urbild nach dem Willen Gottes.