Resurrexit tertia die

(Prof. Rino Fisichella)

Das Osterfest ist in der Menschheits- und Religionsgeschichte ein einmaliges Ereignis. Es bleibt ein Unicum, welches einen radikalen Umbruch in der Geschichte darstellt. Das gesamte Neue Testament ist das Zeugnis der Wiederauferstehung Jesu, ohne die es wahrscheinlich niemals geschrieben worden wäre. Die älteste Formulierung der Wiederauferstehung, die man überall im Neuen Testament findet, ist sicherlich die Formel „Christus ist auferstanden". Mit diesen oder ähnlichen Worten wird der Kern dieses Ereignisses sowie der Osterverkündigung beschrieben. Paulus liefert das älteste Glaubensbekenntnis: In 1 Kor 15,3-5 lässt sich das wichtigste und älteste Zeugnis der Verkündigung des auferstandenen Christus finden. Sicherlich stellt dieser Text die Geburtsstunde des Osterglaubens dar. In zwei Sätzen überliefert der Apostel Paulus das, was er selbst erfahren hatte, und nennt dies „das Evangelium". Die „frohe Botschaft" wird von vier Verben übermittelt: „starb", „wurde begraben", „ist auferstanden" und „erschien". Möchte man den Wahrheitsgehalt dieses Textes eruieren, bietet sich die Wahrheit mit aller Deutlichkeit dar. Der gekreuzigte Jesus ist tot, und sein Tod erlöst die Menschen von ihren Sünden. Er wurde schnell in einem noch unbenutzten Grab beigelegt, denn sein Körper galt nach dem Gesetz als verflucht und durfte andere Gräber nicht kontaminieren. Der Vater hat ihn dann am dritten Tag wieder ins Leben gerufen. Jesus ist vor Petrus und den anderen Jüngern erschienen, welche bezeugen, dass der Gekreuzigte wahrhaftig lebt.

Der Text weist einen synthetischen Parallelismus (Jesus stirbt und wird begraben; Jesus aufersteht und erscheint) und einen anthitetischen Parallelismus (Jesus stirbt und aufersteht; Jesus wird begraben und erscheint) auf. Dies betont zwei wichtige Elemente: einerseits will man durch den Text die Grundtatsachen des Kerigmas erzählen; andererseits will man zeigen, dass der tote und begrabene Jesus und der auferstandene Jesus der Erscheinungen eine und dieselbe Person sind. Dadurch wird der evangelische Text zur Garantie der Wahrheit sowohl für den Verfasser als auch für denjenigen, der an das Kerigma glaubt.

Dieses Evangelium wurde in zweitausend Jahren oft mehr oder weniger fundiert kritisiert. Dennoch hat es nichts von seiner provokatorischen Kraft verloren. Die darin enthaltene Erzählung dreht sich einzig und allein um das Verb „ofthe" bzw. „Er hat sich gezeigt": Ohne dieses wichtige Zeugnis würde unser Glauben nur auf einem unerfassbaren und womöglich wenig glaubwürdigen Phänomen basieren. Der Umstand, dass die Jünger immer bestätigt haben, dass sie ihn auferstanden sahen, und dass es er selbst war und nicht ein Geist, hat die ununterbrochene Überlieferung der Wiederauferstehung ermöglicht. Alles kann widerlegt werden, aber das Zeugnis der Jünger bleibt standfest. Betrachtet man nun näher das Leben dieser Jünger, so erkennt man ihre tiefe Menschlichkeit und die Widersprüche, in welchen sie immer wieder verirren. Die Evangelisten erschrecken nicht davor zurück, sogar Petrus’ Schwäche und seinen Verrat zu beschreiben. Trotz wiederholter Bedrohungen und Angriffe, trotz der Misshandlungen und selbst in Gefangenschaft haben sie niemals aufgegeben, das Erlebte weiterzuvermitteln. Sie reisen um die ganze Welt und erzählen an alle, dass sie ihn auferstanden gesehen haben. Selbst vor dem gewaltsamen Tod haben sie keine Angst. „Davon sind wir Zeugen": Ihre Verkündigungsmission wird unermüdlich fortgesetzt. Wer waren nun diese Männer, die ihr Leben umgekrempelt und die auf alles verzichtet haben, die sich in die Unsicherheit gestürzt haben und dafür gestorben sind? So Johannes Chrysostomus: „Wenn sie ihn nicht auferstanden gesehen hätten und keinen unwiderleglichen Beweis seiner Macht bekommen hätten, hätten sie sich einem solchen Risiko nicht ausgesetzt." (Om. 4.3.4.).

Ein zweites qualifizierendes Verb des evangelischen Textes ist „egheghertai" bzw. „er wurde wieder ins Leben gerufen". In der griechischen Sprache besitzt dieses Verb bekanntlich mehrere Bedeutungen und wird niemals transitiv benutzt (d.h. Tote erstehen nicht von selbst wieder auf). Das Verb beschreibt das Erwachen des Toten aus dem Todesschlaf bzw. das Wiederaufrechtstehen oder das Herauskommen des Toten aus der Welt der Toten. Es vermittelt eine metaphorische Verbindung zwischen Tod und Schlaf. Den Autoren des Neuen Testaments war es deshalb sprachlich unmöglich, getreu das wiederzugeben, was sie selbst erlebt hatten. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Zeit des Verbs: Wenn Paulus vom Tod, vom Begräbnis und von der Erscheinung des Herrn schreibt, verwendet er den Aorist, während er für die Auferstehung den Perfekt benutzt. Dies hat etwas zu bedeuten: Der Aorist drückt nämlich eine Aktion aus, welche in der Vergangenheit bereits abgeschlossen ist und sich nicht mehr auf die Gegenwart auswirkt. Das Perfekt dagegen drückt eine vergangene Aktion aus, die sich in der Gegenwart fortsetzt und sich auf die Gegenwart auswirkt. Daraus folgt, dass der Tod, die Beisetzung und die Erscheinung allesamt Ereignisse sind, die ausschließlich der Vergangenheit gehören, während die Auferstehung noch aktuell ist. Diese gehört der Gegenwart der Welt und der Kirche, welche von ihren Auswirkungen lebt. Paulus will uns damit sagen, dass die Auferstehung Christi kein bloßes „sich aufrichten" wie im Falle des Witwensohns (Lk 7,14), der Tochter Jairus (Mt 9,25) oder des Lazarus (Jo 12, 1) ist. Bei Jesus hört das Leben nicht mehr auf: Es handelt sich hierbei um eine kontinuierliche Existenz, welche nicht mehr der Vergänglichkeit des Todes oder den Grenzen der Zeit unterliegt.

Die Botschaft, welche uns Paulus vermittelt, ist entwaffnend einfach. Dennoch ist in seinem Text der Sinn eines Lebens enthalten. Denn wer sind die Christen, wenn nicht diejenigen, die seit zweitausend Jahren überall auf der Welt immer wieder wiederholen, dass der gekreuzigte Jesus lebt, und dass sie seine Zeugen sind? Theologisch ist es jedoch erforderlich, sich an die im Folgenden zusammengefassten Grundprinzipien der Reflexion festzuhalten:

1. Die Auferstehung ist nicht nur ein Gegenstand des Glaubens, weil das Osterfest der Ausgangspunkt des Glaubensaktes ist. Die Auferstehung stellt nämlich den Ursprung des christlichen Glaubens sowie seine Begründung dar. Vom methodologischen Gesichtspunkt bedeutet dies, dass die Gründe des Glaubens nicht außerhalb des Glaubens liegen, sondern im Glauben selbst. Die Auferstehung enthält ihre eigene Begründung.

2. Die Analyse der heiligen Texte muss diese global erfassen und in der Lage sein, ihren vollen Sinn (sensus plenior) zu begreifen. Als Paulus in Athen den Philosophen die Auferstehung verkündet (Apostelgeschichte 17,32), erhält er nicht ihren Konsens. Alleine vermag die Vernunft die Auferstehung nicht zu verstehen. Das Verständnis der biblischen Daten in ihrer Gesamtheit erfordert daher, dass man sie auch mit den Augen des Glaubens betrachtet, welche uns erlauben, die Tiefe des Mysteriums durch eine nicht ausschließlich rationale Logik zu ergründen.

3. Damit ist allerdings nicht gemeint, dass die Auferstehung nur Gläubigen zugänglich sein kann, denn die Auferstehung ist zugleich zutiefst vernünftig und glaubwürdig. Für den Gläubigen ist Jesus auferstanden und er lebt in der Glorie des Vaters. Aber der Glaube alleine vermag diese zwei Tatsachen nicht vollständig zu begründen. Christus ist objektiv auferstanden: Die Realität der Auferstehung hängt deshalb vom Glauben ab. Der Glaube kann das Ereignis sowie den Umstand erkennen, dass es auf die Aktion Gottes zurückzuführen ist: Gott hält sein Wort, greift in die Geschichte ein und erlöst die Menschen. Das Ostermysterium ist deshalb nicht eine bloße Glaubenssache: Es ist zugleich ein an historische Rahmenbedingungen gebundenes historisches Faktum. Das Verständnis dieser Rahmenbedingungen erleichtert das Verständnis der eschatologischen Entwicklung dieses Phänomen.

4. Dem Studium der heiligen Schriften sollte außerdem immer eine gewisse Grunderkenntnis zugrunde liegen, dass diesie die Verkündigung in Zusammenhang mit der persönlichen Geschichte der Jünger und der von einem Volk erwarteten Erlösung präsentierten. Das Osterereignis ist nämlich der Abschluss einer langen Geschichte, die den ununterbrochenen Eingriff Gottes in das Leben des hebräischen Volkes beweist. Die Ostertexte sind vom Glauben an den Auferstandenen sowie von der direkten Erfahrung der Jünger inspiriert. Dennoch dürfen diese Erfahrungen nicht als lediglich „mystisch" oder als eine Art von Vision betrachtet werden, denn sie betreffen ein historisches Ereignis, welches das Leben der Jünger radikal gewandelt hat.

4. All dies soll bei der Untersuchung der Neuheit und der Authentizität der neutestamentarischen Schriften berücksichtigt werden. Die Auferstehung wird theologisch konsequent, wenn man auf ihre Quellen zurückgeht: den Glauben an sie, die Geschichte des Ereignisses und das Zeugnis der Menschen, welche ihre Wahrheit bestätigen. Das Ostermysterium ist deshalb nicht reine Fantasie und darf nicht mit skeptischer Neugier angegangen werden: „So werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde" (Lk 16,19-31). Der Glauben an den Auferstandenen ist nicht automatisch, denn ein Geist könnte auch Angst machen. Die Auferstehung wird dem Menschen geschenkt, um ihn zur Bekehrung und zum Glauben anzuspornen, damit er die sichere Hoffnung auf etwas haben kann, was über den Tod hinausgeht.

5. Die Auferstehung ist der Kern der wissenschaftlichen Reflexion und der Existenz der Theologie. Das Ostermysterium stellt den Gipfel des Mysteriums der Fleischwerdung dar und ist der Kern der theologischen Reflexion. Es muss deshalb unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet und von verschiedenen Betrachtern analysiert werden, damit es umfassender behandelt werden kann.

6. Mit diesen Fragen befassen sich drei einander ergänzende Disziplinen der Theologie: die biblische Theologie und die Exegese betreffen die Authentizität der Erzählungen der Auferstehung und der Erscheinungen, damit auf die ältesten Schichten der Tradition zugegriffen werden kann und die ersten authentischen Glaubensformeln des Osterfests gefunden werden können. Die dogmatische Theologie konzentriert sich auf die Auferstehung und zeigt, wie die Jahrhunderte währende Existenz der Kirche in ihr begründet sind. Sie stellt die Auferstehung als ein Ereignis dar, welches nicht eigenständig ist, sondern jeden Gläubigen mit einbezieht, denn jeder Gläubige wird in Christus zur vollkommenen Unsterblichkeit gerufen. Die fundamentale Theologie sucht einerseits nach der historischen Grundlage der Erzählungen, damit jeder Mensch dem Kerigma begegnen kann; andererseits zeigt sie, dass dieses Ereignis Bestandteil der Offenbarung und selbst ein Zeichen der Offenbarung ist. Da wir nachfolgend von einer fundamentaltheologischen Betrachtungsweise ausgehen werden, werden den folgenden Ausführungen genau diese letzten beiden Aspekte zugrunde liegen und sie eingrenzen.

Das Auffälligste an den evangelischen Erzählungen und den Glaubensbekenntnissen der frühchristlichen Gemeinschaft ist die Einzigartigkeit der Auferstehung. Das Osterfest ist nicht irgendein Ereignis oder irgendein Wunder: Es ist das Ereignis, welches das Leben einiger Menschen und damit den Verlauf der Geschichte geändert hat. Die Einzigartigkeit dieses Umstands ist bereits Grund genug, diesen sowohl historisch als auch theologisch zu studieren. Die Auferstehung ist ein einmaliges Phänomen, welches historische Merkmale aufweist, die über die Geschichte hinausgehen. Die Auferstehung Jesu ist untrennbar in die Geschichte eingebettet und geht zugleich über die Geschichte hinaus. Sie unterscheidet sich darin von jedem anderen historischen Ereignis aus dem Leben Jesu, dass sie den Ausgangspunkt eines neuen Umgangs Jesu mit den Menschen darstellt. Die evangelischen Autoren beschreiben zwar Christus als einen Menschen mit menschlichen Eigenschaften, aber sie betonen, dass er nicht den Natur- und Menschengesetzen unterliegt: „Er offenbarte sich in anderer Gestalt", schreibt Markus wortkarg (16,12), was auf die Schwierigkeit hindeutet, anscheinend Gegensätzliches zu kombinieren.

Das Ostermysterium ist zwar einzigartig, aber nicht einmalig. Es ist das Ziel eines langen Wegs, welcher im Alten Testament anfing und in der Passion und in dem Tod Jesu endet. Die Auferstehung Jesu wird zum hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis der Aktion des Vaters und ihrer Logik. Die Versprechen des Vaters hatten die Geschichte des alten Volkes geprägt und werden in der Auferstehung des Sohnes – das letzte Versprechen – eingelöst. Der Vater verspricht, verwirklicht und hält sein Wort. Die Auferstehung Jesu von Nazareth ist ohne Gleichen: Es ist deshalb unmöglich, sie mit ähnlichen Ereignissen aus der Vergangenheit oder aus der Mythologie zu vergleichen. Sie ist das analogatum princeps, d.h. das Paradigma und Maßstab aller künftigen Auferstehungen. Das Ostermysterium bedeutet das Mysterium der Offenbarung Gottes, welches die Existenz und die Geschichte zu erhellen vermag. Die Einzigartigkeit dieses Ereignisses erlaubt uns, die Botschaft in uns selbst immer wieder neu zu erleben und Fleisch zu machen. Mit der Auferstehung können wir deutlich verstehen, was bedeutet, dass Gott den Menschen für immer von Tod befreit hat. (1 Kor 15,54-57). )