Die Identität des Priester und die damit verbundenen kulturellen Herausforderungen
Prof. Louis Aldrich, Taiwan
Um den Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen, benötigt der Priester ein klares Verständnis seiner Identität. Wie sieht diese spezifische Identität des Priesters aus? Wir können zunächst kurz festhalten, was er nicht ist: Weder Sozialarbeiter, noch Lehrer, Gelehrter, Berater oder sonst eine Art von Fachmann.
Seine Identität kann vielmehr nur in ihrer christologischen Dimension verstanden werden. Wenngleich sich seine Rolle angesichts der Herausforderungen der neuen Zeit verändert hat, „gibt es einen Wesenszug des Priesters, der sich nicht verändert: Der Priester von morgen muss nicht weniger als der von heute Christus ähnlich sein. Jesus zeigte, als er auf Erden lebte, aus sich selbst heraus das endgültige Gesicht des Priesters, [...] Auch im dritten Jahrtausend wird die priesterliche Berufung weiterhin der Ruf dazu sein, das einzige und ewige Priestertum Christi zu leben". (Pastores dabo vobis, 5)
Man kann die im wesentlichen "relationale" Kennzeichnung der Identität des Priesters so verstehen: „Durch das Priestertum, das der Tiefe des unaussprechlichen Geheimnisses Gottes, das heißt der Liebe des Vaters, der Gnade Jesu Christi und der Gabe der Einheit des Heiligen Geistes, entspringt, ist der Priester sakramental in die Gemeinschaft mit dem Bischof und mit den anderen Priestern eingebunden (24) um dem Volk Gottes, das die Kirche ist, zu dienen und alle zu Christus hinzuführen" (Pastores, 12)
Verwurzelt in einem klaren Verständnis seiner Identität, kann der Priester, den kulturellen Herausforderungen der heutigen Zeit entgegenzutreten: Es handelt sich hierbei sowohl um positive als auch um negative Herausforderungen. Positiv zu vermerken ist der große Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit, nach dem Schutz der Würde des Menschen, nach internationaler Zusammenarbeit und Solidarität. Zudem führt die fortwährende, rasante Weiterentwicklung in Wissenschaft und Technik, insbesondere in der Informationstechnologie zu einer positiven Interaktion der Kulturen. Außerdem bringt die Schwächung der Ideologien neue Möglichkeiten für die Evangelisierung und die Neuevangelisierung mit sich. Wir sehen in der modernen Kirche „ein leuchtendes Zeugnis des Martyriums seitens der Kirchen Mittel- und Osteuropas wie auch das Zeugnis der Treue und des Mutes anderer Kirchen, die noch immer um des Glaubens willen unter Verfolgungen und Bedrängnissen zu leiden haben."(Pastores, 6).
Neben diesen positiven Elementen der zeitgenössischen Kultur, die den Priester im Leben seiner Identität als ‚alter Christus’ herausfordern, bestehen auch machtvolle, negative Herausforderungen. Zu diesen gehören die folgenden: Der Rationalismus, der die Sensibilität für die göttliche Offenbarung schmälert; ein einsamer, autozentrierter Individualismus, der zu Hedonismus und Konsumorientierung führt, sowie zu einer steigenden Unfähigkeit zu menschlichen und göttlichen Beziehungen; die Angst, Entscheidungen zu treffen, die ein Leben lang verpflichtend sind; materieller Wohlstand und ein Gefühl des Selbstgenügens, der Autosuffizienz, wodurch viele Menschen denken, sie bräuchten Gott nicht; ein immer stärkerer Verfall der traditionellen Werte der Familie durch Empfängnisverhütung, Abtreibung und außerehelichen Geschlechtsverkehr. Innerhalb der Kirche bestehen folgende Herausforderungen: Das Monopol mit dem staatliche Schulen und die Massenmedien die Zeit der Jugendlichen binden, macht die Durchführung guter Katechese extrem schwierig; das falsche Verständnis von Ökumene und Pluralismus in der Theologie; ein mancherorts weitverbreitetes Fehlen der Loyalität gegenüber der Lehre des kirchlichen Lehramtes.
Wie kann der Priester den genannten Herausforderungen begegnen? Es ist nicht voraussehbar, wie der einzelne Priester, in Treue zu seiner Identität seinen persönlichen Herausforderungen begegnet, wir können jedoch festhalten, dass Lösungen nur dann möglich, sind, wenn er den trinitarischen und christologischen Gnaden, die er in der Priesterweihe erhalten hat, voll Rechnung trägt.