Charles de Foucauld
(1858 Straßburg – 1916 Hoggar)
Eines Tages
betrat ein junger Mann den Beichtstuhl der Saint-Augustin-Kirche in Paris,
beugte sich zum Prie- ster hin und sagte: "Herr Pfarrer, ich bin nicht
gläubig; ich möchte Sie um Unterweisung bitten." Der Priester musterte ihn
genau. "Knien Sie nieder und beichten Sie: Sie werden glauben." –
"Aber ich bin nicht deswegen gekommen." – "Beichten Sie!"
Der junge Mann spürte, dass die Vergebung für ihn eine Vorbedingung der
Erleuchtung war. Er kniete nieder und beichtete sein ganzes Leben. Als er die
Absolution für seine Sünden empfangen hatte, fragte der Priester: "Sind
Sie nüchtern?" – "Ja." – "So gehen Sie zur Kommunion!"
Der junge Mann ging sogleich zum Tisch des Herrn; es wurde seine "zweite
Erstkommunion" ... All das geschah Ende Oktober 1886. Der für seine Kunst
der Seelenführung berühmte Priester war Pfarrer Huvelin; der 28-jährige junge
Mann hieß Charles de Foucauld.
Charles wurde am 15. September
1858 in Straßburg in einer sehr christlichen Familie geboren; im Jahre 1864
verlor er nacheinander erst seine Mutter, dann seinen Vater. Er wurde zusammen
mit seiner einzigen Schwester Marie seinem Großvater, Herrn de Morlet,
anvertraut, einem pensionierten Oberst. Der warmherzige, lebhafte und fleißige Junge
wurde vom Großvater, der seine Zornausbrüche insgeheim mit Nachsicht und als
Zeichen von Charakter betrachtete, nach Strich und Faden verwöhnt. Herr de
Morlet und die beiden Kinder zogen 1872 nach Nancy. Dort nahm Charles die
Gewohnheit an, neben der Schule wahllos alles Mögliche durcheinander zu lesen.
Am Ende seiner Schulzeit hatte er jeden Glauben verloren; "und das war
nicht das einzige Übel", bekannte er später. "Man wirft die Kinder in
die Welt, ohne ihnen die notwendigen Waffen zur Bekämpfung der Feinde zu geben,
auf die sie in sich und um sich treffen und die in großer Zahl auf sie warten.
Die christlichen Philosophen haben seit langem und so klar viele der Fragen
beantwortet, die jeder junge Mann sich fieberhaft stellt, ohne zu ahnen, dass die
einleuchtende und schlichte Antwort nur zwei Schritte von ihm entfernt
liegt!" Charles bestand später nachdrücklich darauf, dass seine Neffen von
christlichen Lehrern erzogen werden: "Ich habe keinen einzigen schlechten
Lehrer gehabt; doch die Jugend muss nicht von neutralen, sondern von gläubigen
und heiligen Menschen erzogen werden, die ihren Glauben erklären und den jungen
Menschen ein festes Vertrauen in die Wahrheit dieses Glaubens vermitteln
können."
Voller
Pietätlosigkeit, voller Streben nach dem Bösen
Als wissbegieriger,
genussbereiter und dennoch trauriger Abiturient fuhr Charles nach Paris, um
sich für die Aufnahmeprüfung auf die Militärakademie von Saint-Cyr
vorzubereiten. Er selbst sagte später über sich, er sei voller Egoismus,
Eitelkeit, Pietätlosigkeit, voller Streben nach dem Bösen gewesen. Er war so
faul, dass er im zweiten Vorbereitungsjahr von der Schule flog.
Nichtsdestoweniger schaffte er 1876 als einer der letzten die Aufnahmeprüfung.
1878 wechselte er auf die Kavallerieschule nach Saumur, wo er, wie ein Freund
sagte, "das Leben eines milden Epikureers führte": Er lebte auf
großem Fuß, kleidete sich mit extremer Sorgfalt und organisierte ein Fest nach
dem anderen. Sein Onkel war darüber so empört, dass er seinem Neffen zu dessen
großem Ärger eine gerichtliche Verwarnung erteilen ließ. 1880 reiste
Unterleutnant de Foucauld mit seinem Regiment nach Algerien. Dort gesellte sich
eine junge Frau zu ihm, die sich als seine Ehefrau ausgab. Als seine
Vorgesetzten dahinter kamen, dass das nicht stimmte, baten sie ihn, seine
Gefährtin nach Frankreich zurückzuschicken. Charles lehnte das entschieden ab.
Die Strafe ließ nicht auf sich warten: Er wurde wegen Disziplinlosigkeit und
liederlichen Lebenswandels in den Wartestand versetzt. Bald kam es in Algerien
zu einem Aufstand des Muslimführers Bou-Amama. Foucauld konnte den Gedanken
nicht ertragen, dass seine Kameraden ohne ihn kämpfen, Lorbeeren ernten und
Gefahren bestehen würden. Er setzte durch, dass er sich seinem Regiment
anschließen konnte. "Inmitten der Gefahren und Entbehrungen für die
Expeditionskolonnen erwies er sich als wahrer Soldat und Anführer", sagte
einer seiner Freunde, General Laperrine, über ihn.
Er war nun 24 Jahre alt und
fühlte sich von der Atmosphäre des Maghrebs angezogen. Er nahm seinen Abschied
von der Armee und stürzte sich in eine überaus schwierige Expedition: die
Erforschung Marokkos, eines damals vor allem für Christen sehr unzugänglichen
Landes. In Begleitung eines in Marokko geborenen jüdischen Rabbiners überquerte
Charles, der sich selbst auch als Rabbiner ausgab, im Juni 1883 die
marokkanische Grenze. Er reiste elf Monate lang durch Marokko; mehrere in den
Falten seiner Kleider verborgene Messinstrumente verhalfen ihm zu Beobachtungen
und Aufzeichnungen über das damals noch unerforschte Land, wobei er ständig
Todesgefahr lief. 1884 kehrte er reich an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die
er in seinem Buch Erkundung in Marokko niederlegte, nach Frankreich
zurück; das Werk verhalf ihm bald zu hohem wissenschaftlichem Ansehen.
Von seiner Familie wurde er
freudig und liebevoll aufgenommen. Charles war nach wie vor davon bewegt, was
er in Nordafrika gesehen hatte, insbesondere vom ständigen Anrufen Gottes. Die
ganze religiöse Ausrichtung des muslimischen Lebens führte ihn zu der
Erkenntnis: "Und ich bin ohne Religion!" Er dachte sogar daran, zum
Islam überzutreten; doch bereits bei der ersten Beschäftigung mit der Religion
Mohammeds schien sie ihm nicht das Wahre zu sein, da sie "zu
materiell" sei. Trotz seines angenehmen Lebens wuchs seine Traurigkeit
immer weiter. In seinen Mußestunden las er Bücher heidnischer Philosophen: Ihre
Antworten kamen ihm armselig vor.
"Niemand
konnte Ihmden letzten Platz streitig machen"
Dank einer Fügung der Vorsehung
traf Charles an einem Abend des Jahres 1886 Pfarrer Huvelin bei seiner Tante
Moytessier. Die Zuneigung dieses Mannes Gottes zu den Sündern rührte auch die
Gleichgültigsten; er dachte für sie an die entscheidende Stunde, in der über
sie gerichtet wird und sie für immer verdammt werden, wenn sie sich nicht
bekehren. An jenem Abend blieb die Unterhaltung der beiden Männer banal; doch
die Vorsehung ließ daraus bald die Beichte erwachsen, und diese führte zu einem
völligen Wandel im Leben Foucaulds. Im November 1888 schiffte sich Charles in
Richtung Heiliges Land ein und bereiste es vier Monate lang. Vor allem von
Nazareth war er begeistert; er dachte an denjenigen, der 30 Jahre dort gelebt
hatte und von dem Pfarrer Huvelin sagte: "Unser Herr hat so sehr den
letzten Platz eingenommen, dass niemand ihm diesen streitig machen
konnte." Nach seiner Heimkehr halfen ihm Exerzitien, seine Berufung zu
entdecken: Gott berief ihn zu einem Leben als Trappistenmönch. Er verließ sein
Hab und Gut und reiste Ende 1889 in das Trappistenkloster von Notre-Dame des
Neiges im südlichen Zentralmassiv. Am 26. Januar 1890 verlieh ihm der Pater Abt
die Tracht zusammen mit dem Namen Bruder Albéric.
Mit seinen 32 Jahren fügte sich
Bruder Albéric mühelos in das Klosterleben ein; einzig der Gehorsam fiel seiner
stolzen Natur schwer. In seinen Kämpfen sah er sich von seiner ursprünglichen
Absicht gestützt: "Ich wollte ins Kloster gehen, um unserem Herrn in
seinen Leiden Gesellschaft zu leisten. Jesus hält mich in seiner Hand, versetzt
mich in seinen Frieden und verjagt die Traurigkeit, sobald sie mich überkommen
will." Am 27. Juni 1890 verwirklichte Bruder Albéric einen Plan, von dem
er bereits bei seiner Ankunft dem Abt gegenüber gesprochen hatte: Er begab sich
in ein sehr armes Kloster nach Syrien, in das Trappistenkloster von Akbes, um
dort unerkannt und noch ärmlicher zu leben und zugleich dem Heiligen Land näher
zu sein, wo der Sohn Gottes gewirkt und gelitten hatte. Die Mönche lebten dort
inmitten einer aus Kurden, Syrern, Türken und Armeniern zusammengesetzten Bevölkerung,
die ein "braves, fleißiges und ehrliches Volk" hätte sein können,
"wenn es gebildet, gelenkt und vor allem bekehrt wäre", schrieb er.
"Es ist an uns, diesen Völkern eine Zukunft zu geben. Die Zukunft, die
einzig wahre Zukunft ist das ewige Leben: Dieses Leben ist nur die kurze
Prüfung, die auf das zukünftige Leben vorbereitet ... In muslimischen Ländern
zu predigen, ist schwer, doch die Missionare so vieler Jahrhunderte sind mit
vielen, ganz anderen Schwierigkeiten fertig geworden. Geben wir ihnen das
Beispiel eines vollkommenen Lebens, eines höheren und göttlichen Lebens."
1892, einige Monate nach seiner
Profess, erhielt Bruder Albéric den Auftrag, im Blick auf das Priesteramt
Theologie zu studieren. Trotz seines "extremen Widerwillens" gegen alles,
was ihn vom letzten Platz fernhielt, den zu suchen er gekommen war, machte er
sich an die Arbeit. Gleichzeitig eröffnete er dem Pater Generalabt, dass er
sich ständig nach einer noch bescheideneren Lebensführung außerhalb des
Zisterzienserordens sehnte. Der Pater Abt berief ihn nach Rom, damit er zwei
Jahre dort studierte. Bruder Albéric gehorchte und kam im Oktober 1896 dort an.
Doch bereits im Januar des kommenden Jahres gab ihm der Generalabt die
Erlaubnis, den Trappistenorden zu verlassen und dem Ruf Gottes zu folgen.
"Du hat das
gewirkt, mein Gott"
Bruder Charles de Jésus, wie er
sich fortan nannte, kehrte nach Nazareth zurück. Er wurde in einem
Klarissenkloster als Dienstbote angestellt: "Ich genieße das unendlich,
arm, wie ein Arbeiter gekleidet und in jener niedrigen Stellung beschäftigt zu
sein, die auch Jesus innegehabt hatte." Er verbrachte lange Stunden in
Anbetung vor dem Allerheiligsten Sakrament. Eines Tages machte er mit folgenden
Dankesworten seinem Herzen Luft: "Mein Gott, wir alle müssen deine
Barmherzigkeit preisen, wir alle, die wir für die ewige Herrlichkeit erschaffen
worden und durch das Blut Jesu erlöst worden sind ... wenn wir alle das müssen,
um wieviel mehr ich, ich, der ich von Kindheit an mit so viel Gnade umgeben war
als Sohn einer heiligen Mutter, die mir beigebracht hatte, dich zu kennen, dich
zu lieben und dich anzubeten, sobald ich ein Wort verstehen konnte! Und die
Katechismen, die ersten Beichten ... und dann, nach einer langen und guten
Vorbereitung, die Erstkommunion!
"Als ich trotz all dieser
Gnade begann, mich von dir zu entfernen, mit wie viel Sanftmut riefst du mich
zu dir zurück durch die Stimme meines Großvaters, mit wie viel Barmherzigkeit
hindertest du mich daran, den letzten Exzessen zu verfallen, indem du in meinem
Herzen die Zuneigung zu ihm bewahrtest! Aber trotz all dem habe ich mich
entfernt, immer mehr entfernt von dir, von dir; und so begann mein Leben ein
Tod zu sein, oder vielmehr war es schon ein Tod in deinen Augen. Und in diesem
Zustand des Todes hast du mich noch einmal bewahrt: Aller Glaube war
verschwunden, doch der Respekt und die Hochachtung vor der Religion waren
unversehrt geblieben.
"Durch die Umstände zwangst
du mich, keusch zu sein, und bald nachdem du mich im Winter 1886 zu meiner Familie
in Paris zurückgeführt hattest, wurde mir die Keuschheit ein süßes
Herzensanliegen. Du hast das bewirkt, mein Gott, du allein; ich habe nichts
dazu getan! Das war nötig, um meine Seele auf die Wahrheit vorzubereiten; eine
unkeusche Seele wird zu sehr vom Dämon beherrscht, als dass die Wahrheit in sie
gelangen könnte. Du konntest nicht in eine Seele treten, mein Gott, in der der
Dämon unreiner Leidenschaften als Herr regierte. Mein Gott, wie soll ich deine
Barmherzigkeit lobpreisen!
Eine gütige Seele half dir,
allerdings eher durch ihr Schweigen, ihre Milde und ihre Vollkommenheit; sie
war sichtbar, sie war gut, doch sie handelte nicht. Du, mein Jesus, mein
Heiland, du hast alles bewirkt, innen wie außen. Du hast mir vier Gnadengaben
geschenkt. Die erste war die Eingebung des folgenden Gedankens: Wenn diese
Seele so intelligent ist, kann die Religion, an die sie glaubt, nicht eine
solche Dummheit sein, wie ich denke. Die zweite war die Eingebung dieses
anderen Gedankens: Da die Religion keine Dummheit ist, liegt vielleicht die
Wahrheit in ihr, da sie in keiner anderen Religion auf Erden liegt, und auch in
keinem philosophischen System? Die dritte war, dass ich mir sagte: Dann wollen
wir diese Religion untersuchen; nehmen wir doch einen Lehrer in katholischer
Religion, einen gebildeten Priester, und schauen wir mal, was dran ist. Die
vierte war die unvergleichliche Gnade, mich zu Pfarrer Huvelin zu führen. Und
seither, mein Gott, folgte eine Gnade auf die andere ... Wie eine immer weiter
steigende Flut!"
Eine Messe mehr
jeden Tag
Der Ruf der Heiligkeit von Bruder
Charles verbreitete sich ohne sein Wissen. Die Äbtissin der Klarissen von
Jerusalem hielt ihn dazu an, sich auf das Priestertum vorzubereiten. Um seinen
Widerstand zu überwinden, machte sie ihn darauf aufmerksam, dass es jeden Tag
eine Messe mehr auf der Erde gäbe, wenn er Priester wäre. Wenn er Gaben
mitbekommen hätte, so seien sie doch nicht nur für ihn allein? Dieses Argument
erschütterte ihn; den Rest besorgte eine Antwort von Pfarrer Huvelin. Bruder
Charles wurde am 9. Juni 1900 in Viviers in Frankreich Priester. Was sollte er
nun tun? Mit Zustimmung des Bischofs von Viviers sowie Pfarrer Huvelins wollte
er den als sehr vernachlässigt geltenden Völkern der Sahara das Evangelium
bringen.
Das Leben von Pater Charles de
Jésus spielte sich fortan in der Wüste ab: zunächst in Beni-Abbes im Süden
Orans, später in Tamanrasset im Bergmassiv Hoggar, 1500 km südlich von Algier.
Er war sich dessen bewusst, dass er zweifellos der erste Priester in der Geschichte
war, der an diesen Orten wohnte und die heilige Messe zelebrierte. Sein Ziel
bestand darin, die Herzen der Muslime – zunächst der Araber, dann der Tuaregs –
zu öffnen, indem er einen ersten Kontakt mit der christlichen Zivilisation und
mit einem Priester herstellte, damit sie später dann von Missionaren im
eigentlichen Sinne des Wortes evangelisiert werden konnten. Er zeigte ihnen
gegenüber eine großherzige und uneigennützige Nächstenliebe, erzählte ihnen von
Gott und lehrte sie die Gebote der Naturreligion.
Es wurde behauptet, Pater de
Foucauld predige nicht den katholischen Glauben und beschränke sich auf eine
stumme Gegenwart inmitten der Muslime. General Laperrine, der ihm öfters in der
Sahara begegnet war, war darüber bereits verärgert; "Und seine Reden! Und
seine Kleidung!", notierte er in sein Tagebuch. Klopfte jemand an die Tür
seiner Einsiedelei, erschien Bruder Charles, die Augen voll heiterer
Gelassenheit, mit ausgestreckten Händen und eingehüllt in eine sogenannte weiße
Gandura, auf die ein rotes Herz mit einem Kreuz darüber aufgenäht war. Dieses
Bild des Heiligsten Herzens Jesu verkündete den Glauben des weißen Mannes; sein
ganzes Leben legte Zeugnis vom Evangelium ab. Die Eingeborenen waren sich
dessen wohl bewusst. In einem Bericht an den apostolischen Präfekten für die
Sahara schrieb Bruder Charles: "Für die Sklaven (Sklaverei war damals in
der Wüste gängige Praxis) habe ich ein kleines Zimmer, in dem ich sie
versammele; nach und nach bringe ich ihnen bei, zu Jesus zu beten ... Arme Reisende
finden in der Bruderschaft ebenfalls einen bescheidenen Unterschlupf sowie ein
ärmliches Mahl zusammen mit einem freundlichen Empfang und einigen Worten, die
sie zum Guten und zu Jesus hinführen sollen." An einen Freund schrieb er:
"Mir blutet das Herz, wenn ich die Dorfkinder sehe, immer auf Abenteuer
aus, ohne Beschäftigung, ohne Bildung, ohne religiöse Unterweisung ... Ein paar
Schwestern der Christlichen Nächstenliebe könnten mit Gottes Hilfe in kurzer
Zeit das ganze Land Jesus schenken."
Ein Rezept gegen
die Traurigkeit
Schon seit langem träumte er
davon, eine Gemeinschaft um sich zu scharen, die "Kleinen Brüder des
Heiligsten Herzens Jesu", die als Missionare Jesus unter diesen vielen
Völkern, die den einzigen Erlöser nicht kannten, bekannt und beliebt machen
würden. Es kommen aber keine Kandidate zu diesem allzu harten Leben. Er schrieb
dennoch: "Augenblicklich befinde ich mich in einem großen Frieden. Das
wird so lange dauern, wie Jesus will. Ich habe das Allerheiligste Sakrament,
die Liebe Jesu; andere haben die Erde, ich habe den Lieben Gott. Wenn ich
traurig bin, habe ich folgendes Rezept: Ich bete die glorreichen Geheimnisse
des Rosenkranzes und sage mir: Was macht es schon aus, dass mir elend ist und
nichts von dem Guten eintrifft, das ich wünsche? All das hindert meinen
geliebten Jesus, der tausendmal mehr das Gute will als ich, nicht daran, selig
zu sein, ewig und unendlich selig!"
Beim Ausbruch des Ersten
Weltkrieges wohnte der Pater bereits seit neun Jahren im Hoggar. Von den sechs
Tuaregstämmen, unter denen er lebte, hatten drei ihre Unterwerfung unter
Frankreich erklärt und hielten dem Land die Treue; die anderen aber nutzten den
europäischen Konflikt, um sie rebellisch zu machen. Sie kannten den
entscheidenden Einfluss des Eremiten auf die Hoggar-Tuaregs. "Tamanrasset
hat großes Interesse am Verbleib Pater de Foucaulds", schrieb ein
französischer Arzt im Januar 1914. "Er hat sich durch seine Güte, seine
Heiligkeit und sein Wissen großes Ansehen bei der Bevölkerung erworben."
Der Pater wurde zur Zielscheibe der Aufständischen, die einen Anschlag auf ihn
organisierten. Am 1. Dezember 1916 näherten sie sich lautlos dem kleinen
befestigten Anwesen, das dieser bewohnte, und klopften an die Tür. Der Eremit
öffnete arglos, wurde überwältigt und gefesselt. Da er alles durchschaute, war
er auf den Tod gefasst. Endlich war der so herbeigesehnte Augenblick der
Vereinigung mit seinem geliebten Herrn gekommen! "Nehmen wir alle
Beleidigungen, alle Schläge, Verletzungen, ja den Tod hin", hatte er einmal
geschrieben, "und beten wir für die, die uns hassen, nach dem Vorbild
Jesu, und zwar ohne anderes Motiv und ohne anderen Nutzen, als dass wir dadurch
Jesus unsere Liebe erklären."
Von zwei frankreichtreuen
Soldaten überrascht, gerieten die Verschwörer in Panik. Derjenige, der den
Pater bewachte, schoss diesem aus nächster Nähe eine Kugel in den Kopf. Pater
Charles de Foucauld glitt langsam die Wand hinab und sank in sich zusammen: Er
war tot, Opfer seiner großen Liebe zu diesen Völkern, unter denen das Licht des
Glaubens noch nie geleuchtet hatte. Erst am 21. Dezember konnte Kompaniechef de
La Roche, der Kommandant des Hoggar-Gebiets, nach Tamanrasset reisen. Er setzte
ein Holzkreuz auf das Grab des Paters und betrat dann die befestigte
Einsiedelei, die von den Banditen geplündert worden war. Er fand den Rosenkranz
des Paters, einen feinen, von ihm mit der Feder auf Holzbrettchen gezeichneten
Kreuzweg sowie ein Holzkreuz mit einem ebenfalls wunderschönen Christusbild ...
Eine Monstranz im
Sand
Als der junge Offizier mit dem
Fuß den Boden etwas aufwühlte, entdeckte er eine winzig kleine Monstranz im
Sand, in der noch die heilige Hostie eingeschlossen war. Er hob sie respektvoll
auf, wischte sie ab und hüllte sie in ein Tuch. Als der Moment zum Aufbruch aus
Tamanrasset kam, stellte er sie vor sich auf den Sattel seines Kamels und legte
so die 50 km Distanz nach Fort-Motylinski zurück: Das war die erste Prozession
des Allerheiligsten Sakraments in der Sahara! Unterwegs erinnerte sich de La
Roche an eine Unterhaltung mit Pater de Foucauld: "Wenn Ihnen ein Unglück
widerfahren sollte", hatte er den Pater gefragt, "was soll dann mit
dem Allerheiligsten Sakrament geschehen?" – "Es gibt zwei Lösungen:
einen Akt der vollkommenen Reue tun und sich selbst die Kommunion spenden; oder
aber die geweihte Hostie mit der Post den Weißen Vätern zusenden." Der
Offizier konnte sich nicht für den zweiten Weg entscheiden. So rief er einen
Unteroffizier zu sich, einen ehemaligen Seminaristen und eifrigen Christen, zog
sich weiße, noch nie benutzte Handschuhe an und öffnete den Hostienbehälter der
Monstranz. Darin lag die Hostie, wie sie der Pater geweiht und angebetet hatte.
Die beiden jungen Männer fragten einander: "Sollen Sie sie empfangen oder
ich?" Schließlich kniete der Unteroffizier nieder und empfing die
Kommunion.
In Beni-Abbes hatte Charles sich
einen Lebensablauf zugelegt, in dem das Gebet den wichtigsten Platz einnahm:
Heilige Messe und Danksagung, Brevier, Kreuzweg, Rosenkranz usw. Doch an
allererster Stelle kam die Anbetung der Allerheiligsten Eucharistie: Er widmete
ihr dreieinhalb Stunden täglich, verteilt auf drei stille Andachten. In seinem
Tagebuch steht zu lesen: "Mai 1903 – Heute ist es dreißig Jahre her, dass
ich meine Erstkommunion begangen, dass ich den lieben Gott zum ersten Mal
empfangen habe. Und heute halte ich Jesus in meinen armseligen Händen! Er
begibt sich in meine Hände! Und heute erfreue ich mich Tag und Nacht am
heiligen Tabernakel, ich besitze Jesus sozusagen für mich allein! Heute weihe
ich jeden Morgen die Heilige Eucharistie und spende mit ihr jeden Abend den
Segen!"
Durch seine glühende Liebe zur
Hostie Jesus nahm Bruder Charles den Aufruf vorweg, den hundert Jahre später
Papst Johannes-Paul II. an die ganze Kirche richtete: "Meine lieben Brüder
und Schwestern, hier ist der Schatz der Kirche ... In der Eucharistie haben wir
Jesus, haben wir sein Erlösungsopfer, haben wir seine Auferstehung, haben wir
die Gabe des Heiligen Geistes, haben wir die Anbetung, den Gehorsam und die
Liebe zum Vater. Würden wir die Eucharistie vernachlässigen, wie könnten wir
unserer Armut abhelfen? Im demütigen Zeichen von Brot und Wein, die in seinen
Leib und in sein Blut wesensverwandelt werden, geht Christus mit uns; er ist
unsere Kraft und unsere Wegzehrung, er macht uns für alle zu Zeugen der
Hoffnung" (Ecclesia de Eucharistia, 17. April 2003, Nr. 59; 60;
62).
Charles de Foucauld, der am 13.
November in Rom seliggesprochen wurde, liebte die Eucharistie, als sähe er
darin den gegenwärtigen Christus mit eigenen Augen. Bitten wir ihn, in unseren
Seelen eine immer glühendere Liebe zu demjenigen zu entfachen, der mitten unter
uns bleiben will, um unser Vertrauter, unser Beistand, unser wahrer und treuer
Freund zu sein.
Dom Antoine Marie osb
http://www.clairval.com/lettres/de/2005/12/28/1281205.htm